Lebenserwartung/Fachartikel
Weltweit unterscheiden sich Männer und Frauen hinsichtlich ihrer Lebenserwartung. In 186 von 191 Staaten sterben Männer früher als Frauen. Obgleich die menschliche Lebenserwartung jedes Jahr anwächst, leben Frauen durchschnittlich immer noch länger als Männer. Zweifelsohne sind die Ursachen für diesen sexuellen Dimorphismus multifaktoriell und wurde bereits aus soziologischer wie auch biologischer Perspektive untersucht. Der Unterschied in der Lebenserwartung variiert dabei beträchtlich. In den meisten Industrieländern besitzen Frauen im Vergleich zu Männern eine um sechs bis acht Jahre höhere Lebenserwartung. In Schweden beträgt diese mittlere Differenz jedoch nur vier Jahre. Dagegen leben Männer in Russland durchschnittlich 13 Jahre kürzer als Frauen. Eine entscheidende Rolle spielen dabei kulturelle Unterschiede, die die Geschlechterrollen maßgeblich beeinflussen und die Lebenserwartung erhöhen oder senken können (in Russland gehört übermäßiger Alkoholkonsum zur stereotyp männlichen Rolle dazu).[1] Aber auch biologische Faktoren (Gene und Geschlechtshormone) verhindern eine Anpassung der männlichen an die weibliche Lebenserwartung.[2]
Konkrete Gründe für die durchschnittlich höhere Lebenserwartung bei Frauen werden in zahlreichen Studien exploriert. Viele Erklärungen beziehen sich auf das Gesundheitsverhalten (z. B. Nikotin- und Alkoholkonsum), einen risikoreicheren Lebensstil, körperlich schädlichere Arbeit, die Höhe des Stresslevels und der Gewalttätigkeit auf Seiten der Männer. Sie berücksichtigen damit vor allem die soziale Komponente von Geschlecht. Im Zuge der weiblichen Emanzipation hat sich die Lebensweise von Frauen verändert (z. B. das Rauchverhalten und schädlichere und stressreichere Arbeit) und damit sollten Unterschiede bezüglich der Lebenserwartung zumindest teilweise verschwinden. Neben external-sozialen Faktoren spielen jedoch Unterschiede im biologischen Geschlecht eine wichtige Rolle: Dabei scheinen sowohl genetische Faktoren als auch Geschlechtshormone involviert zu sein. Ein entscheidender genetischer Faktor ist die Inaktivierung eines der zwei X-Chromosomen in den weiblichen Zellen. Als Positivfolge kann es bei dysfunktionalen Gene zur Repression und bei günstigen Genen zur Expression kommen. Bezüglich der Geschlechtshormone scheint das Östrogenlevel den weiblichen Körper in einem besseren Zustand zu halten und unter anderen zu einer längeren Funktionstüchtigkeit des Immunsystems zu führen. Dabei können Geschlechtshormone auf zwei Wegen Einfluss nehmen: Durch strukturelle Effekte, die während kritischer Perioden in der Entwicklung des menschlichen Körpers stattfinden (wie in der fetalen Entwicklung, der frühen Kindheit und der Pubertät). Sowie durch zeitliche Effekte, die aufgrund eines Anstieges hormoneller Level auftreten und nachlassen, sobald die Hormonkonzentration absinkt. Diese hormonellen Unterschiede führen letztlich zu einem günstigeren Ergebnis für Frauen in Bereichen wie der Immunfunktion, der oxidativen Stressreaktion und dem antioxidativen Status, dem Lipoproteinmetabolismus, der Fettspeicherung sowie der Stressantwort via HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse). Eine Kombination dieser Faktoren kann dann eine Determinante für die höhere Lebenserwartung bei Frauen bilden.Von einer Annäherung der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen ist nicht auszugehen.[3] Vielmehr ist mit einer zunehmenden Feminisierung der Altersgesellschaft zu rechnen, die weitreichende Folgen für die Gesellschaft haben wird.[4]
Literatur[Bearbeiten]
- Kindler-Röhrborn A, Pfleiderer B. Gendermedizin - Modewort oder Notwendigkeit?: - Die Rolle des Geschlechts in der Medizin. XX 2012; 1(03):146–52.
- Janssen SM, Lagro-Janssen, Antoine L M. Physician's gender, communication style, patient preferences and patient satisfaction in gynecology and obstetrics: a systematic review. Patient education and counseling 2012; 89(2):221–6.
- Seifarth JE, McGowan CL, Milne KJ. Sex and life expectancy. Gender medicine 2012; 9(6):390–401.
- Müller-Werdan U. Geschlechterunterschiede in der Altersmedizin. Berlin: Charité Universitätsmedizin Berlin; 2015.
Lizenz[Bearbeiten]
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Autoren[Bearbeiten]
Julia Schreitmüller
Zuletzt geändert: 2017-10-10 11:34:27
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