Somatoforme Störungen: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 3. August 2016, 09:19 Uhr

Fächer Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychiatrie und Psychotherapie, Psychologie und Soziologie
Organsysteme Psyche
Hauptsymptome Schmerz
Zusammenfassung Charakteristisch für somatoforme Störungen sind einzelne oder multiple körperliche Symptome bzw. Beschwerden, für die sich trotz eingehender Diagnostik kein (ausreichendes) körperliches Korrelat als Ursache finden lässt. Wichtig ist, somatoform als Überbergriff für unterschiedliche Störungsbilder zu begreifen.[1] Dabei besteht allgemein eine deutliche Geschlechterdifferenz hinsichtlich epidemiologischer Daten: In der Studie Gesundheit Erwachsener in Deutschland von 2014 ergaben sich 12-Monats-Prävalenzen von 1.7 Prozent bei Männern und 5.2 Prozent bei Frauen (18 bis 79 Jahre).[2] Ein Alterseffekt ist dabei besonders bei Männern zu beobachten: Während bei den 18- bis 35-jährigen nur drei Prozent an psychosomatischen Beschwerden leiden, sind es bei den 46- bis 65-jährigen bereits sieben Prozent.[3] Dass bei Frauen das Alter einen geringeren Effekt auf die psychosomatische Symptomatik aufweist, ist vermutlich auf ein deutlich höheres Ausgangsniveau zurückzuführen. Frauen (im Vergleich zu Männern) mit psychosomatischen Beschwerden berichten außerdem von durchschnittlich mehr Symptomen, einer höheren Belastung sowie mehr emotionalem Distress. Hypothesen bestehen hinsichtlich der Annahme, dass Frauen nicht per se eine höhere Somatisierungstendenz haben, sondern die (bei Frauen höhere) emotionale Beanspruchung den größten Einfluss auf somatoforme Störungen aufweist.[4]

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Epidemiologie[Bearbeiten]

Inzidenz/Prävalenz[Bearbeiten]

Somatoforme Erkrankungen weisen eine deutliche Geschlechterdifferenz hinsichtlich epidemiologischer Daten auf, generell höhere Prävalenzzahlen sind dabei beim weiblichen Geschlecht festzustellen: In der Studie Gesundheit Erwachsener in Deutschland von 2014 ergaben sich 12-Monats-Prävalenzen von 1.7 Prozent bei Männern und 5.2 Prozent bei Frauen (18 bis 79 Jahre).[5] Ein Alterseffekt ist dabei besonders bei Männern zu beobachten: Während bei den 18- bis 35-jährigen nur drei Prozent an psychosomatischen Beschwerden leiden, sind es bei den 46- bis 65-jährigen bereits sieben Prozent.[6] Dass bei Frauen das Alter einen geringeren Effekt auf die psychosomatische Symptomatik aufweist, ist vermutlich auf ein deutlich höheres Ausgangsniveau zurückzuführen. Detailliertere Angaben zum Einfluss von Alter und Geschlecht auf somatoforme Störungen sind Tabelle 1 zu entnehmen.


Tabelle 1. Prävalenz somatoformer Störungen in Deutschland (Ein-Monats-Prävalenz).
[Quelle: Wittchen et al., 1999]

Altersgruppe Prävalenz Frauen Prävalenz Männer Odds Ratio (w : m)
18-35 8.9 % 3.1 % 3.01
36-45 11.1 % 4.5 % 2.63
46-65 10.4 % 6.9 % 1.57
Gesamt 10 % 4.9 % 2.13

Wenngleich generell höhere Prävalenzzahlen bei Frauen im Vergleich zu Männern festzustellen sind, zeigen sich die Geschlechterunterschiede in den einzelnen diagnostischen Kategorien jedoch variabel. In nachfolgender Tabelle (Tabelle 2) sind allgemeine Häufigkeiten sowie geschlechterspezifische Besonderheiten einzelner somatoformer Störungen ersichtlich.


Tabelle 2. Allgemeine und geschlechterspezifische Häufigkeiten einzelner somatoformer Störungen. [Quelle: Kampfhammer, 2005]

Somatoforme Störung Allgemeine Häufigkeit Geschlechterunterschiede
Somatisierungsstörung Beispiel Beispiel
Dissoziative Störung Beispiel Beispiel
Hypochondrie
  • in der Allgemeinbevölkerung äußerst selten (0.2 Prozent)
  • Hypochondrische Symptome und gesundheitsbezogene Sorgen deutlich höher (6 Prozent)
  • Im medizinischen Primärsektor steigen die Prävalenzen an (> 1 Prozent)
keine eindeutigen Geschlechterdifferenzen
Körperdysmorphe Störung Beispiel Beispiel
Somatoforme Schmerzstörung Beispiel Beispiel
Somatoforme autonome Störung Beispiel Beispiel

Risikofaktoren und protektive Faktoren[Bearbeiten]

Somatisierungsprozesse werden von vielfältigen Faktoren beeinflusst. Eindimensionale Erklärungen für Geschlechterdifferenzen sind deshalb sehr unwahrscheinlich. Unterschiede in der Wahrnehmung, Interpretation und Kommunikation von Körperreizen, in der Schmerztoleranz, in der Entwicklung von Krankheits- bzw. Gesundheitskonzepten sowie der Sozialisation des Krankheitsverhaltens, in der Assoziation zu Angst und Depression, in der Anzahl schwerwiegender Traumatisierungen und posttraumatischer Entwicklungen werden als mögliche Faktoren diskutiert.[7]

Das geschlechterspezifische Kommunikationsverhalten und die häufigere Symptomschilderung auf Seiten der Frauen scheint in epidemiologischen Studien dazu beizutragen, dass bei Frauen allgemein häufiger somatoforme Störungen oder auch funktionelle Syndrome wie Fibromyalgie, Colon irritabile oder chronisches Müdikeitssyndrom diagnostiziert werden.[8] Dagegen kann eine intensivere hypochondrische Gesundheitsangst bei Frauen nicht als Erklärung für den Geschlechtereffekt bestätigt werden.[9] [10]

Pathophysiologie[Bearbeiten]

Klinik[Bearbeiten]

Symptome[Bearbeiten]

Betrachtet man die Krankheitsbeschwerden, die einen Patienten oder eine Patientin dazu motivieren, einen Arzt/eine Ärztin zu kontaktieren, scheinen zwischen den Geschlechtern mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zu bestehen. Jackson et al. (2003) stellten fest, dass Patienten und Patientinnen von vergleichbaren Symptomen berichteten und nach einer ähnlichen Zeitspanne medizinische Hilfe aufsuchten. Es bestanden dabei auch keine Geschlechterunterschiede in der Dauer der Symptome, in der subjektiven Schwere der körperlichen Beeinträchtigung oder der empfundenen Funktionseinbußen. Jedoch berichteten Patientinnen im Verlgleich zu Patienten häufiger von psychosozialen Belastungssituationen sowie einem höherem symptombezogenen Leidensdruck und wiesen öfter weitere psychische Störungen auf.[11]

Diagnostik[Bearbeiten]

Management von Patienten und Patientinnen[Bearbeiten]

Therapie[Bearbeiten]

Therapeutische Behandlungen sollten multimodal gestaltet werden. Wenngleich die grundlegende Bedeutung von Geschlecht und Sexualität dabei erkannt wird, ist in bisherigen Therapiestudien eine geschlechtersensible Dimension noch zu wenig berücksichtigt worden.[12]

Interaktion zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin[Bearbeiten]

Behandlungserfolg/Outcome[Bearbeiten]

Psychosoziale Faktoren[Bearbeiten]

Prävention[Bearbeiten]

Ausblick[Bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten]

Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.

  1. Kolip P, Hurrelmann K. Handbuch Geschlecht und Gesundheit: Männer und Frauen im Vergleich. 2., vollst. überarb. und erw. Aufl. Bern: Hogrefe; 2016. (Programmbereich Gesundheit).
  2. Jacobi F, Höfler M, Strehle J, Mack S, Gerschler A, Scholl L et al. Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung: Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul Psychische Gesundheit (DEGS1-MH). Der Nervenarzt 2014; 85(1):77–87.
  3. Wittchen, H.-U., Müller, N., Pfister, H., Winter, S., & Schmidtkunz, B. (1999). Affektive, somatoforme und Angststörungen in Deutschland. Erste Ergebnisse des bundesweiten Zusatzsurveys "Psychische Störungen". Das Gesundheitswesen, 61, 216-222.
  4. Gater R, Tansella M, Korten A, Tiemens BG, Mavreas VG, Olatawura MO. Sex Differences in the Prevalence and Detection of Depressive and Anxiety Disorders in General Health Care Settings. Arch Gen Psychiatry 1998; 55(5):405.
  5. Jacobi F, Höfler M, Strehle J, Mack S, Gerschler A, Scholl L et al. Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung: Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul Psychische Gesundheit (DEGS1-MH). Der Nervenarzt 2014; 85(1):77–87.
  6. Wittchen, H.-U., Müller, N., Pfister, H., Winter, S., & Schmidtkunz, B. (1999). Affektive, somatoforme und Angststörungen in Deutschland. Erste Ergebnisse des bundesweiten Zusatzsurveys "Psychische Störungen". Das Gesundheitswesen, 61, 216-222.
  7. Kapfhammer, H. P. (2005). Geschlechtsdifferenzielle Perspektive auf somatoforme Störungen. Psychiatrie und Psychotherapie, 1(2), 63-74.
  8. Yunus MB (2002) Gender differences in fibromyalgia and other related syndromes. J Gend Specif Med 5: 42–47
  9. Kroenke K, Spitzer RL (1998) Gender differences in the reporting of physical and somatoform symptoms. Psychosom Med 60: 150–155
  10. Rief W, Hessel A, Brähler (2001) Somatization symptoms and hypochondriacal features in the general population. Psychosom Med 63: 595–602
  11. Jackson JL, Chamberlain J, Kroenke K (2003) Gender and symptoms in primary care practices. Psychosomatics 44: 359–366
  12. Kapfhammer, H. P. (2005). Geschlechtsdifferenzielle Perspektive auf somatoforme Störungen. Psychiatrie und Psychotherapie, 1(2), 63-74.

Lehrmaterialien[Bearbeiten]

Fallstudien[Bearbeiten]

Dias[Bearbeiten]

Videos[Bearbeiten]

Ein Teilgebiet der Medizin, das die Verteilung von Krankheiten in einer Bevölkerung und die damit zusammenhängenden Variablen untersucht.

Die Anzahl neu aufgetretener Krankheitsfälle innerhalb einer definierten Population in einem bestimmten Zeitraum.

Die Häufigkeit einer Krankheit oder eines Symptoms in einer definierten Population zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Körperliche Beschwerden, für die keine oder nicht ausreichende organische Ursachen gefunden werden können.

Multilokuläres, funktionelles Schmerzsyndrom mit typischen schmerzhaften Druckpunkten, aber ohne Hinweise auf einen entzündlichen oder degenerativen Prozess.

Die Lehre von krankhaft veränderten Körperfunktionen sowie ihrer Entstehung und Entwicklung.

Biologisches Geschlecht