Tierstudien: Unterschied zwischen den Versionen

(Notwendigkeit weiblicher Versuchstiere)
 
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== Notwendigkeit weiblicher Versuchstiere==
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{{Weitere geschlechtsspezifische Inhalte
Die Forschung an Tieren ist für die medizinische Praxis seit jeher unabdingbar. Bis in die 1960er Jahre blieb das Geschlecht der Versuchstiere fast vollständig unberücksichtigt (Ausnahme bildeten Studien zur Fortpflanzung). Noch heute ist bei 22 bis 42 Prozent der physiologischen, neurowissenschaftlichen und biologischen Studien das Geschlecht für die RezipientInnen nicht ersichtlich.<ref>Beery AK, Zucker I. Sex bias in neuroscience and biomedical research. Neuroscience & Biobehavioral Reviews 2011; 35(3):565–72.</ref> Viele Studien fokussieren noch immer auf männliche Tiere und schließen weibliche Tiere aus ihrer Untersuchung aus. Gründe hierfür sind vielfältig: Vor allem sollen Verzerrungen infolge hormoneller Unterschieden vermieden werden.<ref>Becker JB, Arnold AP, Berkley KJ, Blaustein JD, Eckel LA, Hampson E et al. Strategies and Methods for Research on Sex Differences in Brain and Behavior. Endocrinology 2005; 146(4):1650–73.</ref> Während des Menstruationszyklus fluktuiert das weibliche Hormonlevel und kann mit experimentellen Ergebnissen interagieren. Solche hormonellen Schwankungen  gestalten die wissenschaftliche Analyse komplexer; Arbeitsaufwand und Kosten steigen.<ref>Nature Editors (2010). Putting gender on the agenda. Nature, 465 (7299), 665.</ref> Da nun mehr Faktoren in der Untersuchung berücksichtigt werden müssen, gilt es beispielsweise die Anzahl an Versuchstieren zu erhöhen, um klare Ergebnisse erzielen zu können. Auch scheinen weibliche Labortiere (aufgrund der Möglichkeit zur Zucht) kostspieliger in ihrer Anschaffung.<ref>Wald C, Wu C. Biomedical research. Of mice and women: the bias in animal models. Science (New York, N.Y.) 2010; 327(5973):1571–2.</ref>
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|Zusammenfassung=Die Forschung an Tieren ist für die medizinische Praxis seit jeher unabdingbar. Bis in die 1960er Jahre blieb das Geschlecht der Versuchstiere fast vollständig unberücksichtigt (Ausnahme bildeten Studien zur Fortpflanzung). Noch heute ist bei 22 bis 42 Prozent der physiologischen, neurowissenschaftlichen und biologischen Studien das Geschlecht der Tiere aus den Publikationen nicht ersichtlich. Der Einbezug weiblicher Versuchstiere ist Voraussetzung für eine adäquate Untersuchung frauenspezifischer Phänomene: Studien an Modelorganismen sind beispielsweise bezüglich Schwangerschaft besonders wichtig, um eine sichere Behandlung schwangerer Frauen in Testungen und der Praxis zu gewährleisten.
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==Lizenz==
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Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode
  
Deutlich seltener als weibliche werden männliche Versuchstiere aus Untersuchungen ausgeschlossen.<ref>Gatewood JD. Sex Chromosome Complement and Gonadal Sex Influence Aggressive and Parental Behaviors in Mice. Journal of Neuroscience 2006; 26(8):2335–42.</ref> Grund für einen solchen Ausschluss kann zum Beispiel sein, dass bei einigen Tierarten ein hohes Aggressionsverhalten zwischen den Männchen die Käfighaltung schwierig gestaltet. Zudem werden weibliche Nagetiere in toxikologischen Studien bevorzugt, da sie eine größere Sensitivität gegenüber einigen Toxinen aufweisen.<ref>European Commission. Council Regulation EC-440-2008: Laying Down Test Methods Pursuant to Regulation EC-1907-2006 of the European Parliament and of the Council on the Registration, Evaluation, Authorisation, and Restriction of Chemicals (REACH). Official Journal of the European Union 2008; 31(5):142–739.</ref>
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==Autoren==
  
Durch den Ausschluss weiblicher Versuchstiere ergeben sich verschiedene Schwierigkeiten. Zunächst wird ein fundiertes Wissen bezüglich weiblicher Krankheitsprozesse verhindert. Ergebnisse mit männlichen Versuchstieren werden häufig auf beide Geschlechter generalisiert. Sogar Gesundheitsprobleme, die häufiger bei Frauen auftreten, werden zuweilen nur an männlichen Tieren untersucht. So entsteht eine Lücke zwischen dem Frauenanteil in PatientInnenpopulationen und dem Anteil weiblicher Tiere in der Forschung. Desweiteren kann das [[Das biologische Geschlecht („Sex“)| biologische Geschlecht]] als wichtige Variable nicht genutzt werden und geschlechterspezifische Aspekte (z. B. Unterschiede im [[Immunsystem | Immunsystem]]) können nicht analysiert werden.<ref>Holdcroft A. Gender bias in research: how does it affect evidence based medicine? J R Soc Med 2007; 100(1):2–3. Available from: URL: http://jrs.sagepub.com/content/100/1/2.full.</ref>. Letztlich ist der Einbezug weiblicher Versuchstiere Voraussetzung für eine adäquate Untersuchung frauenspezifischer Phänomene: Studien an Modelorganismen sind beispielsweise bezüglich Schwangerschaft besonders wichtig, um eine sichere Behandlung schwangerer Frauen in Testungen und der Praxis zu gewährleisten.
 
 
Staatlich finanzierte Studien am Menschen sind in der Regel Gesetzen unterworfen, die den Einbezug von Probandinnen gewährleisten. Diese Richtlinien gelten jedoch selten für Tierexperimente. Dennoch führen Experimente mit Tieren beider Geschlechter (und verschiedener hormoneller Level) zu neuen Entdeckungen, die die PatientInnenversorgung und Medikamentenentwicklung beeinflussen. Die Berücksichtigung von Geschlecht in der Tierforschung hat zu zahlreichen geschlechterspezifischen Innovationen geführt. Beispielsweise hat die Untersuchung von Schwangerschaft, Menstruationszyklus und Klimakterium an Tiermodellen den Einfluss von Hormonen auf basale molekulare Signalwege bestätigt und einen grundlegenden Beitrag zum Verständnis bestimmter Autoimmunerkrankungen geleistet.<ref>Animal Research 2: Designing Health & Biomedical Research [cited 2016 Feb 29]. Available from: URL: http://ec.europa.eu/research/swafs/gendered-innovations/index_en.cfm.</ref>
 
 
Den erheblichen [[Gender Bias]] in der Tierforschung konnten unter anderem Greenland et al. (2007) belegen: So zeigte sich, dass 79 Prozent der Tierstudien an männlichen und nur acht Prozent an weiblichen Tieren durchgeführt wurde. Gerade einmal vier Prozent der Studien waren so geplant, dass Geschlechtereffekte getestet werden konnten.<ref>Greenspan JD, Craft RM, LeResche L, Arendt-Nielsen L, Berkley KJ, Fillingim RB et al. Studying sex and gender differences in pain and analgesia: A consensus report. Pain 2007; 132:S26-S45.</ref>
 
 
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== Literatur ==
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Zuletzt geändert: 2021-02-22 15:02:07
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[[Kategorie:Geschlecht und Forschung]]
Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.
 
<div class="mw-collapsible-content"> <references/></div>
 
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Aktuelle Version vom 23. Oktober 2021, 21:47 Uhr

Zusammenfassung Die Forschung an Tieren ist für die medizinische Praxis seit jeher unabdingbar. Bis in die 1960er Jahre blieb das Geschlecht der Versuchstiere fast vollständig unberücksichtigt (Ausnahme bildeten Studien zur Fortpflanzung). Noch heute ist bei 22 bis 42 Prozent der physiologischen, neurowissenschaftlichen und biologischen Studien das Geschlecht der Tiere aus den Publikationen nicht ersichtlich. Der Einbezug weiblicher Versuchstiere ist Voraussetzung für eine adäquate Untersuchung frauenspezifischer Phänomene: Studien an Modelorganismen sind beispielsweise bezüglich Schwangerschaft besonders wichtig, um eine sichere Behandlung schwangerer Frauen in Testungen und der Praxis zu gewährleisten.
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Zuletzt geändert: 2021-02-22 15:02:07