Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung: Unterschied zwischen den Versionen

 
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Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode
  
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==Autoren==
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Julia Schreitmüller
  
Lange Zeit wurde ADHS vor allem als typische Erkrankung des männlichen Geschlechts (v. a. von Jungen) eingestuft. Inzwischen existieren Forschungsarbeiten, die eine differenziertere Perspektive einnehmen und Geschlechterunterschiede bei ADHS analysieren.<ref>Konrad K, Günther T. Ursachen der Geschlechtsunterschiede in der Prävalenz der Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitäts-Störung. In: Lautenbacher S, Güntürkün O, Hausmann M, editors. Gehirn und Geschlecht: Neurowissenschaft des kleinen Unterschieds zwischen Frau und Mann. Heidelberg: Springer; 2007. p. 223–40.</ref> Dennoch gilt ADHS bei Mädchen und Frauen immer noch als versteckte Störung, da die „weibliche“ Symptomatik oft weniger offensichtlich ist.<ref>Quinn PO. Treating adolescent girls and women with ADHD: gender-specific issues. Journal of Clinical Psychology 2005; 61(5):579–87.</ref>
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Zuletzt geändert: 2017-09-29 15:52:44
Grund dafür ist vor allem, dass betroffene Jungen deutlich stärker ausgeprägte hyperaktive und impulsive Verhaltensweisen zeigen. ADHS bei Mädchen äußert sich dagegen eher in Aufmerksamkeitsschwierigkeiten. Der hohe Stellenwert von Symptomen wie Impulsivität und Hyperaktivität in der ADHS-Diagnostik kann dann zu einer Verzerrung des Geschlechterverhältnisses führen: Zum Beispiel fällt im Schulalltag impulsives oder aggressives Verhalten bei Jungen deutlich stärker auf und wirkt „störender“ als Unaufmerksamkeit oder "indirekt" aggressives (z. B. manipulatives) Verhalten bei Mädchen.<ref>Maniadaki K, Sonuga Barke E, Kakouros E, Karaba R. Maternal emotions and self-efficacy beliefs in relation to boys and girls with AD/HD. Child Psychiatry and Human 2005; 35(3):245–63.</ref> <ref>Abikoff HB, Jensen PS, Arnold LL, Hoza B, Hechtman L, Pollack S. Observed Classroom behavior of children with ADHD: relationship to gender and comorbidity. Journal of Abnormal Child Psychology; 30:349–59.</ref>. Folge ist meist eine frühzeitigere Diagnose und Behandlung von Jungen im Vergleich zu Mädchen. Dass ADHS bei Jungen ungefähr doppelt so häufig diagnostiziert wird wie bei Mädchen scheint damit nicht nur auf ein unterschiedlich hohes Erkrankungsrisiko zurückführbar zu sein, sondern auch auf einen Mangel an geschlechtergerechter Diagnostik.<ref>Konrad K, Günther T. Ursachen der Geschlechtsunterschiede in der Prävalenz der Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitäts-Störung. In: Lautenbacher S, Güntürkün O, Hausmann M, editors. Gehirn und Geschlecht: Neurowissenschaft des kleinen Unterschieds zwischen Frau und Mann. Heidelberg: Springer; 2007. p. 223–40.</ref>
 
 
 
 
 
== Literatur ==
 
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Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.
 
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Aktuelle Version vom 29. September 2017, 15:52 Uhr

Fächer Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychologie und Soziologie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Organsysteme Endokrines System, Psyche
Hauptsymptome Hyperaktivität, Impulsivität, Aufmerksamkeitsstörung
Zusammenfassung Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist die am häufigsten diagnostizierte psychische Störung im Kindes- und Jugendalter. Symptomatisch können dabei Probleme in Bereichen wie Aufmerksamkeit, Selbstregulation und Impulsivität sowie eine ausgeprägte körperliche Unruhe sein. Dabei zeigen sich Jungen mit ADHS eher impulsiv und hyperaktiv, während betroffene Mädchen eher unaufmerksam sind. Komorbid entwickeln Jungen häufiger expansive Störungen (z. B. Störungen des Sozialverhaltens), bei Mädchen treten vermehrt affektive Störungen und Angsterkrankungen auf. Das hyperaktiv-impulsive Verhalten bei Jungen ist auffälliger und führt häufiger zu einer frühzeitigen Diagnose und therapeutischen Intervention. Dieser sogenannte "Überweiserbias" wird zusätzlich durch geschlechterspezifische Rollenerwartungen gestärkt: Identische Symptome werden bei Jungen oft als schwerwiegender bewertet als bei Mädchen. Folge ist, dass Mädchen im Vergleich zu Jungen in klinischen Studien deutlich unterrepräsentiert sind und die Anzahl von Probanden bis zu zehn Mal höher ist als die von Probandinnen. Epidemiologische Studien ergeben, dass etwa vier bis zehn Prozent der Kinder und vier Prozent der Erwachsenen von einer ADHS-Symptomatik betroffen sind. Dabei muss in der Allgemeinpopulation von einem Geschlechterverhältnis von mindestens zwei zu eins zugunsten des männlichen Geschlechts ausgegangen werden. Für die Praxis wäre eine geschlechtersensible und weniger stereotype Behandlung notwendig, die eine frühzeitige Diagnose und Intervention bei Mädchen ermöglicht und falsch-positiven Befunden bei Jungen vorbeugt.
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Lizenz[Bearbeiten]

Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode

Autoren[Bearbeiten]

Julia Schreitmüller

Zuletzt geändert: 2017-09-29 15:52:44

(ADHS) Gehört zur Gruppe der Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend und äußert sich durch Probleme mit Aufmerksamkeit, Impulsivität und Selbstregulation sowie eventuell durch ausgeprägte körperliche Unruhe.

(Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) Gehört zur Gruppe der Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend und äußert sich durch Probleme mit Aufmerksamkeit, Impulsivität und Selbstregulation sowie eventuell durch ausgeprägte körperliche Unruhe.