Geschlecht und Gewalt - Ein Überblick: Unterschied zwischen den Versionen

(Folgen von Gewalterfahrungen)
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==Folgen von Gewalterfahrungen==
 
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Studien belegen den Zusammenhang zwischen gegenwärtigen oder vergangenen Gewalterfahrungen und physischen und/oder psychischen Gesundheitsproblemen. Besonders Gewalt in der Kindheit sowie kumultative Gewalterlebnisse können den Gesundheitszustand negativ beeinflussen. Dabei lässt sich zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Gesundheitsfolgen unterscheiden. Kurzfristige bzw. unmittelbare Folgen bilden dann akute Verletzungen oder auch direkte psychosoziale Folgeprobleme wie Gefühle von Angst und Bedrohung, erhöhter Alkohol- oder Medikamentenkonsum oder allgemeiner Distress (negativer Stress). Als mittel- und langfristige Folgen lassen sich somatische, psychosomatische und psychische Symptomatiken identifizieren. Nachfolgende Tabelle (''Tabelle 1'') stellt mögliche Folgen von Gewalterfahrungen dar, die sich aus Studien zu Gewalt an Frauen und Mädchen ergeben. <br />
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Studien belegen den Zusammenhang zwischen gegenwärtigen oder vergangenen Gewalterfahrungen und physischen und/oder psychischen Gesundheitsproblemen. Besonders Gewalt in der Kindheit sowie kumultative Gewalterlebnisse können den Gesundheitszustand negativ beeinflussen. Dabei lässt sich zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Gesundheitsfolgen unterscheiden. Kurzfristige bzw. unmittelbare Folgen bilden unter anderem akute Verletzungen oder auch direkte psychosoziale Folgeprobleme wie Gefühle von Angst und Bedrohung, erhöhter Alkohol- oder Medikamentenkonsum oder allgemeiner Distress (negativer Stress). Als mittel- und langfristige Folgen lassen sich somatische, psychosomatische und psychische Symptomatiken identifizieren. Nachfolgende Tabelle (''Tabelle 1'') stellt mögliche Folgen von Gewalterfahrungen dar, die sich aus Studien zu Gewalt an Frauen und Mädchen ergeben. <br />
  
 
<small>'''Tabelle 1. Gesundheitliche Folgen von Gewalt an Mädchen und Frauen. [Quelle: Hornberg et al. (2008)]'''</small>
 
<small>'''Tabelle 1. Gesundheitliche Folgen von Gewalt an Mädchen und Frauen. [Quelle: Hornberg et al. (2008)]'''</small>

Version vom 15. August 2016, 14:06 Uhr

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Artikelart LaiInnenartikel„LaiInnenartikel“ befindet sich nicht in der Liste (Einführungsartikel, Fachartikel) zulässiger Werte für das Attribut „Artikelart“.
Zusammenfassung Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird Gewalt (im privaten oder öffentlichen Raum) als eines der weltweit größten Gesundheitsrisiken besonders für Frauen und Kinder eingestuft [1] und kann erhebliche gesundheitliche Konsequenzen für die Betroffenen haben.[2] Untersuchungen zu Geschlecht und Gewalt haben in der Vergangenheit meist Männer als Gewaltausübende (Täter) und Frauen und Kinder als von Gewalt Betroffene (Opfer) thematisiert.[3] In den vergangenen Jahren hat sich diese Perspektive sowohl in der Forschung als auch in der Praxis um andere TäterInnen-Opfer-Konstellationen erweitert. Dabei belegen nationale und internationale Studien, dass Männer nahezu im gleichen Maß von Gewalt betroffen sind wie Frauen. Dass sich die Art und Weise der erlebten Gewalt zwischen den Geschlechtern aber durchaus unterscheidet. Zunehmend gelangt in das öffentliche Bewusstsein, dass auch Frauen (besonders in Betreuungspositionen) zu Täterinnen werden. Wenngleich sie deutlich häufiger psychische anstelle von physischer Gewalt ausüben.[4] Notwendig sind die verschiedenen Formen von Gewalt geschlechterdifferenziert zu untersuchen: Beispielsweise sind tatsächlich meist Frauen von sexualisierter Gewalt betroffen.[5] Bei Gewalt im öffentlichen Raum sind Männer in der Regel nicht nur Täter, sondern werden auch deutlich öfter als Frauen zu Opfern.[6] Methodische Differenzen zwischen den Studien ermöglicht momentan wenig allgemeingültige Aussagen.
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Epidemiologische Daten[Bearbeiten]

Repräsentative Daten von 2008 ergeben, dass ungefähr jede vierte Frau in Deutschland im Laufe ihres Erwachsenenlebens körperliche und/oder sexuelle Gewalt in Ehe oder Partnerschaft erlebt. Werden Gewalterfahrungen außerhalb der Partnerschaft mit einbezogen, beträgt der Anteil betroffener Frauen, die seit dem 16. Lebensjahr körperliche Gewalt (z. B. Ohrfeigen, Tritte, Faustschläge oder Waffengewalt) erlebt haben, 37 Prozent. Dabei gaben ungefähr ein Drittel der betroffenen Frauen an, mittlere bis schwere Formen von körperlichen Gewalt erlebt zu haben (z. B. lebensgefährliche Verletzungen oder wiederholte Gewaltsituationen). Unter (strafrechtlich relevanten) sexuellen Übergriffen (z. B. Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung) hatten 13 Prozent (etwa jede siebte Frau) der Befragten (ab 16 Jahre) bereits gelitten. Bezieht man weitere Formen sexualisierter Gewalt mit ein (z. B. schwere sexuelle Belästigung) steigt der Anteil der Betroffenen sexueller Gewalt auf 58 Prozent. 42 Prozent der befragten Frauen waren im Erwachsenenalter bereits psychischer Gewalt ausgesetzt (z. B. Drohungen, Demütigung oder aggressives Anschreien). Eine Übersicht zu Prävalenzen verschiedener Gewalterfahrungen bei Frauen ist Grafik 1 zu entnehmen.[7] [8]

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Grafik 1. Prävalenzen von Gewalt gegen Frauen in Deutschland seit dem 16. Lebensjahr. [Quelle: Schröttle & Müller (2004)]

Lange Zeit wurden von Gewalt betroffene Männer in Studien wenig berücksichtigt,[9] repräsentative Daten existieren derzeit noch nicht. Dennoch legen Studienergebnisse nahe, dass die Viktimisierung durch Gewalt als geschlechterübergreifend zu verstehen ist und auch Männer unterschiedlicher Kontexte und Altersklassen von Gewalt betroffen sind.[10] So scheinen Männer ungefähr genauso oft wie Frauen, zuweilen sogar öfter, Opfer von Gewalt zu sein.[11] Jugendliche und junge Männer sind dabei nicht nur eine Risikogruppe bezüglich des Ausübens von Gewalttaten, sondern werden auch besonders häufig zu Gewaltopfern. Gewaltkontexte sind dann häufig öffentliche Räume wie die Schule, die Ausbildungsstätte, der Wehrdienst oder auch Freizeiteinrichtungen und Sportvereine. Auch innerhalb der Peergroup kommt es gehäuft zu Gewaltäußerungen. Evaluative (nicht repräsentative) Daten des BMFSFJ ergeben dabei Folgendes: 40 Prozent der Befragten gaben an, in ihrem Erwachsenenalter von körperlicher Gewalt betroffen gewesen zu sein, 5 Prozent erlebten sexuelle Übergriffe und 58 Prozent waren psychischer Gewalt (vorwiegend im Arbeitskontext) ausgesetzt. 25 Prozent äußerten zudem, schon einmal körperliche Übergriffe in ihrer Partnerschaft erlebt zu haben, wobei dabei eine deutlich geringere Intensität und Häufigkeit im Vergleich zur Viktimisierung bei Frauen zu bestehen scheint.[12] Eine Übersicht zu Prävalenzen unterschiedlicher Gewaltformen bei Männern ist Grafik 2 zu entnehmen.

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Grafik 2. Prävalenzen von Gewalt gegen Männer in Deutschland seit dem 18. Lebensjahr. [Quelle: BMFSFJ (2004)]

Festgehalten werden kann, dass bei beiden Geschlechter ein erheblicher Anteil in Kindheit und/oder im Erwachsenenalter von Gewalt betroffen ist. Dabei werden Männer besonders in Kindheit und Jugend sowie im jungen Erwachsenenalter Opfer von körperlicher Gewalt, während Frauen zusätzlich im mittleren Alter besonders häufig von körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen sind. Geschlechterunterschiede äußern sich vor allem darin, dass Frauen deutlich häufiger schwere Formen von Gewalt in der Partnerschaft sowie sexuelle Gewalt erleben, während Männer öfter körperlicher Gewalt im öffentlichen Raum ausgesetzt sind. Bezüglich psychischer Gewalt scheinen keine Geschlechterunterschiede in der Häufigkeit vorzuliegen: Beide Geschlechter scheinen in hohem Maß betroffen zu sein, wobei kontextspezifisch noch keine Aussagen getroffen werden können.[13]

Folgen von Gewalterfahrungen[Bearbeiten]

Studien belegen den Zusammenhang zwischen gegenwärtigen oder vergangenen Gewalterfahrungen und physischen und/oder psychischen Gesundheitsproblemen. Besonders Gewalt in der Kindheit sowie kumultative Gewalterlebnisse können den Gesundheitszustand negativ beeinflussen. Dabei lässt sich zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Gesundheitsfolgen unterscheiden. Kurzfristige bzw. unmittelbare Folgen bilden unter anderem akute Verletzungen oder auch direkte psychosoziale Folgeprobleme wie Gefühle von Angst und Bedrohung, erhöhter Alkohol- oder Medikamentenkonsum oder allgemeiner Distress (negativer Stress). Als mittel- und langfristige Folgen lassen sich somatische, psychosomatische und psychische Symptomatiken identifizieren. Nachfolgende Tabelle (Tabelle 1) stellt mögliche Folgen von Gewalterfahrungen dar, die sich aus Studien zu Gewalt an Frauen und Mädchen ergeben.

Tabelle 1. Gesundheitliche Folgen von Gewalt an Mädchen und Frauen. [Quelle: Hornberg et al. (2008)]

Nicht tötliche Folgen
Körperliche Folgen
  • Verletzungen
  • Funktionelle Beeinträchtigungen
  • Dauerhafte Behinderungen
(Psycho)somatische Folgen
  • Chronische Schmerzsyndrome
  • Reizdarmsyndrom
  • Magen-Darm-Störungen
  • Harnwegsinfektionen
  • Atemwegsbeschwerden
Psychische Folgen
  • Posttraumatische Belastungsstörung
  • Depression, Angststörungen, Schlafstörungen
  • Essstörungen
  • Verlust von Selbstachtung bzw. Selbstwertgefühl
  • Suizidalität
Gesundheitsgefährdende Bewältigungsstrategien
  • Rauchen
  • Alkohol- und Drogengebrauch
  • Risikoreiches Sexualverhalten
  • Selbstverletzendes Verhalten
Reproduktive Gesundheitsfolgen
  • Eileiter-/Eierstockentzündungen
  • Sexuell übertragbare Krankheiten
  • Ungewollte Schwangerschaften
  • Schwangerschaftskomplikationen
  • Fehlgeburten
  • Niedriges Geburtsgewicht des Säuglings
Tödliche Folgen
  • Tödliche Verletzungen
  • Tötung
  • Suizid

Ausblick[Bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten]

Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.

  1. Krug E, Dahlenberg I, Mercy J et al. (2002) World report on violence and health. WHO, Genf
  2. Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.
  3. Lagdon, S., Armour, C., & Stringer, M. (2014). Adult experience of mental health outcomes as a result of intimate partner violence victimisation: A systematic review. European journal of psychotraumatology, 5.
  4. Schlack, R., Rüdel, J., Karger, A., & Hölling, H. (2013). Körperliche und psychische Gewalterfahrungen in der deutschen Erwachsenenbevölkerung. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 56(5-6), 755-764.
  5. Breiding, M. J. (2014). Prevalence and characteristics of sexual violence, stalking, and intimate partner violence victimization—National Intimate Partner and Sexual Violence Survey, United States, 2011. Morbidity and mortality weekly report. Surveillance summaries (Washington, DC: 2002), 63(8), 1.
  6. Cho, H. (2012). Examining gender differences in the nature and context of intimate partner violence. Journal of Interpersonal Violence, 27(13), 2665-2684.
  7. Schröttle M, Müller U (2004) Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Kurz- und Langfassungen dieser und der folgenden Dokumentationen unter: www.bmfsfj.de/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte,did=20560.html
  8. Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.
  9. Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.
  10. Jungnitz L, Lenz HJ, Puchert R et al. (Hrsg) (2007) Gewalt gegen Männer. Personale Gewaltwiderfahrnisse von Männern in Deutschland. Verlag Barbara Budrich, Opladen
  11. Kury H, Dörmann, U, Richter H et al. (1996) Opfererfahrung und Meinungen zur inneren Sicherheit in Deutschland. Ein empirischer Vergleich von Viktimisierungen, Anzeigeverhalten und Sicherheitseinschätzung in Ost- und West vor der Vereinigung. Bundeskriminalamt, Wiesbaden.
  12. Forschungsverbund (2004) Gewalt gegen Männer. Personale Gewaltwiderfahrnisse von Männern in Deutschland. Abschlussbericht der Pilotstudie im Auftrag des BMFSFJ. Berlin www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte.html
  13. Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.

Lehrmaterialien[Bearbeiten]

Fallstudien[Bearbeiten]

Dias[Bearbeiten]

Videos[Bearbeiten]

(RDS) Gastroenterologisches Krankheitsbild, das durch diffuse abdominelle Beschwerden charakterisiert wird und oft auf psychosomatischen Faktoren beruht.

(lat.: deprimere = herunterdrücken) Psychische Erkrankung, die durch die Hauptsymptome gedrückte Stimmung, Verlust an Interessen bzw. an Freude und deutliche Antriebsminderung gekennzeichnet ist.

Störungen der Nahrungsaufnahme oder des Körpergewichts, die nicht in organischen Ursachen begründet sind. Essstörungen können sich dabei in verschiedenen Krankheitsbildern manifestieren.