Substanzgebrauchsstörungen/Fachartikel: Unterschied zwischen den Versionen

(Inzidenz/Prävalenz)
 
(473 dazwischenliegende Versionen von 3 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
  
 +
<br>
  
<vote type = 1 />
+
Der folgende Artikel befasst sich mit Geschlechterunterschieden bei Substanzgebrauchsstörungen. Geschlechterübergreifende Inhalte erhalten Sie zum Beispiel bei [https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen_und_Sucht/Berichte/Forschungsbericht/Substanzkonsum_und_Substanzbezogene_Stoerungen_SUCHT59_6.pdf Papst et al. (2012)].
  
 +
== Epidemiologie ==
  
== Epidemiologie ==
 
 
=== Inzidenz/Prävalenz ===
 
=== Inzidenz/Prävalenz ===
In Deutschland sind etwa 31,2 % der Männer und 15,2 % der Frauen in ihrem Leben mindestens
 
einmal von einer Substanzabhängigkeit betroffen.<ref>Schmidt, C. O., Watzke, A. B., Schulz, A., Baumeister, S. E., Freyberger, H. J. & Grabe, H. J. (2013) Die Lebenszeitprävalenz psychischer Störungen in Vorpommern. Welchen Einfluss haben frühere psychische Auffälligkeiten auf die Survey-Teilnahme und Prävalenzschätzungen? Ergebnisse der SHIP-Studie. Psychiatrische Praxis, 40, 192–199</ref> Die höhere Rate an jemals betroffenen männlichen Personen spiegelt sich auch in aktuellen Umfragen wider: Für die meisten Substanzen ist die Prävalenz des allgemeinen, riskanten oder Abhängigkeits-indizierenden Konsums bei Männern höher als bei Frauen, wobei sich für einige Substanzen Angleichungstendenzen
 
ausfindig machen lassen.<ref>Pabst, A., Kraus, L., De Matos, E. G., & Piontek, D. (2013). Substanzkonsum und substanzbezogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht, 59(6), 321–331.</ref>
 
Die Dominanz des männlichen Geschlechts hinsichtlich der meisten Substanzen äußert sich zumeist erst in Kohorten des jungen Erwachsenenalters. Darüber
 
hinaus konsumieren sie meist auch eine größere Menge derselben Droge. Die
 
Geschlechtsunterschiede zeigen sich in dem Bereich des höchsten angegebenen Konsums am
 
deutlichsten. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass sich die Prävalenzen (insbesondere beim
 
Rauchen) wieder annähern, d. h. in jüngeren Kohorten sind die Geschlechtsunterschiede am
 
geringsten, in älteren Kohorten am höchsten. Dementsprechend liegt es nahe anzunehmen, dass
 
diese Kohorteneffekte kulturelle Wandlungen widerspiegeln, welche Drogen insbesondere für
 
Frauen verfügbarer machen. Es kann aber auch argumentiert werden, dass die Unterschiede in den
 
Kohorten stabile Werte über verschiedene Lebensabschnitte darstellen, weshalb weitere Forschung
 
nötig ist.<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref>
 
  
Die 12-Monats-Prävalenzen der Abhängigikeit (nach DSM-IV) von legalen und illegaler Substanzen sind Grafik 1 und 2 zu entnehmen.
+
Einer Studie von 2013 zufolge sind in Deutschland 31.2 Prozent der Männer und 15.2 Prozent der Frauen in ihrem Leben mindestens einmal von irgendeiner Substanz abhängig.<ref>Schmidt, C. O., Watzke, A. B., Schulz, A., Baumeister, S. E., Freyberger, H. J. & Grabe, H. J. (2013) Die Lebenszeitprävalenz psychischer Störungen in Vorpommern. Welchen Einfluss haben frühere psychische Auffälligkeiten auf die Survey-Teilnahme und Prävalenzschätzungen? Ergebnisse der SHIP-Studie. Psychiatrische Praxis, 40, 192–199</ref> Die deutlich höhere Prävalenz an jemals betroffenen männlichen Personen ergibt sich für verschiedene aktuelle Erhebungen: So ist die Prävalenz des allgemeinen, riskanten oder abhängigkeitsinduzierten Konsums für die meisten Substanzen  bei Männern höher als bei Frauen, wobei sich für einige Substanzen Angleichungstendenzen zeigen.<ref name="Pabst">Pabst, A., Kraus, L., De Matos, E. G., & Piontek, D. (2013). Substanzkonsum und substanzbezogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht, 59(6), 321–331.</ref> Die höhere Prävalenz des männlichen Geschlechtes hinsichtlich der meisten Substanzen äußert sich i. d. R. erst in Kohorten des jungen Erwachsenenalters. Darüber hinaus konsumieren Männer meist eine größere Menge derselben Substanz. So zeigen sich Geschlechtsunterschiede in dem Bereich des höchsten angegebenen Konsums am deutlichsten. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass sich die Prävalenzen beider Geschlechter  (insbesondere beim Rauchen) annähern, d. h. in jüngeren Kohorten sind die Geschlechtsunterschiede am geringsten, in älteren Kohorten am höchsten. Vermutet werden kann, dass diese Kohorteneffekte einen kulturellen Wandel widerspiegeln. War Rauchen bei Frauen früher  nicht gut angesehen, ist es heutzutage gesellschaftlich akzeptiert.  Zu überprüfen gilt, ob es sich tatsächlich um ein kulturelles Phänomen handelt oder ob die Unterschiede in den Kohorten stabile Werte über verschiedene Lebensabschnitte darstellen. Weitere Forschung ist diesbezüglich nötig.<ref name="Kuhn">Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref>
 +
 
 +
Die 12-Monats-Prävalenzen der Abhängigkeit (nach DSM-IV) von legalen und illegaler Substanzen sind Grafik 1 und 2 zu entnehmen.<br>
 +
 
 
Substanzspezifische epidemiologische Daten erhalten Sie unter nachfolgenden Links:
 
Substanzspezifische epidemiologische Daten erhalten Sie unter nachfolgenden Links:
* [[Alkoholabhängigkeit/Fachartikel | Alkoholabhängigkeit]]
+
 
 +
* [[Alkoholabhängigkeit/Fachartikel  | Alkoholabhängigkeit]]
 +
 
 
* [[Nikotinabhängigkeit/Fachartikel | Nikotinabhängigkeit]]
 
* [[Nikotinabhängigkeit/Fachartikel | Nikotinabhängigkeit]]
 +
 
* [[Kokainabhängigkeit/Fachartikel | Kokainabhängigkeit]]
 
* [[Kokainabhängigkeit/Fachartikel | Kokainabhängigkeit]]
 +
 
* [[Cannabisabhängigkeit/Fachartikel | Cannabisabhängigkeit]]
 
* [[Cannabisabhängigkeit/Fachartikel | Cannabisabhängigkeit]]
  
 +
[[File:59d73fd9f3843.png|600px|class=img-responsive]]<br>
  
[[Datei:Legale Substanzen.png|thumb|left|550px|<small> '''Grafik 1. 12-Monats-Prävalenz der Abhängigkeit legaler Substanzen. Störungen nach DSM-IV,unterteilt nach Männern und Frauen.''' [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Pabst et al. (2013)] </small>]]
+
<small><b>'''Grafik 1. 12-Monats-Prävalenz der Abhängigkeit von Alkohol und Nikotin (nach DSM-IV); n = 9084, Alter: 18-64 ''' [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Pabst et al. (2013)] </b></small>
  
 +
[[File:59d73fdaa0ad6.png|600px|class=img-responsive]]<small><b><br></b></small>
 +
 +
<span style="font-size: 11.9px;"><b>'''Grafik 2. 12-Monats-Prävalenz der Abhängigkeit von Cannabis, Kokain und Amphetaminen (nach DSM-IV); n = 9084, Alter: 18-64''' [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Pabst et al. (2013)] </b></span>
  
[[Datei:Illegale Substanzen.png|thumb|left|550px|small> '''Grafik 2. 12-Monats-Prävalenz der Abhängigkeit von illegalen Substanzen. Störungen nach DSM-IV, unterteilt nach Männern und Frauen.''' [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Pabst et al. (2013)] </small>]]
 
<br clear=all>
 
 
====Amphetamine====
 
====Amphetamine====
Mehr deutsche Männer als deutsche Frauen haben in den letzten 12 Monaten Amphetamine zu sich genommen (1,2 % vs. 0,3 %). Die Kriterien des DSM-IV waren für Missbrauch und Abhängigkeit bei Männern zu 0,3 % und 0,2 % zutreffend, wohingegen beide Diagnosen bei Frauen zu 0,0 % zutrafen. Der Missbrauch folgte in den Altersgruppen keiner genauen Tendenz (z. B. jeweils 0,3 % bei 21-24 Jahren und bei 40-49 Jahren, aber zwischen 30-39 Jahren 0,1 %). Die meisten Personen mit Abhängigkeit befanden sich in der Altersgruppe von 25-29 Jahren (1,0 %), gefolgt von 18-20 Jahren (0,4 %) und 21-24 Jahren (0,1 %), während in den anderen Altersgruppen keine Werte über 0,0 % erreicht wurden.<ref>Pabst, A., Kraus, L., De Matos, E. G., & Piontek, D. (2013). Substanzkonsum und substanzbezogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht, 59(6), 321–331.</ref>
 
  
====Medikamente====
+
Orientierend an einer Erhebung von Papst et al. (2013), haben in Deutschland in einem Ein-Jahres-Zeitraum mehr Männer als Frauen Amphetamine konsumiert (12 Monats-Prävalenz von 1.2 Prozent versus 0.3 Prozent, Selbstangabe). Unter Männern liegt die Prävalenz von Amphetamin-Missbrauch bei etwa 0.3 Prozent und für Amphetamin-Abhängigkeit bei  0.2 Prozent (nach DSM-IV), bei Frauen konnte weder Missbrauch noch Abhängigkeit identifiziert werden. Betrachtet nach Altersgruppen folgt die Prävalenz von Amphetamin-Missbrauch keiner Tendenz (weder mit dem Alter zunehmend noch abnehmend). Die meisten Personen mit Amphemtamin-Abhängigkeit befanden sich in der Altersgruppe von 25 bis 29 Jahren (ein Prozent), gefolgt von 18 bis 20 Jahren (0.4  Prozent) und 21 bis 24 Jahren (0.1 Prozent). In allen anderen Altersgruppen konnten keine Abhängigkeiten identifiziert werden.<ref name="Pabst"/>
Die geschlechterspezifischen 12-Monats-Prävalenzen der Abhängigkeit von Schmerzmitteln, Schlafmitteln und Beruhigungsmitteln sind Grafik 3 zu entnehmen.  
+
 
 +
====Medikamente====<br>
 +
 
 +
Die geschlechterspezifischen 12-Monats-Prävalenzen der Abhängigkeit von Schmerzmitteln, Schlafmitteln und Beruhigungsmitteln sind Grafik 3 zu entnehmen. Wichtig ist, dass Medikamenteneinnahme weniger zu Genuss- und Rauschzwecken, sondern in erster Linie aufgrund ihrer therapeutischen Wirkung und nach ärztlicher Verordnung erfolgt. Ein klarer Geschlechterunterschied zeigt sich nur bezüglich der Abhängigkeit von Schmerzmitteln (höhere Prävalenz bei Frauen).
 +
 
 +
[[File:59d73fdb5ba6b.png|600px|class=img-responsive]]<br>
 +
 
 +
<small><b>'''Grafik 3. 12-Monats-Prävalenz der Medikamentenabhängigkeit (nach DSM-IV); n= 9084, Alter: 18-64''' [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Pabst et al. (2013)] </b></small>
 +
 
 +
'''''Schmerzmittel'''''<br>
 +
 
 +
In Deutschland nehmen mehr Frauen als Männer innerhalb eines Jahres Schmerzmittel ein (68  Prozent versus 56.1 Prozent) und konsumieren diese häufiger auch täglich (Ein-Monats-Prävalenz von 4.6 Prozent versus 3.8 Prozent). Auch waren die DSM-IV-Kriterien für Missbrauch (8.8 Prozent versus 8.5 Prozent) und Abhängigkeit (3.7 Prozent versus 3 Prozent) bei Frauen öfter als bei Männern erfüllt.<ref name="Pabst"/><br>
 +
 
 +
'''''Schlafmittel'''''<br>
  
<div class="thumbnail img-thumbnail" style="width:550px; float: left">https://gendermedwiki.uni-muenster.de/mediawiki/images/thumb/d/d3/Medikamentenabh%C3%A4ngigkeit.png/800px-Medikamentenabh%C3%A4ngigkeit.png<br /><br /> <br />
+
Die 12-Monats-Prävalenz von Schlafmittel-Konsum in Deutschland ist  bei Frauen mit 6.8 Prozent höher als bei 
  
<small> '''Grafik 3. 12-Monats-Prävalenz der Medikamentenabhängigkeit. Störungen nach DSM-IV,unterteilt nach Männern und Frauen.''' [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Pabst et al. (2013)] </small>
+
Männern mit  4.2  Prozent. Die Rate des täglichen Konsums liegt bei Frauen mit 0.8 Prozent etwas über der von Männern mit 0.7 Prozent. Bezüglich Schlafmittel-Missbrauch (nach DSM-IV) ergibt sich kein Geschlechterunterschied (jeweils 0.8  Prozent). Dagegen leiden Frauen mit 0.9 Prozent etwas häufiger an  Schlafmittel-Abhängigkeit (auch nach DSM-IV) als Männer mit 0.8  Prozent. Die Häufigkeit der Einnahme sowie die tägliche Einnahme steigt tendenziell über die Altersgruppen hiweg an, während Missbrauch und Abhängigkeit über diese relativ gleich verteilt sind.<ref name="Pabst"/><br>
  
</div>
+
'''''Beruhigungsmittel'''''<br>
'''''Schmerzmittel'''''<br />
 
Eine höhere Anzahl deutscher Frauen im Vergleich zu deutschen Männern nahm innerhalb der
 
letzten 12 Monate Schmerzmittel ein (68,0 % vs. 56,1 %), konsumierte diese während der letzten 30
 
Tage zudem täglich (4,6 % vs. 3,8 %), und erfüllte die DSM-IV-Kriterien für Missbrauch (8,8 % vs.
 
8,5 %) sowie Abhängigkeit (3,7 % vs. 3,0 %). Personen mittlerer Kohorten (21-49 Jahre) sind
 
tendenziell von diesen Konsummerkmalen mit Ausnahme der täglichen Einnahme stärker betroffen.<ref>Pabst, A., Kraus, L., De Matos, E. G., & Piontek, D. (2013). Substanzkonsum und substanzbezogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht, 59(6), 321–331.</ref><br />
 
'''''Schlafmittel'''''<br />
 
Schlafmittel wurden über die letzten 12 Monate von weiblichen Deutschen häufiger eingenommen
 
als von männlichen Deutschen (6,8 % vs. 4,2 %) und die Rate des täglichen Konsum lag auch höher
 
(0,8 % vs. 0,7 %). Bei Missbrauch nach DSM-IV lagen beide Geschlechter gleichauf (0,8 %),
 
während Frauen etwas häufiger an Abhängigkeit litten (0,9 % vs. 0,8 %). Die Gebrauchsprävalenz
 
und tägliche Einnahme steigt dabei tendenziell über die Altersgruppen, während Missbrauch und
 
Abhängigkeit über diese relativ gleich verteilt sind.<ref>Pabst, A., Kraus, L., De Matos, E. G., & Piontek, D. (2013). Substanzkonsum und substanzbezogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht, 59(6), 321–331.</ref> <br />
 
'''''Beruhigungsmittel'''''<br />
 
6,2 % der deutschen Frauen konsumierten während der letzten 12 Monate Beruhigungsmittel,
 
während dies beim anderen Geschlecht 4,6 % waren. Die tägliche Einnahme war bei Frauen
 
ebenfalls etwas höher (1,3 % vs. 1,1 %). Die Erfüllung der DSM-IV-Kriterien von Missbrauch ist bei beiden Geschlechtern gleich (0,8 %), aber von Abhängigkeit bei Männern höher (1,4 % vs. 1,3 %). Für alle genannten Einnahmemerkmale ist ein Trend zu höheren Werten mit dem Alter zu erkennen.<ref>Pabst, A., Kraus, L., De Matos, E. G., & Piontek, D. (2013). Substanzkonsum und substanzbezogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht, 59(6), 321–331.</ref> <br />
 
'''''Weitere Medikamente'''''<br />
 
Anregungsmittel wurden von Männern in Deutschland mehr konsumiert (über 12 Monate 1,2 % vs. 0,7 %; täglich 0,3 % vs. 0,2 %). Der Konsum fand besonders in jüngeren bis mittleren Kohorten statt (18-39 Jahre). Deutsche Frauen nahmen innerhalb der letzten 12 Monate mit höherer Wahrscheinlichkeit Appetitzügler ein (0,6 % vs. 0,2 %), aber Männer taten dies häufiger täglich (0,2 % vs. 0,1 %). In jüngeren bis mittleren Kohorten war der Konsum am stärksten ausgeprägt.<ref>Pabst, A., Kraus, L., De Matos, E. G., & Piontek, D. (2013). Substanzkonsum und substanzbezogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht, 59(6), 321–331.</ref>
 
  
====Weitere Substanzen in Kurzform====
+
In Deutschland nehmen 6.2 Prozent der Frauen, aber nur 4.6 Prozent der Männer innerhalb eines Jahres irgendein Beruhigungsmittel zu sich. Bei Frauen ergibt sich zudem eine etwas höhere tägliche Einnahme (1.3 Prozent versus 1.1 Prozent). Geschlechterunterschiede bezüglich Missbrauch bestehen nicht  (jeweils 0.8  Prozent, nach DSM-IV), jedoch sind Männer etwas häufiger abhängig (1.4 Prozent versus 1.3 Prozent, nach DSM-IV). Für alle genannten Einnahmemerkmale ist ein Trend zu höheren Werten im Alter zu erkennen.<ref name="Pabst"/> <br>
Die 12-Monats-Prävalenz der folgenden Substanzen war bei deutschen Männern jeweils höher als bei deutschen Frauen: Ecstasy (0,7 % vs. 0,1 %), LSD (0,5 % vs. 0,1 %), Heroin (0,3 % vs. 0,1 %), Crack (0,2 % vs. 0,0 %), Pilze (0,5 % vs. 0,1 %), Spice (0,3 % vs. 0,0 %) sowie andere Opiate (0,4 % vs. 0,3 %).<ref>Pabst, A., Kraus, L., De Matos, E. G., & Piontek, D. (2013). Substanzkonsum und substanzbezogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht, 59(6), 321–331.</ref>
+
 
 +
'''''Weitere Medikamente'''''<br>
 +
 
 +
Anregungsmittel (Psychostimulanzien, z. B. bei [[Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung/Fachartikel | ADHS]] oder Narkolepsie)  werden in Deutschland häufiger von Männern konsumiert (12-Monats-Prävalenz von 1.2 Prozent versus 0.7 Prozent; täglich 0.3 Prozent versus 0.2 Prozent). Der Konsum fand besonders in jüngeren bis mittleren Kohorten statt (18 bis 39 Jahre). Frauen nehmen in Deutschland innerhalb eines Jahres mit höherer Wahrscheinlichkeit Appetitzügler ein (0.6 Prozent versus 0.2 Prozent), aber Männer tun dies häufiger täglich (0.2 Prozent versus 0.1 Prozent). In jüngeren bis mittleren Kohorten ist der Konsum am stärksten ausgeprägt.<ref name="Pabst"/>
 +
 
 +
====Weitere Substanzen in Kurzform====<br>
 +
 
 +
Die 12-Monats-Prävalenz des Konsums der folgenden (illegalen) Substanzen war in Deutschland bei Männern jeweils höher als bei Frauen: Ecstasy (0.7 Prozent versus 0.1 Prozent), LSD (0.5 Prozent versus 0.1 Prozent), Heroin (0.3 Prozent versus 0.1 Prozent), Crack (0.2 Prozent versus <0.0 Prozent), Pilze (0.5 Prozent versus. 0.1 Prozent), Spice (0.3 Prozent versus <0.0 Prozent) sowie andere Opiate (0.4 Prozent versus 0.3 Prozent).<ref name="Pabst"/>
  
 
=== Risikofaktoren und protektive Faktoren ===
 
=== Risikofaktoren und protektive Faktoren ===
Während die meisten Merkmale, welche mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für das Auftreten
+
 
einer Abhängigkeitserkrankung einhergehen, auf Männer und Frauen zugleich zutreffen, gibt es
+
Die meisten Risikofaktoren für die Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung unterscheiden sich nicht zwischen Männer und Frauen. Dennoch gibt es auch einige geschlechterspezifische Risikofaktoren, die im Folgenden erläutert werden. 
einige nicht zu vernachlässigende Unterschiede:
 
  
 
====Impulsivität, Sensation Seeking, Selbstregulation====
 
====Impulsivität, Sensation Seeking, Selbstregulation====
 +
 
Impulsivität, Sensation Seeking sowie Selbstregulation gelten als essenzielle Prädiktoren für das
 
Impulsivität, Sensation Seeking sowie Selbstregulation gelten als essenzielle Prädiktoren für das
Entwickeln einer Abhängigkeit, die von beiden Geschlechtern geteilt werden.<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref>
 
Wichtig ist, dass der Zusammenhang zwischen inhibitorischer Kontrolle und zukünftigem
 
Drogenkonsum nicht einseitig ist, sondern dass Drogenkonsum seinerseits die Fähigkeit zur
 
Verhaltenskontrolle schwächt.<ref>Fattore, L., & Melis, M. (2016). Sex differences in impulsive and compulsive behaviors: a focus on drug addiction. Addiction Biology, 21(5), 1043–1051.</ref>
 
  
Die (selbst angegebenen) Werte für Sensation Seeking sowie Impulskontrolle sind zwischen
+
Entwickeln einer Abhängigkeit, die von beiden Geschlechtern geteilt werden.<ref name= "Kuhn"/>
Männern und Frauen unterschiedlich und stehen zudem im Zusammenhang mit der pubertären
+
 
Entwicklung:<ref>Shulman, E. P., Harden, K. P., Chein, J. M., & Steinberg, L. (2015). Sex differences in the developmental trajectories of impulse control and sensation-seeking from early adolescence to early adulthood. Journal of Youth and Adolescence, 44(1), 1–17.</ref> Auch wenn während der Pubertät beide Geschlechter erhöhte Werte erreichen, so weisen heranwachsende Frauen generell geringere Ausprägungen als heranwachsende Männer hinsichtlich dieser Dimensionen auf, wobei dieser Unterschied nach der Pubertät den Höhepunkt erreicht. Typischerweise setzt die Pubertät bei Mädchen früher ein, sodass diese wegen der damit verknüpften Veränderungen altersmäßig betrachtet vor Jungen vulnerabel für Drogenkonsum werden.
+
Wichtig dabei ist, dass inhibitorische Kontrolle und Substanzkonsum sich gegenseitig beeinflussen und  Substanzkonsum seinerseits die Fähigkeit zur Verhaltenskontrolle schwächt.<ref name= "Fattore">Fattore, L., & Melis, M. (2016). Sex differences in impulsive and compulsive behaviors: a focus on drug addiction. Addiction Biology, 21(5), 1043–1051.</ref> In der Pubertät kommt es zu neurobiologischen Entwicklungen, die die Tendenzen für Sensation Seeking zu einem Zeitpunkt fördern, während dem sich die Impulskontrolle noch entwickelt.<ref name= "Shulman">Shulman, E. P., Harden, K. P., Chein, J. M., & Steinberg, L. (2015). Sex differences in the developmental trajectories of impulse control and sensation-seeking from early adolescence to early adulthood. Journal of Youth and Adolescence, 44(1), 1–17.</ref>
 +
 
 +
Werte für Sensation Seeking und Impulskontrolle sind zwischen Männern und Frauen unterschiedlich und stehen im Zusammenhang mit der pubertären Entwicklung: Auch wenn während der Pubertät beide Geschlechter erhöhte Werte in Sensation Seeking erreichen, so zeigen heranwachsende Männer generell höhere Ausprägungen in Sensation Seeking und geringere Ausprägungen in Impulskontrolle. Allgemein lässt sich feststellen, dass der Geschlechterunterschied in beiden Persönlichkeitsmerkmalen mit dem Alter zunimmt und dass deshalb besonders Jungen in der Adoleszenz vulnerabel für riskantes Verhalten (z. B. übermäßiger Substanzkonsum) werden. Allerdings setzt die Pubertät bei Mädchen typischerweise früher ein, sodass sie aufgrund der damit zusammenhängenden Veränderungen schon in jüngeren Jahren erhöhte Werte in Sensation Seeking entwickeln und früher als Jungen vulnerabel für Substanzkonsum werden.<ref name= "Shulman" />
  
Impulsivität wird oft in zwei Varianten unterteilt:<ref>Carroll, M. E., & Smethells, J. R. (2016). Sex Differences in Behavioral Dyscontrol: Role in Drug Addiction and Novel Treatments. Frontiers in Psychiatry, 6:175.</ref>  
+
Impulsivität wird oft in zwei Varianten unterteilt:<ref name= "Carroll">Carroll, M. E., & Smethells, J. R. (2016). Sex Differences in Behavioral Dyscontrol: Role in Drug Addiction and Novel Treatments. Frontiers in Psychiatry, 6:175.</ref> Impulsive Auswahl ("impulsive choice") beschreibt dabei ein Verhalten, das ohne Bedenken zukünftiger Konsequenzen geschieht, was sich in experimentellen Studien meist durch die Präferenz einer kleinen, aber direkten Belohnung statt einer größeren, aber späteren Belohnung zeigt. Impulsives Handeln ("impulsive action") beschreibt hingegen das Unvermögen, eine Reaktion zurückzuhalten, bis eine gewisse Zeit signalisiert wird (z. B. operationalisiert durch ein Stoppsignal, nach dessen Darbietung keine vorher zu drückende Taste mehr betätigt werden soll).<br>
Impulsive Auswahl (impulsive choice) beschreibt dabei ein Verhalten, das ohne Bedenken zukünftiger Konsequenzen geschieht, was in Studien zumeist durch die Präferenz einer kleinen, aber direkten Belohnung statt einer größeren, aber späteren Belohnung operationalisiert ist.
 
Impulsives Handeln (impulsive action) beschreibt hingegen das Unvermögen, eine Reaktion
 
zurückzuhalten, bis eine gewisse Zeit signalisiert wird (z. B. operationalisiert durch ein Stoppsignal,
 
nach dessen Darbietung keine vorher zu drückende Taste mehr betätigt werden soll).
 
Während beide Formen mit Drogenmissbrauch allgemein assoziiert sind, gehen höhere
 
Ausprägungen auf der Skala für impulsive Auswahl mit dem Zutreffen diagnostischer Kriterien
 
einer Abhängigkeit einher.<ref>MacKillop, J., Amlung, M. T., Few, L. R., Ray, L. A., Sweet, L. H., & Munafò, M. R. (2011).</ref> Auch wenn es nur wenige Studien gibt, in denen
 
impulsive Auswahl an Tieren untersucht wurde, deuten diese auf moderat höhere Werte zugunsten
 
weiblicher Tiere hin.<ref>Weafer, J., & de Wit, H. (2014). Sex differences in impulsive action and impulsive choice. Addictive Behaviors, 39(11), 1573–1579.</ref>
 
Geschlechtsspezifische Differenzen bezüglich der Höhe impulsiver Auswahl sind bei Menschen
 
weniger eindeutig, da in einigen Studien keine Unterschiede festgestellt wurden, in anderen
 
wiederum entweder Frauen oder Männer sich impulsiver verhielten. Einige Trends können jedoch
 
herausgestellt werden:<ref>Weafer, J., & de Wit, H. (2014). Sex differences in impulsive action and impulsive choice.<br>
 
Addictive Behaviors, 39(11), 1573–1579.</ref> Hinsichtlich impulsiver Auswahl zeigten Frauen bei hypothetischen Belohnungen höhere Werte, Männer
 
hingegen bei tatsächlichen Belohnungen.  Bezüglich impulsiven Handelns weisen männliche Labortiere insbesondere unter Berücksichtigung von Geschlechtshormonen höhere Werte auf, während
 
Unterschiede bei Menschen in mäßigem Umfang und aufgabenspezifisch (d. h. bei Continuous
 
Performance Tasks und Go/No-go Tasks sind Männer impulsiver, bei Stoppsignalaufgaben Frauen)
 
zu beobachten sind. Es zeigt sich zudem eine Tendenz dahingehend, dass Männer in Studien
 
inhibitorischer Funktionen mehr Verhalten zeigen, das als Sensation Seeking bezeichnet werden
 
kann, wohingegen Frauen sensibler auf Bestrafungen reagieren.<ref>Cross, C. P., Copping, L. T., & Campbell, A. (2011). Sex differences in impulsivity: a meta-analysis. Psychological Bulletin, 137(1), 97–130.</ref>
 
  
Es hat sich in einigen Studien gezeigt, dass Drogenkonsumentinnen impulsiver handeln als
+
Während beide Varianten der Impulsivität mit Substanzmissbrauch assoziiert werden, korrelieren vor allem höhere Ausprägungen der Impulsivitätsvariante ''impulsive Auswahl'' mit einer diagnostizierten Abhängigkeit.<ref>MacKillop, J., Amlung, M. T., Few, L. R., Ray, L. A., Sweet, L. H., & Munafò, M. R. (2011).</ref> Auch wenn es nur wenige Studien gibt, in denen die Impulsivitätsvariante ''impulsive Auswahl'' an Tieren untersucht wurde, deuten diese auf moderat höhere Werte zugunsten weiblicher Tiere hin.<ref name= "Weafer">Weafer, J., & de Wit, H. (2014). Sex differences in impulsive action and impulsive choice. Addictive Behaviors, 39(11), 1573–1579.</ref>
Drogenkonsumenten, während die männlichen Versuchspersonen in den Kontrollgruppen ebenso
 
impulsiv oder impulsiver als die weiblichen Versuchspersonen handelten, woraus geschlossen
 
werden kann, dass eine geschlechtsspezifische Kovarianz zwischen impulsivem Handeln und
 
Drogenmissbrauch besteht.<ref>Carroll, M. E., & Smethells, J. R. (2016). Sex Differences in Behavioral Dyscontrol: Role in Drug Addiction and Novel Treatments. Frontiers in Psychiatry, 6:175.</ref> Impulsives Verhalten bei Frauen variiert zudem während des Zyklus:<ref>Hosseini-Kamkar, N., & Morton, J. B. (2014). Sex differences in self-regulation: an evolutionary perspective. Frontiers in Neuroscience, 8:233.</ref> Frauen sind während der Follikelphase am wenigsten impulsiv, womit sich
 
eventuell auch entscheidende Unterschiede zwischen Studien erklären lassen.
 
  
Zurückgeführt werden kann die geschlechtsspezifische Ausprägung der intentionalen Kontrolle eventuell auf Unterschiede des orbitofrontalen Cortex (OFC), dessen Wirkung bei impulsiven Entscheidungen gut dokumentiert ist:<ref>Fattore, L., & Melis, M. (2016). Sex differences in impulsive and compulsive behaviors: a focus on drug addiction. Addiction Biology, 21(5), 1043–1051.</ref> Der OFC ist bei Frauen größer, weist einen geringeren Glukoseverbrauch auf, die Rezeptoren für Östrogene und Androgene sind dort dichter besiedelt, und die Konnektivität mit dem präfrontalen Cortex sowie dem dorsalen Striatum ist höher. Darüber hinaus ist das Volumen des präfrontalen Cortex bei jungen (15-17 Jahre) Alkoholkonsumentinnen im Vergleich zu Alkoholkonsumenten und gleichgeschlechtlichen Kontrollen geringer, was darauf schließen lässt, dass das biologische Geschlecht den Einfluss von Drogen auf die Morphologie und die Aktivierung kortikaler Bereiche, die mit Impulsivität in Verbindung stehen, moderiert.<ref>Medina, K. L., McQueeny, T., Nagel, B. J., Hanson, K. L., Schweinsburg, A. D., & Tapert, S. F. (2008). Prefrontal cortex volumes in adolescents with alcohol use disorders: unique gender effects. Alcoholism, Clinical and Experimental Research, 32(3), 386–394.</ref>
+
Geschlechterspezifische Differenzen bezüglich der Ausprägung der Impulsivitätsvariante ''impulsive Auswahl'' sind bei Menschen weniger eindeutig; konsistente Ergebnisse bestehen nicht. Dennoch wurden einige Trends gefunden:<ref name= "Weafer"/> Hinsichtlich der ''impulsiven Auswahl'' zeigen Frauen bei hypothetischen Belohnungen höhere Werte, Männer hingegen bei tatsächlichen Belohnungen.  Bezüglich der Impulisvitätsvariante ''impulsives Handeln'' weisen männliche Labortiere insbesondere unter Berücksichtigung von Geschlechtshormonen höhere Werte auf, während Unterschiede bei Menschen in mäßigem Umfang und aufgabenspezifisch (d. h. bei Continuous Performance Tasks und Go/No-go Tasks sind Männer impulsiver, bei Stoppsignalaufgaben Frauen) zu beobachten sind.<ref>Cross, C. P., Copping, L. T., & Campbell, A. (2011). Sex differences in impulsivity: a meta-analysis. Psychological Bulletin, 137(1), 97–130.</ref>
  
====Merkmale des mesolimbischen Systems====
+
Es hat sich in einigen Studien gezeigt, dass Frauen während des Substanzkonsums impulsiver handeln als Männer. Dagegen handeln in den Kontrollgruppen (also ohne zu konsumieren) männliche Versuchspersonen ebenso impulsiv oder impulsiver als weibliche Versuchspersonen. Daraus kann geschlossen werden, dass eine geschlechterspezifische Kovarianz zwischen impulsivem Handeln und Substanzmissbrauch besteht.<ref name= "Carroll/> Impulsives Verhalten bei Frauen ist zudem zyklusabhängig:<ref>Hosseini-Kamkar, N., & Morton, J. B. (2014). Sex differences in self-regulation: an evolutionary perspective. Frontiers in Neuroscience, 8:233.</ref> Frauen sind während der Follikelphase am wenigsten impulsiv, womit sich eventuell auch entscheidende Unterschiede zwischen Studien erklären lassen. Zudem kann die geschlechterspezifische Ausprägung der Impulskontrolle eventuell auf Unterschiede des orbitofrontalen Cortex (OFC) zurückgeführt werden, dessen Wirkung bei impulsiven Entscheidungen gut dokumentiert ist:<ref name= "Fattore"/> Der OFC ist bei Frauen größer, weist einen geringeren Glukoseverbrauch auf, die Rezeptoren für Östrogene und Androgene sind dort dichter besiedelt und die Konnektivität mit dem präfrontalen Cortex sowie dem dorsalen Striatum ist höher. Dagegen ist das Volumen des präfrontalen Cortex bei jungen Alkoholkonsumentinnen im Vergleich zu jungen Alkoholkonsumenten  und gleichgeschlechtlichen Kontrollen (jeweils 15 bis 17 Jahre) geringer. Es lässt sich schließen, dass das biologische Geschlecht den Einfluss von Substanzen auf die Morphologie und die Aktivierung kortikaler Bereiche, die mit Impulsivität in Verbindung stehen, modulieren könnte.<ref>Medina, K. L., McQueeny, T., Nagel, B. J., Hanson, K. L., Schweinsburg, A. D., & Tapert, S. F. (2008). Prefrontal cortex volumes in adolescents with alcohol use disorders: unique gender effects. Alcoholism, Clinical and Experimental Research, 32(3), 386–394.</ref><br>
Das mesolimbische System mit seinen dopaminergen Pfaden spielt eine entscheidende Rolle bei Prozessen, welche einem Abhängigkeitssyndrom zugrunde liegen.<ref>Fattore, L., & Melis, M. (2016). Sex differences in impulsive and compulsive behaviors: a focus on drug addiction. Addiction Biology, 21(5), 1043–1051.</ref> Dabei können atypische morphologische oder funktionelle Eigenschaften sowohl Ursache für die Entwicklung einer Abhängigkeit als auch Konsequenz dieser sein. Geschlechtsunterschiede dieses Systems finden sich unter anderem hinsichtlich der Dopaminkonzentration im Striatum, wo zudem Östrogene (nur bei Weibchen) einen geschlechtsspezifischen Effekt auf die Bindung von dopaminergen D2-Rezeptoren bei kastrierten Ratten hatten.<ref>Bazzett, T. J., & Becker, J. B. (1994). Sex differences in the rapid and acute effects of estrogen on striatal D2 dopamine receptor binding. Brain Research, 637(1-2), 163–172.</ref> Bei Ratten zeigten sich auch hinsichtlich der Eigenschaften und Plastizität der mesolimbischen dopaminergen Neuronen geschlechtsbedingte Unterschiede, welche möglicherweise dazu beitragen können, das schnellere Aneignen des Drogenkonsums bei weiblichen Ratten, das auch bei weiblichen Menschen beobachtet wird, zu erklären.<ref>Melis, M., De Felice, M., Lecca, S., Fattore, L., & Pistis, M. (2013). Sex-specific tonic 2-arachidonoylglycerol signaling at inhibitory inputs onto dopamine neurons of Lister Hooded rats. Frontiers in Integrative Neuroscience, 7:93.</ref>
 
  
====Beginn der Pubertät und ihr Verlauf====
+
====Mesolimbisches System====<br>
Während der Pubertät finden Entwicklungsprozesse auf biologischer, sozialer und
 
umweltbezogener Ebene statt, deren Interaktionen es schwierig machen, eindeutige
 
Zusammenhänge herauszustellen.
 
Das Eintrittsalter der Pubertät, erhöhte Werte in Persönlichkeitsmerkmalen wie Sensation Seeking
 
und Impulsivität sowie Komorbiditäten gelten als zentrale Risikofaktoren bei Heranwachsenden
 
beider Geschlechter, wobei bei allen Faktoren geschlechtsspezifische Differenzen bezüglich der
 
Effektstärke bestehen, die sich während der Pubertät entwickeln und im Erwachsenenalter meist am
 
stärksten ausgeprägt sind.<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref> Dementsprechend sind diese Veränderungen hier nur in
 
einem zeitlichen, entwicklungsbezogenen Bezug zu verstehen und werden unten einzeln
 
spezifiziert.
 
  
In einer Längsschnittstudie hatten Heranwachsende, die angaben, weiter als Gleichaltrige in der
+
Das mesolimbische System mit seinen dopaminergen Pfaden spielt eine entscheidende Rolle bei Prozessen, die einem Abhängigkeitssyndrom zugrunde liegen.<ref name= "Fattore"/> Dabei könnte eine veränderte Funktionsweise von Arealen im mesolimbischen System sowohl eine der Ursachen für die Entwicklung einer Abhängigkeit als auch Konsequenz dieser sein. Geschlechterunterschiede finden sich in Tierstudien unter anderem hinsichtlich der Dopaminkonzentration im Striatum, wo Östrogene bei weiblichen Tieren einen geschlechtsspezifischen Effekt auf die Bindung von dopaminergen D2-Rezeptoren hatten.<ref>Bazzett, T. J., & Becker, J. B. (1994). Sex differences in the rapid and acute effects of estrogen on striatal D2 dopamine receptor binding. Brain Research, 637(1-2), 163–172.</ref> Bei Nagern zeigen sich zudem in den Eigenschaften und der Plastizität der mesolimbischen dopaminergen Neuronen geschlechterbedingte Unterschiede. Diese Unterschiede sind möglicherweise eine Ursache dafür, warum Frauen Substanzkonsum  schneller erlernen als Männer.<ref>Melis, M., De Felice, M., Lecca, S., Fattore, L., & Pistis, M. (2013). Sex-specific tonic 2-arachidonoylglycerol signaling at inhibitory inputs onto dopamine neurons of Lister Hooded rats. Frontiers in Integrative Neuroscience, 7:93.</ref>
pubertären Entwicklung zu sein, in den letzten drei Monaten mit höherer Wahrscheinlichkeit
 
Zigaretten, Alkohol sowie Marihuana konsumiert, was größtenteils auf Unterschiede des Konsums
 
im Alter von 11 Jahren zurückgeführt werden konnte.<ref>Cance, J. D., Ennett, S. T., Morgan-Lopez, A. A., Foshee, V. A., & Talley, A. E. (2013). Perceived pubertal timing and recent substance use among adolescents: a longitudinal perspective. Addiction (Abingdon, England), 108(10), 1845–1854.</ref> Da Mädchen die Pubertät
 
früher erreichen als Jungen und schon im Alter von 11 Jahren klare Zusammenhänge zwischen dem
 
Drogenkonsum und der eigenen Angabe der pubertären Entwicklung bestehen, sind Mädchen
 
während der Pubertät womöglich vulnerabler für einen Ersteinstieg als Jungen.
 
Sensation Seeking wird oft als Mediator des Zusammenhangs zwischen pubertärer Entwicklung und
 
frühem Drogenkonsum sowie -missbrauch genannt, wobei sich die allgemein höhere Ausprägung
 
und somit das Risiko bei Männern während der Pubertät entwickelt, während sich erhöhte
 
Inzidenzen von [[Depression/Fachartikel | Depression]] und [[Angststörungen/Fachartikel | Ängstlichkeit]] bei Frauen während der Pubertät manifestieren, die
 
beide mit Drogenkonsum einhergehen.<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref>
 
  
Insgesamt gestaltet sich die Pubertät als kritische Phase, da Jugendliche einerseits empfänglicher für Belohnungen von Drogen sind, andererseits aversive Effekte weniger empfunden werden.<ref>Carroll, M. E., & Smethells, J. R. (2016). Sex Differences in Behavioral Dyscontrol: Role in Drug<br>
+
====Beginn der Pubertät und ihr Verlauf====<br>
Addiction and Novel Treatments. Frontiers in Psychiatry, 6:175.</ref> Kritisch ist auch, dass auf neuronaler Ebene während der Pubertät viele Veränderungen stattfinden, sodass ein erhöhter Drogenkonsum im Jugendalter zu Veränderungen führen kann, die sich z. B. beim präfrontalen Kortex dadurch äußern, dass sich Impulsivität steigert, welche wiederum ein Risikofaktor für Drogenmissbrauch ist.<ref>Carroll, M. E., & Smethells, J. R. (2016). Sex Differences in Behavioral Dyscontrol: Role in Drug Addiction and Novel Treatments. Frontiers in Psychiatry, 6:175.</ref>
 
  
====Komorbiditäten====
+
Während der Pubertät finden Entwicklungsprozesse auf biologischer, sozialer und umweltbezogener Ebene statt, deren Interaktionen es schwierig machen, eindeutige Zusammenhänge herauszustellen. Das Eintrittsalter der Pubertät, erhöhte Werte in Persönlichkeitsmerkmalen wie Sensation Seeking und Impulsivität sowie Komorbiditäten (z. B. [[Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung/Fachartikel | ADHS]], [[Depression/Fachartikel | Depression]]) gelten als wichtige Risikofaktoren bei Heranwachsenden beider Geschlechter. Dennoch bestehen bei allen Faktoren bezüglich der Effektstärke geschlechterspezifische Unterschiede, die sich während der Pubertät entwickeln und im Erwachsenenalter meist am stärksten ausgeprägt sind.<ref name= "Kuhn"/> Somit sind diese Veränderungen nur in einem zeitlichen, entwicklungsbezogenen Zusammenhang zu verstehen und werden nachfolgend einzeln beschrieben.
Eine Substanzgebrauchsstörung geht oft mit dem Vorliegen einer zusätzlichen psychischen Störung
 
einher, welche das Fortschreiten des Substanzgebrauchs beschleunigt.<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref> Zu diesen psychischen Störungsbildern gehören [[Angststörungen/Fachartikel | Ängstlichkeit]], [[Depression/Fachartikel | Depression]], bipolare Störung, Verhaltensstörungen und die [[Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung/Fachartikel | Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung]].
 
Geschlechtsunterschiede bestehen dabei für jede dieser Störungen, wobei diese sich meist während
 
der Jugend ausprägen:<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref> <ref>Latimer, W. W., Stone, A. L., Voight, A., Winters, K. C., & August, G. J. (2002). Gender differences in psychiatric comorbidity among adolescents with substance use disorders. Experimental and Clinical Psychopharmacology, 10(3), 310–315.</ref>
 
Bei Männern sind die Inzidenzen für Komorbiditäten von Verhaltensstörungen sowie der
 
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung höher und bei männlichen Jugendlichen haben sich
 
diese als Risikofaktoren herausgestellt, welche die Wahrscheinlichkeit für Substanzmissbrauch
 
erhöhen. Eine hohe Quote von Verhaltensstörungen wurde allerdings auch bei weiblichen
 
Jugendlichen festgestellt, die problematischen Drogenkonsum aufweisen.
 
[[Depression/Fachartikel | Depression]], [[Angststörungen/Fachartikel | Ängstlichkeit]] und bipolare Störung werden bei Frauen öfter in komorbider Variante beobachtet, welche als Folge dessen oft zu Alkohol bzw. motorischen Stimulanzien greifen, um manische Symptome zu bekämpfen bzw. depressive Symptome zu lindern. Allerdings war unter weiblichen Jugendlichen, die Drogen missbrauchten, nur die Prävalenz einer [[Depression/Fachartikel | Major Depression]] höher als bei Drogen missbrauchenden, männlichen Jugendlichen, während das Verhältnis bei Dysthymie und einer doppelten [[Depression/Fachartikel | Depression]] zwischen den Geschlechtern gleich war.
 
  
Traumatische Erfahrungen (insbesondere während der Kindheit), die auch u. a. zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung führen können (aber nicht müssen), stehen im Zusammenhang mit Substanzmissbrauch.
+
In einer Längsschnittstudie hatten Heranwachsende, die angaben, weiter als Gleichaltrige in der pubertären Entwicklung zu sein, in den letzten drei Monaten mit höherer Wahrscheinlichkeit Zigaretten, Alkohol sowie Marihuana konsumiert.<ref>Cance, J. D., Ennett, S. T., Morgan-Lopez, A. A., Foshee, V. A., & Talley, A. E. (2013). Perceived pubertal timing and recent substance use among adolescents: a longitudinal perspective. Addiction (Abingdon, England), 108(10), 1845–1854.</ref> Da Mädchen die Pubertät früher erreichen (und schon mit elf Jahren klare Zusammenhänge zwischen Substanzkonsum und der eigenen Angabe der pubertären Entwicklung bestehen) sind Mädchen während der Pubertät womöglich vulnerabler für einen Ersteinstieg als Jungen.<br>
In einer Studie wurde festgestellt, dass viel mehr Frauen Opfer sexuellen Missbrauchs waren als
 
Männer („weiße Frauen“ erreichten 26,5 %, „weiße Männer“ 4 %).<ref>Clark, C. B., Perkins, A., McCullumsmith, C. B., Islam, M. A., Hanover, E. E., & Cropsey, K. L. (2012). Characteristics of victims of sexual abuse by gender and race in a community corrections population. Journal of Interpersonal Violence, 27(9), 1844–1861.</ref> In derselben
 
Studie konnte darüber hinaus herausgestellt werden, dass sexuelle Missbrauchserfahrungen nur bei
 
Frauen mit problematischem Drogenmissbrauch verbunden waren.
 
  
In einer anderen Studie wurde die Verbindung zwischen fünf Formen von Kindesmisshandlung
+
Sensation Seeking, das bei Jungen und Männern im Allgemeinen höher ausgeprägt ist, wird oft als Mediatorvariable für den Zusammenhang zwischen pubertärer Entwicklung und frühem Substanzkonsum bzw. -missbrauch genannt. Bei Mädchen ergibt sich eine erhöhte Inzidenz von [[Depression/Fachartikel | Depression]] und [[Angststörungen/Fachartikel | Ängstlichkeit]] während der Pubertät. Diese Erkrankungen korrelieren mit (erhöhtem) Substanzkonsum.<ref name= "Kuhn"/>
(physischer, sexueller und emotionaler Missbrauch sowie physische und emotionale Vernachlässigung) und verschiedenen Substanzgebrauchsstörungen untersucht.<ref>Afifi, T. O., Henriksen, C. A., Asmundson, G. J. G., & Sareen, J. (2012). Childhood maltreatment and substance use disorders among men and women in a nationally representative sample. Canadian Journal of Psychiatry. Revue Canadienne de Psychiatrie, 57(11), 677–686.</ref>
 
Dabei wurde herausgefunden, dass alle fünf Formen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von
 
Substanzmissbrauch für Frauen einhergingen, bei Männern jedoch einige Formen (physische und
 
emotionale Vernachlässigung) keinen Zusammenhang mit Missbrauch bestimmter Substanzen
 
(Heroin, Amphetamine und Kokain) aufwiesen. Nachdem in einem weiteren Analyseschritt mentale
 
Störungen des DSM (Achse I und II) Berücksichtigung fanden, wurde die Stärke des Zusammenhangs zwischen Kindesmisshandlung und Substanzgebrauchsstörungen nach unten korrigiert, wobei viele ihre statistische Signifikanz behielten. Das Vorliegen von Kindesmisshandlung erweist sich zwar für beide Geschlechter als Prädiktor des Einstiegsalters in den Drogenkonsum und die Heftigkeit des Drogenmissbrauchs, jedoch sind diese
 
Zusammenhänge bei Frauen stärker ausgeprägt.<ref>Hyman, S. M., Garcia, M., & Sinha, R. (2006). Gender specific associations between types of childhood maltreatment and the onset, escalation and severity of substance use in cocaine dependent adults. The American Journal of Drug and Alcohol Abuse, 32(4), 655–64.</ref> Insgesamt sind Frauen also häufiger Opfer von Misshandlungen, was sich deutlicher in einem Substanzmissbrauch niederschlagen kann, aber auch für Männer stellen Misshandlungen unter Umständen einen Risikofaktor dar. Heftigkeit und Form der Misshandlung entfalten dabei womöglich eine geschlechtsspezifische Wirkung.
 
  
====Geschlechtshormone====
+
Insgesamt gestaltet sich die Pubertät als kritische Phase, da Jugendliche einerseits empfänglicher für Belohnungseffekte von Substanzen sind, andererseits aversive Effekte (z. B. Entzugssymptome) weniger stark empfunden werden.<ref name= "Carroll/> Beide Merkmale können zu einer positiven Verzerrung gegenüber der Drogenerfahrung führen. Erschwerend kommt hinzu, dass während der Pubertät auf neuronaler Ebene viele Veränderungen stattfinden, sodass ein erhöhter Substanzkonsum im Jugendalter schwerwiegende neurologische Folgen haben kann. Beispielsweise kann die Funktionalität im präfrontalen Kortex sich so verändern, dass das impulsive Verhalten des Konsumierenden zunimmt (abgeschwächte Top-down-Kontrolle), worin dann ein Risikofaktor für Substanzmissbrauch liegen könnte.<ref name= "Carroll/>
Eine isolierte Betrachtung von Geschlechtshormonen und ihres Einflusses auf Drogenkonsum
 
gestaltet sich als schwierig, da diese ihrerseits stets mit relevanten sozialen und biologischen
 
Systemen und Entwicklungsprozessen interagieren.<ref>Lenz, B., Müller, C. P., Stoessel, C., Sperling, W., Biermann, T., Hillemacher, T., … Kornhuber, J. (2012). Sex hormone activity in alcohol addiction: Integrating organizational and activational effects. Progress in Neurobiology, 96(1), 136–163.</ref>
 
Für das Verständnis von Abhängigkeiten hat sich dennoch als fundamentaler
 
Geschlechtsunterschied herausgestellt, dass Östradiol bei weiblichen Tieren wie auch bei
 
weiblichen Menschen das Aufsuchen von Drogen sowie die belohnenden Effekte des
 
Drogenkonsums erhöht, während dies bei männlichen Wesen nicht der Fall ist.<ref>Carroll, M. E., & Smethells, J. R. (2016). Sex Differences in Behavioral Dyscontrol: Role in Drug Addiction and Novel Treatments. Frontiers in Psychiatry, 6:175.</ref> <ref>Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addiction Biology, 21(5), 1030–1042.</ref> Der Zyklus der Frau stellt sich somit als ein wichtiger Faktor dar, da
 
Östradiol in der ersten Phase (Follikelphase) stark ansteigt, womit auch das Craving stärker wird,
 
während in der zweiten Phase (Lutealphase) der Anstieg von Progesteron diesen
 
Geschlechtsunterschied ausgleicht. Auf vergleichbare Weise stellt sich der chronische Gebrauch von
 
oralen Kontrazeptiva als Risikofaktor heraus, weil er auf den natürlichen Hormonkreislauf einwirkt.<ref>Lenz, B., Müller, C. P., Stoessel, C., Sperling, W., Biermann, T., Hillemacher, T., … Kornhuber, J. (2012). Sex hormone activity in alcohol addiction: Integrating organizational and activational effects. Progress in Neurobiology, 96(1), 136–163.</ref>
 
  
Unter den männlichen Geschlechtshormonen hat sich insbesondere das Testosteron-Level für beide
+
====Komorbiditäten====<br>
Geschlechter als prädiktiv für Alkoholkonsum erwiesen.<ref>Erol, A., & Karpyak, V. M. (2015). Sex and gender-related differences in alcohol use and its consequences: Contemporary knowledge and future research considerations. Drug and Alcohol Dependence, 156, 1–13.</ref> Dabei ist zu
+
 
beachten, dass Alkoholkonsum seinerseits das Testosteron-Level bei beiden Geschlechtern erhöht,
+
Eine Substanzgebrauchsstörung geht oft mit einer komorbiden psychischen Störung einher, welche das Fortschreiten des Substanzgebrauchs beschleunigen kann.<ref name= "Kuhn"/> Zu diesen psychischen Erkrankungen gehören [[Angststörungen/Fachartikel | Ängstlichkeit]], [[Depression/Fachartikel | Depression]], bipolare Störung, Verhaltensstörungen und die [[Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung/Fachartikel | Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung]] (ADHS). Geschlechterunterschiede, die sich meist während der Jugend entwickeln, bestehen dabei für jede dieser Erkrankungen:<ref name= "Kuhn"/> 
aber bei Männern chronischer Alkoholkonsum dieses verringert, was bei Frauen nicht der Fall ist.
+
 
Es wird durch die Literatur nahegelegt, dass die Wirkung von Testosteron auf Drogenkonsum durch ein Erhöhen von Impulsivitäts-Facetten oder Sensation Seeking mediiert wird.<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref>
+
Bei Männern entwickeln sich öfter komorbide Verhaltensstörungen und ADHS. Zudem gelten diese Erkrankungen auch als Risikofaktoren für Substanzmissbrauch bei männlichen Jugendlichen. Eine hohe Prävalenz von Verhaltensstörungen wurde auch bei weiblichen Jugendlichen mit problematischem Substanzkonsum  festgestellt.[[Depression/Fachartikel | Depression]], [[Angststörungen/Fachartikel | Ängstlichkeit]] und bipolare Störung werden bei Frauen öfter komorbid beobachtet. Folge dieser Erkrankungen ist dann häufig der Konsum von Alkohol, um manische Symptome zu bekämpfen bzw. depressive Symptome zu lindern.  Die Komorbidität von Dysthymie und doppelter [[Depression/Fachartikel | Depression]] ("Double Depression") ist zwischen den Geschlechtern gleich.
 +
 
 +
Traumatische Erfahrungen (insbesondere während der Kindheit) stehen im Zusammenhang mit Substanzmissbrauch. Dabei werden deutlich mehr Frauen als Männer Opfer sexuellen Missbrauchs (Prävalenz bei Frauen c.a. 26.5 Prozent, bei Männern c.a. 4 Prozent).<ref>Clark, C. B., Perkins, A., McCullumsmith, C. B., Islam, M. A., Hanover, E. E., & Cropsey, K. L. (2012). Characteristics of victims of sexual abuse by gender and race in a community corrections population. Journal of Interpersonal Violence, 27(9), 1844–1861.</ref> Außerdem werden sexuelle Missbrauchserfahrungen nur bei Frauen mit problematischem Substanzmissbrauch assoziiert.
 +
 
 +
In einer weiteren Studie wurde die Verbindung zwischen fünf Formen von Kindesmisshandlung (physischer, sexueller und emotionaler Missbrauch sowie physische und emotionale Vernachlässigung) und verschiedenen Substanzgebrauchsstörungen untersucht.<ref>Afifi, T. O., Henriksen, C. A., Asmundson, G. J. G., & Sareen, J. (2012). Childhood maltreatment and substance use disorders among men and women in a nationally representative sample. Canadian Journal of Psychiatry. Revue Canadienne de Psychiatrie, 57(11), 677–686.</ref> Dabei wurde herausgefunden, dass alle fünf Formen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Substanzmissbrauch bei Frauen assoziiert wurden, bei Männern jedoch die Formen physische und emotionale Vernachlässigung keinen Zusammenhang mit Missbrauch bestimmter Substanzen (Heroin, Amphetamine und Kokain) aufwiesen. Das Vorliegen von Kindesmisshandlung erweist sich damit bei beiden Geschlechtern als Prädiktor für das Einstiegsalter und die Schwere des Substanzmissbrauchs, jedoch ist dies bei Frauen deutlich stärker ausgeprägt.<ref>Hyman, S. M., Garcia, M., & Sinha, R. (2006). Gender specific associations between types of childhood maltreatment and the onset, escalation and severity of substance use in cocaine dependent adults. The American Journal of Drug and Alcohol Abuse, 32(4), 655–64.</ref>
 +
 
 +
====Geschlechtshormone====<br>
 +
 
 +
Eine isolierte Betrachtung des Einflusses von Geschlechtshormonen auf Substanzkonsum
 +
 
 +
gestaltet sich als schwierig, da dabei stets eine Interaktion mit relevanten sozialen und biologischen
 +
 
 +
Systemen und Entwicklungsprozessen stattfindet.<ref name= "Lenz">Lenz, B., Müller, C. P., Stoessel, C., Sperling, W., Biermann, T., Hillemacher, T., … Kornhuber, J. (2012). Sex hormone activity in alcohol addiction: Integrating organizational and activational effects. Progress in Neurobiology, 96(1), 136–163.</ref>
 +
 
 +
Dennoch hat sich herausgestellt, dass Östradiol bei weiblichen Versuchstieren und bei Probandinnen sowohl die Substanzbeschaffung als auch den Belohnungseffekt der Substanz erhöht, während dies bei männlichen Versuchstieren und männlichen Probanden nicht der Fall ist.<ref name= "Carroll/><ref name= "Agabio">Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addiction Biology, 21(5), 1030–1042.</ref> Der weibliche Zyklus bildet dabei einen wichtigen Einflussfaktor: In der ersten Zyklusphase (Follikelphase) steigt Östradiol stark an, womit auch das Craving (Verlangen nach einer bestimmten Substanz) stärker wird, während in der zweiten Zyklusphase (Lutealphase) der Anstieg von Progesteron diesen Geschlechtereffekt ausgleicht. Auf vergleichbare Weise stellt der chronische Gebrauch von oralen Kontrazeptiva, die auf den natürlichen Hormonkreislauf einwirken, einen Risikofaktor für Frauen dar.<ref name= "Lenz"/>
 +
 
 +
Bezüglich der männlichen Geschlechtshormone hat sich insbesondere die Testosteronkonzentration beider Geschlechter als prädiktiv für Alkoholkonsum erwiesen.<ref>Erol, A., & Karpyak, V. M. (2015). Sex and gender-related differences in alcohol use and its consequences: Contemporary knowledge and future research considerations. Drug and Alcohol Dependence, 156, 1–13.</ref> Dabei ist zu beachten, dass Alkoholkonsum zunächst die Testosteronkonzentration bei beiden Geschlechtern erhöht, allerdings führt chronischer Alkoholkonsum bei Männern dann zu einer niedrigeren Testosteronkonzentration, was bei Frauen nicht zu beobachten ist. Studien legen nahe, dass die Wirkung von Testosteron auf Substanzkonsum durch ein erhöhtes impulsives Verhalten und/oder Sensation Seeking vermittelt wird.<ref name= "Kuhn"/>
  
 
====Soziale Beziehungen====
 
====Soziale Beziehungen====
Dass sozialer Kontakt mit Drogen konsumierenden Personen die Wahrscheinlichkeit erhöht, selbst
 
Drogen zu sich zu nehmen, wird allgemein vertreten, auch wenn die dafür eingesetzten
 
Untersuchungsparadigmen schwierig zu realisieren oder uneindeutig zu interpretieren sind.<ref>Strickland, J. C., & Smith, M. A. (2014). The effects of social contact on drug use: Behavioral mechanisms controlling drug intake. Experimental and Clinical Psychopharmacology, 22(1), 23–34.</ref>
 
Bei jugendlichen Ratten hat sich bei beiden Geschlechtern mit vergleichbaren Effektstärken für
 
soziale Settings herausgestellt, dass zumindest Alkohol, Nikotin und Kokain soziale Interaktionen
 
oder Belohnungen erhöhen, was den Drogenkonsum in einer Gruppe fördert.<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref>
 
Allerdings blieb bei diesen Studien innerhalb von Dyaden das Geschlecht des Partners oder der
 
Partnerin meistens unberücksichtigt, was jedoch einen Unterschied bewirken kann, wie in einer
 
Studie gezeigt wurde, in der das Geschlecht die Höhe des Zusammenhangs zwischen sozialer
 
Interaktion und Alkoholkonsum moderierte.<ref>Hostetler, C. M., Anacker, A. M. J., Loftis, J. M., & Ryabinin, A. E. (2012). Social housing and alcohol drinking in male-female pairs of prairie voles (Microtus ochrogaster). Psychopharmacology, 224(1), 121–132.</ref>
 
  
Bei Menschen besteht insgesamt für Jungen früher (Alter 10-12) ein höheres Risiko, durch Drogen
+
Drogenkonsum beeinflusst soziales Verhalten, aber auch soziale Kontakte (v. a. die ''Peer Group'') beeinflussen häufig den Drogenkonsum. Das heißt, sozialer Kontakt zu Personen, die Drogen konsumieren, erhöht die Wahrscheinlichkeit, selbst Drogen zu nehmen.<ref name= "Kuhn"/> Die soziale Umwelt kann belohnenden und verstärkenden Effekt auf den Drogenkonsum haben (soziale Interaktion wird erleichtert und Gruppenzugehörigkeit erhöht), wobei Prozesse des sozialen Lernens (Lernen am Modell) eine wichtige Rolle spielen. Genauso kann ein soziales Umfeld, das keine Drogen konsumiert, präventiv wirken oder den Drogenkonsum verringern.<ref name= "Strickland">Strickland, J. C., & Smith, M. A. (2014). The effects of social contact on drug use: Behavioral mechanisms controlling drug intake. Experimental and Clinical Psychopharmacology, 22(1), 23–34.</ref> In Tierversuchen mit jugendlichen Ratten hat sich für beide Geschlechter herausgestellt, dass Alkohol, Nikotin und Kokain soziale Interaktionen erleichtern und  damit soziale Belohnung fördern können, was den Substanzkonsum in der Gruppe weiter erhöht.<ref name= "Kuhn"/> Aber auch das Geschlecht kann innerhalb der Gruppe oder der Partnerschaft Einfluss auf das Konsumverhalten nehmen. Ergebnisse in Tierstudien deuten darauf hin, dass das Geschlecht des/der SozialpartnerIn den Zusammenhang zwischen sozialer Interaktion und Alkoholkonsum moderieren kann.<ref>Hostetler, C. M., Anacker, A. M. J., Loftis, J. M., & Ryabinin, A. E. (2012). Social housing and alcohol drinking in male-female pairs of prairie voles (Microtus ochrogaster). Psychopharmacology, 224(1), 121–132.</ref> Zukünftig sollte in Studien das Geschlecht der SozialpartnerInnen deshalb unbedingt berücksichtigt werden. 
konsumierende Gleichaltrige zum Drogeneinstieg verleitet zu werden.<ref>Kirisci, L., Mezzich, A. C., Reynolds, M., Tarter, R. E., & Aytaclar, S. (2009). Prospective Study of the Association Between Neurobehavior Disinhibition and Peer Environment on Illegal Drug Use in Boys and Girls. The American Journal of Drug and Alcohol Abuse, 35(3), 145–150.</ref> In derselben Studie zeigten Mädchen erst im Alter von 16 Jahren den durch abwegiges Verhalten
+
 
Gleichaltriger vermittelten Zusammenhang zwischen Enthemmung und dem Gebrauch illegaler Drogen.
+
Eine Drogen konsumierende ''Peer Group'' scheint bei Jungen früher (im Alter von zehn bis zwölf Jahren) als bei Mädchen (ab 16 Jahre) das Risiko für einen Einstieg in den Drogenkonsum zu erhöhen.<ref>Kirisci, L., Mezzich, A. C., Reynolds, M., Tarter, R. E., & Aytaclar, S. (2009). Prospective Study of the Association Between Neurobehavior Disinhibition and Peer Environment on Illegal Drug Use in  Boys and Girls. The American Journal of Drug and Alcohol Abuse, 35(3), 145–150.</ref> Jedoch zeigt sich bereits ab der Pubertät, dass  Mädchen und Frauen in höherem Maße durch den Substanzkonsum (zumindest nachgewiesen für Alkohol und Zigaretten) des/der romantischen Partners/Partnerin beeinflusst werden als Jungen und Männer.<ref name= "Kuhn"/>
Andererseits zeigt sich bereits ab der Jugend, dass weibliche Personen in höherem Umfang durch den Drogenkonsum (zumindest nachgewiesen für Alkohol und Zigaretten) des romantischen Partners beeinflusst werden als Männer.<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref>
 
  
 
== Pathophysiologie ==
 
== Pathophysiologie ==
Bevor man sich geschlechtsspezifischen Aspekten der Pathophysiologie widmet, ist zunächst zu
 
konstatieren, dass einige Besonderheiten der Forschung zu berücksichtigen sind:<ref>Carroll, M. E., & Smethells, J. R. (2016). Sex Differences in Behavioral Dyscontrol: Role in Drug Addiction and Novel Treatments. Frontiers in Psychiatry, 6, 175.</ref> Zumeist basiert die Forschung auf Paradigmen, die Drogen naive Tiere, niedrige
 
bis moderate Dosen und/oder vergleichsweise anspruchsvolle Zeitpläne der Verstärkung einsetzen.
 
Festgehalten werden kann, dass Geschlechtsunterschiede weniger wahrscheinlich unter Einsatz
 
hoher Dosen oder bei einem sehr einfachen Zugang zur Droge gefunden werden, da Ceiling-Effekte
 
eintreten. In Studien an menschlichen Probanden und Probandinnen sind die Teilnehmenden nicht
 
Drogen naiv, es gibt verschiedene Umweltbedingungen und historische Faktoren sowie derzeit
 
verfügbare, konkurrierende Belohnungen können die Angabe von Belohnungseffekten der
 
missbrauchten Droge bei Selbsteinschätzungen beeinflussen. Darüber hinaus besteht eine wichtiger
 
Unterschied darin, dass das Ausmaß des Drogenmissbrauchs bei Tieren durch den tatsächlichen
 
Konsum der Droge operationalisiert ist, bei Menschen hingegen Aussagen aus Selbsteinschätzungen
 
oder Entscheidungen bzw. hypothetische Entscheidungen für die Droge herangezogen werden.
 
  
Obwohl Männer fast alle Drogen betreffend mehr konsumieren und höhere Prävalenzen für
+
Wichtig ist es festzuhalten, dass die Forschung auf Paradigmen basiert, die substanznaive Tiere, niedrige bis moderate Dosen und/oder vergleichsweise anspruchsvolle Zeitpläne der Verstärkung einsetzen.
Substanzgebrauchsstörungen als Frauen aufweisen, entwickeln Frauen eine Abhängigkeit schneller,
+
 
wobei auch typische Phasen des Drogenkonsums früher bzw. schneller durchlaufen werden (d. h.
+
Geschlechterunterschiede treten weniger wahrscheinlich bei hohen Dosen (oder einem sehr einfachen Zugang zur Substanz) auf, da es zu einem sogenannten ''Ceiling-Effekt'' kommen kann. Zudem sind in Studien am Menschen die Teilnehmenden in der Regel nicht substanznaiv, d. h. sie haben meist bereits Erfahrung mit dem  Konsum der jeweiligen Substanz.
geringeres Einstiegsalter, früherer Eintritt in Rehabilitation, kürzere Zeit der Drogenabstinenz).<ref>Bisagno, V., & Cadet, J. L. (2014). Stress, sex, and addiction: potential roles of corticotropinreleasing factor, oxytocin, and arginine-vasopressin. Behavioural Pharmacology, 25(5-6), 445–457.</ref> Auch bei weiblichen Nagetieren kann ein schnelleres Aneignen von
+
 
Drogenkonsum und -abhängigkeit für Nikotin, Kokain, Amphetamine und Alkohol beobachtet
+
Obwohl Männer fast alle Substanzen mehr konsumieren und höhere Prävalenzen für Substanzgebrauchsstörungen aufweisen, entwickeln Frauen eine Abhängigkeit schneller und durchlaufen typische Phasen des Substanzkonsums früher bzw. schneller (d. h. geringeres Einstiegsalter, früherer Eintritt in Rehabilitation, kürzere Dauer der Substanzabstinenz).<ref>Bisagno, V., & Cadet, J. L. (2014). Stress, sex, and addiction: potential roles of corticotropinreleasing factor, oxytocin, and arginine-vasopressin. Behavioural Pharmacology, 25(5-6), 445–457.</ref> Auch in Tierversuchen beginnen weibliche Nagetiere schneller mit dem Konsum von Substanzen und werden auch früher abhängig (z. B. von Nikotin, Kokain, Amphetaminen und Alkohol). Zudem gibt es Hinweise darauf, dass ein erhöhter Konsum mit geschlechterspezifischen Neuroadaptationen in Verbindung steht.<ref name= "Kuhn"/> Dieser Geschlechterunterschied wird darauf zurückgeführt, dass Frauen aufgrund der Aktivität von Östrogen empfänglicher für Belohnungseffekte psychoaktiver Substanzen sind.<ref>Gillies, G. E., Virdee, K., McArthur, S., & Dalley, J. W. (2014). Sex-dependent diversity in ventral tegmental dopaminergic neurons and developmental programing: A molecular, cellular and behavioral analysis. Neuroscience, 282, 69–85.</ref> Damit zusammenhängend variiert die subjektive Wirkung von Substanzen bei Frauen je nach Zyklus. D. h. in der Follikelphase sind die Verstärkungsmechanismen bei Frauen durch die höhere Konzentration von Östradiol  stärker, während Progesteron in der zweiten Phase inhibitorisch wirkt.<ref>Becker, J. B., & Hu, M. (2008). Sex differences in drug abuse. Frontiers in Neuroendocrinology, 29(1), 36–47.</ref> In
werden, das zumeist nach Ende der Pubertät voll ausgeprägt ist, wobei es auch Hinweise darauf
 
gibt, dass Erhöhen des Konsums in jedem Alter stattfindet und demnach mit
 
geschlechtsspezifischen Neuroadaptationen in Verbindung steht.<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref> Dieser Geschlechtsunterschied wird darauf zurückgeführt, dass Frauen empfänglicher für die
 
Belohnungseffekte von psychoaktiven Substanzen sind, was sich wiederum durch die Aktivität von
 
Östrogenen bei Frauen ergibt.<ref>Gillies, G. E., Virdee, K., McArthur, S., & Dalley, J. W. (2014). Sex-dependent diversity in ventral tegmental dopaminergic neurons and developmental programing: A molecular, cellular and<br>
 
behavioral analysis. Neuroscience, 282, 69–85.</ref> Dementsprechend variiert die subjektive
 
Wirkung von Drogen bei Frauen je nach Zyklus, d. h. in der Follikelphase sind die
 
Verstärkungsmechanismen bei Frauen wegen des ausgeschütteten Östradiols stärker, während
 
Progesteron in der zweiten Phase eine inhibitorische Wirkung entfaltet.<ref>Becker, J. B., & Hu, M. (2008). Sex differences in drug abuse. Frontiers in Neuroendocrinology, 29(1), 36–47.</ref> In
 
einer funktionellen Magnetrosanztomographie-Studie konnte bestätigend gezeigt werden, dass das
 
Belohnungssystem während der mittleren Follikelphase stärker auf psychoaktive Substanzen
 
reagiert.<ref>Caldú, X., & Dreher, J.-C. (2007). Hormonal and genetic influences on processing reward and<br>
 
social information. Annals of the New York Academy of Sciences, 1118(1), 43–73.</ref>
 
  
Der Umstand, dass Frauen einen beschleunigten Verlauf vom Initialkonsum bis zur Abhängigkeit
+
einer fMRT-Studie konnte bestätigt werden, dass das Belohnungssystem während der mittleren Follikelphase stärker als sonst auf psychoaktive Substanzen reagiert.<ref>Caldú, X., & Dreher, J.-C. (2007). Hormonal and genetic influences on processing reward and social information. Annals of the New York Academy of Sciences, 1118(1), 43–73.</ref>
und zur Einberufung der ersten Behandlung haben, hat sich für Opioid-, Cannabis- und
 
Alkoholabhängigkeit bewährt, und wird in der Literatur als „telescoping effect“ bezeichnet.<ref>Greenfield, S. F., Back, S. E., Lawson, K., & Brady, K. T. (2010). Substance Abuse in Women. Psychiatric Clinics of North America, 33(2), 339–355.</ref> Allerdings wurde durch zwei Befragungen in den USA, in denen Frauen
 
aus der allgemeinen Bevölkerung keinen beschleunigten Abhängigkeitsverlauf bei einer
 
Alkoholmissbrauchsstörung aufwiesen, nahegelegt, dass Geschlechtsunterschiede zwischen
 
Kohorten differieren (d. h. zum Beispiel jeweils innerhalb Individuen mit einer
 
Alkoholmissbrauchsstörung und innerhalb der Allgemeinbevölkerung).<ref>Keyes, K. M., Martins, S. S., Blanco, C., & Hasin, D. S. (2010). Telescoping and Gender Differences in Alcohol Dependence: New Evidence From Two National Surveys. American Journal of Psychiatry, 167(8), 969–976.</ref> Mit dem telescoping effect ist jedoch nicht nur ein schnellerer Verlauf der Abhängigkeitserkrankungsphasen bei Frauen verbunden, sondern Frauen weisen bei ihrer ersten Behandlung stärkere medizinische, behaviorale oder soziale Probleme als Männer auf, obwohl sie insgesamt eine entsprechende Droge weniger und über eine geringere Zeitspanne konsumiert hatten.<ref>Greenfield, S. F., Back, S. E., Lawson, K., & Brady, K. T. (2010). Substance Abuse in Women. Psychiatric Clinics of North America, 33(2), 339–355.</ref> Dadurch wird das Bestehen fundamentaler Geschlechtsunterschiede hinsichtlich der Pharmakokinetik und Pharmakodynamik nahegelegt.
 
  
 +
Der Befund, dass Frauen einen beschleunigten Verlauf vom Initialkonsum bis zur Abhängigkeit und zum Beginn der ersten Behandlung haben, wurde für Opioid-, Cannabis- und Alkoholabhängigkeit nachgewiesen und wird in der Literatur als ''telescoping effect'' bezeichnet.<ref name= "Greenfield"> Greenfield, S. F., Back, S. E., Lawson, K., & Brady, K. T. (2010). Substance Abuse in Women. Psychiatric Clinics of North America, 33(2), 339–355.</ref> Zusätzlich wird mit dem ''telescoping effect'' auch die Beobachtung beschrieben, dass Frauen bei ihrer ersten Behandlung stärkere medizinische, behaviorale oder soziale Probleme als Männer zeigen, obwohl sie eine bestimmte Substanz durchschnittlich weniger und über eine geringere Zeitspanne konsumiert haben.<ref name= "Greenfield"/>> Dies könnte auf grundlegende Geschlechterunterschiede bei der Verstoffwechselung von Substanzen zurückzuführen sein (siehe hierzu auch [[Pharmakologische Grundlagen/Fachartikel | Pharmakologische Grundlagen]]).
 +
 +
Substanzspezifische Daten zur Pathophysiologie erhalten Sie unter nachfolgenden Links:<br>
  
Substanzspezifische Daten zur Pathophysiologie erhalten Sie unter nachfolgenden Links:
 
 
* [[Alkoholabhängigkeit/Fachartikel | Alkoholabhängigkeit]]
 
* [[Alkoholabhängigkeit/Fachartikel | Alkoholabhängigkeit]]
 +
 
* [[Nikotinabhängigkeit/Fachartikel | Nikotinabhängigkeit]]
 
* [[Nikotinabhängigkeit/Fachartikel | Nikotinabhängigkeit]]
 +
 
* [[Kokainabhängigkeit/Fachartikel | Kokainabhängigkeit]]
 
* [[Kokainabhängigkeit/Fachartikel | Kokainabhängigkeit]]
 +
 
* [[Cannabisabhängigkeit/Fachartikel | Cannabisabhängigkeit]]
 
* [[Cannabisabhängigkeit/Fachartikel | Cannabisabhängigkeit]]
  
== Klinik ==
+
== Klinik ==<br>
 +
 
 
=== Symptome ===
 
=== Symptome ===
Bedingt durch den telescoping effect weisen Frauen, die eine Behandlung aufsuchen, ein stärkeres
 
klinisches Profil auf, das sich sowohl auf das Abhängigkeitssyndrom an sich als auch auf die Prävalenz komorbider psychischer Störungen bezieht.<ref>Bobzean, S. A. M., DeNobrega, A. K., & Perrotti, L. I. (2014). Sex differences in the neurobiology of drug addiction. Experimental Neurology, 259, 64–74.</ref>
 
Sowohl das Craving als auch Entzugserscheinungen sind bei Frauen stärker ausgeprägt.<ref>Bobzean, S. A. M., DeNobrega, A. K., & Perrotti, L. I. (2014). Sex differences in the neurobiology of drug addiction. Experimental Neurology, 259, 64–74.</ref> Auslöser des Cravings können dabei zwischen den Geschlechtern unterschiedlich
 
akzentuiert sein: Gründe für das Rauchen sind bei Männern Verstärkungseffekte, während bei Frauen Emotionsregulation und Reaktivität auf Hinweisreize eher vertreten sind.<ref>Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addiction Biology, 21(5), 1030–1042.</ref>
 
Bei Alkohol geben Frauen öfter Coping als Grund für den Konsum an, während Männer eher Spaß als Motivation angeben.<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref> Heftige Trinkerinnen reagieren zudem sensibler mit Craving und Rückfall auf Stress und soziale Probleme, während Männer sensibler für mit der Droge verbundene Reize sind – dieser Unterschied findet sich im Übrigen auch zwischen weiblichen und männlichen Ratten.<ref>Becker, J. B., McClellan, M., & Reed, B. G. (2016). Sociocultural context for sex differences in addiction. Addiction Biology, 21(5), 1052–1059.</ref>
 
  
=== Diagnostik ===
+
Bedingt durch den ''telescoping effect'' zeigen Frauen, die eine Behandlung aufsuchen, häufig eine stärkere Abhängigkeit sowie eine höhere Prävalenz komorbider psychischer Störungen.<ref name= "Bobzean">Bobzean, S. A. M., DeNobrega, A. K., & Perrotti, L. I. (2014). Sex differences in the neurobiology of drug addiction. Experimental Neurology, 259, 64–74.</ref> Sowohl Craving als auch Entzugserscheinungen sind bei Frauen stärker ausgeprägt.<ref name= "Bobzean"/> Zudem können sich die Auslöser des Cravings zwischen den Geschlechtern unterscheiden. Gründe für Nikotin- oder Alkoholkonsum sind bei Männern öfter positive Verstärkung und Vergnügen, während Frauen häufiger als Copingstrategie bzw. zur Emotionsregulation konsumieren. Zudem wird das Rauchen bei Frauen häufiger durch Hinweisreize ("Cues") ausgelöst.<ref name= "Agabio"/> <ref name= "Kuhn"/> Frauen mit sehr hohem Alkoholkonsum reagieren zudem auf Stress und soziale Probleme stärker mit Craving und Rückfall in die Sucht, während Männer bei Stress sensibler für substanzassoziierte Reize sind (die dann wiederum Craving und Rückfall in die Sucht begünstigen). Verhaltensanalogien zeigen sich auch in Tierversuchen mit weiblichen und männlichen Nagern.<ref>Becker, J. B., McClellan, M., & Reed, B. G. (2016). Sociocultural context for sex differences in addiction. Addiction Biology, 21(5), 1052–1059.</ref>
Für eine valide umfassende Diagnose sind grundsätzlich folgende geschlechtsspezifischen Aspekte
+
 
zu beachten: Abhängige Frauen suchen weniger häufig spezifische Einrichtungen auf, sondern
+
=== Diagnostik ===<br>
begeben sich in Obhut eines Allgemeinmediziners oder einer Allgemeinmedizinerin, was u. a. mit
+
 
dem sozialen Stigma, Abhängigkeit wäre eine „männliche Störung“, zusammenhängt.<ref>Becker, J. B., McClellan, M., & Reed, B. G. (2016). Sociocultural context for sex differences in addiction. Addiction Biology, 21(5), 1052–1059.</ref>
+
Für eine umfassende Diagnostik sind folgende geschlechterspezifischen Aspekte
Da Frauen darüber hinaus häufiger an komorbiden Störungen leiden, erhöht dies wiederum die
+
 
Wahrscheinlichkeit einer Diagnose, in welcher die Abhängigkeit womöglich nicht richtig
+
zu beachten: Abhängige Frauen suchen weniger häufig spezialisierte Einrichtungen auf, sondern bitten eher in allgemeinmedizinischen Praxen um Unterstützung, was u. a. mit dem sozialen Stigma, Abhängigkeit wäre eine „männliche Störung“, zusammenzuhängen scheint.<ref name= "Becker">Becker, J. B., McClellan, M., & Reed, B. G. (2016). Sociocultural context for sex differences in addiction. Addiction Biology, 21(5), 1052–1059.</ref>
berücksichtigt wird. Denkbar ist zum Beispiel die alleinige Diagnose einer [[Depression/Fachartikel | Depression]], wobei die Frau versucht, Symptome durch Substanzgebrauch zu bekämpfen.
+
 
Auf der anderen Seite ist der umgekehrte Fall zu beachten: Bei Männern ist z. B. in der Psychiatrie
+
Da Frauen darüber hinaus häufiger an komorbiden Störungen (z. B. [[Angststörungen | Angst]] und [[Depression]]) leiden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Diagnose, in welcher die Abhängigkeit womöglich nicht richtig berücksichtigt wird. Beispielsweise wird häufig die Einzeldiagnose einer [[Depression/Fachartikel | Depression]] gestellt, wobei die Betroffene zusätzlich versucht, ihre Depressionssymptome durch Substanzmissbrauch zu bewältigen. Bei männlichen Betroffenen ist der umgekehrte Fall zu beobachten: Bei Männern besteht in der Psychiatrie das Phänomen der sogenannten ''Depressionsblindheit'', was dazu führt, dass trotz gleicher Symptomausprägung bei Frauen eher eine [[Depression/Fachartikel | Depression]] diagnostiziert wird als bei Männern.<ref>Weißbach L. & Stiehler, M. Männergesundheitsbericht 2013: Im Fokus: Psychische Gesundheit. Bern: Hans Huber; 2013</ref> Es kann dann dazu kommen, dass lediglich eine Abhängigkeitsstörung erkannt
das Phänomen der „Depressionsblindheit“ bekannt, was dazu führt, dass trotz gleicher Heftigkeit
+
 
der Symptome bei Frauen eher eine [[Depression/Fachartikel | Depression]] diagnostiziert wird.<ref>Weißbach L. & Stiehler, M. Männergesundheitsbericht 2013: Im Fokus: Psychische Gesundheit. Bern: Hans Huber; 2013</ref> In
+
wird, die komorbiden depressiven Symptome dagegen vernachlässigt werden. Insgesamt muss für beide Geschlechter bezüglich der psychiatrischen Komorbidität, aber auch bezüglich der Anreizmotivation, eine Therapie zu beginnen,  mehr Aufmerksamkeit bestehen.
diesem Sinne kann es also dazu kommen, dass lediglich eine Abhängigkeitsstörung angenommen
+
 
wird, wobei die depressiven Symptome vernachlässigt werden. Insgesamt muss also für beide Geschlechter hinsichtlich der psychiatrischen Komorbiditäten und Motivation des Substanzgebrauchs Achtsamkeit herrschen.
+
== Management von Patienten und Patientinnen ==<br>
  
== Management von Patienten und Patientinnen ==
 
 
=== Therapie ===
 
=== Therapie ===
 +
 
=== Interaktion zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin ===
 
=== Interaktion zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin ===
Der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin muss insbesondere bei zu behandelnden Frauen
 
ein Verständnis für ihre besonderen Bedürfnisse oder Anamnese entwickeln, da sich diese – wie in
 
diesem Artikel herausgearbeitet – von den typischen Merkmalen, die männliche Abhängige
 
aufweisen, zum Teil erheblich unterscheiden oder andere bzw. stärkere Konsequenzen nach sich
 
ziehen. Tatsächlich werden abhängige Frauen als pathologischer angesehen, weil die „männliche“
 
Version von Abhängigkeit als Standard gesehen wird.<ref>Becker, J.
 
B., McClellan, M., & Reed, B. G. (2016). Sociocultural context
 
for sex differences in addiction. ''Addiction Biology'', ''21''(5),
 
1052–1059.</ref>
 
  
Frauen suchen zudem eher generelle Institutionen auf, wenn sie abhängig sind, weswegen es
+
Der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin muss insbesondere bei betroffenen Frauen
wichtig ist, ihren genauen physischen und psychischen Zustand zu erfassen und eine bestimmte
+
 
Therapie oder Überweisung unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Differenzen zu
+
ein Verständnis für ihre spezifischen Bedürfnisse entwickeln, da sich diese von den typischen Merkmalen männlicher Betroffener zum Teil erheblich unterscheiden können. Tatsächlich wird die Abhängigkeit bei Frauen oft als schwerwiegender angesehen, da die typisch "männliche" Abhängigkeit als Vergleichswert herangezogen wird.<ref name= "Becker"/>
verordnen.<ref>Greenfield, S. F., Brooks, A. J., Gordon, S. M., Green, C. A., Kropp, F., McHugh, R. K., … Miele, G. M. (2007). Substance abuse treatment entry, retention, and outcome in women: a review of the literature. Drug and Alcohol Dependence, 86(1), 1–21.</ref> Darunter fallen zum Beispiel das Ansprechen auf traumatische
+
 
Ereignisse (wie sexueller Missbrauch), nach dessen Bejahung eine Vermittlung in Gruppentherapien
+
Frauen suchen zudem bei Abhängigkeit eher allgemeinärztliche Praxen auf, weswegen es auch in diesem Setting wichtig ist, ihren genauen physischen und psychischen Zustand zu erfassen und Therapien geschlechteradaptiert zu verordnen.<ref name= "Greenfield, S. F., Brooks,">Greenfield, S. F., Brooks, A. J., Gordon, S. M., Green, C. A., Kropp, F., McHugh, R. K., … Miele, G. M. (2007). Substance abuse treatment entry, retention, and outcome in women: a review of the literature. Drug and Alcohol Dependence, 86(1), 1–21.</ref> Darunter fallen zum Beispiel das Ansprechen auf traumatische Ereignisse (wie sexueller Missbrauch) - nach deren Bejahung eine Vermittlung in Gruppentherapien mit Männern vermieden werden sollte - oder auch das Berücksichtigen von Kindern, für die sich Frauen häufiger verantwortlich fühlen und deshalb eine Therapie abbrechen.<br>
mit Männern vermieden werden sollte, oder auch das Berücksichtigen von Kindern, für die sich
+
 
Frauen häufiger verantwortlich fühlen und deshalb eine Therapie abbrechen.
+
=== Behandlungserfolg/Outcome ===<br>
  
=== Behandlungserfolg/Outcome ===
+
Greenfield et al. untersuchten in ihrem Review von 2007 280 Studien und konnten feststellen, dass die Variable Geschlecht keinen signifikanten Prädiktor für Behandlungslaufzeit, -abbruch oder -erfolg darstellt. Dennoch bestehen geschlechterspezifische Prädiktoren und verschiedene Therapieelemente können abhängig vom Geschlecht den Therapieerfolg beeinflussen. Beispielsweise können bei Patientinnen bessere Outcomes erzielt werden, wenn Probleme thematisiert werden, die vor allem bei betroffenen Frauen verbreitet oder auf verschiedene Subgruppen (z. B. ältere Frauen) zugeschnitten sind. Über die Lebensspanne hinweg beginnen substanzabhängige Frauen weniger wahrscheinlich eine Therapie als betroffene Männer.<ref name= "Greenfield, S. F., Brooks,"/> Nachfolgend werden verschiedene Therapiemöglichkeiten im Einzelnen erläutert.
Über alle Therapieformen hinweg, die zur Behandlung einer Substanzgebrauchsstörung eingesetzt
 
werden, besteht womöglich eine höhere Behandlungserfolgsquote für Frauen, wie in einem Review,
 
das 280 zwischen 1975 und 2005 durchgeführte Studien untersuchte, festgehalten wurde.<ref>Greenfield, S. F., Brooks, A. J., Gordon, S. M., Green, C. A., Kropp, F., McHugh, R. K., … Miele, G. M. (2007). Substance abuse treatment entry, retention, and outcome in women: a review of the literature. Drug and Alcohol Dependence, 86(1), 1–21.</ref> Allerdings stellte das Geschlecht an sich keinen Prädiktor von
 
Behandlungslaufzeit, -abbruch oder -erfolg dar.
 
  
 
====Pharmakotherapie====
 
====Pharmakotherapie====
Viele pharmakotherapeutische Konzepte zur Bekämpfung von Abhängigkeiten basieren auf
 
Tierversuchen, in denen ein relativ stabiler Befund ist, dass viele entwickelte Substanzen bei
 
weiblichen Tieren effektiver wirken – auf den Menschen übertragen zeigten die meisten Substanzen
 
entweder keine Wirkung oder hatten Nebenwirkungen.<ref>Carroll, M. E., & Smethells, J. R. (2016). Sex Differences in Behavioral Dyscontrol: Role in Drug Addiction and Novel Treatments. Frontiers in Psychiatry, 6, 175.</ref>
 
  
Dennoch gibt es einige Medikamente, deren Einsatz sich hinsichtlich der Reduzierung des Cravings oder des absoluten Konsums als effektiv erwiesen haben. Dabei hat sich für viele dieser Medikamente herausgestellt, dass diese geschlechtsspezifisch wirken.<br /> Womöglich hängen diese Geschlechtsunterschiede damit zusammen, dass es im Bereich der pharmakologischen Therapie üblich ist, keine geschlechtsspezifische Dosis zu verabreichen. Allerdings gibt es hinreichend Indikation (z. B. geringere oder gar keine Effekte sowie stärkere Nebenwirkungen), dass insbesondere Frauen von Dosierungen, die das Geschlecht oder wenigstens das Körpergewicht berücksichtigen, profitieren würden.<ref>Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addiction Biology, 21(5), 1030–1042.</ref> <br />
+
Viele pharmakotherapeutische Konzepte zur Behandlung von Abhängigkeiten basieren auf Tierversuchen. Dabei ist ein relativ stabiler Befund, dass viele Substanzen bei weiblichen Tieren effektiver wirken als bei männlichen.  Beim Menschen zeigen die meisten Substanzen bisher entweder keine Wirkung oder aber deutliche Nebenwirkungen.<ref name= "Carroll/>
'''''Naltrexon'''''<br />
+
 
Für Naltrexon wird insgesamt Uneinigkeit konstatiert, ob es Effektivitätsunterschiede zwischen den
+
Dennoch gibt es einige Medikamente, die sich bezüglich der Reduzierung des Cravings oder des absoluten Konsums als effektiv erwiesen haben.  Dabei hat sich für viele dieser Medikamente herausgestellt, dass eine geschlechterspezifische Wirkung besteht (vgl. Tabelle 1). Trotzdem ist es im Bereich der pharmakologischen Therapie derzeit nicht üblich, medikamentöse Dosen, an das jeweilige Geschlecht anzupassen. Nichtsdestotrotz gibt es hinreichend Indikationen (z. B. geringere oder gar keine Effekte oder stärkere Nebenwirkungen), dass Frauen von Dosierungen, die das Geschlecht oder zumindest das Körpergewicht berücksichtigen, profitieren würden. <ref name= "Agabio"/>
Geschlechtern gibt,<ref>Agabio, R., Pani, P. P., Preti, A., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Efficacy of Medications Approved for the Treatment of Alcohol Dependence and Alcohol Withdrawal Syndrome in Female Patients: A Descriptive Review. European Addiction Research, 22(1), 1–16.</ref> wie im Folgenden durch das Auflisten einiger Studien und ihrer Ergebnisse veranschaulicht werden soll:
+
 
 +
<span style="font-size: 11.9px;">'''Tabelle 1. Geschlechterunterschiede in der Wirkung verschiedener Medikamente bei Substanzgebrauchsstörungen.'''</span><br>
 +
 
 +
{| class="wikitable"
 +
 
 +
|-
 +
 
 +
! Medikament !! Geschlechterspezifische Wirkung
 +
 
 +
|-
 +
 
 +
| '''''Naltrexon''''' || Für Naltrexon ergibt sich eine unklare Studienlage, ob Effektivitätsunterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen.<ref name= "Pani">Agabio, R., Pani, P. P., Preti, A., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Efficacy of Medications Approved for the Treatment of Alcohol Dependence and Alcohol Withdrawal Syndrome in Female Patients: A Descriptive Review. European Addiction Research, 22(1), 1–16.</ref> Verschiedene Studien belegen für beide Geschlechter reduzierten Konsum und geringeres Craving durch die Einnahme von Naltrexon (häufig in Kombination mit psychologischen Therapien).<ref>Greenfield, S. F., Pettinati, H. M., O’Malley, S., Randall, P. K., & Randall, C. L. (2010). Gender differences in alcohol treatment: an analysis of outcome from the COMBINE study. Alcoholism, Clinical and Experimental Research, 34(10), 1803–1812.</ref> <ref name= "Martinotti"> Martinotti, G., Di Nicola, M., Tedeschi, D., Andreoli, S., Reina, D., Pomponi, M., … Janiri, L. (2010). Pregabalin versus naltrexone in alcohol dependence: a randomised, double-blind, comparison trial. Journal of Psychopharmacology, 24(9), 1367–1374.</ref> 
 +
 
 +
Da häufig mehrere Substanzen parallel konsumiert werden, können Wechselwirkungen entstehen. Diese Interaktionen können durch das Geschlecht beeinflusst werden und sollten während einer Pharmakotherapie berücksichtigt werden.<ref>Graziani, M., Nencini, P., & Nisticò, R. (2014). Genders and the concurrent use of cocaine and alcohol: Pharmacological aspects. Pharmacological Research, 87, 60–70.</ref> In einer Studie mit Personen, die sowohl alkohol- als auch kokainabhängig waren, reduzierten nur Männer ihren Substanzkonsum nach Verabreichung von Naltrexon, Frauen steigerten ihn hingegen.<ref>Pettinati, H. M., Kampman, K. M., Lynch, K. G., Suh, J. J., Dackis, C. A., Oslin, D. W., & O’Brien, C. P. (2008). Gender differences with high-dose naltrexone in patients with co-occurring cocaine and alcohol dependence. Journal of Substance Abuse Treatment, 34(4), 378–390.</ref> Die AutorInnen begründeten dies mit der recht hohen Dosis (150 mg/Tag), die bei Frauen womöglich stärkere Nebenwirkungen ausgelöst und damit die Effektivität beeinträchtigt hatte. Passend zu dieser Annahme wurde in einer anderen Studie belegt, dass Nebenwirkungen (wie z. B. Übelkeit) bei Frauen in Behandlung mit Naltrexon im Vergleich zu Männern und Kontrollen häufiger auftreten.<ref>Roche, D. J. O., & King, A. C. (2015). Sex differences in acute hormonal and subjective response to naltrexone: The impact of menstrual cycle phase. Psychoneuroendocrinology, 52, 59–71.</ref> Zudem wiesen nur Frauen einen erhöhten Kortisol-Spiegel auf und waren stärker von Nebenwirkungen betroffen, wenn sie sich in der Lutealphase statt der frühen Follikelphase befanden. Bisher wurde vor allem die orale Einnahme von Naltrexon untersucht. Es existiert jedoch auch eine injizierbare Variante von Naltrexon, deren Effektivität sich eher bei alkoholkranken Männern zu bewähren scheint.<ref>Garbutt, J. C., Kranzler, H. R., O’Malley, S. S., Gastfriend, D. R., Pettinati, H. M., Silverman, B. L.,… Vivitrex Study Group. (2005). Efficacy and tolerability of long-acting injectable naltrexone for alcohol dependence: a randomized controlled trial. JAMA, 293(13), 1617–1625.</ref><br>
 +
 
 +
|-
 +
 
 +
|'''''Weitere Medikamente bei Alkoholabhängigkeit & Alkoholentzugssyndrom'''''|| Bei einigen Medikamenten, die für die Behandlung einer Alkoholabhängigkeit oder eines Alkoholentzugssyndroms eingesetzt werden, bleibt unklar, ob Geschlechterunterschiede in der Wirksamkeit bestehen. Aufgrund der zu geringen Anzahl von Frauen in klinischen Studien können keine sicheren Aussagen über die geschlechterspezifische Effektivität und Sicherheit von Disulfiram, Antikonvulsiva, Gamma-Hydroxybuttersäure und Benzodiazepine getroffen werden. Nur für Nalmefen und Acomprosat war die Größe des Probandinnenkollektivs ausreichend, sodass hier festgestellt werden konnte, dass keine Geschlechterunterschiede vorliegen.<ref name= "Pani"/> 
 +
 
 +
|-
 +
 
 +
| '''''Fluoxetin''''' || Fluoxetin, das bereits acht Wochen vor dem tatsächlichen Rauchstopp eingenommen wird, verringerte  nur bei Frauen depressive Symptome, Craving und den Entzug betreffenden negativen Affekt. Dabei stehen für Frauen depressive Symptome, die vor dem Rauchstopp auftreten sowie Craving im Zusammenhang mit der Abstinenzdauer, während bei Männern mit dem Entzug verbundener negativer Affekt mit der Abstinenzdauer assoziiert wird.<ref>Minami, H., Kahler, C. W., Bloom, E. L., Prince, M. A., Abrantes, A. M., Strong, D. R., … Brown, R. A. (2014). Effects of sequential fluoxetine and gender on prequit depressive symptoms, affect, craving, and quit day abstinence in smokers with elevated depressive symptoms: A growth curve modeling approach. Experimental and Clinical Psychopharmacology, 22(5), 392–406.</ref>
 +
 
 +
|-
 +
 
 +
| '''''Pregabalin''''' || Im direkten Vergleich mit einer täglichen Applikation Naltrexon (50 mg) zeigt Pregabalin eine größere Wirkung im Sinne einer stärkeren Reduktion des Alkoholkonsums. Möglicherweise hängt dies mit der anxiolytischen Wirkung von Pregabalin zusammen, da komorbide psychiatrische Symptomatiken (z. B. [[Angststörungen | Ängstlichkeit]]) oft mit [[Alkoholabhängigkeit]] einhergehen. Die Studie gibt damit Hinweis darauf, dass eine Drogentherapie erfolgreicher verläuft, wenn dabei komorbide psychische Störungen berücksichtigt werden.<ref name= "Martinotti"/> 
 +
 
 +
|-
  
• Auch wenn es in der Literatur Hinweise darauf gibt, dass kombinierte Therapien höhere
+
| '''''Nikotinersatztherapie''''' || Männer scheinen mehr von Nikotin-Pflastern oder Nikotin-Kaugummis zu profitieren als Frauen. Mehr Frauen als Männer brechen die Behandlung mit Nikotin-Pflastern aufgrund von Hautirritationen ab.<ref name= "Agabio"/> Insgesamt ist die Befundlage uneindeutig.
Erfolgsquoten nach sich ziehen, zeigte sich in einer großen Stichprobe alkoholkranker Personen
 
weder ein Zugewinn (aber auch keine Verringerung) an Effektivität durch eine behaviorale Therapie
 
neben der Verabreichung von Naltrexon (100 mg/Tag), noch Unterschiede zwischen den
 
Geschlechtern.<ref>Greenfield, S. F., Pettinati, H. M., O’Malley, S., Randall, P. K., & Randall, C. L. (2010). Gender differences in alcohol treatment: an analysis of outcome from the COMBINE study. Alcoholism, Clinical and Experimental Research, 34(10), 1803–1812.</ref> Naltrexon entfaltete seine Wirkung bei beiden
 
Geschlechtern gleichermaßen im Sinne einer Reduktion des Cravings nach Alkohol.
 
  
• Eine Dosis von
+
|-
50 mg am Tag zog bei alkoholabhängigen Frauen im Vergleich mit einem Placebo keinen
 
signifikanten Vorteil hinsichtlich des Trinkverhaltens nach sich, wenn zusätzlich eine Cognitive
 
Behavioral Coping Skills Therapy (CBCST) durchgeführt wurde.<ref>O’Malley, S. S., Sinha, R., Grilo, C. M., Capone, C., Farren, C. K., McKee, S. A., … Wu, R. (2007). Naltrexone and cognitive behavioral coping skills therapy for the treatment of alcohol drinking and eating disorder features in alcohol-dependent women: a randomized controlled trial. Alcoholism, Clinical and Experimental Research, 31(4), 625–634.
 
</ref>
 
  
• Eine Applikation von 50 mg Naltrexon am Tag bewirkte in einer weiteren Studie bei beiden
+
| '''''Bupropion''''' || Bupropion scheint bei Frauen effektiver zu sein, um Abstinenz vom Rauchen aufrechtzuerhalten. Dies kann damit zusammenhängen, dass es die Gewichtszunahme bei einem Rauchstopp verringert.<ref name= "Agabio"/>
Geschlechter einen geringeren Alkoholkonsum sowie geringeres Craving.<ref>Martinotti, G., Di Nicola, M., Tedeschi, D., Andreoli, S., Reina, D., Pomponi, M., … Janiri, L. (2010). Pregabalin versus naltrexone in alcohol dependence: a randomised, double-blind, comparison trial. Journal of Psychopharmacology, 24(9), 1367–1374.</ref>
 
  
• Es ist häufig der Fall, dass nicht nur eine Substanz konsumiert wird, sondern mehrere Substanzen,
+
|-
die miteinander interagieren, wobei diese Interaktion geschlechtsspezifisch sein kann und eine
 
Pharmakotherapie dies zu berücksichtigen hat.<ref>Graziani, M., Nencini, P., & Nisticò, R. (2014). Genders and the concurrent use of cocaine and alcohol: Pharmacological aspects. Pharmacological Research, 87, 60–70.</ref> In einer Studie mit Personen,
 
die sowohl alkohol- als auch kokainabhängig waren, reduzierten nur Männer ihren Drogenkonsum
 
nach Verabreichung von Naltrexon, Frauen steigerten ihn hingegen.<ref>Pettinati, H. M., Kampman, K. M., Lynch, K. G., Suh, J. J., Dackis, C. A., Oslin, D. W., & O’Brien, C. P. (2008). Gender differences with high-dose naltrexone in patients with co-occurring cocaine and alcohol dependence. Journal of Substance Abuse Treatment, 34(4), 378–390.</ref> Die
 
Autoren und Autorinnen erklärten sich dies mit der hohen Dosis (150 mg/Tag), welche bei Frauen
 
womöglich stärkere Nebenwirkungen habe.
 
Passend zu dieser Annahme wurde in einer anderen Studie herausgestellt, dass negative
 
Nebeneffekte (wie z. B. Übelkeit) bei Frauen in Behandlung von Naltrexon im Vergleich zu
 
Männern und Kontrollen häufiger auftreten.<ref>Roche, D. J. O., & King, A. C. (2015). Sex differences in acute hormonal and subjective response to naltrexone: The impact of menstrual cycle phase. Psychoneuroendocrinology, 52, 59–71.</ref> Zudem wiesen nur Frauen
 
einen erhöhten Kortisol-Spiegel auf und waren zudem noch stärker von Nebeneffekten betroffen,
 
wenn sie sich in der Lutealphase statt der frühen Follikelphase befanden.
 
  
• Bisher wurde sich immer auf die orale Einnahme von Naltrexon bezogen, aber es gibt auch eine
+
| '''''Methadon''''' || Männer sind womöglich anfälliger für die QT-Verlängerung des Herzschlages bei geringen Dosen von Methadon, auch wenn das allgemeine Risiko bei Frauen, eine QT-Verlängerung zu entwickeln, höher ist.<ref name= "Agabio"/>
langzeitwirkende, injizierbare Variante von Naltrexon, deren Effektivität sich bei alkoholkranken
 
Männern bewährte, bei Frauen jedoch weniger.<ref>Garbutt, J. C., Kranzler, H. R., O’Malley, S. S., Gastfriend, D. R., Pettinati, H. M., Silverman, B. L.,… Vivitrex Study Group. (2005). Efficacy and tolerability of long-acting injectable naltrexone for alcohol dependence: a randomized controlled trial. JAMA, 293(13), 1617–1625.</ref>
 
  
Insgesamt besteht für Naltrexon also eine Tendenz dahingehend, dass gezeigte
+
|-
Geschlechtsunterschiede möglicherweise durch unterschiedliche Dosierungen zustande kommen,
 
wobei die Effektivität bei Frauen womöglich durch das vermehrte Auftreten von Nebenwirkungen
 
unterminiert wird.<br />
 
'''''Weitere Medikamente bei Alkoholabhängigkeit und Alkoholentzugssyndrom'''''<br />
 
In einem Review wurde aufgezeigt, dass einige der für die Behandlung einer Alkoholabhängigkeit
 
sowie des Alkoholentzugssyndroms eingesetzten Medikamente Unklarheiten bezüglich
 
geschlechtsspezifischer Wirkungen aufweisen:<ref>Agabio, R., Pani, P. P., Preti, A., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2015). Efficacy of Medications Approved for the Treatment of Alcohol Dependence and Alcohol Withdrawal Syndrome in Female Patients: A Descriptive Review. European Addiction Research, 22(1), 1–16.</ref> Aufgrund zu geringer Anzahl
 
von Frauen (außer bei Gamma-Hydroxybuttersäure, bei welcher die Gesamtanzahl zu gering war)
 
in klinischen Testungen können keine sicheren Aussagen über die geschlechtsspezifische
 
Effektivität und Sicherheit von Disulfiram, Antikonvulsiva, Gamma-Hydroxybuttersäure und
 
Benzodiazepine getroffen werden. Für Nalmefen und Acomprosat gab es genug Probandinnen,
 
sodass hier festgestellt wurde, dass keine Geschlechtsunterschiede vorliegen.<br />
 
'''''Fluoxetin'''''<br />
 
Sequentielles Fluoxetin verringerte acht Wochen vor dem Rauchstopp nur bei Frauen depressive
 
Symptome, den Entzug betreffende negative Affekte und das Craving.<ref>Minami, H., Kahler, C. W., Bloom, E. L., Prince, M. A., Abrantes, A. M., Strong, D. R., … Brown, R. A. (2014). Effects of sequential fluoxetine and gender on prequit depressive symptoms, affect, craving, and quit day abstinence in smokers with elevated depressive symptoms: A growth curve modeling approach. Experimental and Clinical Psychopharmacology, 22(5), 392–406.</ref> Dabei
 
standen für Frauen depressive Symptome, die vor dem Rauchstopp auftraten, sowie das Craving im
 
Zusammenhang mit der Abstinenzdauer, während bei Männern mit dem Entzug verbundene
 
negative Affekte mit der Abstinenzdauer zusammenhingen.<br />
 
'''''Pregabalin'''''<br />
 
Im direkten Vergleich mit einer täglichen Applikation von 50 mg Naltrexon zeigte Pregabalin einen
 
noch größeren Erfolg im Sinne einer stärkeren Reduktion von Alkoholkonsum.<ref>Martinotti, G., Di Nicola, M., Tedeschi, D., Andreoli, S., Reina, D., Pomponi, M., … Janiri, L. (2010). Pregabalin versus naltrexone in alcohol dependence: a randomised, double-blind, comparison trial. Journal of Psychopharmacology, 24(9), 1367–1374.</ref> Allerdings hängt dies möglicherweise mit der anxiolytischen Wirkung von Pregabalin
 
zusammen, da komorbide psychiatrische Symptomatiken (z. B. Ängstlichkeit) oft mit
 
Alkoholabhängigkeit einhergehen. Diese Studie kann somit als Hinweis gedeutet werden, dass eine
 
Drogentherapie erfolgreicher verläuft, wenn darin weitere psychische Störungen oder einzelne
 
damit verbundene Facetten in ihrer interaktionistischen Wirkung mit der Abhängigkeit Berücksichtigung finden.<br />
 
'''''Nikotinersatztherapie'''''<br />
 
Männer scheinen mehr von Nikotin-Pflastern oder Nikotin-Kaugummi zu profitieren, wobei für
 
Nikotin-Pflaster zum Beispiel herausgefunden wurde, dass mehr Frauen als Männer diese
 
Behandlung wegen Hautirritationen abbrechen.<ref>Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addiction Biology, 21(5), 1030–1042.</ref> Insgesamt ist die Befundlage
 
aber uneindeutig.<br />
 
'''''Bupropion'''''<br />
 
Bupropion scheint bei Frauen effektiver zu sein, wenn es darum geht, Abstinenz vom Rauchen
 
aufrechtzuerhalten, was womöglich damit zusammenhängt, dass es die Gewichtszunahme bei einem
 
Rauchstopp verringert.<ref>Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addiction Biology, 21(5), 1030–1042.</ref><br />
 
'''''Methadon'''''<br />
 
Männer sind womöglich anfälliger für die QT-Verlängerung bei geringen Dosen, auch wenn das
 
allgemeine Risiko bei Frauen, eine QT-Verlängerung zu entwickeln, höher ist.<ref>Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addiction Biology, 21(5), 1030–1042.</ref><br />
 
'''''Buprenorphin'''''<br />
 
Nach Applikation der gleichen Dosis erreichen Frauen signifikant höhere Plasmakonzentrationen
 
von Buprenorphin, im Vergleich zu Methadon ist es bei Frauen effektiver, und auch Schwangeren
 
kann es ohne Bedenken verschrieben werden (wegen eines geringeren neonatalen Entzugssyndroms
 
ist es gegenüber Methadon vorzuziehen).<ref>Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addiction Biology, 21(5), 1030–1042.</ref><br />
 
'''''Progesteron'''''<br />
 
Wegen der inhibitorischen Rolle des weiblichen Geschlechtshormons Progesteron während des
 
Zyklus, die sich auf den Substanzgebrauch und subjektive Effekte auswirkt, wurde auch untersucht,
 
ob sich eine exogene Verabreichung als effektiv erweist.
 
In Tierversuchen reduziert verabreichtes Progesteron den Kokainkonsum, und auch bei Menschen
 
lässt sich diese Wirkung im Sinne verringerter physiologischer und subjektiver Belohnungseffekte
 
von Kokain oder durch geringeres Craving nach Darbietung eines Hinweisreizes nachweisen.<ref>Carroll, M. E., & Smethells, J. R. (2016). Sex Differences in Behavioral Dyscontrol: Role in Drug Addiction and Novel Treatments. Frontiers in Psychiatry, 6:175.</ref> Diese Effekte zeigten sich vor allem bei weiblichen Tieren oder
 
weiblichen Menschen. Auch bei Frauen, die gerade ein Kind geboren haben, konnte der
 
Kokainkonsum durch Progesteron-Verabreichung verringert werden.<ref>Yonkers, K. A., Forray, A., Nich, C., Carroll, K. M., Hine, C., Merry, B. C., … Sofuoglu, M. (2014). Progesterone for the reduction of cocaine use in post-partum women with a cocaine use disorder: a randomised, double-blind, placebo-controlled, pilot study. The Lancet Psychiatry, 1(5), 360–367.</ref>
 
In einer Studie, an der allerdings nur zehn Personen teilnahmen, wurde für Männer und Frauen nachgewiesen, dass sich die Einnahme von Progesteron abschwächend auf subjektive und physiologische Reaktionen nach Kokainkonsum auswirkt.<ref>Sofuoglu, M., Mitchell, E., & Kosten, T. R. (2004). Effects of progesterone treatment on cocaine responses in male and female cocaine users. Pharmacology, Biochemistry, and Behavior, 78(4), 699–705.</ref><br />
 
  
====Weitere therapeutische Möglichkeiten und Aspekte====
+
| '''''Buprenorphin''''' || Nach Applikation der gleichen Dosis erreichen Frauen signifikant höhere Plasmakonzentrationen von Buprenorphin. Im Vergleich zu Methadon ist es bei Frauen effektiver, und auch bei schwangeren Frauen scheint eine Einnahme möglich zu sein  (wegen eines geringeren neonatalen Entzugssyndroms ist es gegenüber Methadon vorzuziehen).<ref name= "Agabio"/>
'''''Berücksichtigung psychischer Komorbiditäten'''''<br />
+
 
Eine Studie mit alkoholkranken Personen zeigte, dass traumatische Erfahrungen und derzeitige
+
|-
Symptome, die mit einem Trauma einhergehen, bei Frauen signifikant mit einem Rückfall assoziiert
+
 
sind, bei Männern hingegen nicht.<ref>Heffner, J. L., Blom, T. J., & Anthenelli, R. M. (2011). Gender Differences in Trauma History and Symptoms as Predictors of Relapse to Alcohol and Drug Use. The American Journal on Addictions,20(4), 307–311.</ref> Der Schweregrad eines Traumas während
+
| '''''Progesteron''''' || Da Progesteron sich positiv auf Substanzabstinenz auswirken kann, wurde untersucht, ob sich eine exogene Verabreichung ebenfalls als effektiv erweist. In Tierversuchen reduziert verabreichtes Progesteron den Kokainkonsum. Auch bei Menschen lässt sich eine positive Wirkung im Sinne verringerter physiologischer und subjektiver Belohnungseffekte und geringerem Cravings nachweisen.<ref name= "Carroll/> Diese Effekte zeigen sich vor allem bei weiblichen Tieren oder Probandinnen. Auch bei Frauen, die gerade ein Kind geboren haben, konnte der Kokainkonsum durch Progesteron-Verabreichung verringert werden.<ref>Yonkers, K. A., Forray, A., Nich, C., Carroll, K. M., Hine, C., Merry, B. C., … Sofuoglu, M. (2014). Progesterone for the reduction of cocaine use in post-partum women with a cocaine use disorder: a randomised, double-blind, placebo-controlled, pilot study. The Lancet Psychiatry, 1(5), 360–367.</ref>
der Kindheit zeigte sich ebenfalls nur bei Frauen als signifikanter Prädiktor für den Eintritt eines
+
 
Rückfalls bei Kokainabhängigkeit.<ref>Hyman, S. M., Paliwal, P., Chaplin, T. M., Mazure, C. M., Rounsaville, B. J., & Sinha, R. (2008). Severity of childhood trauma is predictive of cocaine relapse outcomes in women but not men. Drug and Alcohol Dependence, 92(1-3), 208–216.</ref>
+
In einer Studie, an der allerdings nur zehn Personen teilnahmen, wurde für Männer und Frauen nachgewiesen, dass sich nach der Einnahme von Progesteron die subjektive und physiologische Reaktion auf Kokainkonsum vermindert.<ref>Sofuoglu, M., Mitchell, E., & Kosten, T. R. (2004). Effects of progesterone treatment on cocaine responses in male and female cocaine users. Pharmacology, Biochemistry, and Behavior, 78(4), 699–705.</ref>
Zudem ist bei Frauen, bei denen eine [[Depression/Fachartikel | Depression]] therapiert wurde, die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Drogentherapie höher als für unbehandelte Frauen. <ref>Zenker, C. (2005). Sucht und Gender. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz, 48(4), 469–476.</ref>
+
 
Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass insbesondere bei Frauen während oder vor dem Verordnen
+
|}
einer speziellen Therapie gegen Abhängigkeit eventuelle psychische Komorbiditäten zu behandeln
+
 
sind.<br />
+
====Weitere therapeutische Möglichkeiten====<br>
'''''Gruppentherapien'''''<br />
+
 
Männer scheinen mehr durch klare Strukturen, wie sie z. B. bei den Anonymen Alkoholikern
+
In Tabelle 2 werden unterschiedliche Therapieansätze und -inhalte geschlechtersensibel betrachtet.
herrschen, zu profitieren.<ref>Zenker, C. (2005). Sucht und Gender. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz, 48(4), 469–476.</ref> In diesen Gruppen wird nämlich die Einflussmöglichkeit
+
 
auf die Abhängigkeit eher abgelehnt, wohingegen Frauen für einen Behandlungserfolg Gruppen
+
<span style="font-size: 11.9px;">'''Tabelle 2. Geschlechterunterschiede bei nicht-medikamentösen Therapieoptionen.'''</span><br>
benötigen, in denen Emotionen bearbeitet werden und Fähigkeiten wie Selbstbewusstsein oder
+
 
Selbstwirksamkeit betont werden. Deshalb empfehlen sich für Frauen auch eher
+
{| class="wikitable"
geschlechtshomogene Gruppen, da sie sich unter Frauen sicherer fühlen und für sie relevante
+
 
Thematiken besser angesprochen werden.<ref>Zenker, C. (2005). Sucht und Gender. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz, 48(4), 469–476.</ref><br />
+
|-
'''''Gemeinsame kognitive Verhaltenstherapie'''''<br />
+
 
Für Frauen ist soziale Unterstützung ein Faktor, der stärker als bei Männern sowohl die Aufnahme
+
! Therapieansatz/-inhalt!! Geschlechtersensible Betrachtung
einer Therapie als auch den Behandlungserfolg beeinflusst.<ref>Greenfield, S. F., Brooks, A. J., Gordon, S. M., Green, C. A., Kropp, F., McHugh, R. K., … Miele, G. M. (2007). Substance abuse treatment entry, retention, and outcome in women: a review of the literature. Drug and Alcohol Dependence, 86(1), 1–21.</ref> Zudem wirkt der Drogenkonsum ihres Partners steigernd auf den eigenen Konsum.<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref>
+
 
All diese Barrieren können bei Frauen durch eine gemeinsame kognitive Verhaltenstherapie
+
|-
angegangen werden. Insgesamt sieht die Befundlage so aus, dass sich eine solche Drogentherapie
+
 
mit dem Partner zusammen als positiv für das Ziel der Reduzierung des Alkoholkonsums und der
+
| '''''Berücksichtigung komorbider Störungen''''' || Eine Studie mit alkoholkranken Personen zeigte, dass traumatische Erfahrungen und Symptome, die mit einem Trauma einhergehen, nur bei Frauen mit einem höheren Rückfallrisiko assoziiert sind.<ref>Heffner, J. L., Blom, T. J., & Anthenelli, R. M. (2011). Gender Differences in Trauma History and Symptoms as Predictors of Relapse to Alcohol and Drug Use. The American Journal on Addictions,20(4), 307–311.</ref> Auch der Schweregrad eines Traumas während der Kindheit erweist sich nur bei Frauen als Prädiktor für einen Rückfall bei Kokainabhängigkeit.<ref>Hyman, S. M., Paliwal, P., Chaplin, T. M., Mazure, C. M., Rounsaville, B. J., & Sinha, R. (2008). Severity of childhood trauma is predictive of cocaine relapse outcomes in women but not men. Drug and Alcohol Dependence, 92(1-3), 208–216.</ref>
Abstinenz herausstellt, wobei einzelne Sitzungen zwischendurch einen noch größeren Effekt haben,
+
 
der durch den Wunsch der Frau, neben Paarsitzungen auch eine individuelle Therapie vorzunehmen,
+
Für abhängige Frauen, bei denen eine komorbide [[Depression/Fachartikel | Depression]] therapiert wurde, ist die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Drogentherapie höher als für depressive Frauen ohne Behandlung. <ref name= "Zenker">Zenker, C. (2005). Sucht und Gender. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz, 48(4), 469–476.</ref> Um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Drogentherapie zu erhöhen, sollten komorbide Erkrankungen  bei Frauen und bei Männern unbedingt behandelt werden.
vermittelt wird.<ref>McCrady, B. S., Epstein, E. E., Hallgren, K. A., Cook, S., & Jensen, N. K. (2016). Women with alcohol dependence: A randomized trial of couple versus individual plus couple therapy. Psychology of Addictive Behaviors, 30(3), 287–299.</ref><br />
+
 
'''''Der weibliche Zyklus'''''<br />Der weibliche Zyklus beeinflusst den
+
|-
subjektiven Effekt von Drogen sowie physiologische Reaktionen und Entzugserscheinungen.<ref>Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addiction Biology, 21(5), 1030–1042.</ref> Insbesondere bei rauchenden Personen wurde versucht, sich die inhibitorische Wirkung
+
 
von Progesteron zunutze zu machen, indem ein Rauchstopp in der Lutealphase (in welcher der
+
| '''''Gruppentherapien'''''|| 
Progesteron-Spiegel am höchsten ist) initiiert wurde. Die Befundlage sieht jedoch gemischt aus: In
+
 
einigen Studien wurden Erfolge im Sinne längerer Zeit bis zu einem Rückfall berichtet, in anderen
+
Männer scheinen mehr durch klare Strukturen (wie z. B. bei den Anonymen Alkoholikern) zu profitieren. Frauen benötigen für einen Behandlungserfolg eher Gruppen, in denen Emotionen bearbeitet und Fähigkeiten wie Selbstbewusstsein oder Selbstwirksamkeit geübt werden. Für Frauen empfehlen sich meist geschlechtshomogene Gruppen, da sie sich unter Frauen sicherer fühlen und relevante Themen besser angesprochen werden können.<ref name= "Zenker"/>
wurden hingegen keine Effekte der Zyklusphase auf den Behandlungserfolg festgestellt oder die
+
 
Entzugserscheinungen waren in der Follikelphase sogar geringer.<ref>Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addiction Biology, 21(5), 1030–1042.</ref><br />
+
|-
'''''Impulsivität und inhibitorische Kontrollfunktionen'''''<br />
+
 
Impulsivität (hier insbesondere impulsive Auswahl) stellt einen Prädiktor für den Behandlungserfolg beider Geschlechter dar, wobei höhere Werte bei Frauen ein Faktor dafür sein
+
| '''''Kognitive Verhaltenstherapie als Paar''''' || Für Frauen ist soziale Unterstützung ein Faktor, der stärker als bei Männern sowohl die Aufnahme einer Therapie als auch den Behandlungserfolg beeinflusst.<ref name= "Greenfield, S. F., Brooks,"/> Zudem wirkt der Substanzkonsum ihres Partners steigernd auf den eigenen Konsum.<ref name= "Kuhn"/> Diese Aspekte können bei Frauen durch eine gemeinsame kognitive Verhaltenstherapie behandelt werden. Insgesamt ergibt die Befundlage, dass eine Therapie gemeinsam mit dem/der PartnerIn effektiv sein kann für das Ziel, den Alkoholkonsum zu reduzieren bzw. abstinent zu bleiben. Einzelne Sitzungen als Ergänzung steigern diesen Effekt bei Frauen noch.<ref>McCrady, B. S., Epstein, E. E., Hallgren, K. A., Cook, S., & Jensen, N. K. (2016). Women with alcohol dependence: A randomized trial of couple versus individual plus couple therapy. Psychology of Addictive Behaviors, 30(3), 287–299.</ref>
könnten, dass sie häufiger als Männer rückfällig werden.<ref>Carroll, M. E., & Smethells, J. R. (2016). Sex Differences in Behavioral Dyscontrol: Role in Drug Addiction and Novel Treatments. Frontiers in Psychiatry, 6:175.</ref> Eine
+
 
Drogentherapie könnte also zum Ziel haben, Impulsivität zu verringern bzw. die Selbstregulation zu
+
|-
fördern, um so der Drogeneinnahme entgegenzuwirken.
+
 
Dabei können Frauen und Männer von unterschiedlichen Paradigmen zur Stärkung ihrer
+
|'''''Der weibliche Zyklus''''' || Der weibliche Zyklus beeinflusst den subjektiven Effekt von Substanzen sowie physiologische Reaktionen und Entzugserscheinungen.<ref name= "Agabio"/> Insbesondere bei Frauen mit Nikotinabhängigkeit wurde versucht, die inhibitorische Wirkung von Progesteron zu nutzen, indem ein Rauchstopp in der Lutealphase (in welcher der Progesteron-Spiegel am höchsten ist) initiiert wurde. Die Befundlage sieht dabei gemischt aus: In einigen Studien wurde Erfolg im Sinne einer längeren Zeit bis zu einem Rückfall berichtet, in anderen wurde kein Effekt der Zyklusphase auf den Behandlungserfolg festgestellt oder die Entzugserscheinungen waren in der Follikelphase sogar geringer.<ref name= "Agabio"/>
Selbstkontrolle profitieren, wie eine Studie nahelegte:<ref>Mansouri, F. A., Fehring, D. J., Gaillard, A., Jaberzadeh, S., & Parkington, H. (2016). Sex dependency of inhibitory control functions. Biology of Sex Differences, 7(1), 11.</ref> Frauen scheinen mehr
+
 
von früherem Kontakt und Übung profitieren, wenn es sich um Aufgaben handelt, welche die
+
|-
exekutive Kontrolle betreffen. Musik wurde dabei als geschlechtsspezifisch wirkender Faktor (d. h.
+
 
nur bei Frauen effektiv) herausgestellt, der exekutive Kontrollfunktionen beeinflusst und
+
| '''''Impulsivität und inhibitorische Kontrollfunktionen''''' || 
womöglich zur Bereicherung von Rehabilitationen und zur Handhabung von Zwangsstörungen oder
+
 
weiteren neuropsychologischen Störungen (worunter auch Abhängigkeitserkrankungen fallen)
+
Impulsivität (hier insbesondere die Variante ''impulsive Auswahl'') stellt einen Prädiktor für den Behandlungserfolg beider Geschlechter dar. Wobei höhere Werte bei Frauen (die im allgemeinen niedrigere Ausprägungen zeigen) ein Risikofaktor dafür sein könnten, dass sie häufiger als Männer rückfällig werden.<ref name= "Carroll/> Eine Drogentherapie sollte damit zum Ziel haben, Impulsivität zu verringern bzw. Selbstregulation zu fördern, um so der Substanzeinnahme entgegenzuwirken. Dabei können Frauen und Männer von unterschiedlichen Paradigmen zur Stärkung ihrer Selbstkontrolle profitieren.<ref>Mansouri, F. A., Fehring, D. J., Gaillard, A., Jaberzadeh, S., & Parkington, H. (2016). Sex dependency of inhibitory control functions. Biology of Sex Differences, 7(1), 11.</ref> Beispielsweise scheinen Frauen besser von früheren sozialen Kontakten und von Übungen, die die exekutive Kontrolle betreffen (z. B. Musikhören zur Verbesserung der Selbstkontrolle), zu profitieren. 
genutzt werden kann.<br />
+
 
'''''Physische Betätigung'''''<br />
+
|-
In einem Review von 2015 kommen der Autor und die Autorin zu dem Schluss, dass sich physische Betätigung womöglich zur Behandlung von Abhängigkeiten eignet, da erste Versuche an Nagetieren dies nahelegen.<ref>Carroll, M. E., & Smethells, J. R. (2016). Sex Differences in Behavioral Dyscontrol: Role in Drug Addiction and Novel Treatments. Frontiers in Psychiatry, 6:175.</ref> Dieser Effekt war bei weiblichen und jugendlichen Tieren öfter zu beobachten und stärker ausgeprägt.<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref>
+
 
 +
| '''''Körperliche Betätigung''''' || Ein Review von 2015 ergibt, dass sich körperliche Betätigung womöglich zur Behandlung von Abhängigkeiten eignet. Erste Versuche an Nagetieren legen diese Möglichkeit nahe.<ref name= "Carroll/> Dabei war ein positiver Effekt bei weiblichen und jugendlichen Tieren öfter zu beobachten und zudem stärker ausgeprägt.<ref name= "Kuhn"/>
 +
 
 +
|}
 +
 
 +
<br>
  
 
=== Psychosoziale Faktoren ===
 
=== Psychosoziale Faktoren ===
Dass gesellschaftliche Faktoren den Umgang mit Drogen zwischen den Geschlechtern beeinflussen,
 
zeigt sich womöglich daran, dass die Prävalenz von Drogenmissbrauch vom 18. bis zum 19.
 
Jahrhundert bei Frauen höher war, Männer erst ab dem 19. Jahrhundert zunehmend Frauen
 
überholten, und sich heutzutage für viele Substanzen die Tendenz zeigt, dass sich die Geschlechter
 
wieder annähern.<ref>Carroll, M. E., & Smethells, J. R. (2016). Sex Differences in Behavioral Dyscontrol: Role in Drug Addiction and Novel Treatments. Frontiers in Psychiatry, 6:175.</ref> Es gibt Hinweise, dass Frauen dabei empfindlicher
 
für Faktoren wie Drogenverfügbarkeit und soziale Konventionen sind, wobei angenommen wird,
 
dass die stärkere soziale Verurteilung des Substanzgebrauchs bei Frauen lange als protektiver Faktor
 
wirkte, der nun aber lockerer wird, sodass sich die Prävalenzen angleichen.<ref>Becker, J. B., McClellan, M., & Reed, B. G. (2016). Sociocultural context for sex differences in addiction. Addiction Biology, 21(5), 1052–1059.</ref>
 
  
Viel weniger Frauen als Männer nehmen Behandlungen für Substanzmissbrauch in Anspruch, was
+
Dass gesellschaftliche Faktoren den geschlechterspezifischen Umgang mit Drogen beeinflussen, zeigt sich beispielsweise daran, dass die Prävalenz von Substanzmissbrauch vom 18. bis zum 19. Jahrhundert bei Frauen höher war, Männer erst ab dem 19. Jahrhundert zunehmend Frauen überholten und sich heutzutage für viele Substanzen die Tendenz zeigt, dass sich die Geschlechter wieder angleichen.<ref name= "Carroll/> Es gibt Hinweise, dass Frauen empfindlicher auf Faktoren wie Substanzverfügbarkeit und soziale Konventionen reagieren. Es wird angenommen, dass die stärkere soziale Verurteilung des Substanzgebrauchs bei Frauen lange als protektiver Faktor wirkte, der nun immer weniger greift, sodass sich die Prävalenzen zunehmend angleichen.<ref name= "Becker"/>
unter anderem mit folgenden sozialen Faktoren in Verbindung gebracht wird:<ref>Greenfield, S. F., Brooks, A. J., Gordon, S. M., Green, C. A., Kropp, F., McHugh, R. K., … Miele, G. M. (2007). Substance abuse treatment entry, retention, and outcome in women: a review of the literature. Drug and Alcohol Dependence, 86(1), 1–21.</ref> Frauen sind durchschnittlich ökonomisch schlechter gestellt, ihre Bildung ist im
+
 
Durchschnitt geringer und sie bekommen weniger soziale Unterstützung, wenn sie als abhängig
+
Frauen nehmen viel seltener als Männer spezifische Behandlungen bei Substanzmissbrauch in Anspruch, was unter anderem mit folgenden sozialen Faktoren in Verbindung gebracht wird: Frauen sind durchschnittlich ökonomisch schlechter gestellt, ihre Bildung ist im Durchschnitt geringer und sie bekommen weniger soziale Unterstützung, wenn sie als abhängig gelten. Um diese Barrieren für Frauen zu überwinden, könnten zum Beispiel Dienste im Sinne von Kinderbetreuung, perinataler Behandlung oder Familiendienste eingerichtet werden. Das gesellschaftliche Bild der Abhängigkeit als typisch „männliche“ Störung muss sich zudem dringend wandeln.<ref name= "Greenfield, S. F., Brooks,"/>
gelten. Um diese Barrieren für Frauen zu überwinden, können zum Beispiel Dienste im Sinne von
 
Kinderbetreuung, perinataler Behandlung oder Familiendienste eingerichtet werden, und das
 
gesellschaftliche Bild der Abhängigkeit als „männliche“ Störung muss sich wandeln.
 
  
 
=== Prävention ===
 
=== Prävention ===
Die Pubertät ist eine kritische Phase für den Beginn von Drogenkonsum und dementsprechend
 
entscheidend für die spätere Entwicklung einer Abhängigkeit beider Geschlechter, sodass innerhalb
 
dieser oder davor mit präventiven Programmen angesetzt werden sollte.<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref> Mädchen
 
treten typischerweise früher in die Pubertät ein, womit auch ihr früherer Initialkonsum erklärt wird,
 
sodass bei ihnen möglicherweise eher als bei Jungen Aufklärung geleistet werden sollte. Auch wenn
 
Persönlichkeitseigenschaften wie Sensation Seeking und Impulsivität beide Geschlechter anfälliger
 
für Drogenkonsum machen, sollten womöglich spezielle Programme für Jungen entworfen werden,
 
da ihre Werte von Pubertät an höher sind und davon ausgegangen wird, dass dies eine Ursache für
 
die höhere Prävalenz von Drogenabhängigkeit bei Männern darstellt.
 
Insbesondere bei jugendlichen Mädchen sollten Symptome von [[Depression/Fachartikel | Depression]] oder [[Angststörungen/Fachartikel | Ängstlichkeit]] frühestmöglich erkannt und behandelt werden, da diese stark mit der Einnahme von Drogen zusammenhängen.
 
  
Grundsätzlich kann zur Prävention an der Motivation, Drogen zu konsumieren, angesetzt werden,
+
Die Pubertät ist bei beiden Geschlechtern eine kritische Phase für den Beginn von Substanzkonsum und entscheidend für die spätere Entwicklung einer Abhängigkeit, sodass während oder bereits vor der Pubertät mit präventiven Programmen angesetzt werden sollte.<ref name= "Kuhn"/> Mädchen treten typischerweise früher in die Pubertät ein, womit auch ihr früherer Initialkonsum erklärt werden kann. Bei Mädchen könnten deshalb früher als bei Jungen Präventionsprogramme nötig sein. Auch wenn Persönlichkeitseigenschaften wie Sensation Seeking und Impulsivität beide Geschlechter anfälliger für Substanzkonsum machen, sollten womöglich spezielle Programme für Jungen entworfen werden. Bei Jungen sind die Ausprägungen bei beiden Persönlichkeitsmerkmalen ab der Pubertät höher als bei Mädchen. Es wird davon ausgegangen, dass darin eine Ursache für die höhere Prävalenz von Substanzabhängigkeit bei Männern liegt. Insbesondere bei Mädchen sollten Symptome von [[Depression/Fachartikel | Depression]] oder [[Angststörungen/Fachartikel | Ängstlichkeit]] frühestmöglich erkannt und behandelt werden, da diese stark mit der Einnahme von Substanzen zusammenhängen.
die zwischen den Geschlechtern variiert: Männer konsumieren Drogen eher aus Spaß, Frauen
 
hingegen, um negative Affekte (z. B. Ängstlichkeit, Depression oder Stress) zu verdrängen.<ref>Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.</ref> Demgemäß empfehlen sich für Jungen/Männer Aufklärungen, in welchen sinnvolle Alternativen zur Gewinnung von Spaß vorgeschlagen werden und in denen die Konsequenzen des Substanzgebrauchs hervorgehoben werden, während Mädchen/Frauen vermehrt an gesunde, effektive Coping-Strategien herangeführt werden sollten.
 
  
Insgesamt ist es notwendig, in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Abhängigkeit auch Frauen betrifft und sich diese bei ihnen anders auswirkt, sodass Frauen Drogentherapien häufiger aufnehmen, ohne sich schämen zu müssen oder verurteilt zu werden.<ref>Greenfield, S. F., Brooks, A. J., Gordon, S. M., Green, C. A., Kropp, F., McHugh, R. K., … Miele, G. M. (2007). Substance abuse treatment entry, retention, and outcome in women: a review of the literature. Drug and Alcohol Dependence, 86(1), 1–21.</ref> Auf diese Weise könnte die Prävalenz bei Frauen reduziert werden.
+
Grundsätzlich kann zur Prävention an der Motivation, Substanzen zu konsumieren, angesetzt werden. Diese variiert zwischen den Geschlechtern: Männer konsumieren Drogen eher aus Vergnügen, Frauen eher, um negative Affekte (z. B. Ängstlichkeit, Depression oder Stress) zu verdrängen.<ref name= "Kuhn"/> Demgemäß empfehlen sich für Jungen/Männer Aufklärungen, in welchen sinnvolle Alternativen zur Gewinnung von Vergnügen vorgeschlagen und Konsequenzen des Substanzgebrauchs hervorgehoben werden, während Mädchen/Frauen vermehrt an gesunde, effektive Coping-Strategien herangeführt werden sollten.<br>
  
Das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung hält fest, dass es an
+
Insgesamt ist es notwendig, in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Abhängigkeit auch Frauen betrifft und sich Abhängigkeit bei Frauen anders auswirken kann als bei Männern. Ziel sollte sein, dass Frauen (und Männer) Drogentherapien häufiger aufnehmen, ohne befürchten zu müssen, verurteilt zu werden.<ref name= "Greenfield, S. F., Brooks,"/> Auf diese Weise könnte die Prävalenz bei beiden Geschlechtern reduziert werden. Aktuell mangelt es noch an Untersuchungen, die geschlechterspezifische Effekte von Präventionsprogrammen berücksichtigen.<ref>UNODC. (2016). Guidelines on drug prevention and treatment for girls and women. Retrieved from https://www.unodc.org/documents/drug-prevention-and-treatment/unodc_2016_drug_prevention_and_treatment_for_girls_and_women_E.pdf </ref>
Literatur mangelt, die geschlechtsspezifische Unterschiede von Präventionsprogrammen untersucht.
 
Die vorhandenen Ergebnisse indizieren eine gleiche Wirkung von Familien-basierten Strategien zwischen den Geschlechtern, während Gemeinschaftsprogramme für Mädchen nicht effektiv sind.<ref>UNODC. (2016). Guidelines on drug prevention and treatment for girls and women. Retrieved from <nowiki>https://www.unodc.org/documents/drug-prevention-andtreatment/unodc_2016_drug_prevention_and_treatment_for_girls_and_women_E.pdf</nowiki></ref>
 
  
 
==Integration in die klinische Versorgung==
 
==Integration in die klinische Versorgung==
 +
 
== Offene Forschungsfragen ==
 
== Offene Forschungsfragen ==
Bisher wurde das Geschlecht in der Abhängigkeitsforschung wenig berücksichtigt, auch wenn
 
jüngst erschienene Reviews versuchen, auf diese Lücke in der Literatur aufmerksam zu machen und
 
geschlechtsspezifische Tendenzen herauszustellen. Es wird sich zukünftig zeigen, ob berichtete
 
Geschlechtsunterschiede bezüglich des Verlaufs, der Konsequenzen oder auch der Therapieform
 
Einzug in den klinischen Alltag finden, denn die Ergebnisse legen nahe, dass beide Geschlechter
 
davon profitieren würden.
 
  
== Literatur ==
+
Bisher wurde das Geschlecht in der Abhängigkeitsforschung wenig berücksichtigt, auch wenn jüngst erschienene Reviews versuchen, auf diese Lücke in der Literatur aufmerksam zu machen und mögliche geschlechterspezifische Einflüsse herauszustellen. Es wird sich zukünftig zeigen, ob die berichteten Geschlechterunterschiede bezüglich des Verlaufs, der Konsequenzen oder auch der Therapieform Einzug in den klinischen Alltag finden werden. Ergebnisse legen nahe, dass beide Geschlechter davon profitieren würden.
 +
 
 
<div class="toccolours mw-collapsible mw-collapsed">
 
<div class="toccolours mw-collapsible mw-collapsed">
Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.
+
 
<div class="mw-collapsible-content"> <references/></div>
+
==Externe Links==
</div>
+
 
 +
* [https://www.unodc.org/documents/drug-prevention-and-treatment/unodc_2016_drug_prevention_and_treatment_for_girls_and_women_E.pdf UNODC - United Nations Office on Drugs and Crime. Guidlines on drug prevention and treatment for girls and women (2016).]<br>
 +
 
 +
==Literatur==
 +
</div><div class="toccolours mw-collapsible mw-collapsed">Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.<div class="mw-collapsible-content"> <references/></div></div>
 +
==Lizenz==
 +
Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode
 +
 
 +
==Autoren==
 +
Julia Schreitmüller
 +
 
 +
Zuletzt geändert: 2017-10-06 10:33:29

Aktuelle Version vom 6. Oktober 2017, 10:33 Uhr


Der folgende Artikel befasst sich mit Geschlechterunterschieden bei Substanzgebrauchsstörungen. Geschlechterübergreifende Inhalte erhalten Sie zum Beispiel bei Papst et al. (2012).

Epidemiologie[Bearbeiten]

Inzidenz/Prävalenz[Bearbeiten]

Einer Studie von 2013 zufolge sind in Deutschland 31.2 Prozent der Männer und 15.2 Prozent der Frauen in ihrem Leben mindestens einmal von irgendeiner Substanz abhängig.[1] Die deutlich höhere Prävalenz an jemals betroffenen männlichen Personen ergibt sich für verschiedene aktuelle Erhebungen: So ist die Prävalenz des allgemeinen, riskanten oder abhängigkeitsinduzierten Konsums für die meisten Substanzen  bei Männern höher als bei Frauen, wobei sich für einige Substanzen Angleichungstendenzen zeigen.[2] Die höhere Prävalenz des männlichen Geschlechtes hinsichtlich der meisten Substanzen äußert sich i. d. R. erst in Kohorten des jungen Erwachsenenalters. Darüber hinaus konsumieren Männer meist eine größere Menge derselben Substanz. So zeigen sich Geschlechtsunterschiede in dem Bereich des höchsten angegebenen Konsums am deutlichsten. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass sich die Prävalenzen beider Geschlechter  (insbesondere beim Rauchen) annähern, d. h. in jüngeren Kohorten sind die Geschlechtsunterschiede am geringsten, in älteren Kohorten am höchsten. Vermutet werden kann, dass diese Kohorteneffekte einen kulturellen Wandel widerspiegeln. War Rauchen bei Frauen früher  nicht gut angesehen, ist es heutzutage gesellschaftlich akzeptiert.  Zu überprüfen gilt, ob es sich tatsächlich um ein kulturelles Phänomen handelt oder ob die Unterschiede in den Kohorten stabile Werte über verschiedene Lebensabschnitte darstellen. Weitere Forschung ist diesbezüglich nötig.[3]

Die 12-Monats-Prävalenzen der Abhängigkeit (nach DSM-IV) von legalen und illegaler Substanzen sind Grafik 1 und 2 zu entnehmen.

Substanzspezifische epidemiologische Daten erhalten Sie unter nachfolgenden Links:

59d73fd9f3843.png

Grafik 1. 12-Monats-Prävalenz der Abhängigkeit von Alkohol und Nikotin (nach DSM-IV); n = 9084, Alter: 18-64 [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Pabst et al. (2013)] 

59d73fdaa0ad6.png

Grafik 2. 12-Monats-Prävalenz der Abhängigkeit von Cannabis, Kokain und Amphetaminen (nach DSM-IV); n = 9084, Alter: 18-64 [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Pabst et al. (2013)] 

Amphetamine[Bearbeiten]

Orientierend an einer Erhebung von Papst et al. (2013), haben in Deutschland in einem Ein-Jahres-Zeitraum mehr Männer als Frauen Amphetamine konsumiert (12 Monats-Prävalenz von 1.2 Prozent versus 0.3 Prozent, Selbstangabe). Unter Männern liegt die Prävalenz von Amphetamin-Missbrauch bei etwa 0.3 Prozent und für Amphetamin-Abhängigkeit bei  0.2 Prozent (nach DSM-IV), bei Frauen konnte weder Missbrauch noch Abhängigkeit identifiziert werden. Betrachtet nach Altersgruppen folgt die Prävalenz von Amphetamin-Missbrauch keiner Tendenz (weder mit dem Alter zunehmend noch abnehmend). Die meisten Personen mit Amphemtamin-Abhängigkeit befanden sich in der Altersgruppe von 25 bis 29 Jahren (ein Prozent), gefolgt von 18 bis 20 Jahren (0.4  Prozent) und 21 bis 24 Jahren (0.1 Prozent). In allen anderen Altersgruppen konnten keine Abhängigkeiten identifiziert werden.[2]

====Medikamente====

Die geschlechterspezifischen 12-Monats-Prävalenzen der Abhängigkeit von Schmerzmitteln, Schlafmitteln und Beruhigungsmitteln sind Grafik 3 zu entnehmen. Wichtig ist, dass Medikamenteneinnahme weniger zu Genuss- und Rauschzwecken, sondern in erster Linie aufgrund ihrer therapeutischen Wirkung und nach ärztlicher Verordnung erfolgt. Ein klarer Geschlechterunterschied zeigt sich nur bezüglich der Abhängigkeit von Schmerzmitteln (höhere Prävalenz bei Frauen).

59d73fdb5ba6b.png

Grafik 3. 12-Monats-Prävalenz der Medikamentenabhängigkeit (nach DSM-IV); n= 9084, Alter: 18-64 [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Pabst et al. (2013)] 

Schmerzmittel

In Deutschland nehmen mehr Frauen als Männer innerhalb eines Jahres Schmerzmittel ein (68  Prozent versus 56.1 Prozent) und konsumieren diese häufiger auch täglich (Ein-Monats-Prävalenz von 4.6 Prozent versus 3.8 Prozent). Auch waren die DSM-IV-Kriterien für Missbrauch (8.8 Prozent versus 8.5 Prozent) und Abhängigkeit (3.7 Prozent versus 3 Prozent) bei Frauen öfter als bei Männern erfüllt.[2]

Schlafmittel

Die 12-Monats-Prävalenz von Schlafmittel-Konsum in Deutschland ist  bei Frauen mit 6.8 Prozent höher als bei 

Männern mit  4.2  Prozent. Die Rate des täglichen Konsums liegt bei Frauen mit 0.8 Prozent etwas über der von Männern mit 0.7 Prozent. Bezüglich Schlafmittel-Missbrauch (nach DSM-IV) ergibt sich kein Geschlechterunterschied (jeweils 0.8  Prozent). Dagegen leiden Frauen mit 0.9 Prozent etwas häufiger an  Schlafmittel-Abhängigkeit (auch nach DSM-IV) als Männer mit 0.8  Prozent. Die Häufigkeit der Einnahme sowie die tägliche Einnahme steigt tendenziell über die Altersgruppen hiweg an, während Missbrauch und Abhängigkeit über diese relativ gleich verteilt sind.[2]

Beruhigungsmittel

In Deutschland nehmen 6.2 Prozent der Frauen, aber nur 4.6 Prozent der Männer innerhalb eines Jahres irgendein Beruhigungsmittel zu sich. Bei Frauen ergibt sich zudem eine etwas höhere tägliche Einnahme (1.3 Prozent versus 1.1 Prozent). Geschlechterunterschiede bezüglich Missbrauch bestehen nicht  (jeweils 0.8  Prozent, nach DSM-IV), jedoch sind Männer etwas häufiger abhängig (1.4 Prozent versus 1.3 Prozent, nach DSM-IV). Für alle genannten Einnahmemerkmale ist ein Trend zu höheren Werten im Alter zu erkennen.[2]

Weitere Medikamente

Anregungsmittel (Psychostimulanzien, z. B. bei ADHS oder Narkolepsie)  werden in Deutschland häufiger von Männern konsumiert (12-Monats-Prävalenz von 1.2 Prozent versus 0.7 Prozent; täglich 0.3 Prozent versus 0.2 Prozent). Der Konsum fand besonders in jüngeren bis mittleren Kohorten statt (18 bis 39 Jahre). Frauen nehmen in Deutschland innerhalb eines Jahres mit höherer Wahrscheinlichkeit Appetitzügler ein (0.6 Prozent versus 0.2 Prozent), aber Männer tun dies häufiger täglich (0.2 Prozent versus 0.1 Prozent). In jüngeren bis mittleren Kohorten ist der Konsum am stärksten ausgeprägt.[2]

====Weitere Substanzen in Kurzform====

Die 12-Monats-Prävalenz des Konsums der folgenden (illegalen) Substanzen war in Deutschland bei Männern jeweils höher als bei Frauen: Ecstasy (0.7 Prozent versus 0.1 Prozent), LSD (0.5 Prozent versus 0.1 Prozent), Heroin (0.3 Prozent versus 0.1 Prozent), Crack (0.2 Prozent versus <0.0 Prozent), Pilze (0.5 Prozent versus. 0.1 Prozent), Spice (0.3 Prozent versus <0.0 Prozent) sowie andere Opiate (0.4 Prozent versus 0.3 Prozent).[2]

Risikofaktoren und protektive Faktoren[Bearbeiten]

Die meisten Risikofaktoren für die Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung unterscheiden sich nicht zwischen Männer und Frauen. Dennoch gibt es auch einige geschlechterspezifische Risikofaktoren, die im Folgenden erläutert werden. 

Impulsivität, Sensation Seeking, Selbstregulation[Bearbeiten]

Impulsivität, Sensation Seeking sowie Selbstregulation gelten als essenzielle Prädiktoren für das

Entwickeln einer Abhängigkeit, die von beiden Geschlechtern geteilt werden.[3]

Wichtig dabei ist, dass inhibitorische Kontrolle und Substanzkonsum sich gegenseitig beeinflussen und  Substanzkonsum seinerseits die Fähigkeit zur Verhaltenskontrolle schwächt.[4] In der Pubertät kommt es zu neurobiologischen Entwicklungen, die die Tendenzen für Sensation Seeking zu einem Zeitpunkt fördern, während dem sich die Impulskontrolle noch entwickelt.[5]

Werte für Sensation Seeking und Impulskontrolle sind zwischen Männern und Frauen unterschiedlich und stehen im Zusammenhang mit der pubertären Entwicklung: Auch wenn während der Pubertät beide Geschlechter erhöhte Werte in Sensation Seeking erreichen, so zeigen heranwachsende Männer generell höhere Ausprägungen in Sensation Seeking und geringere Ausprägungen in Impulskontrolle. Allgemein lässt sich feststellen, dass der Geschlechterunterschied in beiden Persönlichkeitsmerkmalen mit dem Alter zunimmt und dass deshalb besonders Jungen in der Adoleszenz vulnerabel für riskantes Verhalten (z. B. übermäßiger Substanzkonsum) werden. Allerdings setzt die Pubertät bei Mädchen typischerweise früher ein, sodass sie aufgrund der damit zusammenhängenden Veränderungen schon in jüngeren Jahren erhöhte Werte in Sensation Seeking entwickeln und früher als Jungen vulnerabel für Substanzkonsum werden.[5]

Impulsivität wird oft in zwei Varianten unterteilt:[6] Impulsive Auswahl ("impulsive choice") beschreibt dabei ein Verhalten, das ohne Bedenken zukünftiger Konsequenzen geschieht, was sich in experimentellen Studien meist durch die Präferenz einer kleinen, aber direkten Belohnung statt einer größeren, aber späteren Belohnung zeigt. Impulsives Handeln ("impulsive action") beschreibt hingegen das Unvermögen, eine Reaktion zurückzuhalten, bis eine gewisse Zeit signalisiert wird (z. B. operationalisiert durch ein Stoppsignal, nach dessen Darbietung keine vorher zu drückende Taste mehr betätigt werden soll).

Während beide Varianten der Impulsivität mit Substanzmissbrauch assoziiert werden, korrelieren vor allem höhere Ausprägungen der Impulsivitätsvariante impulsive Auswahl mit einer diagnostizierten Abhängigkeit.[7] Auch wenn es nur wenige Studien gibt, in denen die Impulsivitätsvariante impulsive Auswahl an Tieren untersucht wurde, deuten diese auf moderat höhere Werte zugunsten weiblicher Tiere hin.[8]

Geschlechterspezifische Differenzen bezüglich der Ausprägung der Impulsivitätsvariante impulsive Auswahl sind bei Menschen weniger eindeutig; konsistente Ergebnisse bestehen nicht. Dennoch wurden einige Trends gefunden:[8] Hinsichtlich der impulsiven Auswahl zeigen Frauen bei hypothetischen Belohnungen höhere Werte, Männer hingegen bei tatsächlichen Belohnungen.  Bezüglich der Impulisvitätsvariante impulsives Handeln weisen männliche Labortiere insbesondere unter Berücksichtigung von Geschlechtshormonen höhere Werte auf, während Unterschiede bei Menschen in mäßigem Umfang und aufgabenspezifisch (d. h. bei Continuous Performance Tasks und Go/No-go Tasks sind Männer impulsiver, bei Stoppsignalaufgaben Frauen) zu beobachten sind.[9]

Es hat sich in einigen Studien gezeigt, dass Frauen während des Substanzkonsums impulsiver handeln als Männer. Dagegen handeln in den Kontrollgruppen (also ohne zu konsumieren) männliche Versuchspersonen ebenso impulsiv oder impulsiver als weibliche Versuchspersonen. Daraus kann geschlossen werden, dass eine geschlechterspezifische Kovarianz zwischen impulsivem Handeln und Substanzmissbrauch besteht.[6] Impulsives Verhalten bei Frauen ist zudem zyklusabhängig:[10] Frauen sind während der Follikelphase am wenigsten impulsiv, womit sich eventuell auch entscheidende Unterschiede zwischen Studien erklären lassen. Zudem kann die geschlechterspezifische Ausprägung der Impulskontrolle eventuell auf Unterschiede des orbitofrontalen Cortex (OFC) zurückgeführt werden, dessen Wirkung bei impulsiven Entscheidungen gut dokumentiert ist:[4] Der OFC ist bei Frauen größer, weist einen geringeren Glukoseverbrauch auf, die Rezeptoren für Östrogene und Androgene sind dort dichter besiedelt und die Konnektivität mit dem präfrontalen Cortex sowie dem dorsalen Striatum ist höher. Dagegen ist das Volumen des präfrontalen Cortex bei jungen Alkoholkonsumentinnen im Vergleich zu jungen Alkoholkonsumenten  und gleichgeschlechtlichen Kontrollen (jeweils 15 bis 17 Jahre) geringer. Es lässt sich schließen, dass das biologische Geschlecht den Einfluss von Substanzen auf die Morphologie und die Aktivierung kortikaler Bereiche, die mit Impulsivität in Verbindung stehen, modulieren könnte.[11]

====Mesolimbisches System====

Das mesolimbische System mit seinen dopaminergen Pfaden spielt eine entscheidende Rolle bei Prozessen, die einem Abhängigkeitssyndrom zugrunde liegen.[4] Dabei könnte eine veränderte Funktionsweise von Arealen im mesolimbischen System sowohl eine der Ursachen für die Entwicklung einer Abhängigkeit als auch Konsequenz dieser sein. Geschlechterunterschiede finden sich in Tierstudien unter anderem hinsichtlich der Dopaminkonzentration im Striatum, wo Östrogene bei weiblichen Tieren einen geschlechtsspezifischen Effekt auf die Bindung von dopaminergen D2-Rezeptoren hatten.[12] Bei Nagern zeigen sich zudem in den Eigenschaften und der Plastizität der mesolimbischen dopaminergen Neuronen geschlechterbedingte Unterschiede. Diese Unterschiede sind möglicherweise eine Ursache dafür, warum Frauen Substanzkonsum  schneller erlernen als Männer.[13]

====Beginn der Pubertät und ihr Verlauf====

Während der Pubertät finden Entwicklungsprozesse auf biologischer, sozialer und umweltbezogener Ebene statt, deren Interaktionen es schwierig machen, eindeutige Zusammenhänge herauszustellen. Das Eintrittsalter der Pubertät, erhöhte Werte in Persönlichkeitsmerkmalen wie Sensation Seeking und Impulsivität sowie Komorbiditäten (z. B. ADHS, Depression) gelten als wichtige Risikofaktoren bei Heranwachsenden beider Geschlechter. Dennoch bestehen bei allen Faktoren bezüglich der Effektstärke geschlechterspezifische Unterschiede, die sich während der Pubertät entwickeln und im Erwachsenenalter meist am stärksten ausgeprägt sind.[3] Somit sind diese Veränderungen nur in einem zeitlichen, entwicklungsbezogenen Zusammenhang zu verstehen und werden nachfolgend einzeln beschrieben.

In einer Längsschnittstudie hatten Heranwachsende, die angaben, weiter als Gleichaltrige in der pubertären Entwicklung zu sein, in den letzten drei Monaten mit höherer Wahrscheinlichkeit Zigaretten, Alkohol sowie Marihuana konsumiert.[14] Da Mädchen die Pubertät früher erreichen (und schon mit elf Jahren klare Zusammenhänge zwischen Substanzkonsum und der eigenen Angabe der pubertären Entwicklung bestehen) sind Mädchen während der Pubertät womöglich vulnerabler für einen Ersteinstieg als Jungen.

Sensation Seeking, das bei Jungen und Männern im Allgemeinen höher ausgeprägt ist, wird oft als Mediatorvariable für den Zusammenhang zwischen pubertärer Entwicklung und frühem Substanzkonsum bzw. -missbrauch genannt. Bei Mädchen ergibt sich eine erhöhte Inzidenz von Depression und Ängstlichkeit während der Pubertät. Diese Erkrankungen korrelieren mit (erhöhtem) Substanzkonsum.[3]

Insgesamt gestaltet sich die Pubertät als kritische Phase, da Jugendliche einerseits empfänglicher für Belohnungseffekte von Substanzen sind, andererseits aversive Effekte (z. B. Entzugssymptome) weniger stark empfunden werden.[6] Beide Merkmale können zu einer positiven Verzerrung gegenüber der Drogenerfahrung führen. Erschwerend kommt hinzu, dass während der Pubertät auf neuronaler Ebene viele Veränderungen stattfinden, sodass ein erhöhter Substanzkonsum im Jugendalter schwerwiegende neurologische Folgen haben kann. Beispielsweise kann die Funktionalität im präfrontalen Kortex sich so verändern, dass das impulsive Verhalten des Konsumierenden zunimmt (abgeschwächte Top-down-Kontrolle), worin dann ein Risikofaktor für Substanzmissbrauch liegen könnte.[6]

====Komorbiditäten====

Eine Substanzgebrauchsstörung geht oft mit einer komorbiden psychischen Störung einher, welche das Fortschreiten des Substanzgebrauchs beschleunigen kann.[3] Zu diesen psychischen Erkrankungen gehören Ängstlichkeit, Depression, bipolare Störung, Verhaltensstörungen und die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Geschlechterunterschiede, die sich meist während der Jugend entwickeln, bestehen dabei für jede dieser Erkrankungen:[3] 

Bei Männern entwickeln sich öfter komorbide Verhaltensstörungen und ADHS. Zudem gelten diese Erkrankungen auch als Risikofaktoren für Substanzmissbrauch bei männlichen Jugendlichen. Eine hohe Prävalenz von Verhaltensstörungen wurde auch bei weiblichen Jugendlichen mit problematischem Substanzkonsum  festgestellt. Depression, Ängstlichkeit und bipolare Störung werden bei Frauen öfter komorbid beobachtet. Folge dieser Erkrankungen ist dann häufig der Konsum von Alkohol, um manische Symptome zu bekämpfen bzw. depressive Symptome zu lindern.  Die Komorbidität von Dysthymie und doppelter Depression ("Double Depression") ist zwischen den Geschlechtern gleich.

Traumatische Erfahrungen (insbesondere während der Kindheit) stehen im Zusammenhang mit Substanzmissbrauch. Dabei werden deutlich mehr Frauen als Männer Opfer sexuellen Missbrauchs (Prävalenz bei Frauen c.a. 26.5 Prozent, bei Männern c.a. 4 Prozent).[15] Außerdem werden sexuelle Missbrauchserfahrungen nur bei Frauen mit problematischem Substanzmissbrauch assoziiert.

In einer weiteren Studie wurde die Verbindung zwischen fünf Formen von Kindesmisshandlung (physischer, sexueller und emotionaler Missbrauch sowie physische und emotionale Vernachlässigung) und verschiedenen Substanzgebrauchsstörungen untersucht.[16] Dabei wurde herausgefunden, dass alle fünf Formen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Substanzmissbrauch bei Frauen assoziiert wurden, bei Männern jedoch die Formen physische und emotionale Vernachlässigung keinen Zusammenhang mit Missbrauch bestimmter Substanzen (Heroin, Amphetamine und Kokain) aufwiesen. Das Vorliegen von Kindesmisshandlung erweist sich damit bei beiden Geschlechtern als Prädiktor für das Einstiegsalter und die Schwere des Substanzmissbrauchs, jedoch ist dies bei Frauen deutlich stärker ausgeprägt.[17]

====Geschlechtshormone====

Eine isolierte Betrachtung des Einflusses von Geschlechtshormonen auf Substanzkonsum

gestaltet sich als schwierig, da dabei stets eine Interaktion mit relevanten sozialen und biologischen

Systemen und Entwicklungsprozessen stattfindet.[18]

Dennoch hat sich herausgestellt, dass Östradiol bei weiblichen Versuchstieren und bei Probandinnen sowohl die Substanzbeschaffung als auch den Belohnungseffekt der Substanz erhöht, während dies bei männlichen Versuchstieren und männlichen Probanden nicht der Fall ist.[6][19] Der weibliche Zyklus bildet dabei einen wichtigen Einflussfaktor: In der ersten Zyklusphase (Follikelphase) steigt Östradiol stark an, womit auch das Craving (Verlangen nach einer bestimmten Substanz) stärker wird, während in der zweiten Zyklusphase (Lutealphase) der Anstieg von Progesteron diesen Geschlechtereffekt ausgleicht. Auf vergleichbare Weise stellt der chronische Gebrauch von oralen Kontrazeptiva, die auf den natürlichen Hormonkreislauf einwirken, einen Risikofaktor für Frauen dar.[18]

Bezüglich der männlichen Geschlechtshormone hat sich insbesondere die Testosteronkonzentration beider Geschlechter als prädiktiv für Alkoholkonsum erwiesen.[20] Dabei ist zu beachten, dass Alkoholkonsum zunächst die Testosteronkonzentration bei beiden Geschlechtern erhöht, allerdings führt chronischer Alkoholkonsum bei Männern dann zu einer niedrigeren Testosteronkonzentration, was bei Frauen nicht zu beobachten ist. Studien legen nahe, dass die Wirkung von Testosteron auf Substanzkonsum durch ein erhöhtes impulsives Verhalten und/oder Sensation Seeking vermittelt wird.[3]

Soziale Beziehungen[Bearbeiten]

Drogenkonsum beeinflusst soziales Verhalten, aber auch soziale Kontakte (v. a. die Peer Group) beeinflussen häufig den Drogenkonsum. Das heißt, sozialer Kontakt zu Personen, die Drogen konsumieren, erhöht die Wahrscheinlichkeit, selbst Drogen zu nehmen.[3] Die soziale Umwelt kann belohnenden und verstärkenden Effekt auf den Drogenkonsum haben (soziale Interaktion wird erleichtert und Gruppenzugehörigkeit erhöht), wobei Prozesse des sozialen Lernens (Lernen am Modell) eine wichtige Rolle spielen. Genauso kann ein soziales Umfeld, das keine Drogen konsumiert, präventiv wirken oder den Drogenkonsum verringern.[21] In Tierversuchen mit jugendlichen Ratten hat sich für beide Geschlechter herausgestellt, dass Alkohol, Nikotin und Kokain soziale Interaktionen erleichtern und  damit soziale Belohnung fördern können, was den Substanzkonsum in der Gruppe weiter erhöht.[3] Aber auch das Geschlecht kann innerhalb der Gruppe oder der Partnerschaft Einfluss auf das Konsumverhalten nehmen. Ergebnisse in Tierstudien deuten darauf hin, dass das Geschlecht des/der SozialpartnerIn den Zusammenhang zwischen sozialer Interaktion und Alkoholkonsum moderieren kann.[22] Zukünftig sollte in Studien das Geschlecht der SozialpartnerInnen deshalb unbedingt berücksichtigt werden. 

Eine Drogen konsumierende Peer Group scheint bei Jungen früher (im Alter von zehn bis zwölf Jahren) als bei Mädchen (ab 16 Jahre) das Risiko für einen Einstieg in den Drogenkonsum zu erhöhen.[23] Jedoch zeigt sich bereits ab der Pubertät, dass  Mädchen und Frauen in höherem Maße durch den Substanzkonsum (zumindest nachgewiesen für Alkohol und Zigaretten) des/der romantischen Partners/Partnerin beeinflusst werden als Jungen und Männer.[3]

Pathophysiologie[Bearbeiten]

Wichtig ist es festzuhalten, dass die Forschung auf Paradigmen basiert, die substanznaive Tiere, niedrige bis moderate Dosen und/oder vergleichsweise anspruchsvolle Zeitpläne der Verstärkung einsetzen.

Geschlechterunterschiede treten weniger wahrscheinlich bei hohen Dosen (oder einem sehr einfachen Zugang zur Substanz) auf, da es zu einem sogenannten Ceiling-Effekt kommen kann. Zudem sind in Studien am Menschen die Teilnehmenden in der Regel nicht substanznaiv, d. h. sie haben meist bereits Erfahrung mit dem  Konsum der jeweiligen Substanz.

Obwohl Männer fast alle Substanzen mehr konsumieren und höhere Prävalenzen für Substanzgebrauchsstörungen aufweisen, entwickeln Frauen eine Abhängigkeit schneller und durchlaufen typische Phasen des Substanzkonsums früher bzw. schneller (d. h. geringeres Einstiegsalter, früherer Eintritt in Rehabilitation, kürzere Dauer der Substanzabstinenz).[24] Auch in Tierversuchen beginnen weibliche Nagetiere schneller mit dem Konsum von Substanzen und werden auch früher abhängig (z. B. von Nikotin, Kokain, Amphetaminen und Alkohol). Zudem gibt es Hinweise darauf, dass ein erhöhter Konsum mit geschlechterspezifischen Neuroadaptationen in Verbindung steht.[3] Dieser Geschlechterunterschied wird darauf zurückgeführt, dass Frauen aufgrund der Aktivität von Östrogen empfänglicher für Belohnungseffekte psychoaktiver Substanzen sind.[25] Damit zusammenhängend variiert die subjektive Wirkung von Substanzen bei Frauen je nach Zyklus. D. h. in der Follikelphase sind die Verstärkungsmechanismen bei Frauen durch die höhere Konzentration von Östradiol  stärker, während Progesteron in der zweiten Phase inhibitorisch wirkt.[26] In

einer fMRT-Studie konnte bestätigt werden, dass das Belohnungssystem während der mittleren Follikelphase stärker als sonst auf psychoaktive Substanzen reagiert.[27]

Der Befund, dass Frauen einen beschleunigten Verlauf vom Initialkonsum bis zur Abhängigkeit und zum Beginn der ersten Behandlung haben, wurde für Opioid-, Cannabis- und Alkoholabhängigkeit nachgewiesen und wird in der Literatur als telescoping effect bezeichnet.[28] Zusätzlich wird mit dem telescoping effect auch die Beobachtung beschrieben, dass Frauen bei ihrer ersten Behandlung stärkere medizinische, behaviorale oder soziale Probleme als Männer zeigen, obwohl sie eine bestimmte Substanz durchschnittlich weniger und über eine geringere Zeitspanne konsumiert haben.[28]> Dies könnte auf grundlegende Geschlechterunterschiede bei der Verstoffwechselung von Substanzen zurückzuführen sein (siehe hierzu auch Pharmakologische Grundlagen).

Substanzspezifische Daten zur Pathophysiologie erhalten Sie unter nachfolgenden Links:

== Klinik ==

Symptome[Bearbeiten]

Bedingt durch den telescoping effect zeigen Frauen, die eine Behandlung aufsuchen, häufig eine stärkere Abhängigkeit sowie eine höhere Prävalenz komorbider psychischer Störungen.[29] Sowohl Craving als auch Entzugserscheinungen sind bei Frauen stärker ausgeprägt.[29] Zudem können sich die Auslöser des Cravings zwischen den Geschlechtern unterscheiden. Gründe für Nikotin- oder Alkoholkonsum sind bei Männern öfter positive Verstärkung und Vergnügen, während Frauen häufiger als Copingstrategie bzw. zur Emotionsregulation konsumieren. Zudem wird das Rauchen bei Frauen häufiger durch Hinweisreize ("Cues") ausgelöst.[19] [3] Frauen mit sehr hohem Alkoholkonsum reagieren zudem auf Stress und soziale Probleme stärker mit Craving und Rückfall in die Sucht, während Männer bei Stress sensibler für substanzassoziierte Reize sind (die dann wiederum Craving und Rückfall in die Sucht begünstigen). Verhaltensanalogien zeigen sich auch in Tierversuchen mit weiblichen und männlichen Nagern.[30]

=== Diagnostik ===

Für eine umfassende Diagnostik sind folgende geschlechterspezifischen Aspekte

zu beachten: Abhängige Frauen suchen weniger häufig spezialisierte Einrichtungen auf, sondern bitten eher in allgemeinmedizinischen Praxen um Unterstützung, was u. a. mit dem sozialen Stigma, Abhängigkeit wäre eine „männliche Störung“, zusammenzuhängen scheint.[31]

Da Frauen darüber hinaus häufiger an komorbiden Störungen (z. B. Angst und Depression) leiden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Diagnose, in welcher die Abhängigkeit womöglich nicht richtig berücksichtigt wird. Beispielsweise wird häufig die Einzeldiagnose einer Depression gestellt, wobei die Betroffene zusätzlich versucht, ihre Depressionssymptome durch Substanzmissbrauch zu bewältigen. Bei männlichen Betroffenen ist der umgekehrte Fall zu beobachten: Bei Männern besteht in der Psychiatrie das Phänomen der sogenannten Depressionsblindheit, was dazu führt, dass trotz gleicher Symptomausprägung bei Frauen eher eine Depression diagnostiziert wird als bei Männern.[32] Es kann dann dazu kommen, dass lediglich eine Abhängigkeitsstörung erkannt

wird, die komorbiden depressiven Symptome dagegen vernachlässigt werden. Insgesamt muss für beide Geschlechter bezüglich der psychiatrischen Komorbidität, aber auch bezüglich der Anreizmotivation, eine Therapie zu beginnen,  mehr Aufmerksamkeit bestehen.

== Management von Patienten und Patientinnen ==

Therapie[Bearbeiten]

Interaktion zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin[Bearbeiten]

Der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin muss insbesondere bei betroffenen Frauen

ein Verständnis für ihre spezifischen Bedürfnisse entwickeln, da sich diese von den typischen Merkmalen männlicher Betroffener zum Teil erheblich unterscheiden können. Tatsächlich wird die Abhängigkeit bei Frauen oft als schwerwiegender angesehen, da die typisch "männliche" Abhängigkeit als Vergleichswert herangezogen wird.[31]

Frauen suchen zudem bei Abhängigkeit eher allgemeinärztliche Praxen auf, weswegen es auch in diesem Setting wichtig ist, ihren genauen physischen und psychischen Zustand zu erfassen und Therapien geschlechteradaptiert zu verordnen.[33] Darunter fallen zum Beispiel das Ansprechen auf traumatische Ereignisse (wie sexueller Missbrauch) - nach deren Bejahung eine Vermittlung in Gruppentherapien mit Männern vermieden werden sollte - oder auch das Berücksichtigen von Kindern, für die sich Frauen häufiger verantwortlich fühlen und deshalb eine Therapie abbrechen.

=== Behandlungserfolg/Outcome ===

Greenfield et al. untersuchten in ihrem Review von 2007 280 Studien und konnten feststellen, dass die Variable Geschlecht keinen signifikanten Prädiktor für Behandlungslaufzeit, -abbruch oder -erfolg darstellt. Dennoch bestehen geschlechterspezifische Prädiktoren und verschiedene Therapieelemente können abhängig vom Geschlecht den Therapieerfolg beeinflussen. Beispielsweise können bei Patientinnen bessere Outcomes erzielt werden, wenn Probleme thematisiert werden, die vor allem bei betroffenen Frauen verbreitet oder auf verschiedene Subgruppen (z. B. ältere Frauen) zugeschnitten sind. Über die Lebensspanne hinweg beginnen substanzabhängige Frauen weniger wahrscheinlich eine Therapie als betroffene Männer.[33] Nachfolgend werden verschiedene Therapiemöglichkeiten im Einzelnen erläutert.

Pharmakotherapie[Bearbeiten]

Viele pharmakotherapeutische Konzepte zur Behandlung von Abhängigkeiten basieren auf Tierversuchen. Dabei ist ein relativ stabiler Befund, dass viele Substanzen bei weiblichen Tieren effektiver wirken als bei männlichen.  Beim Menschen zeigen die meisten Substanzen bisher entweder keine Wirkung oder aber deutliche Nebenwirkungen.[6]

Dennoch gibt es einige Medikamente, die sich bezüglich der Reduzierung des Cravings oder des absoluten Konsums als effektiv erwiesen haben.  Dabei hat sich für viele dieser Medikamente herausgestellt, dass eine geschlechterspezifische Wirkung besteht (vgl. Tabelle 1). Trotzdem ist es im Bereich der pharmakologischen Therapie derzeit nicht üblich, medikamentöse Dosen, an das jeweilige Geschlecht anzupassen. Nichtsdestotrotz gibt es hinreichend Indikationen (z. B. geringere oder gar keine Effekte oder stärkere Nebenwirkungen), dass Frauen von Dosierungen, die das Geschlecht oder zumindest das Körpergewicht berücksichtigen, profitieren würden. [19]

Tabelle 1. Geschlechterunterschiede in der Wirkung verschiedener Medikamente bei Substanzgebrauchsstörungen.

Medikament Geschlechterspezifische Wirkung
Naltrexon Für Naltrexon ergibt sich eine unklare Studienlage, ob Effektivitätsunterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen.[34] Verschiedene Studien belegen für beide Geschlechter reduzierten Konsum und geringeres Craving durch die Einnahme von Naltrexon (häufig in Kombination mit psychologischen Therapien).[35] [36] 

Da häufig mehrere Substanzen parallel konsumiert werden, können Wechselwirkungen entstehen. Diese Interaktionen können durch das Geschlecht beeinflusst werden und sollten während einer Pharmakotherapie berücksichtigt werden.[37] In einer Studie mit Personen, die sowohl alkohol- als auch kokainabhängig waren, reduzierten nur Männer ihren Substanzkonsum nach Verabreichung von Naltrexon, Frauen steigerten ihn hingegen.[38] Die AutorInnen begründeten dies mit der recht hohen Dosis (150 mg/Tag), die bei Frauen womöglich stärkere Nebenwirkungen ausgelöst und damit die Effektivität beeinträchtigt hatte. Passend zu dieser Annahme wurde in einer anderen Studie belegt, dass Nebenwirkungen (wie z. B. Übelkeit) bei Frauen in Behandlung mit Naltrexon im Vergleich zu Männern und Kontrollen häufiger auftreten.[39] Zudem wiesen nur Frauen einen erhöhten Kortisol-Spiegel auf und waren stärker von Nebenwirkungen betroffen, wenn sie sich in der Lutealphase statt der frühen Follikelphase befanden. Bisher wurde vor allem die orale Einnahme von Naltrexon untersucht. Es existiert jedoch auch eine injizierbare Variante von Naltrexon, deren Effektivität sich eher bei alkoholkranken Männern zu bewähren scheint.[40]

Weitere Medikamente bei Alkoholabhängigkeit & Alkoholentzugssyndrom Bei einigen Medikamenten, die für die Behandlung einer Alkoholabhängigkeit oder eines Alkoholentzugssyndroms eingesetzt werden, bleibt unklar, ob Geschlechterunterschiede in der Wirksamkeit bestehen. Aufgrund der zu geringen Anzahl von Frauen in klinischen Studien können keine sicheren Aussagen über die geschlechterspezifische Effektivität und Sicherheit von Disulfiram, Antikonvulsiva, Gamma-Hydroxybuttersäure und Benzodiazepine getroffen werden. Nur für Nalmefen und Acomprosat war die Größe des Probandinnenkollektivs ausreichend, sodass hier festgestellt werden konnte, dass keine Geschlechterunterschiede vorliegen.[34] 
Fluoxetin Fluoxetin, das bereits acht Wochen vor dem tatsächlichen Rauchstopp eingenommen wird, verringerte  nur bei Frauen depressive Symptome, Craving und den Entzug betreffenden negativen Affekt. Dabei stehen für Frauen depressive Symptome, die vor dem Rauchstopp auftreten sowie Craving im Zusammenhang mit der Abstinenzdauer, während bei Männern mit dem Entzug verbundener negativer Affekt mit der Abstinenzdauer assoziiert wird.[41]
Pregabalin Im direkten Vergleich mit einer täglichen Applikation Naltrexon (50 mg) zeigt Pregabalin eine größere Wirkung im Sinne einer stärkeren Reduktion des Alkoholkonsums. Möglicherweise hängt dies mit der anxiolytischen Wirkung von Pregabalin zusammen, da komorbide psychiatrische Symptomatiken (z. B. Ängstlichkeit) oft mit Alkoholabhängigkeit einhergehen. Die Studie gibt damit Hinweis darauf, dass eine Drogentherapie erfolgreicher verläuft, wenn dabei komorbide psychische Störungen berücksichtigt werden.[36] 
Nikotinersatztherapie Männer scheinen mehr von Nikotin-Pflastern oder Nikotin-Kaugummis zu profitieren als Frauen. Mehr Frauen als Männer brechen die Behandlung mit Nikotin-Pflastern aufgrund von Hautirritationen ab.[19] Insgesamt ist die Befundlage uneindeutig.
Bupropion Bupropion scheint bei Frauen effektiver zu sein, um Abstinenz vom Rauchen aufrechtzuerhalten. Dies kann damit zusammenhängen, dass es die Gewichtszunahme bei einem Rauchstopp verringert.[19]
Methadon Männer sind womöglich anfälliger für die QT-Verlängerung des Herzschlages bei geringen Dosen von Methadon, auch wenn das allgemeine Risiko bei Frauen, eine QT-Verlängerung zu entwickeln, höher ist.[19]
Buprenorphin Nach Applikation der gleichen Dosis erreichen Frauen signifikant höhere Plasmakonzentrationen von Buprenorphin. Im Vergleich zu Methadon ist es bei Frauen effektiver, und auch bei schwangeren Frauen scheint eine Einnahme möglich zu sein  (wegen eines geringeren neonatalen Entzugssyndroms ist es gegenüber Methadon vorzuziehen).[19]
Progesteron Da Progesteron sich positiv auf Substanzabstinenz auswirken kann, wurde untersucht, ob sich eine exogene Verabreichung ebenfalls als effektiv erweist. In Tierversuchen reduziert verabreichtes Progesteron den Kokainkonsum. Auch bei Menschen lässt sich eine positive Wirkung im Sinne verringerter physiologischer und subjektiver Belohnungseffekte und geringerem Cravings nachweisen.[6] Diese Effekte zeigen sich vor allem bei weiblichen Tieren oder Probandinnen. Auch bei Frauen, die gerade ein Kind geboren haben, konnte der Kokainkonsum durch Progesteron-Verabreichung verringert werden.[42]

In einer Studie, an der allerdings nur zehn Personen teilnahmen, wurde für Männer und Frauen nachgewiesen, dass sich nach der Einnahme von Progesteron die subjektive und physiologische Reaktion auf Kokainkonsum vermindert.[43]

====Weitere therapeutische Möglichkeiten====

In Tabelle 2 werden unterschiedliche Therapieansätze und -inhalte geschlechtersensibel betrachtet.

Tabelle 2. Geschlechterunterschiede bei nicht-medikamentösen Therapieoptionen.

Therapieansatz/-inhalt Geschlechtersensible Betrachtung
Berücksichtigung komorbider Störungen Eine Studie mit alkoholkranken Personen zeigte, dass traumatische Erfahrungen und Symptome, die mit einem Trauma einhergehen, nur bei Frauen mit einem höheren Rückfallrisiko assoziiert sind.[44] Auch der Schweregrad eines Traumas während der Kindheit erweist sich nur bei Frauen als Prädiktor für einen Rückfall bei Kokainabhängigkeit.[45]

Für abhängige Frauen, bei denen eine komorbide Depression therapiert wurde, ist die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Drogentherapie höher als für depressive Frauen ohne Behandlung. [46] Um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Drogentherapie zu erhöhen, sollten komorbide Erkrankungen  bei Frauen und bei Männern unbedingt behandelt werden.

Gruppentherapien  

Männer scheinen mehr durch klare Strukturen (wie z. B. bei den Anonymen Alkoholikern) zu profitieren. Frauen benötigen für einen Behandlungserfolg eher Gruppen, in denen Emotionen bearbeitet und Fähigkeiten wie Selbstbewusstsein oder Selbstwirksamkeit geübt werden. Für Frauen empfehlen sich meist geschlechtshomogene Gruppen, da sie sich unter Frauen sicherer fühlen und relevante Themen besser angesprochen werden können.[46]

Kognitive Verhaltenstherapie als Paar Für Frauen ist soziale Unterstützung ein Faktor, der stärker als bei Männern sowohl die Aufnahme einer Therapie als auch den Behandlungserfolg beeinflusst.[33] Zudem wirkt der Substanzkonsum ihres Partners steigernd auf den eigenen Konsum.[3] Diese Aspekte können bei Frauen durch eine gemeinsame kognitive Verhaltenstherapie behandelt werden. Insgesamt ergibt die Befundlage, dass eine Therapie gemeinsam mit dem/der PartnerIn effektiv sein kann für das Ziel, den Alkoholkonsum zu reduzieren bzw. abstinent zu bleiben. Einzelne Sitzungen als Ergänzung steigern diesen Effekt bei Frauen noch.[47]
Der weibliche Zyklus Der weibliche Zyklus beeinflusst den subjektiven Effekt von Substanzen sowie physiologische Reaktionen und Entzugserscheinungen.[19] Insbesondere bei Frauen mit Nikotinabhängigkeit wurde versucht, die inhibitorische Wirkung von Progesteron zu nutzen, indem ein Rauchstopp in der Lutealphase (in welcher der Progesteron-Spiegel am höchsten ist) initiiert wurde. Die Befundlage sieht dabei gemischt aus: In einigen Studien wurde Erfolg im Sinne einer längeren Zeit bis zu einem Rückfall berichtet, in anderen wurde kein Effekt der Zyklusphase auf den Behandlungserfolg festgestellt oder die Entzugserscheinungen waren in der Follikelphase sogar geringer.[19]
Impulsivität und inhibitorische Kontrollfunktionen  

Impulsivität (hier insbesondere die Variante impulsive Auswahl) stellt einen Prädiktor für den Behandlungserfolg beider Geschlechter dar. Wobei höhere Werte bei Frauen (die im allgemeinen niedrigere Ausprägungen zeigen) ein Risikofaktor dafür sein könnten, dass sie häufiger als Männer rückfällig werden.[6] Eine Drogentherapie sollte damit zum Ziel haben, Impulsivität zu verringern bzw. Selbstregulation zu fördern, um so der Substanzeinnahme entgegenzuwirken. Dabei können Frauen und Männer von unterschiedlichen Paradigmen zur Stärkung ihrer Selbstkontrolle profitieren.[48] Beispielsweise scheinen Frauen besser von früheren sozialen Kontakten und von Übungen, die die exekutive Kontrolle betreffen (z. B. Musikhören zur Verbesserung der Selbstkontrolle), zu profitieren. 

Körperliche Betätigung Ein Review von 2015 ergibt, dass sich körperliche Betätigung womöglich zur Behandlung von Abhängigkeiten eignet. Erste Versuche an Nagetieren legen diese Möglichkeit nahe.[6] Dabei war ein positiver Effekt bei weiblichen und jugendlichen Tieren öfter zu beobachten und zudem stärker ausgeprägt.[3]


Psychosoziale Faktoren[Bearbeiten]

Dass gesellschaftliche Faktoren den geschlechterspezifischen Umgang mit Drogen beeinflussen, zeigt sich beispielsweise daran, dass die Prävalenz von Substanzmissbrauch vom 18. bis zum 19. Jahrhundert bei Frauen höher war, Männer erst ab dem 19. Jahrhundert zunehmend Frauen überholten und sich heutzutage für viele Substanzen die Tendenz zeigt, dass sich die Geschlechter wieder angleichen.[6] Es gibt Hinweise, dass Frauen empfindlicher auf Faktoren wie Substanzverfügbarkeit und soziale Konventionen reagieren. Es wird angenommen, dass die stärkere soziale Verurteilung des Substanzgebrauchs bei Frauen lange als protektiver Faktor wirkte, der nun immer weniger greift, sodass sich die Prävalenzen zunehmend angleichen.[31]

Frauen nehmen viel seltener als Männer spezifische Behandlungen bei Substanzmissbrauch in Anspruch, was unter anderem mit folgenden sozialen Faktoren in Verbindung gebracht wird: Frauen sind durchschnittlich ökonomisch schlechter gestellt, ihre Bildung ist im Durchschnitt geringer und sie bekommen weniger soziale Unterstützung, wenn sie als abhängig gelten. Um diese Barrieren für Frauen zu überwinden, könnten zum Beispiel Dienste im Sinne von Kinderbetreuung, perinataler Behandlung oder Familiendienste eingerichtet werden. Das gesellschaftliche Bild der Abhängigkeit als typisch „männliche“ Störung muss sich zudem dringend wandeln.[33]

Prävention[Bearbeiten]

Die Pubertät ist bei beiden Geschlechtern eine kritische Phase für den Beginn von Substanzkonsum und entscheidend für die spätere Entwicklung einer Abhängigkeit, sodass während oder bereits vor der Pubertät mit präventiven Programmen angesetzt werden sollte.[3] Mädchen treten typischerweise früher in die Pubertät ein, womit auch ihr früherer Initialkonsum erklärt werden kann. Bei Mädchen könnten deshalb früher als bei Jungen Präventionsprogramme nötig sein. Auch wenn Persönlichkeitseigenschaften wie Sensation Seeking und Impulsivität beide Geschlechter anfälliger für Substanzkonsum machen, sollten womöglich spezielle Programme für Jungen entworfen werden. Bei Jungen sind die Ausprägungen bei beiden Persönlichkeitsmerkmalen ab der Pubertät höher als bei Mädchen. Es wird davon ausgegangen, dass darin eine Ursache für die höhere Prävalenz von Substanzabhängigkeit bei Männern liegt. Insbesondere bei Mädchen sollten Symptome von Depression oder Ängstlichkeit frühestmöglich erkannt und behandelt werden, da diese stark mit der Einnahme von Substanzen zusammenhängen.

Grundsätzlich kann zur Prävention an der Motivation, Substanzen zu konsumieren, angesetzt werden. Diese variiert zwischen den Geschlechtern: Männer konsumieren Drogen eher aus Vergnügen, Frauen eher, um negative Affekte (z. B. Ängstlichkeit, Depression oder Stress) zu verdrängen.[3] Demgemäß empfehlen sich für Jungen/Männer Aufklärungen, in welchen sinnvolle Alternativen zur Gewinnung von Vergnügen vorgeschlagen und Konsequenzen des Substanzgebrauchs hervorgehoben werden, während Mädchen/Frauen vermehrt an gesunde, effektive Coping-Strategien herangeführt werden sollten.

Insgesamt ist es notwendig, in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Abhängigkeit auch Frauen betrifft und sich Abhängigkeit bei Frauen anders auswirken kann als bei Männern. Ziel sollte sein, dass Frauen (und Männer) Drogentherapien häufiger aufnehmen, ohne befürchten zu müssen, verurteilt zu werden.[33] Auf diese Weise könnte die Prävalenz bei beiden Geschlechtern reduziert werden. Aktuell mangelt es noch an Untersuchungen, die geschlechterspezifische Effekte von Präventionsprogrammen berücksichtigen.[49]

Integration in die klinische Versorgung[Bearbeiten]

Offene Forschungsfragen[Bearbeiten]

Bisher wurde das Geschlecht in der Abhängigkeitsforschung wenig berücksichtigt, auch wenn jüngst erschienene Reviews versuchen, auf diese Lücke in der Literatur aufmerksam zu machen und mögliche geschlechterspezifische Einflüsse herauszustellen. Es wird sich zukünftig zeigen, ob die berichteten Geschlechterunterschiede bezüglich des Verlaufs, der Konsequenzen oder auch der Therapieform Einzug in den klinischen Alltag finden werden. Ergebnisse legen nahe, dass beide Geschlechter davon profitieren würden.

Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.
  1. Schmidt, C. O., Watzke, A. B., Schulz, A., Baumeister, S. E., Freyberger, H. J. & Grabe, H. J. (2013) Die Lebenszeitprävalenz psychischer Störungen in Vorpommern. Welchen Einfluss haben frühere psychische Auffälligkeiten auf die Survey-Teilnahme und Prävalenzschätzungen? Ergebnisse der SHIP-Studie. Psychiatrische Praxis, 40, 192–199
  2. Pabst, A., Kraus, L., De Matos, E. G., & Piontek, D. (2013). Substanzkonsum und substanzbezogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht, 59(6), 321–331.
  3. Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.
  4. Fattore, L., & Melis, M. (2016). Sex differences in impulsive and compulsive behaviors: a focus on drug addiction. Addiction Biology, 21(5), 1043–1051.
  5. Shulman, E. P., Harden, K. P., Chein, J. M., & Steinberg, L. (2015). Sex differences in the developmental trajectories of impulse control and sensation-seeking from early adolescence to early adulthood. Journal of Youth and Adolescence, 44(1), 1–17.
  6. Carroll, M. E., & Smethells, J. R. (2016). Sex Differences in Behavioral Dyscontrol: Role in Drug Addiction and Novel Treatments. Frontiers in Psychiatry, 6:175.
  7. MacKillop, J., Amlung, M. T., Few, L. R., Ray, L. A., Sweet, L. H., & Munafò, M. R. (2011).
  8. Weafer, J., & de Wit, H. (2014). Sex differences in impulsive action and impulsive choice. Addictive Behaviors, 39(11), 1573–1579.
  9. Cross, C. P., Copping, L. T., & Campbell, A. (2011). Sex differences in impulsivity: a meta-analysis. Psychological Bulletin, 137(1), 97–130.
  10. Hosseini-Kamkar, N., & Morton, J. B. (2014). Sex differences in self-regulation: an evolutionary perspective. Frontiers in Neuroscience, 8:233.
  11. Medina, K. L., McQueeny, T., Nagel, B. J., Hanson, K. L., Schweinsburg, A. D., & Tapert, S. F. (2008). Prefrontal cortex volumes in adolescents with alcohol use disorders: unique gender effects. Alcoholism, Clinical and Experimental Research, 32(3), 386–394.
  12. Bazzett, T. J., & Becker, J. B. (1994). Sex differences in the rapid and acute effects of estrogen on striatal D2 dopamine receptor binding. Brain Research, 637(1-2), 163–172.
  13. Melis, M., De Felice, M., Lecca, S., Fattore, L., & Pistis, M. (2013). Sex-specific tonic 2-arachidonoylglycerol signaling at inhibitory inputs onto dopamine neurons of Lister Hooded rats. Frontiers in Integrative Neuroscience, 7:93.
  14. Cance, J. D., Ennett, S. T., Morgan-Lopez, A. A., Foshee, V. A., & Talley, A. E. (2013). Perceived pubertal timing and recent substance use among adolescents: a longitudinal perspective. Addiction (Abingdon, England), 108(10), 1845–1854.
  15. Clark, C. B., Perkins, A., McCullumsmith, C. B., Islam, M. A., Hanover, E. E., & Cropsey, K. L. (2012). Characteristics of victims of sexual abuse by gender and race in a community corrections population. Journal of Interpersonal Violence, 27(9), 1844–1861.
  16. Afifi, T. O., Henriksen, C. A., Asmundson, G. J. G., & Sareen, J. (2012). Childhood maltreatment and substance use disorders among men and women in a nationally representative sample. Canadian Journal of Psychiatry. Revue Canadienne de Psychiatrie, 57(11), 677–686.
  17. Hyman, S. M., Garcia, M., & Sinha, R. (2006). Gender specific associations between types of childhood maltreatment and the onset, escalation and severity of substance use in cocaine dependent adults. The American Journal of Drug and Alcohol Abuse, 32(4), 655–64.
  18. Lenz, B., Müller, C. P., Stoessel, C., Sperling, W., Biermann, T., Hillemacher, T., … Kornhuber, J. (2012). Sex hormone activity in alcohol addiction: Integrating organizational and activational effects. Progress in Neurobiology, 96(1), 136–163.
  19. Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addiction Biology, 21(5), 1030–1042.
  20. Erol, A., & Karpyak, V. M. (2015). Sex and gender-related differences in alcohol use and its consequences: Contemporary knowledge and future research considerations. Drug and Alcohol Dependence, 156, 1–13.
  21. Strickland, J. C., & Smith, M. A. (2014). The effects of social contact on drug use: Behavioral mechanisms controlling drug intake. Experimental and Clinical Psychopharmacology, 22(1), 23–34.
  22. Hostetler, C. M., Anacker, A. M. J., Loftis, J. M., & Ryabinin, A. E. (2012). Social housing and alcohol drinking in male-female pairs of prairie voles (Microtus ochrogaster). Psychopharmacology, 224(1), 121–132.
  23. Kirisci, L., Mezzich, A. C., Reynolds, M., Tarter, R. E., & Aytaclar, S. (2009). Prospective Study of the Association Between Neurobehavior Disinhibition and Peer Environment on Illegal Drug Use in  Boys and Girls. The American Journal of Drug and Alcohol Abuse, 35(3), 145–150.
  24. Bisagno, V., & Cadet, J. L. (2014). Stress, sex, and addiction: potential roles of corticotropinreleasing factor, oxytocin, and arginine-vasopressin. Behavioural Pharmacology, 25(5-6), 445–457.
  25. Gillies, G. E., Virdee, K., McArthur, S., & Dalley, J. W. (2014). Sex-dependent diversity in ventral tegmental dopaminergic neurons and developmental programing: A molecular, cellular and behavioral analysis. Neuroscience, 282, 69–85.
  26. Becker, J. B., & Hu, M. (2008). Sex differences in drug abuse. Frontiers in Neuroendocrinology, 29(1), 36–47.
  27. Caldú, X., & Dreher, J.-C. (2007). Hormonal and genetic influences on processing reward and social information. Annals of the New York Academy of Sciences, 1118(1), 43–73.
  28. Greenfield, S. F., Back, S. E., Lawson, K., & Brady, K. T. (2010). Substance Abuse in Women. Psychiatric Clinics of North America, 33(2), 339–355.
  29. Bobzean, S. A. M., DeNobrega, A. K., & Perrotti, L. I. (2014). Sex differences in the neurobiology of drug addiction. Experimental Neurology, 259, 64–74.
  30. Becker, J. B., McClellan, M., & Reed, B. G. (2016). Sociocultural context for sex differences in addiction. Addiction Biology, 21(5), 1052–1059.
  31. Becker, J. B., McClellan, M., & Reed, B. G. (2016). Sociocultural context for sex differences in addiction. Addiction Biology, 21(5), 1052–1059.
  32. Weißbach L. & Stiehler, M. Männergesundheitsbericht 2013: Im Fokus: Psychische Gesundheit. Bern: Hans Huber; 2013
  33. Greenfield, S. F., Brooks, A. J., Gordon, S. M., Green, C. A., Kropp, F., McHugh, R. K., … Miele, G. M. (2007). Substance abuse treatment entry, retention, and outcome in women: a review of the literature. Drug and Alcohol Dependence, 86(1), 1–21.
  34. Agabio, R., Pani, P. P., Preti, A., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Efficacy of Medications Approved for the Treatment of Alcohol Dependence and Alcohol Withdrawal Syndrome in Female Patients: A Descriptive Review. European Addiction Research, 22(1), 1–16.
  35. Greenfield, S. F., Pettinati, H. M., O’Malley, S., Randall, P. K., & Randall, C. L. (2010). Gender differences in alcohol treatment: an analysis of outcome from the COMBINE study. Alcoholism, Clinical and Experimental Research, 34(10), 1803–1812.
  36. Martinotti, G., Di Nicola, M., Tedeschi, D., Andreoli, S., Reina, D., Pomponi, M., … Janiri, L. (2010). Pregabalin versus naltrexone in alcohol dependence: a randomised, double-blind, comparison trial. Journal of Psychopharmacology, 24(9), 1367–1374.
  37. Graziani, M., Nencini, P., & Nisticò, R. (2014). Genders and the concurrent use of cocaine and alcohol: Pharmacological aspects. Pharmacological Research, 87, 60–70.
  38. Pettinati, H. M., Kampman, K. M., Lynch, K. G., Suh, J. J., Dackis, C. A., Oslin, D. W., & O’Brien, C. P. (2008). Gender differences with high-dose naltrexone in patients with co-occurring cocaine and alcohol dependence. Journal of Substance Abuse Treatment, 34(4), 378–390.
  39. Roche, D. J. O., & King, A. C. (2015). Sex differences in acute hormonal and subjective response to naltrexone: The impact of menstrual cycle phase. Psychoneuroendocrinology, 52, 59–71.
  40. Garbutt, J. C., Kranzler, H. R., O’Malley, S. S., Gastfriend, D. R., Pettinati, H. M., Silverman, B. L.,… Vivitrex Study Group. (2005). Efficacy and tolerability of long-acting injectable naltrexone for alcohol dependence: a randomized controlled trial. JAMA, 293(13), 1617–1625.
  41. Minami, H., Kahler, C. W., Bloom, E. L., Prince, M. A., Abrantes, A. M., Strong, D. R., … Brown, R. A. (2014). Effects of sequential fluoxetine and gender on prequit depressive symptoms, affect, craving, and quit day abstinence in smokers with elevated depressive symptoms: A growth curve modeling approach. Experimental and Clinical Psychopharmacology, 22(5), 392–406.
  42. Yonkers, K. A., Forray, A., Nich, C., Carroll, K. M., Hine, C., Merry, B. C., … Sofuoglu, M. (2014). Progesterone for the reduction of cocaine use in post-partum women with a cocaine use disorder: a randomised, double-blind, placebo-controlled, pilot study. The Lancet Psychiatry, 1(5), 360–367.
  43. Sofuoglu, M., Mitchell, E., & Kosten, T. R. (2004). Effects of progesterone treatment on cocaine responses in male and female cocaine users. Pharmacology, Biochemistry, and Behavior, 78(4), 699–705.
  44. Heffner, J. L., Blom, T. J., & Anthenelli, R. M. (2011). Gender Differences in Trauma History and Symptoms as Predictors of Relapse to Alcohol and Drug Use. The American Journal on Addictions,20(4), 307–311.
  45. Hyman, S. M., Paliwal, P., Chaplin, T. M., Mazure, C. M., Rounsaville, B. J., & Sinha, R. (2008). Severity of childhood trauma is predictive of cocaine relapse outcomes in women but not men. Drug and Alcohol Dependence, 92(1-3), 208–216.
  46. Zenker, C. (2005). Sucht und Gender. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz, 48(4), 469–476.
  47. McCrady, B. S., Epstein, E. E., Hallgren, K. A., Cook, S., & Jensen, N. K. (2016). Women with alcohol dependence: A randomized trial of couple versus individual plus couple therapy. Psychology of Addictive Behaviors, 30(3), 287–299.
  48. Mansouri, F. A., Fehring, D. J., Gaillard, A., Jaberzadeh, S., & Parkington, H. (2016). Sex dependency of inhibitory control functions. Biology of Sex Differences, 7(1), 11.
  49. UNODC. (2016). Guidelines on drug prevention and treatment for girls and women. Retrieved from https://www.unodc.org/documents/drug-prevention-and-treatment/unodc_2016_drug_prevention_and_treatment_for_girls_and_women_E.pdf

Lizenz[Bearbeiten]

Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode

Autoren[Bearbeiten]

Julia Schreitmüller

Zuletzt geändert: 2017-10-06 10:33:29

Ein Teilgebiet der Medizin, das die Verteilung von Krankheiten in einer Bevölkerung und die damit zusammenhängenden Variablen untersucht.

Die Anzahl neu aufgetretener Krankheitsfälle innerhalb einer definierten Population in einem bestimmten Zeitraum.

Die Häufigkeit einer Krankheit oder eines Symptoms in einer definierten Population zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Zwanghaftes Bedürfnis bzw. unwiderstehlicher Drang nach einem bestimmten Stimulus (Reiz), z. B. einer chemischen Substanz (Droge).

Persönlichkeitskonstrukt: Für jeden Menschen gibt es ein optimales Erregungsniveau, durch das Aufsuchen/Vermeiden von stimulierenden Reizen kann die Erregung reguliert werden. Menschen mit einem geringen initialen Erregungsniveau suchen eher aufregende Reize, sie werden als Sensation Seeker bezeichnet (Suchen nach neuen Erlebnissen, um ständige Spannung zu erleben).

Zeitraum von der späten Kindheit über die Pubertät bis hin zum Erwachsenenalter.

(Substanzabusus) Missbräuchliche und medizinisch nicht indizierte (daher in den meisten Fällen falsch dosierte Anwendung) von Substanzen (Drogen, Medikamente).

Maß für den linearen Zusammenhang zweier Variablen. Eine standardisierte Kovarianz ist eine Korrelation.

Die erste Hälfte des Menstruationszyklus (erster bis c. a. vierzehnter Tag), während der die Follikel im Eierstock heranwachsen und vermehrt Östrogene produzieren, wodurch sich die Gebärmutterschleimhaut wieder aufbaut.

Hormone, die die Entwicklung der männlichen Geschlechtsmerkmale steuern.

(Corpus striatum) Teil der Basalganglien, die zum Großhirn gehören, und wichtige Schaltstelle im extrapyramidalmotorischen System. Hauptaufgabe des Striatums liegt in der Hemmung von Bewegungsabläufen.

("Belohnungssystem") System aus Neuronen, die Dopamin als Botenstoff verwenden. Trägt maßgeblich an der Entstehung positiver Gefühle bei. Die Zellkörper liegen im unteren Tegmentum und ziehen u. a. in die Amygdala, den Hippocampus und v. a. in den Nucleus accumbens.

Vermittelt die Beziehung/Wirkung zwischen zwei oder mehr Variablen.

(Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) Gehört zur Gruppe der Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend und äußert sich durch Probleme mit Aufmerksamkeit, Impulsivität und Selbstregulation sowie eventuell durch ausgeprägte körperliche Unruhe.

Das Auftreten zusätzlicher Erkrankungen im Rahmen einer definierten Grunderkrankung.

Chronische leichte depressive Verstimmung, über mindestens zwei Jahre an den meisten Tagen der Woche.

(Doppelte Depression) Dysthymie (Chronische leichte depressive Verstimmung), die von einer voll ausgeprägten depressiven Episoden überlagert wird.

(engl.: craving = Verlangen) Starkes Verlangen nach einer bestimmten Substanzwirkung.

(oder Sekretionsphase) Die zweite Phase des weiblichen Zyklus, die unmittelbar auf den Eisprung folgt und mit dem Beginn der nächsten Menstruation endet (c. a. 15. bis 24. Zyklustag).

Soziale Bezugsgruppe von gleichaltrigen Jugendlichen, die zur soziale Orientierung dient.

(auch soziales Lernen) Lernen mittels Beobachtung und Imitation von Vorbildern.

Die Lehre von krankhaft veränderten Körperfunktionen sowie ihrer Entstehung und Entwicklung.

("Deckeneffekt") Wenn es bei der Einnahme einer Substanz trotz Dosissteigerung zu keiner weiteren Zunahme der Wirkung kommt.

Beschreibt den beschleunigten Verlauf vom Initialkonsum einer Substanz über das Einsetzen der Abhängigkeit bis zur ersten Behandlung bei Frauen im Vergleich zu Männern. Ursächlich scheinen verschiedene biologische, sozioökonomische, psychologische und kulturelle Einflussfaktoren.

Zwanghaftes Bedürfnis bzw. unwiderstehlicher Drang nach einem bestimmen Stimulus (Reiz), z. B. einer chemischen Substanz (Droge).

(lat. applicare = anwenden) Verabreichung von Medikamenten

(lat.: deprimere = herunterdrücken) Psychische Erkrankung, die durch die Hauptsymptome gedrückte Stimmung, Verlust an Interessen bzw. an Freude und deutliche Antriebsminderung gekennzeichnet ist.

(engl.: to cope with = bewältigen) Bewältigungsverhalten in einer als bedeutsam oder belastend empfundenen Lebenssituationen.

Biologisches Geschlecht

Soziales Geschlecht