Somatoforme Störungen: Unterschied zwischen den Versionen

 
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|Fach=Psychiatrie und Psychotherapie, Psychologie und Soziologie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie,
 
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|Zusammenfassung=Charakteristisch für somatoforme Störungen sind einzelne oder multiple körperliche Symptome bzw. Beschwerden, für die sich trotz eingehender Diagnostik kein (ausreichendes) körperliches Korrelat als Ursache finden lässt. Wichtig ist, somatoform als Überbergriff für unterschiedliche Störungsbilder zu begreifen. Dabei besteht allgemein eine deutliche Geschlechterdifferenz hinsichtlich epidemiologischer Daten: In der Studie Gesundheit Erwachsener in Deutschland von 2014 ergaben sich 12-Monats-Prävalenzen von 1.7 Prozent bei Männern und 5.2 Prozent bei Frauen (18 bis 79 Jahre). Ein Alterseffekt ist dabei besonders bei Männern zu beobachten: Während bei den 18- bis 35-jährigen nur drei Prozent an psychosomatischen Beschwerden leiden, sind es bei den 46- bis 65-jährigen bereits sieben Prozent. Dass bei Frauen das Alter einen geringeren Effekt auf die psychosomatische Symptomatik aufweist, ist vermutlich auf ein deutlich höheres Ausgangsniveau zurückzuführen. Frauen (im Vergleich zu Männern) mit psychosomatischen Beschwerden berichten außerdem von durchschnittlich mehr Symptomen, einer höheren Belastung sowie mehr emotionalem Distress. Hypothesen bestehen hinsichtlich der Annahme, dass Frauen nicht per se eine höhere Somatisierungstendenz haben, sondern die (bei Frauen höhere) emotionale Beanspruchung den größten Einfluss auf somatoforme Störungen aufweist.  
|Zusammenfassung=Charakteristisch für somatoforme Störungen sind einzelne oder multiple körperliche Symptome bzw. Beschwerden, für die sich trotz eingehender Diagnostik kein (ausreichendes) körperliches Korrelat als Ursache finden lässt. Wichtig ist, ''somatoform'' als Überbergriff für unterschiedliche Störungsbilder zu begreifen.<ref>Kolip P, Hurrelmann K. Handbuch Geschlecht und Gesundheit: Männer und Frauen im Vergleich. 2., vollst. überarb. und erw. Aufl. Bern: Hogrefe; 2016. (Programmbereich Gesundheit).</ref> Dabei besteht allgemein eine deutliche Geschlechterdifferenz hinsichtlich epidemiologischer Daten: In der Studie ''Gesundheit Erwachsener in Deutschland'' von 2014 ergaben sich 12-Monats-Prävalenzen von 1.7 Prozent bei Männern und 5.2 Prozent bei Frauen (18 bis 79 Jahre).<ref>Jacobi F, Höfler M, Strehle J, Mack S, Gerschler A, Scholl L et al. Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung: Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul Psychische Gesundheit (DEGS1-MH). Der Nervenarzt 2014; 85(1):77–87.</ref> Ein Alterseffekt ist dabei besonders bei Männern zu beobachten: Während bei den 18- bis 35-jährigen nur drei Prozent an psychosomatischen Beschwerden leiden, sind es bei den 46- bis 65-jährigen bereits sieben Prozent.<ref>Wittchen, H.-U., Müller, N., Pfister, H., Winter, S., & Schmidtkunz, B. (1999). Affektive, somatoforme und Angststörungen in Deutschland. Erste Ergebnisse des bundesweiten Zusatzsurveys "Psychische Störungen". Das Gesundheitswesen, 61, 216-222.</ref> Dass bei Frauen das Alter einen geringeren Effekt auf die psychosomatische Symptomatik aufweist, ist vermutlich auf ein deutlich höheres Ausgangsniveau zurückzuführen. Frauen (im Vergleich zu Männern) mit psychosomatischen Beschwerden berichten außerdem von durchschnittlich mehr Symptomen, einer höheren Belastung sowie mehr emotionalem Distress. Hypothesen bestehen hinsichtlich der Annahme, dass Frauen nicht per se eine höhere Somatisierungstendenz haben, sondern die (bei Frauen höhere) emotionale Beanspruchung den größten Einfluss auf somatoforme Störungen aufweist.<ref>Gater R, Tansella M, Korten A, Tiemens BG, Mavreas VG, Olatawura MO. Sex Differences in the Prevalence and Detection of Depressive and Anxiety Disorders in General Health Care Settings. Arch Gen Psychiatry 1998; 55(5):405.</ref>
 
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|Interessenkonflikt=Nein
 
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<vote type=1 />
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====Ähnliche Artikel====
== Epidemiologie ==
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* [[Schmerz]]
=== Inzidenz/Prävalenz ===
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}}{| class="wikitable" style="float:left; margin-right:1em"
Somatoforme Erkrankungen weisen eine deutliche Geschlechterdifferenz hinsichtlich epidemiologischer Daten auf, generell höhere Prävalenzzahlen sind dabei beim weiblichen Geschlecht festzustellen: In  der Studie ''Gesundheit Erwachsener in Deutschland'' von 2014 ergaben sich 12-Monats-Prävalenzen von  1.7 Prozent bei Männern und 5.2 Prozent bei Frauen (18 bis 79 Jahre).<ref>Jacobi F, Höfler M, Strehle J, Mack S, Gerschler A, Scholl L et al. Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung: Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul Psychische Gesundheit (DEGS1-MH). Der Nervenarzt 2014; 85(1):77–87.</ref> Ein Alterseffekt ist dabei besonders bei Männern zu beobachten: Während bei den 18- bis 35-jährigen nur drei Prozent an psychosomatischen Beschwerden leiden, sind es bei den 46- bis 65-jährigen bereits sieben Prozent.<ref>Wittchen, H.-U., Müller, N., Pfister, H., Winter, S., & Schmidtkunz, B. (1999). Affektive, somatoforme und Angststörungen in Deutschland. Erste Ergebnisse des bundesweiten Zusatzsurveys "Psychische Störungen". Das Gesundheitswesen, 61, 216-222.</ref> Dass bei  Frauen das Alter einen geringeren Effekt auf die psychosomatische Symptomatik aufweist, ist vermutlich auf ein deutlich höheres Ausgangsniveau zurückzuführen. Detailliertere Angaben zum Einfluss von Alter und Geschlecht auf somatoforme Störungen sind ''Tabelle 1'' zu entnehmen.
 
 
 
 
 
<small>'''Tabelle 1. Prävalenz somatoformer Störungen in Deutschland (Ein-Monats-Prävalenz).<br /> [Quelle: Wittchen et al., 1999]''' </small>
 
{| class="wikitable"
 
|-
 
! Altersgruppe !! Prävalenz Frauen !! Prävalenz Männer !! Odds Ratio (w : m)
 
|-
 
| 18-35 || 8.9  %|| 3.1 % || 3.01
 
|-
 
| 36-45 || 11.1 % || 4.5 % || 2.63
 
|-
 
| 46-65 || 10.4 % || 6.9 % || 1.57
 
|-
 
| Gesamt || 10 % || 4.9 % || 2.13
 
|}
 
 
 
Wenngleich generell höhere  Prävalenzzahlen  bei Frauen im Vergleich zu Männern festzustellen sind, zeigen sich die Geschlechterunterschiede in  den  einzelnen  diagnostischen  Kategorien jedoch  variabel. Dabei kann nicht bei jeder somatoformen Störung ein Geschlechtereffekt belegt werden.  In nachfolgender Tabelle (''Tabelle 2'') sind allgemeine Häufigkeiten sowie geschlechterspezifische Besonderheiten einzelner somatoformer Störungen ersichtlich.
 
 
 
 
 
<small>'''Tabelle 2. Allgemeine und geschlechterspezifische Häufigkeiten einzelner somatoformer Störungen.''' <br />
 
'''[Quelle: Kampfhammer, 2005]'''</small>
 
 
 
{| class="wikitable"
 
 
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|-
! Somatoforme Störung !! Allgemeine Häufigkeit !! Geschlechterunterschiede
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|style="background:#b5c691; border: 2px #556B2F solid;" | [[/Einführungsartikel |<big><big><span style="color:#556B2F"><u>Weiter zum Einführungsartikel</u></span></big></big>]]
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|}
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{| class="wikitable" style="float:left; margin-right:1em"
 
|-
 
|-
| '''''Somatisierungsstörung'''''||
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|style="background:#b5c691; border: 2px #556B2F solid;" | [[/Fachartikel |<big><big><span style="color:#556B2F"><u>Weiter zum Fachartikel</u></span></big></big>]]
* Trotz häufigem Vorliegen von multiplen Symptomen, werden die Kriterien für eine Somatisierungsstörung nur selten voll erreicht (Prävalenz deutlich unter 1 Prozent).<ref>Kapfhammer, H. P. (2005). Geschlechtsdifferenzielle Perspektive auf somatoforme Störungen. Psychiatrie und Psychotherapie, 1(2), 63-74.</ref>
 
||
 
* Betroffen sind nach DSM- und ICD-Kriterien deutlich häufiger Frauen mit einem Geschlechterverhältnis von bis zu 10-20 : 1 (w : m).<ref>Kapfhammer, H. P. (2005). Geschlechtsdifferenzielle Perspektive auf somatoforme Störungen. Psychiatrie und Psychotherapie, 1(2), 63-74.</ref><br />
 
* Bei bestätigter Diagnose scheint bei beiden Geschlechtern ein ähnliches Symptommuster mit ähnlicher koexistenter Psychopathologie vorzuliegen.<ref>Golding JM, Smith GR, Kashner TM (1991) Does somatization disorder occur in  men?  Clinical  characteristics  of  women  and  men  with  multiple  unexplained somatic symptoms. Arch Gen Psychiatry 48: 231–235</ref>
 
|-
 
| '''''Dissoziative Störung''''' ||
 
* Seltene Erkrankung: Punktprävalenz < 0.5 Prozent <ref>De Waal, M. W., Arnold, I. A., Eekhof, J. A., & Van Hemert, A. M. (2004). Somatoform disorders in general practice. The British Journal of Psychiatry, 184(6), 470-476.</ref>
 
||
 
* Frauen überwiegen (besonders im stationären Setting) deutlich mit einem Geschlechterverhältnis von 5-10 : 1 (w : m).<ref>Kapfhammer HP, Dobmeier P, Rothenhäusler HB, Mayer C (1998 b) Artifizielle
 
Störungen: Zwischen  Täuschung  und  Selbstschädigung. Nervenarzt  69:
 
401–409</ref><br />
 
* In bestimmten Kontexten (Militärdienst oder nach Arbeitsunfällen) erkranken Männer häufiger.<ref>Ford  CV  (1983)  Somatizing  disorders: Illness  as  a  way  of  life. Elsevier, New
 
Yo r k</ref>
 
|-
 
| '''''Hypochondrie''''' ||
 
* In Allgemeinbevölkerung äußerst selten: 0.2 Prozent <ref>Looper  KJ,  Kirmayer  LJ  (2001)  Hypochondriacal  concerns  in  a  community population. Psychol Med 31: 577–58</ref><br />
 
* Hypochondrische Symptome und gesundheitsbezogene Sorgen deutlich höher: 6 Prozent <ref>Gureje  O,  Simon  GE,  Ustun  TB  et  al  (1997)  Somatization  in  cross-cultural
 
perspective:  A  World  Health  Organization  study  in  primary  care. Am  J Psychiatry 154: 989–995</ref><br />
 
*  Im medizinischen Primärsektor steigen die Prävalenzen an: > 1 Prozent <ref>Waal MWM de, Arnold IA, Eekhof JAH, Hemert AM van (2004) Somatoform disorders in general practice. Prevalence, functional impairment and
 
comorbidity with anxiety and depressive disorders. Br J Psychiatry 184: 470–476</ref>
 
||  
 
* Keine eindeutigen Geschlechterdifferenzen <ref>Rief W, Hessel A, Brähler (2001) Somatization symptoms and hypochondriacal features in the general population. Psychosom Med 63: 595–602</ref>
 
|-
 
| '''''Körperdysmorphe Störung''''' ||  
 
* In Allgemeinbevölkerung < 1 Prozent <ref>Otto  MW, Wilhelm  S, Cohen  LS  et  al  (2001)  Prevalence  of  body  dysmorphic disorder  in  a  community  sample  of  women.  Am  J  Psychiatry  158:
 
2061–2063</ref>
 
* In dermatologischen und kosmetisch-chirurgischen Kontexten erhobene Raten geben Hinweis, dass die Störung möglicherweise zahlenmäßig unterschätzt wird.<ref>Phillips  KA  (2000)  Body  dysmorphic  disorder: Diagnostic  controversies  and treatment challenges. Bull Menninger Clin 64: 18–35</ref>
 
||
 
* Keine eindeutige Geschlechterdifferenz <ref>Phillips KA, Diaz SF (1997) Gender differences in body dysmorphic disorder. J Nerv Ment Dis 185: 570–577</ref>
 
|-
 
| '''''Somatoforme Schmerzstörung''''' ||
 
* Lebenszeitprävalenz: etwa 12 Prozent (TACOS-Studie) <ref>Meyer  C, Rumpf  HJ, Hapke  U  et  al  (2000)  Lebenszeitprävalenz  psychischer Störungen  in  der  erwachsenen  Allgemeinbevölkerung.  Nervenarzt  71:535–542</ref>
 
||
 
* Keine eindeutige Geschlechterdifferenz  <ref>Kapfhammer, H. P. (2005). Geschlechtsdifferenzielle Perspektive auf somatoforme Störungen. Psychiatrie und Psychotherapie, 1(2), 63-74.</ref>
 
|-
 
| '''''Somatoforme autonome Störung''''' ||
 
* Konzeptuelle Schwierigkeiten in der Diagnose machen epidemiologische Einschätzung schwierig.<ref>Kapfhammer HP (2003) Somatoforme Störungen. In: Möller HJ, Laux G, Kapfhammer
 
HP (Hrsg) Psychiatrie und Psychotherapie. 2. erweiterte Auflage. Springer, Berlin Heidelberg NewYork, 1372–1379</ref>
 
||
 
* Wahrscheinlich überwiegend Frauen <ref>Kapfhammer, H. P. (2005). Geschlechtsdifferenzielle Perspektive auf somatoforme Störungen. Psychiatrie und Psychotherapie, 1(2), 63-74.</ref>
 
 
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{| class="wikitable" style="float:left; margin-right:1em"
=== Risikofaktoren und protektive Faktoren ===
 
Somatisierungsprozesse werden von vielfältigen Faktoren beeinflusst. Eindimensionale Erklärungen für Geschlechterdifferenzen sind deshalb sehr unwahrscheinlich. Unterschiede in der Wahrnehmung, Interpretation und Kommunikation von Körperreizen, in der Schmerztoleranz, in der Entwicklung von Krankheits- bzw. Gesundheitskonzepten sowie der Sozialisation des Krankheitsverhaltens, in der Assoziation zu [[Angststörungen | Angst]] und  [[Depression | Depression]], in der Anzahl schwerwiegender Traumatisierungen und posttraumatischer Entwicklungen werden als mögliche Faktoren diskutiert.<ref>Kapfhammer, H. P. (2005). Geschlechtsdifferenzielle Perspektive auf somatoforme Störungen. Psychiatrie und Psychotherapie, 1(2), 63-74.</ref>
 
 
 
Das geschlechterspezifische Kommunikationsverhalten und die häufigere Symptomschilderung auf Seiten der Frauen scheint in epidemiologischen Studien dazu beizutragen, dass bei Frauen allgemein häufiger somatoforme Störungen oder auch funktionelle Syndrome wie Fibromyalgie, Colon irritabile oder chronisches Müdikeitssyndrom  diagnostiziert werden.<ref>Yunus  MB  (2002)  Gender  differences  in  fibromyalgia  and  other  related  syndromes. J Gend Specif Med 5: 42–47</ref>  Dagegen kann eine intensivere hypochondrische Gesundheitsangst bei Frauen nicht als Erklärung für den Geschlechtereffekt bestätigt werden.<ref>Kroenke K, Spitzer RL (1998) Gender differences in the reporting of physical
 
and somatoform symptoms. Psychosom Med 60: 150–155</ref> <ref>Rief  W, Hessel  A, Brähler  (2001)  Somatization  symptoms  and  hypochondriacal features in the general population. Psychosom Med 63: 595–602</ref>
 
 
 
== Pathophysiologie ==
 
''Tabelle 3'' stellt mögliche Ursachen für das ausgeprägtere Somatisierungsverhalten bei Frauen im Vergleich zu Männern dar.  Dabei sind diese Geschlechterunterschiede noch weit davon entfernt in übergreifende Modelle eingeordnet werden zu können.<ref>Barsky A, Peekna HM, Borus JF (2001) Somatic symptom reporting in women and men. J Gen Intern Med 16: 266–275</ref>
 
 
 
<small>'''Tabelle  3.  Erklärungsaspekte von Somatisierungsprozessen bei Frauen.'''</small>
 
{| class="wikitable"
 
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! '''Geschlechterspezifischer Aspekt''' !! Erklärung
 
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| '''''Schmerzwahrnehmung''''' || In experiementellen Untersuchungen zeigen Frauen im Vergleich zu Männern eine niedrigere Wahrnehumungsschwelle und eine geringere Schmerztoleranz bei der Darbietung von Schmerzreizen.<ref>Arendt-Nielsen L, Bajaj P, Drewes AM (2004) Visceral pain: Gender differences in response to experimental and clinical pain. Eur J Pain 8: 465–472</ref>
 
|-
 
| '''''Zyklusverlauf''''' || Während der lutealen Phase des weiblichen Zykluses kann eine höhere Schmerzsensibilität beobachtet werden. Ein Zusammenhang zu GABA- und opioidergen Einflüssen  unter  fluktuierendem  Östrogenspiegel  wird  dabei diskutiert.<ref>Craft RM, Mogil JS, Aloisi AM (2004) Sex differences in pain and analgesia: The role of gonadal hormones. Eur J Pain 8: 397–411</ref>
 
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| '''''Körperbewusstsein & -wahrnehmung''''' || Frauen weisen im Vergleich zu Männern ein ausgeprägteres Körperbewusstein sowie eine höhere Vigilanz gegenüber körperlichen Vorgängen  auf, was dann Gesundheitsbewusststein und Krankheitsverhalten beeinflussen kann. Bezüglich ihrer Körperwahrnehmung zeigen Frauen eine stärkere Verbindung zwischen internal-viszeralen Hinweisreizen mit externalen Situationsaspekten.<ref>Pennebaker JW, Roberts TA (1992) Toward a his and hers theory of emotion:
 
Gender differences in visceral perception. J Soc Clin Psychol 11: 199–212</ref>
 
|-
 
| '''''Krankheitsverhalten''''' || Die Entwicklung von Krankheitskonzepten und Krankheitsverhalten beruht auf geschlechterspezifischen Sozialisierungsprozessen. So kann bei Mädchen das erlernte Verhalten, mit Themen wie Selbstmitteilung umzugehen, die (spätere) ärztliche Kontaktaufnahme erleichtern.  Dieses Hilfesuchverhalten kann gleichzeitig aber auch die weitere Sensibilisierung für Körpervorgänge fördern.<ref>Mustard CA, Kaufert P, Kozyrskyj A, Mayer T (1998) Sex differences in the use of health care services.New Engl J Med 338: 1678–1683</ref>
 
|-
 
| '''''Affektive und Angststörungen''''' || Frauen erkranken deutlich häufiger an [[Depression | Depressionen]] und/oder [[Angststörungen]]. Diese Tatsache kann dann auf direkte und indirekte Weise Somatisierungsprozesse begünstigen: So sind Somatisierungssydrome oft integrales Symptom von affektiven oder [[Angststörungen]]. Auch können [[Angststörungen | Angst]] und [[Depression]] die Chronifizierung und Schwere einer Somatisierungsstörung bedingen.<ref>Henningsen P, Hartkamp N, Loew T, Sack M, Scheidt CE, Rudolf G (2002)
 
Somatoforme Störungen. Leitlinien und Quellentexte. Schattauer, Stuttgart.</ref>
 
 
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| '''''Traumata''''' || Empirische Studien rechtfertigen die Hypothese, dass traumatische Erlebnisse bei der Entstehung einer Somatisierungsstörung eine wichtige Rolle spielen können. Dabei ist dieser Zusammenhang bei Mädchen und Frauen signifikant häufiger zu beobachten als bei Jungen und Männern. Sowohl frühe als auch aktuelle Traumatisierungserfahrungen können die kognitiv-affektive Bewertung von körperlichen Empfindungen maßgeblich beeinflussen und ein (pathologisches) somatisch-medizinisches Hilfesuchverhalten fördern.  
+
|style="border: 2px #003399 solid;" | [https://gendermedwiki.uni-muenster.de/editorial-board/education.php?articleId=123 <big><big><span><u>Lehrmaterial</u></span></big></big>]
Die aktuelle Studienlage erlaubt die Schlussfolgerung, dass je stärker eine frühe Traumatisierung ausfällt, desto größer ist das Risiko, bereits in der Adoleszenz oder im jungen Erwachsenenalter unter einer schweren, häufig chronisch verlaufenden depressiven Störung mit ausgeprägter Suizidalität und multiplen Somatisierungssyndromen  (v. a. Schmerzsyndromen) zu leidem.  Insgesamt ist dann häufig ein schlechter psycho-biologischer und psychosozialer Status zu beobachten. <ref>Kapfhammer HP (2005 a) Somatisierung als Korrelat komplexer posttraumatischer Persönlichkeitsveränderungen. PTT Persönlichkeitsstörungen – Theorie und Therapie 9: 116–126</ref> <ref>Katon W, Sullivan M, Walker E (2001) Medical symptoms without identified
 
pathology: Relationship to psychiatric disorders, childhood and adult trauma, and personality traits.Ann Intern Med 134: 917–925</ref> <ref>Arnow BA (2004) Relationships between childhood maltreatment, adult
 
health and psychiatric outcomes, and medical utilization. J Clin Psychiatry 65 (suppl 12): 10–15</ref>
 
 
 
 
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== Klinik ==
 
=== Symptome ===
 
Betrachtet man die Krankheitsbeschwerden, die einen Patienten oder eine Patientin dazu motivieren, einen Arzt/eine Ärztin zu kontaktieren, scheinen zwischen den Geschlechtern mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zu bestehen. Jackson et al. (2003) stellen fest, dass Patienten und Patientinnen von vergleichbaren Symptomen berichten und nach einer ähnlichen Zeitspanne medizinische Hilfe aufsuchen. Es bestehen dabei auch keine Geschlechterunterschiede in der Dauer der Symptome, in der subjektiven Schwere der körperlichen Beeinträchtigung oder der empfundenen Funktionseinbußen. Jedoch berichten Patientinnen im Verlgleich zu Patienten häufiger von psychosozialen Belastungssituationen sowie einem höherem symptombezogenen Leidensdruck und weisen öfter komorbide psychische Störungen auf.<ref>Jackson  JL, Chamberlain  J, Kroenke  K  (2003)  Gender  and  symptoms  in  primary care practices. Psychosomatics 44: 359–366</ref>
 
 
 
Im Folgenden (''Tabelle 4'') wird konkreter auf die Körperdysmorphe Störung sowie die Schmerzstörung  eingegangen. Hier ergeben sich (anders als bei den übrigen somatoformen Störungen) Geschlechterdifferenzen in der Symptomatik.
 
 
 
<small>'''Tabelle 4. Geschlechterdifferenzen in der Symptomatik der Körperdysmorphen Störung und der Schmerzstörung. [Quelle: Kampfhammer, 2005]'''</small>
 
{| class="wikitable"
 
 
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! Somatoforme Störung !! Geschlechterdifferenz
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|style="border: 2px #003399 solid;" | [[/Quiz |<big><big><span><u>Quiz</u></span></big></big>]]
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| '''''Körperdysmorphe Störung''''' || PatientInnen mit einer körperdysmorphen Störung haben die überwertige Überzeugung, ein Körperteil sei verunstaltet, obwohl dies objektiv gesehen nicht der Fall ist. Das Gefühl, hässlich zu sein und deswegen von anderen verspottet zu werden erzeugt dabei übermäßiges Leid. Dabei beziehen Männer und Frauen diese Überzeugung soziokulturell bedingt meist auf unterschiedliche Körperregionen. Frauen äußern ihre körperdysmorphen Empfindungen eher bezüglich Lippen, Gesicht, Brüste, Hüften und Gewicht. Männer leiden öfter unter ihren Genitalien, der  Muskulatur oder dem Haupthaar.<ref>Perugi G, Akiskal HS, Gianotti D, Frare F, Di Vaio S, Cassano GB (1997) Genderrelated differences in body dysmorphic disorder (dysmorphophobia). J Nerv Ment Dis 185: 578–582</ref> Beispielsweise kann sich körperdysmorpher Leidensdruck bei Männern (mit der Überzeugung muskulärer Unzulänglichkeit) hinter exzessiven Body-Building verbergen (''body dysmorphia'').<ref>Pope HG Jr, Gruber AJ,Mangweth B, Bureau B, deCol C, Jouvent R, Hudson JI (2000) Body image perception among men in three countries. Am J Psychiatry 157: 1297–1301</ref> Allgemein scheinen körperdysmorphe Störungen bei Frauen häufiger in einer operativen Modifikation zu enden, epochale Trends führen allerdings zu einer Annäherung von Männern und Frauen bezüglich der Entscheidung für plastisch-kosmetische Eingriffe.<ref>Kapfhammer, H. P. (2005). Geschlechtsdifferenzielle Perspektive auf somatoforme Störungen. Psychiatrie und Psychotherapie, 1(2), 63-74.</ref>
 
|-
 
| '''''Schmerzstörung''''' || Ein prominentes (entweder lokalisierbares oder generalisiertes) Schmerzsyndrom ohne (ausreichendes) organisches Korrelat bestimmt das Beschwerdebild einer Schmerzstörung. Dabei dominieren Fibromyalgie, persistierende Unterleibsschmerzen und Spannungskopfschmerzen deutlich bei Frauen. Wichtige (und womöglich bedeutendere) Geschlechterdifferenzen weisen auch die hinter einer Schmerzstörung liegenden Somatisierungsprozesse auf: So zeigen Frauen bei der Darbietung von Schmerzreizen eine geringere Wahrnehmungsschwelle sowie Schmerztoleranz als Männer.<ref>Kapfhammer, H. P. (2005). Geschlechtsdifferenzielle Perspektive auf somatoforme Störungen. Psychiatrie und Psychotherapie, 1(2), 63-74.</ref>
 
 
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<br clear=all>
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==Lizenz==
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Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode
  
=== Diagnostik ===
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==Autoren==
In der primären Versorgung kann der Allgemeinarzt bzw. die Allgemeinärztin eine Schlüsselrolle einnehmen und stärker für Somatisierungssymptome, aber auch für somatisierende Ängst und Depressionen sensibilisiert werden. Psychiatrische Basiskenntnisse ebenso wie der Einsatz einfacher Screeninginstrumente können dabei wichtige Veränderungsvariablen darstellen.<ref>Fink P, Rosendal M, Toft T (2002) Assessment and treatment of functional disorders in general practice: The extended reattribution and management model – an advanced educational program for nonpsychiatric doctors. Psychosomatics 43: 93–131</ref> Besonders bei Frauen mit wiederholten psychosomatischen Beschwerden besteht eine hohe Korrelation zu Depression und/oder Angststörungen, die es zu identifizieren gilt.<ref>Kapfhammer, H. P. (2005). Geschlechtsdifferenzielle Perspektive auf somatoforme Störungen. Psychiatrie und Psychotherapie, 1(2), 63-74.</ref>
+
Daniel Zsebedits, Julia Schreitmüller
 
 
== Management von Patienten und Patientinnen ==
 
=== Therapie ===
 
Therapeutische Behandlungen sollten multimodal gestaltet werden. Wenngleich die grundlegende Bedeutung von Geschlecht und Sexualität dabei erkannt wird, ist in bisherigen Therapiestudien eine geschlechtersensible Dimension noch zu wenig berücksichtigt worden.<ref>Kapfhammer, H. P. (2005). Geschlechtsdifferenzielle Perspektive auf somatoforme Störungen. Psychiatrie und Psychotherapie, 1(2), 63-74.</ref>
 
 
 
=== Interaktion zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin ===
 
=== Behandlungserfolg/Outcome ===
 
=== Psychosoziale Faktoren ===
 
=== Prävention ===
 
== Ausblick ==
 
== Literatur ==
 
<div class="toccolours mw-collapsible mw-collapsed">
 
Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.
 
<div class="mw-collapsible-content"> <references/></div>
 
</div>
 
 
 
== Lehrmaterialien ==
 
=== Fallstudien ===
 
  
=== Dias ===
+
Zuletzt geändert: 2021-10-23 18:02:58
=== Videos ===
 

Aktuelle Version vom 23. Oktober 2021, 18:02 Uhr

Fächer Psychiatrie und Psychotherapie, Psychologie und Soziologie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Organsysteme Psyche
Hauptsymptome Schmerz
Zusammenfassung Charakteristisch für somatoforme Störungen sind einzelne oder multiple körperliche Symptome bzw. Beschwerden, für die sich trotz eingehender Diagnostik kein (ausreichendes) körperliches Korrelat als Ursache finden lässt. Wichtig ist, somatoform als Überbergriff für unterschiedliche Störungsbilder zu begreifen. Dabei besteht allgemein eine deutliche Geschlechterdifferenz hinsichtlich epidemiologischer Daten: In der Studie Gesundheit Erwachsener in Deutschland von 2014 ergaben sich 12-Monats-Prävalenzen von 1.7 Prozent bei Männern und 5.2 Prozent bei Frauen (18 bis 79 Jahre). Ein Alterseffekt ist dabei besonders bei Männern zu beobachten: Während bei den 18- bis 35-jährigen nur drei Prozent an psychosomatischen Beschwerden leiden, sind es bei den 46- bis 65-jährigen bereits sieben Prozent. Dass bei Frauen das Alter einen geringeren Effekt auf die psychosomatische Symptomatik aufweist, ist vermutlich auf ein deutlich höheres Ausgangsniveau zurückzuführen. Frauen (im Vergleich zu Männern) mit psychosomatischen Beschwerden berichten außerdem von durchschnittlich mehr Symptomen, einer höheren Belastung sowie mehr emotionalem Distress. Hypothesen bestehen hinsichtlich der Annahme, dass Frauen nicht per se eine höhere Somatisierungstendenz haben, sondern die (bei Frauen höhere) emotionale Beanspruchung den größten Einfluss auf somatoforme Störungen aufweist.

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Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode

Autoren

Daniel Zsebedits, Julia Schreitmüller

Zuletzt geändert: 2021-10-23 18:02:58