− | Frauen zeigen eine erhöhte Vulnerabilität für die toxischen Effekte von Alkohol. Teilweise scheint dies damit zusammenzuhängen, dass Frauen beim Trinken derselben Menge einen höheren Alkoholspiegel erreichen, ihre Konzentration von Alkoholdehydrogenase niedriger ist und damit ihr Alkoholstoffwechsel langsamer als bei Männern abläuft.<ref>Greenfield, S. F., Back, S. E., Lawson, K., & Brady, K. T. (2010). Substance Abuse in Women. Psychiatric Clinics of North America, 33(2), 339–355</ref> Auch bei vergleichbarem Alkoholspiegel äußern Frauen signifikant häufiger kognitive Beeinträchtigungen, Schläfrigkeit oder Schlafstörungen. Männer reagieren dagegen aggressiver als Frauen bei ähnlichem Alkoholspiegel.<ref>Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. ''Addiction Biology'', ''21''(5), 1030–1042.</ref> Frauen haben ein höheres Risiko für Lebererkrankungen (u. a. Leberzirrhose) infolge von Alkoholkonsum. Zudem wird das weibliche Herz schneller durch Alkohol angegriffen, was sich daran zeigt, dass Frauen schon nach vergleichsweise geringerem Alkoholkonsum (bezogen auf das gesamte Leben) eine alkoholische Kardiomyopathie entwickeln können. Auch die Wahrscheinlichkeit, an bestimmten Formen von Krebs zu erkranken, variiert je nach Geschlecht:<ref>Roswall, N., & Weiderpass, E. (2015). Alcohol as a risk factor for cancer: Existing evidence in a global perspective. ''Journal of Preventive Medicine and Public Health'', ''48''(1), 1–9.</ref> Durch Alkoholkonsum erhöht sich besonders bei Frauen das Risiko für Brustkrebs, während bei Männern das Risiko für Krebs im Mund- und Rachenraum sowie in der Speiseröhre steigt. Die Sterblichkeitsrate erhöht sich bei Frauen schon bei einem Konsum ab zweieinhalb Gläsern täglich, während dies bei Männern erst ab einem Konsum von viereinhalb Gläsern täglich beobachtet wird.<ref>Di Castelnuovo, A., Costanzo, S., Bagnardi, V., Donati, M. B., Iacoviello, L., & de Gaetano, G. (2006). Alcohol dosing and total mortality in men and women: an updated meta-analysis of 34 prospective studies. ''Archives of Internal Medicine'', ''166''(22), 2437–2445.</ref> Spezielle Risiken für Frauen bestehen während der Schwangerschaft. Alkoholkonsum wird u. a. mit spontanen Fehlgeburten oder dem Entwickeln einer Störung aus dem Bereich des Fetalen Alkoholsyndroms assoziiert.
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− | <b style="box-sizing: inherit; font-family: Lato, Helvetica, Arial, sans-serif; font-size: 13.6px; background-color: rgb(239, 243, 251);">Tabelle 1. Geschlechterunterschiede in der Wirkung verschiedener Medikamente bei Alkoholabhängigkeit.</b><br><table class="wikitable table table-bordered"><tr><td>Medikament</td><td>Geschlechterspezifische Wirkung</td></tr><tr><td><span style="font-weight: 700;">Naltrexon</span><br></td><td>Für Naltrexon ergibt sich eine unklare Studienlage, ob Effektivitätsunterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen.<ref>Agabio, R., Pani, P. P., Preti, A., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Efficacy of Medications Approved for the Treatment of Alcohol Dependence and Alcohol Withdrawal Syndrome in Female Patients: A Descriptive Review. European Addiction Research, 22(1), 1–16.</ref> Verschiedene Studien belegen für beide Geschlechter reduzierten Konsum und geringeres Craving durch die Einnahme von Naltrexon (häufig in Kombination mit psychologischen Therapien).<ref>Greenfield, S. F., Pettinati, H. M., O’Malley, S., Randall, P. K., & Randall, C. L. (2010). Gender differences in alcohol treatment: an analysis of outcome from the COMBINE study. Alcoholism, Clinical and Experimental Research, 34(10), 1803–1812.</ref> <ref>Martinotti, G., Di Nicola, M., Tedeschi, D., Andreoli, S., Reina, D., Pomponi, M., … Janiri, L. (2010). Pregabalin versus naltrexone in alcohol dependence: a randomised, double-blind, comparison trial. Journal of Psychopharmacology, 24(9), 1367–1374.</ref> <br>Da häufig mehrere Substanzen parallel konsumiert werden, können Wechselwirkungen entstehen. Diese Interaktionen können durch das Geschlecht beeinflusst werden und sollten während einer Pharmakotherapie berücksichtigt werden.<ref>Graziani, M., Nencini, P., & Nisticò, R. (2014). Genders and the concurrent use of cocaine and alcohol: Pharmacological aspects. Pharmacological Research, 87, 60–70.</ref> In einer Studie mit Personen, die sowohl alkohol- als auch kokainabhängig waren, reduzierten nur Männer ihren Substanzkonsum nach Verabreichung von Naltrexon, Frauen steigerten ihn hingegen.<ref>Pettinati, H. M., Kampman, K. M., Lynch, K. G., Suh, J. J., Dackis, C. A., Oslin, D. W., & O’Brien, C. P. (2008). Gender differences with high-dose naltrexone in patients with co-occurring cocaine and alcohol dependence. Journal of Substance Abuse Treatment, 34(4), 378–390.</ref> Die AutorInnen begründeten dies mit der recht hohen Dosis (150 mg/Tag), die bei Frauen womöglich stärkere Nebenwirkungen ausgelöst und damit die Effektivität beeinträchtigt hatte. Passend zu dieser Annahme wurde in einer anderen Studie belegt, dass Nebenwirkungen (wie z. B. Übelkeit) bei Frauen in Behandlung mit Naltrexon im Vergleich zu Männern und Kontrollen häufiger auftreten.<ref>Roche, D. J. O., & King, A. C. (2015). Sex differences in acute hormonal and subjective response to naltrexone: The impact of menstrual cycle phase. Psychoneuroendocrinology, 52, 59–71.</ref> Zudem wiesen nur Frauen einen erhöhten Kortisol-Spiegel auf und waren stärker von Nebenwirkungen betroffen, wenn sie sich in der Lutealphase statt der frühen Follikelphase befanden. Bisher wurde vor allem die orale Einnahme von Naltrexon untersucht. Es existiert jedoch auch eine injizierbare Variante, deren Effektivität sich eher bei alkoholkranken Männern zu bewähren scheint.<ref>Garbutt, J. C., Kranzler, H. R., O’Malley, S. S., Gastfriend, D. R., Pettinati, H. M., Silverman, B. L.,… Vivitrex Study Group. (2005). Efficacy and tolerability of long-acting injectable naltrexone for alcohol dependence: a randomized controlled trial. JAMA, 293(13), 1617–1625.</ref></td></tr><tr><td><span style="font-weight: 700;">Pregabalin</span><br></td><td>Im direkten Vergleich mit einer täglichen Applikation Naltrexon (50 mg) zeigt Pregabalin eine größere Wirkung im Sinne einer stärkeren Reduktion des Alkoholkonsums. Möglicherweise hängt dies mit der anxiolytischen Wirkung von Pregabalin zusammen, da komorbide psychiatrische Symptomatiken (z. B. [[Angststörungen | Ängstlichkeit]]) oft mit [[Alkoholabhängigkeit]] einhergehen. Die Studie gibt damit Hinweis darauf, dass eine Drogentherapie erfolgreicher verläuft, wenn dabei komorbide psychische Störungen berücksichtigt werden.<ref>Martinotti, G., Di Nicola, M., Tedeschi, D., Andreoli, S., Reina, D., Pomponi, M., … Janiri, L. (2010). Pregabalin versus naltrexone in alcohol dependence: a randomised, double-blind, comparison trial. Journal of Psychopharmacology, 24(9), 1367–1374.</ref></td></tr><tr><td><span style="font-weight: 700;">Weitere Medikamente bei Alkoholabhängigkeit & Alkoholentzugssyndrom</span><br></td><td>Bei einigen Medikamenten, die für die Behandlung einer Alkoholabhängigkeit oder eines Alkoholentzugssyndroms eingesetzt werden, bleibt unklar, ob Geschlechterunterschiede in der Wirksamkeit bestehen. Aufgrund der zu geringen Anzahl von Frauen in klinischen Studien können keine sicheren Aussagen über die geschlechterspezifische Effektivität und Sicherheit von Disulfiram, Antikonvulsiva, Gamma-Hydroxybuttersäure und Benzodiazepine getroffen werden. Nur für Nalmefen und Acomprosat war die Größe des Probandinnenkollektivs ausreichend, sodass hier festgestellt werden konnte, dass keine Geschlechterunterschiede vorliegen.</ref>Agabio, R., Pani, P. P., Preti, A., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Efficacy of Medications Approved for the Treatment of Alcohol Dependence and Alcohol Withdrawal Syndrome in Female Patients: A Descriptive Review. European Addiction Research, 22(1), 1–16.</ref></td></tr></table>
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− | <b style="box-sizing: inherit; font-family: Lato, Helvetica, Arial, sans-serif; font-size: 13.6px; background-color: rgb(239, 243, 251);">Tabelle 2. Geschlechterunterschiede bei nicht-medikamentösen Therapieoptionen.</b><span style="color: inherit; font-family: inherit; font-size: 18px;"><br></span><table class="wikitable table table-bordered"><tr><td>Therapieansatz/-inhalt<br></td><td>Geschlechtersensible Betrachtung<br></td></tr><tr><td><span style="font-weight: 700;">Berücksichtigung psychischer Komorbiditäten</span><br></td><td>Eine Studie mit alkoholkranken Personen zeigte, dass traumatische Erfahrungen und Symptome, die mit einem Trauma einhergehen, nur bei Frauen signifikant mit einem Rückfall assoziiert sind.<ref>Heffner, J. L., Blom, T. J., & Anthenelli, R. M. (2011). Gender Differences in Trauma History and Symptoms as Predictors of Relapse to Alcohol and Drug Use. The American Journal on Addictions,20(4), 307–311.</ref> Zudem ist bei abhängigen Frauen, bei denen eine komorbide [[Depression/Fachartikel | Depression]] therapiert wurde, auch die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Drogentherapie höher.<ref>Zenker, C. (2005). Sucht und Gender. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz, 48(4), 469–476.</ref><br></td></tr><tr><td><span style="font-weight: 700;">Gruppentherapien</span><br></td><td>Männer scheinen mehr durch klare Strukturen (wie z. B. bei den Anonymen Alkoholikern) zu profitieren. Frauen benötigen für einen Behandlungserfolg eher Gruppen, in denen Emotionen bearbeitet werden und Fähigkeiten wie Selbstbewusstsein oder Selbstwirksamkeit geübt werden. Für Frauen empfehlen sich eher geschlechtshomogene Gruppen, da für sie relevante Themen auf diese Weise besser besprochen werden können.<span style="background-color: transparent;"></span><ref>Zenker, C. (2005). Sucht und Gender. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz, 48(4), 469–476.</ref></td></tr><tr><td><span style="font-weight: 700;">Kognitive Verhaltenstherapie als Paar</span><br></td><td>Für Frauen ist soziale Unterstützung ein Faktor, der stärker als bei Männern sowohl die Aufnahme einer Therapie als auch den Behandlungserfolg beeinflusst. Zudem wirkt der Substanzkonsum ihres Partners steigernd auf den eigenen Konsum. Diese Aspekte können bei Frauen durch eine gemeinsame kognitive Verhaltenstherapie behandelt werden. Insgesamt ergibt die Befundlage, dass eine Therapie gemeinsam mit dem/der PartnerIn effektiv sein kann für das Ziel, den Alkoholkonsum zu reduzieren bzw. abstinent zu bleiben. Einzelne Sitzungen als Ergänzung steigern diesen Effekt bei Frauen noch.<ref>McCrady, B. S., Epstein, E. E., Hallgren, K. A., Cook, S., & Jensen, N. K. (2016). Women with alcohol dependence: A randomized trial of couple versus individual plus couple therapy. Psychology of Addictive Behaviors, 30(3), 287–299.</ref></td></tr></table>
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