Schizophrenie/Einführungsartikel: Unterschied zwischen den Versionen

 
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Eine Erklärung dafür bietet das Östrogen der Frau:  So ist Östrogen die bisher einzige als Schutzfaktor identifizierte Substanz, die auf einen Aufschub des Erkrankungsrisikos und eine Milderung der Symptomatik einer Schizophrenie hindeutet. Frauen vor der Menopause zeigen eine mildere Symptomatik und einen günstigeren Krankheitsverlauf. Dagegen weisen Frauen nach der Menopause (und damit nach Abfall des Östrogenlevels) eine schwerere Symptomatik sowie einen ungünstigeren Verlauf auf. Zudem steht der Abfall der Östrogenlevels mit einem Anstieg der Ersterkrankungsrate in Zusammenhang.<ref> Häfner H. Die Rolle von Geschlecht und Gehirn bei Schizophrenie. In: Lautenbacher S, Güntürkün O, Hausmann M, editor. Geschlecht und Gehirn: Neurowissenschaft des kleinen Unterschieds zwischen Mann und Frau. Heidelberg: Springer Medizin; 2007. p. 297–330.</ref>  
 
Eine Erklärung dafür bietet das Östrogen der Frau:  So ist Östrogen die bisher einzige als Schutzfaktor identifizierte Substanz, die auf einen Aufschub des Erkrankungsrisikos und eine Milderung der Symptomatik einer Schizophrenie hindeutet. Frauen vor der Menopause zeigen eine mildere Symptomatik und einen günstigeren Krankheitsverlauf. Dagegen weisen Frauen nach der Menopause (und damit nach Abfall des Östrogenlevels) eine schwerere Symptomatik sowie einen ungünstigeren Verlauf auf. Zudem steht der Abfall der Östrogenlevels mit einem Anstieg der Ersterkrankungsrate in Zusammenhang.<ref> Häfner H. Die Rolle von Geschlecht und Gehirn bei Schizophrenie. In: Lautenbacher S, Güntürkün O, Hausmann M, editor. Geschlecht und Gehirn: Neurowissenschaft des kleinen Unterschieds zwischen Mann und Frau. Heidelberg: Springer Medizin; 2007. p. 297–330.</ref>  
  
In der Vergangenheit wurde dem männlichen im Vergleich zum weiblichen Geschlecht ein deutlich höheres Erkrankungsrikio zugeordnet. Dabei erkranken Männer nur geringfügig öfter als Frauen. Für diese Fehleinschätzung lassen sich zwei Hauptgründe erkennen: Zum einen beschreibt die traditionelle Definition eine Schizophrenie als Erkrankung der Jugend und des jungen Erwachsenenalters. Zum anderen können im Alter andere Symptome dominieren: Während in jungen Jahren die Schizophrenie häufig mit geistiger Desorganisation sowie emotionalen und wahrnehmungsbezogenen Störungen einhergeht und sozialen Abstieg zur Folge hat, steht im Alter oft ein paranoider Wahn im Vordergrund. Auch fallen soziale Negativfolgen meist deutich geringer aus. Lange Zeit wurden diese Wahnerkrankungen als "Altersparanoia" betrachtet und nicht als schizophrene Störung eingeordnet.<ref>Häfner H. Die Rolle von Geschlecht und Gehirn bei Schizophrenie. In: Lautenbacher S, Güntürkün O, Hausmann M, editor. Geschlecht und Gehirn: Neurowissenschaft des kleinen Unterschieds zwischen Mann und Frau. Heidelberg: Springer Medizin; 2007. p. 297–330.</ref>
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In der Vergangenheit wurde dem männlichen Geschlecht ein deutlich höheres Erkrankungsrikio zugeordnet. Dabei erkranken Männer über das ganze Leben hinweg nur geringfügig öfter als Frauen. Diese Fehleinschätzung hängt damit zusammen, dass Frauen häufiger im höheren und hohen Alter an Schizophrenie erkranken, die traditionelle Definition eine Schizophrenie jedoch als Erkrankung der Jugend und des jungen Erwachsenenalters beschreibt. Auch können im Alter andere Symptome dominieren: Während in jungen Jahren die Schizophrenie häufig mit geistiger Desorganisation sowie emotionalen und wahrnehmungsbezogenen Störungen einhergeht und sozialen Abstieg zur Folge hat, steht im Alter oft ein paranoider Wahn im Vordergrund. Auch fallen soziale Negativfolgen meist deutich geringer aus. Lange Zeit wurden diese Wahnerkrankungen als "Altersparanoia" betrachtet und nicht als schizophrene Störung eingeordnet.<ref>Häfner H. Die Rolle von Geschlecht und Gehirn bei Schizophrenie. In: Lautenbacher S, Güntürkün O, Hausmann M, editor. Geschlecht und Gehirn: Neurowissenschaft des kleinen Unterschieds zwischen Mann und Frau. Heidelberg: Springer Medizin; 2007. p. 297–330.</ref>
  
 
Im Allgemeinen lässt sich bei erkrankten Frauen im Vergleich zu erkrankten Männern eine bessere soziale Interaktion beobachten.<ref>Ochoa S, Usall J, Cobo J, Labad X, Kulkarni J. Gender differences in schizophrenia and first-episode psychosis: a comprehensive literature review. Schizophrenia research and treatment 2012; 2012:916198.</ref> Der durchschnittlich spätere Ausbruch bei Frauen im Vergleich zu Männern hängt mit einem deutlichen Unterschied in der sozialen Entwicklung zugunsten des weiblichen Geschlechts zusammen. Vergleicht man beide Geschlechter hinsichtlich ihrer Erfüllung der sozialen Rolle bei Krankheitsausbruch, so sind Frauen in bestimmten sozialen Bereichen eindeutig besser gestellt. Beispielsweise führen sie häufiger eine stabile Partnerschaft <ref>Häfner H, Maurer K, an der Heiden, W. ABC Schizophrenia study: an overview of results since 1996. Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology 2013; 48(7):1021–31.</ref> und sind seltener wohnsitzlos.<ref>Ran M, Mao W, Chan CL, Chen EY, Conwell Y. Gender differences in outcomes in people with schizophrenia in rural China: 14-year follow-up study. The British journal of psychiatry : the journal of mental science 2015; 206(4):283–8.</ref> Es kann sich also aufgrund des früheren Krankheitsausbruches bei Männern ein sozialer Nachteil gegenüber Frauen ergeben, der sich dann im Krankheitsverlauf weiter verstärkt.  
 
Im Allgemeinen lässt sich bei erkrankten Frauen im Vergleich zu erkrankten Männern eine bessere soziale Interaktion beobachten.<ref>Ochoa S, Usall J, Cobo J, Labad X, Kulkarni J. Gender differences in schizophrenia and first-episode psychosis: a comprehensive literature review. Schizophrenia research and treatment 2012; 2012:916198.</ref> Der durchschnittlich spätere Ausbruch bei Frauen im Vergleich zu Männern hängt mit einem deutlichen Unterschied in der sozialen Entwicklung zugunsten des weiblichen Geschlechts zusammen. Vergleicht man beide Geschlechter hinsichtlich ihrer Erfüllung der sozialen Rolle bei Krankheitsausbruch, so sind Frauen in bestimmten sozialen Bereichen eindeutig besser gestellt. Beispielsweise führen sie häufiger eine stabile Partnerschaft <ref>Häfner H, Maurer K, an der Heiden, W. ABC Schizophrenia study: an overview of results since 1996. Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology 2013; 48(7):1021–31.</ref> und sind seltener wohnsitzlos.<ref>Ran M, Mao W, Chan CL, Chen EY, Conwell Y. Gender differences in outcomes in people with schizophrenia in rural China: 14-year follow-up study. The British journal of psychiatry : the journal of mental science 2015; 206(4):283–8.</ref> Es kann sich also aufgrund des früheren Krankheitsausbruches bei Männern ein sozialer Nachteil gegenüber Frauen ergeben, der sich dann im Krankheitsverlauf weiter verstärkt.  

Aktuelle Version vom 30. November 2016, 10:14 Uhr


Einige Merkmale schizophrener Erkrankungen scheinen sich zwischen den Geschlechtern zu unterscheiden. Zum Beispiel erkranken Männer im Durchschnitt drei bis vier Jahre früher als Frauen,[1] am häufigsten zwischen 15 und 25 Jahren. Frauen erkranken in jungen Jahren generell seltener, am häufigsten aber zwischen 15 und 30 Jahren. Allerdings kann beobachtet werden, dass bei Frauen im Vergleich zu Männern im höheren und hohen Erwachsenenalter deutlich öfter eine Ersterkrankung beobachtet werden kann.[2]

Eine Erklärung dafür bietet das Östrogen der Frau: So ist Östrogen die bisher einzige als Schutzfaktor identifizierte Substanz, die auf einen Aufschub des Erkrankungsrisikos und eine Milderung der Symptomatik einer Schizophrenie hindeutet. Frauen vor der Menopause zeigen eine mildere Symptomatik und einen günstigeren Krankheitsverlauf. Dagegen weisen Frauen nach der Menopause (und damit nach Abfall des Östrogenlevels) eine schwerere Symptomatik sowie einen ungünstigeren Verlauf auf. Zudem steht der Abfall der Östrogenlevels mit einem Anstieg der Ersterkrankungsrate in Zusammenhang.[3]

In der Vergangenheit wurde dem männlichen Geschlecht ein deutlich höheres Erkrankungsrikio zugeordnet. Dabei erkranken Männer über das ganze Leben hinweg nur geringfügig öfter als Frauen. Diese Fehleinschätzung hängt damit zusammen, dass Frauen häufiger im höheren und hohen Alter an Schizophrenie erkranken, die traditionelle Definition eine Schizophrenie jedoch als Erkrankung der Jugend und des jungen Erwachsenenalters beschreibt. Auch können im Alter andere Symptome dominieren: Während in jungen Jahren die Schizophrenie häufig mit geistiger Desorganisation sowie emotionalen und wahrnehmungsbezogenen Störungen einhergeht und sozialen Abstieg zur Folge hat, steht im Alter oft ein paranoider Wahn im Vordergrund. Auch fallen soziale Negativfolgen meist deutich geringer aus. Lange Zeit wurden diese Wahnerkrankungen als "Altersparanoia" betrachtet und nicht als schizophrene Störung eingeordnet.[4]

Im Allgemeinen lässt sich bei erkrankten Frauen im Vergleich zu erkrankten Männern eine bessere soziale Interaktion beobachten.[5] Der durchschnittlich spätere Ausbruch bei Frauen im Vergleich zu Männern hängt mit einem deutlichen Unterschied in der sozialen Entwicklung zugunsten des weiblichen Geschlechts zusammen. Vergleicht man beide Geschlechter hinsichtlich ihrer Erfüllung der sozialen Rolle bei Krankheitsausbruch, so sind Frauen in bestimmten sozialen Bereichen eindeutig besser gestellt. Beispielsweise führen sie häufiger eine stabile Partnerschaft [6] und sind seltener wohnsitzlos.[7] Es kann sich also aufgrund des früheren Krankheitsausbruches bei Männern ein sozialer Nachteil gegenüber Frauen ergeben, der sich dann im Krankheitsverlauf weiter verstärkt.

Literatur

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  1. Ochoa S, Usall J, Cobo J, Labad X, Kulkarni J. Gender differences in schizophrenia and first-episode psychosis: a comprehensive literature review. Schizophrenia research and treatment 2012; 2012:916198.
  2. van Os J, Howard R, Takei N, Murray R. Increasing age is a risk factor for psychosis in the elderly. Soc Psychiatry Psychiatr Epidemiol 1995; 30(4):161–4.
  3. Häfner H. Die Rolle von Geschlecht und Gehirn bei Schizophrenie. In: Lautenbacher S, Güntürkün O, Hausmann M, editor. Geschlecht und Gehirn: Neurowissenschaft des kleinen Unterschieds zwischen Mann und Frau. Heidelberg: Springer Medizin; 2007. p. 297–330.
  4. Häfner H. Die Rolle von Geschlecht und Gehirn bei Schizophrenie. In: Lautenbacher S, Güntürkün O, Hausmann M, editor. Geschlecht und Gehirn: Neurowissenschaft des kleinen Unterschieds zwischen Mann und Frau. Heidelberg: Springer Medizin; 2007. p. 297–330.
  5. Ochoa S, Usall J, Cobo J, Labad X, Kulkarni J. Gender differences in schizophrenia and first-episode psychosis: a comprehensive literature review. Schizophrenia research and treatment 2012; 2012:916198.
  6. Häfner H, Maurer K, an der Heiden, W. ABC Schizophrenia study: an overview of results since 1996. Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology 2013; 48(7):1021–31.
  7. Ran M, Mao W, Chan CL, Chen EY, Conwell Y. Gender differences in outcomes in people with schizophrenia in rural China: 14-year follow-up study. The British journal of psychiatry : the journal of mental science 2015; 206(4):283–8.
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