Geschlechtersensible Medizin - politischer und wissenschaftlicher Diskurs/Fachartikel


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Gendermedizin oder geschlechtersensible Medizin entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten aus der Frauen- und zum Teil auch aus der Männergesundheitsforschung heraus.[1] Im Zuge der zweiten Frauenbewegung bildete sich in den 1970er Jahren eine Frauengesundheitsbewegung mit der Forderung nach weiblicher Selbstbestimmung auch in medizinischen Fragen. In den 1990er Jahren kritisierte die Frauengesundheitsbewegung dann vor allem den Ausschluss von Probandinnen aus klinischen Studien.

Das Jahr 1975 benannten die Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Frau. In diesem Jahr wurde auch die erste Weltfrauenkonferenz in Mexiko durchgeführt. 1995 wurde bei der vierten Weltfrauenkonferenz in Peking ein Aktionsplan beschlossen, der auch Themen der Frauengesundheit enthielt.[2] Diese vierte Weltfrauenkonferenz wird auch als Plattform für das sogenannte Gender Mainstreaming gesehen, das schließlich 1997 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) implementiert wurde. Mit dem Begriff des Gender Mainstreamings werden Initiativen zur Gleichstellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen umrissen. Im Gesundheitssytem verknüpft dieses Mainstreaming zwei wichtige Ziele: Die Reduktion sozialer Ungleichheit und die Verbesserung von Qualität und Effizienz des Versorgungssystems.[3]

Das erste eigenständige Dokument der WHO zur Frauengesundheit wurde 1994 auf der Women's Health Counts, einer Konferenz über die Gesundheit von Frauen in Mittel- und Osteuropa, verabschiedet: Die sogenannte Wiener Erklärung zu Frauengesundheit (Vienna Statement on Investing in Women’s Health). In diese Erklärung werden allgemeine Grundsätze zur Gesundheit von Frauen formuliert mit sechs vorrangigen Handlungsbereichen:[4]

Tabelle 1: Wiener Erklärung zur Frauengesundheit mit sechs Handlungsbereichen.
[Quelle: Bericht der Enquetekommission des Landtags Nordrhein-Westfalen (2013)]

Wiener Erklärung zur Frauengesundheit: Vorrangige Handlungsbereiche
  • Senkung der Müttersterblichkeit und Erhöhung der Sicherheit von Müttern
  • Förderung von sexueller und reproduktiver Gesundheit
  • Einführung frauenfreundlicher Kostenstrategien
  • Unterstützung von Programmen zur Förderung gesunder Lebensweisen
  • Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
  • Verbesserungen für Frauen, die in der Gesundheitsversorgung arbeiten

Eine Frauengesundheitsberichterstattung wurde bereits 1992 im Rahmen der WHO‐Konferenz 1992 begründet. Inzwischen werden in vielen Ländern Frauengesundheitsberichte veröffentlicht. Damit liegen geschlechtersensible Gesundheitsdaten für verschiedene Populationen vor (z. B. für den Staat, für einzelne Länder, für Großstädte, etc.). Auch wurden Frauengesundheitszentren errichtet.[5]


Literatur

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  1. Kuhlmann, E. Gendertheorien. In: Kolip P, Hurrelmann K, editors. Handbuch Geschlecht und Gesundheit: Männer und Frauen im Vergleich. 2., vollst. überarb. und erw. Aufl. Bern: Hogrefe; 2016. p. 34–44 (Programmbereich Gesundheit).
  2. Hochleitner, M. (2013). Gender Medizin–Was ist das? Stand: 06.12.2016.
  3. Kuhlmann, E. Gendertheorien. In: Kolip P, Hurrelmann K, editors. Handbuch Geschlecht und Gesundheit: Männer und Frauen im Vergleich. 2., vollst. überarb. und erw. Aufl. Bern: Hogrefe; 2016. p. 34–44 (Programmbereich Gesundheit).
  4. Nordrhein-Westfalen, L. (2013). Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW: Bericht der Enquetekommission des Landtags Nordrhein-Westfalen. Springer-Verlag.
  5. Hochleitner, M. (2013). Gender Medizin–Was ist das? Stand: 06.12.2016.
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