Pharmakologische Grundlagen/Fachartikel: Unterschied zwischen den Versionen

(Psychopharmaka)
 
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==Bedeutung geschlechterabhängige Unterschiede==
  
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Geschlechterabh&auml;ngige Unterschiede in der Wirksamkeit von Arzneimitteln sind in der Medizin bekannt. M&auml;nner und Frauen unterscheiden sich auf vielfache Weise hinsichtlich des Gebrauchs und der Wirkung medikament&ouml;ser Behandlungen.<ref>Merens A, van den Brakel, M. Emancipatiemonitor 2014. Den Haag: SCP/CBS; 2014 Dec 16.</ref>&nbsp;Das Interesse, diesbez&uuml;gliche Konsequenzen f&uuml;r die Praxis zu ziehen ist jedoch gering und eine geschlechtersensible Pharmakotherapie hat bislang kaum Eingang in die praktische Medizin gefunden.<ref>Klinge I: Gender perspectives in European research. Pharmacological Research 2008; 58: 183&ndash;189</ref>&nbsp;<ref>Regitz-Zagrosek V: Therapeutic implications of the gender-specific aspects of cardiovascular disease. Nature Reviews Drug Discovery 2006; 5: 425&ndash;438</ref>&nbsp;<br />
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Da Hormonstatus und psychosoziale Unterschiede zwischen den Geschlechtern offenbar eine gro&szlig;e Rolle spielen, sind &nbsp;geschlechterabh&auml;nige Unterschiede in der Arzneimittelwirkung und damit auch in der Arzneimitteltherapie zu ber&uuml;cksichtigen. Das betrifft v. a. die Frage der richtigen Dosierung, um eine Pharmakotherapie mit m&ouml;glichst geringen Nebenwirkungen zu implementieren. Zulassungsbeh&ouml;rden fordern deshalb, dass die Auswertung pharmakologischer Studien geschlechterabh&auml;nig erfolgt und hierzu eine ausreichende Fallzahl von Frauen inkludiert wird. Bisher ist sehr viel mehr &uuml;ber die Pharmakologie von Arzneimitteln bei &nbsp;M&auml;nnern als bei Frauen bekannt, da Frauen traditionell in &nbsp;klinischen Studien unterrepr&auml;sentiert sind:<ref>M&uuml;llner M, Vamvakas S, Rietschel M, van Zwieten-Boot BJ. Are women appropriately represented and assessed in clinical trials submitted for marketing authorization? A review of the database of the European Medicines Agency. Int J Clin Pharmacol Ther. 2007;45:477-484.</ref>&nbsp;Insbesondere in der fr&uuml;hen Phase der Arzneimittelentwicklung waren Frauen viele Jahre von klinischen Studien ausgeschlossen. Die Verantwortlichen bef&uuml;rchteten, dass Frauen durch eine m&ouml;gliche Schwangerschaft oder hormonelle Schwankungen das Gelingen einer Studie gef&auml;hrden oder die Ergebnisse verf&auml;lschen k&ouml;nnten. Dadurch wurde der Einflussfaktor &nbsp;&#39;&#39;weibliches Geschlecht&#39;&#39; lange Zeit nicht oder nur wenig in pharmakologische Studien miteinbezogen.<ref>Xie CX, Piecoro LT, Wermeling DP. Gender-related considerations in clinical pharmacology and drug therapeutics. Crit Care Nurs Clin North Am. 1997;9:459-468.</ref>&nbsp;Zwar ergab eine Auswertung aus dem Jahre 2001, dass in Studien der letzten Jahre vermehrt Frauen ber&uuml;cksichtigt wurden, eine&nbsp; Subgruppenanalyse im Abh&auml;ngikeit vom Geschelcht wurde aber nur in neun Prozent aller Studien durchgef&uuml;hrt.<ref>Fleisch J, Fleisch MC, Th&uuml;rmann PA. Women in early-phase clinical drug trials: have things changed over the past 20 years? Clin Pharmacol Ther. 2005;78:445-452.</ref>
  
==Bedeutung geschlechtsspezifischer Unterschiede==
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==Stoffwechsel und Wirkung von Arzneimitteln==
Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Wirksamkeit von Arzneimitteln sind in der Medizin bekannt. Männer und Frauen unterscheiden sich auf vielfache Weise hinsichtlich des Gebrauchs und der Wirkung medikamentöser Behandlungen.<ref>Merens A, van den Brakel, M. Emancipatiemonitor 2014. Den Haag: SCP/CBS; 2014 Dec 16.</ref> Das Interesse, diesbezügliche Konsequenzen für die Praxis zu ziehen ist jedoch gering und eine geschlechtersensible Pharmakotherapie hat bislang kaum Eingang in die praktische Medizin gefunden.<ref>Klinge I: Gender perspectives in European research. Pharmacological Research 2008; 58: 183–189</ref> <ref>Regitz-Zagrosek V: Therapeutic implications of the gender-specific aspects of cardiovascular disease. Nature Reviews Drug Discovery 2006; 5: 425–438</ref>
 
Da Hormonstatus und psychosoziale Unterschiede zwischen den Geschlechtern offenbar eine große Rolle spielen, sind  geschlechtsspezifische Unterschiede in der Arzneimittelwirkung und damit auch in der Arzneimitteltherapie zu berücksichtigen. Das betrifft v. a. die Frage der richtigen Dosierung, um eine Pharmakotherapie mit möglichst geringen Nebenwirkungen zu implementieren. Zulassungsbehörden fordern deshalb, dass die Auswertung pharmakologischer Studien geschlechtsspezifisch erfolgt und hierzu eine ausreichende Fallzahl von Frauen inkludiert wird. Bisher ist sehr viel mehr über die Pharmakologie von Arzneimitteln bei  Männern als bei Frauen bekannt, da Frauen traditionell in  klinischen Studien unterrepräsentiert sind:<ref>Müllner M, Vamvakas S, Rietschel M, van Zwieten-Boot BJ. Are women appropriately represented and assessed in clinical trials submitted for marketing authorization? A review of the database of the European Medicines Agency. Int J Clin Pharmacol Ther. 2007;45:477-484.</ref> Insbesondere in der frühen Phase der Arzneimittelentwicklung waren Frauen viele Jahre von klinischen Studien ausgeschlossen. Die Verantwortlichen befürchteten, dass Frauen durch eine mögliche Schwangerschaft oder hormonelle Schwankungen das Gelingen einer Studie gefährden oder die Ergebnisse verfälschen könnten. Dadurch wurde der Einflussfaktor  ''weibliches Geschlecht'' lange Zeit nicht oder nur wenig in pharmakologische Studien miteinbezogen.<ref>Xie CX, Piecoro LT, Wermeling DP. Gender-related considerations in clinical pharmacology and drug therapeutics. Crit Care Nurs Clin North Am. 1997;9:459-468.</ref> Zwar ergab eine Auswertung aus dem Jahre 2001, dass in Studien der letzten Jahre vermehrt Frauen berücksichtigt wurden, eine geschlechtsspezifische Subgruppenanalyse wurde aber nur in neun Prozent aller Studien durchgeführt.<ref>Fleisch J, Fleisch MC, Thürmann PA. Women in early-phase clinical drug trials: have things changed over the past 20 years? Clin Pharmacol Ther. 2005;78:445-452.</ref>
 
  
==Stoffwechsel und Wirkung von Arzneimitteln==
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Geschlechterunterschiede bestehen in der &#39;&#39;Pharmakokinetik&#39;&#39; (die Bewegung eines Arzneistoffes durch den K&ouml;rper) und in der &#39;&#39;Pharmakodynamik&#39;&#39; (Effekte des Arzneimittels am Zielort). Obwohl die Pharmakokinetik neuer Substanzen in der Regel f&uuml;r M&auml;nner und Frauen separat beschrieben wird, werden die Behandlungseffekte (pharmakodynamische Effekte) fast nie geschlechtersensibel untersucht.<ref>Yang Y, Carlin AS, Faustino PJ, Motta, M&oacute;nica I Pag&aacute;n, Hamad ML, He R et al. Participation of women in clinical trials for new drugs approved by the food and drug administration in 2000-2002. Journal ofwomen&#39;shealth (2002) 2009; 18(3):303&ndash;10.</ref>&nbsp;Der &nbsp;eventuell spezifische Effekt von Frauen auf eine hohe Anzahl existierender Medikamente ist schlichtweg nicht bekannt.&nbsp;
Geschlechterunterschiede bestehen in der ''Pharmakokinetik'' (die Bewegung eines Arzneistoffes durch den Körper) und in der ''Pharmakodynamik'' (Effekte des Arzneimittels am Zielort). Obwohl die Pharmakokinetik neuer Substanzen in der Regel für Männer und Frauen separat beschrieben wird, werden die Behandlungseffekte (pharmakodynamische Effekte) fast nie geschlechtersensibel untersucht.<ref>Yang Y, Carlin AS, Faustino PJ, Motta, Mónica I Pagán, Hamad ML, He R et al. Participation of women in clinical trials for new drugs approved by the food and drug administration in 2000-2002. Journal ofwomen'shealth (2002) 2009; 18(3):303–10.</ref> Der eventuell spezifische Effekt von Frauen auf eine hohe Anzahl existierender Medikamente ist schlichtweg nicht bekannt.  
 
  
 
===Pharmakokinetik===
 
===Pharmakokinetik===
Warum Frauen auf einige Arzneimittel anders reagieren als Männer und im Allgemeinen häufiger unerwünschte Arzneimittelwirkungen erleiden, lässt sich durch unterschiedliche pharmakodynamische und vor allem pharmakokinetische Faktoren zumindest teilweise erklären.<ref>Harris RZ, Benet LZ, Schwartz JB. Gender effects in pharmacokinetics and pharmacodynamics. Drugs. 1995;50:222-239.</ref> <ref>Tanaka E. Gender-related differences in pharmacokinetics and their clinical significance. J Clin Pharm Ther. 1999;24:339-346.</ref><ref>Schwartz JB. The influence of sex on pharmacokinetics. Clin Pharmacokinet. 2003;42:107-121.</ref> <ref>Gandhi M, Aweeka F, Greenblatt RM, Blaschke TF. Sex differences in pharmacokinetics and pharmacodynamics. Annu Rev Pharmacol Toxicol. 2004;44:499-523.</ref>
 
Geschlechterbedingte physiologische Unterschiede bedeuten, dass  Medikamente vom Körper auf verschiedene Weise und in unterschiedlichem Tempo resorbiert, verteilt, metabolisiert und ausgeschieden werden.<ref>Soldin OP, Mattison DR. Sex differences in pharmacokinetics and pharmacodynamics. Clinical pharmacokinetics 2009; 48(3):143–57.</ref> Daten zur Pharmakokinetik werden hauptsächlich in Phase-I-Studien generiert. Bioäquivalenzstudien, in denen sich für zahlreiche Medikamente geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pharmakokinetik fanden, unterstützen die Bedeutung der Geschlechtsspezifität.<ref>Chen ML, Lee SC, Ng MJ, Schuirmann DJ, Lesko LJ, Williams RL. Pharmacokinetic analysis of bioequivalence trials: implications for sex-related issues in clinical pharmacology and biopharmaceutics. Clin Pharmacol Ther. 2000;68:510-521.</ref> Pharmakokinetische Parameter und ihre geschlechtsspezifische Beeinflussung werden in Grafik 1 dargestellt.<ref>Nieber, K.Mann ist nicht gleich Frau. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pharmakotherapie. Deutsche ApothekerZeitung (DAZ), 2015.</ref>
 
  
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Warum Frauen auf einige Arzneimittel anders reagieren als M&auml;nner und im Allgemeinen h&auml;ufiger unerw&uuml;nschte Arzneimittelwirkungen erleiden, l&auml;sst sich durch unterschiedliche pharmakodynamische und vor allem pharmakokinetische Faktoren zumindest teilweise erkl&auml;ren.<ref>Harris RZ, Benet LZ, Schwartz JB. Gender effects in pharmacokinetics and pharmacodynamics. Drugs. 1995;50:222-239.</ref>&nbsp;<ref>Tanaka E. Gender-related differences in pharmacokinetics and their clinical significance. J Clin Pharm Ther. 1999;24:339-346.</ref><ref>Schwartz JB. The influence of sex on pharmacokinetics. Clin Pharmacokinet. 2003;42:107-121.</ref>&nbsp;<ref name=&quot;Gandhi&quot;>Gandhi M, Aweeka F, Greenblatt RM, Blaschke TF. Sex differences in pharmacokinetics and pharmacodynamics. Annu Rev Pharmacol Toxicol. 2004;44:499-523.</ref>&nbsp;<br />
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Geschlechterbedingte physiologische Unterschiede bedeuten, dass &nbsp;Medikamente vom K&ouml;rper auf verschiedene Weise und in unterschiedlichem Tempo resorbiert, verteilt, metabolisiert und ausgeschieden werden.<ref>Soldin OP, Mattison DR. Sex differences in pharmacokinetics and pharmacodynamics. Clinical pharmacokinetics 2009; 48(3):143&ndash;57.</ref>&nbsp;Daten zur Pharmakokinetik werden haupts&auml;chlich in Phase-I-Studien generiert. Bio&auml;quivalenzstudien, in denen sich f&uuml;r zahlreiche Medikamente geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pharmakokinetik fanden, unterst&uuml;tzen die Bedeutung von Geschlecht.<ref>Chen ML, Lee SC, Ng MJ, Schuirmann DJ, Lesko LJ, Williams RL. Pharmacokinetic analysis of bioequivalence trials: implications for sex-related issues in clinical pharmacology and biopharmaceutics. Clin Pharmacol Ther. 2000;68:510-521.</ref>&nbsp;
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====<strong>Bioverf&uuml;gbarkeit</strong>====
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Die Bioverf&uuml;gbarkeit &nbsp;eines Arzneimittels wird durch die Geschwindigkeit und das Ausma&szlig; der Resorption in den Blutkreiskauf bestimmt. Sie erfolgt bei den meisten Arzneimittel im Darm, wobei ein aktiver R&uuml;cktransport in das Darmlumen den systemisch verf&uuml;gbaren Anteil verringert. Magens&auml;uresekretion oder Magenentleerungszeit sowie gastrointestinale Durchblutung und Gr&ouml;&szlig;e der intestinalen Resorptionsfl&auml;che sind Faktoren, die geschlechterabh&auml;ngig variieren. Auch die Ern&auml;hrungsgewohnheiten von M&auml;nner und Frauen unterscheiden sich, was m&ouml;gliche Auswirkungen auf die Aufnahme von Arzneimitteln haben kann. Allerdings wurden bisher keine Unterschiede weder in der Magens&auml;uresekretion oder in der gastralen und intestinalen Sekretion zwischen den Geschlechtern gefunden.<ref>Dressman JB, Berardi RR, Dermentzoglou LC, Russell TL, Schmaltz SP, Barnett JL, Jarvenpaa KM. Upper gastrointestinal (GI) pH in young, healthy men and women. Pharm Res. 1990;7:756-761.</ref>&nbsp;<ref>Lindahl A, Ungell AL, Knutson L, Lennern&auml;s H. Characterization of fluids from the stomach and proximal jejunum in men and women. Pharm Res. 1997;14:497-502</ref>&nbsp;Ob es auch geschlechterabh&auml;ngige Unterschiede in der Beeinflussung der gastrointestinalen Motilit&auml;t gibt, ist bisher nicht gekl&auml;rt. W&auml;hrend im Tierexperiment keine geschlechterabh&auml;ngige Unterschiede gefunden wurden,<ref>Vo&szlig; U, Leverenz A, Nieber K. Treatment of Irritabel Bowel Syndrom: Sex and Gender specific acpects. In: Sex and Gender Differences in Pharmacology. Regitz-Zagrosek (Hg.) Handbook of Experimental Pharmacology 214. Springer Heidelberg New York Dordrecht London 2012.</ref>&nbsp;weisen beim Menschen die Befunde auf einen direkten Einfluss der Geschlechtshormone hin. Einige &nbsp;Befunde sprechen daf&uuml;r, dass Frauen eine verz&ouml;gerte Magenentleerung f&uuml;r Fl&uuml;ssigkeiten und eine verlangsamte Darmpassage haben.<ref>Sadik R, Abrahamsson H, Stotzer PO. Gender differences in gut transit shown with a newly developed radiological procedure. Scand J Gastroenterol. 2003;38:36-42.</ref>&nbsp;Bekannt sind auch Unterschiede in der Enzymausstattung. So haben M&auml;nner eine deutlich h&ouml;here Aktivit&auml;t der gastralen Alkoholdehydrogenase als Frauen, woraus die deutlich h&ouml;here Bioverf&uuml;gbarkeit von Alkohol bei Frauen resultiert.<ref name=&quot;Gandhi&quot;/> Obwohl es geschlechtsspezifische physiologische Unterschiede gibt, scheint es bei der Resorption von Arzneimitteln durch die Haut und in der Lunge keine klinisch signifikanten geschlechterabh&auml;ngigen Unterschiede zu geben.<ref>Dias VC, Tendler B, Oparil S, Reilly PA, Snarr P, White WB. Clinical experience with transdermal clonidine in African-American and Hispanic-American patients with hypertension: evaluation from a 12-week prospective, open-label clinical trial in community-based clinics. Am J Ther. 1999;6:19-24.</ref> <ref>Donovan MD. Sex and racial differences in pharmacological response: effect of route of administration and drug delivery system on pharmacokinetics. J Womens Health (Larchmt). 2005;14:30-37.</ref>
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====<strong>Verteilung von Arzneistoffen</strong>====
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Geschlechterabh&auml;ngige Unterschiede in der Verteilung von Arzneistoffen beruhen auf Unterschieden in der K&ouml;rpergr&ouml;&szlig;e, in der Muskelmasse, im Fett- und Wassergehalt. Frauen haben einen deutlich h&ouml;heren Fettanteil als M&auml;nner, w&auml;hrend der m&auml;nnliche<br />
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K&ouml;rper mehr Muskelgewebe und mehr Wasser aufweist. Daraus ergeben sich Konsequenzen f&uuml;r die Verteilung. <ref name=&quot;Th&uuml;rmann&quot;>Th&uuml;rmann P. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pharmakokinetik und-dynamik von Arzneimitteln. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforsch- Gesundheitsschutz 5 .2005 48:536&ndash;540.</ref>&nbsp; Lipophile Arzneimittel verbleiben bei gleicher Dosierung bei Frauen l&auml;nger im Fettgewebe als bei M&auml;nnern. Da sie erst aus dem Fettgewebe mobilisiert werden m&uuml;ssen, werden sie zeitverz&ouml;gert abgebaut. Wirkungen und Nebenwirkungen halten l&auml;nger an. Bei hydrophilen Arzneistoffen ist es gerade umgekehrt: Die Plasmakonzentration von wasserl&ouml;slichen Substanzen ist bei M&auml;nnern niedriger als bei Frauen. Typische Beispiele f&uuml;r ein gr&ouml;&szlig;eres Verteilungsvolumen und eine verl&auml;ngerte Eliminationshalbwertzeit sind die lipophilen Pharmaka Diazepam und Midazolam. Sie wirken bei Frauen l&auml;nger. Solche geschlechtsabh&auml;ngigen Unterschiede wurden auch f&uuml;r Muskelrelaxanzien beschrieben. Werden sie nach K&ouml;rpergewicht dosiert, kann man bei gleicher Dosierung eine signifikant tiefere Muskelblockade und l&auml;ngere Wirkdauer beobachten. Pharmakokinetische Parameter und ihre geschlechterabh&auml;ngigen Einfl&uuml;sse auf die &nbsp;Verteilung von Arzneistoffen werden in Grafik 1 dargestellt.<ref>Nieber, K.Mann ist nicht gleich Frau. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pharmakotherapie. Deutsche ApothekerZeitung (DAZ), 2015.</ref>
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<small><strong>[[File:6267d6623e531.png|600px|class=img-responsive]]</strong></small>
  
[[Datei:Pharmakokinetik.png|thumb|left|800px|<small> '''Grafik 1. Pharmakokinetische Parameter und ihre geschlechtsspezifische Beeinflussung. [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), modifiziert nach Nieber (2015)]</small>]]
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<small><strong>Grafik 1. Pharmakokinetische Parameter und ihre Beeinflussung in Abh&auml;ngigkeit vom Geschlecht [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), modifiziert nach Nieber (2015)]</strong></small>
  
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====<strong>Plasmaeiwei&szlig;bindung</strong>====
====Bioverfügbarkeit====
 
Die Bioverfügbarkeit  eines Arzneimittels wird durch die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Resorption in den Blutkreiskauf bestimmt. Sie erfolgt bei den meisten Arzneimittel im Darm, wobei ein aktiver Rücktransport in das Darmlumen den systemisch verfügbaren Anteil verringert. Magensäuresekretion oder Magenentleerungszeit sowie gastrointestinale Durchblutung und Größe der intestinalen Resorptionsfläche sind Faktoren, die geschlechtsspezifisch variieren. Auch die Ernährungsgewohnheiten von Männer und Frauen unterscheiden sich, was mögliche Auswirkungen auf die Aufnahme von Arzneimitteln haben kann. Allerdings wurden bisher keine Unterschiede weder in der Magensäuresekretion oder in der gastralen und intestinalen Sekretion zwischen den Geschlechtern gefunden.<ref>Dressman JB, Berardi RR, Dermentzoglou LC, Russell TL, Schmaltz SP, Barnett JL, Jarvenpaa KM. Upper gastrointestinal (GI) pH in young, healthy men and women. Pharm Res. 1990;7:756-761.</ref> <ref>Lindahl A, Ungell AL, Knutson L, Lennernäs H. Characterization of fluids from the stomach and proximal jejunum in men and women. Pharm Res. 1997;14:497-502</ref> Ob es auch geschlechtsspezifische Unterschiede in der Beeinflussung der gastrointestinalen Motilität gibt, ist bisher nicht geklärt. Während im Tierexperiment keine geschlechtsspezifischen  Unterschiede gefunden wurden,<ref>Voß U, Leverenz A, Nieber K. Treatment of Irritabel Bowel Syndrom: Sex and Gender specific acpects. In: Sex and Gender Differences in Pharmacology. Regitz-Zagrosek (Hg.) Handbook of Experimental Pharmacology 214. Springer Heidelberg New York Dordrecht London 2012.</ref> weisen beim Menschen die Befunde auf einen direkten Einfluss der Geschlechtshormone hin. Einige  Befunde sprechen dafür, dass Frauen eine verzögerte Magenentleerung für Flüssigkeiten und eine verlangsamte Darmpassage haben.<ref>Sadik R, Abrahamsson H, Stotzer PO. Gender differences in gut transit shown with a newly developed radiological procedure. Scand J Gastroenterol. 2003;38:36-42.</ref> Bekannt sind auch Unterschiede in der Enzymausstattung. So haben Männer eine deutlich höhere Aktivität der gastralen Alkoholdehydrogenase als Frauen, woraus die deutlich höhere Bioverfügbarkeit von Alkohol bei Frauen resultiert.<ref>Gandhi M, Aweeka F, Greenblatt RM, Blaschke TF. Sex differences in pharmacokinetics and pharmacodynamics. Annu Rev Pharmacol Toxicol. 2004;44:499-523.</ref> Obwohl es geschlechtsspezifische physiologische Unterschiede gibt, scheint es bei der Resorption von Arzneimitteln durch die Haut und in der Lunge keine klinisch signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede zu geben.<ref>Dias VC, Tendler B, Oparil S, Reilly PA, Snarr P, White WB. Clinical experience with transdermal clonidine in African-American and Hispanic-American patients with hypertension: evaluation from a 12-week prospective, open-label clinical trial in community-based clinics. Am J Ther. 1999;6:19-24.</ref> <ref>Donovan MD. Sex and racial differences in pharmacological response: effect of route of administration and drug delivery system on pharmacokinetics. J Womens Health (Larchmt). 2005;14:30-37.</ref>
 
  
====Verteilung von Arzneistoffen====
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Es liegen ebenfalls Hinweise auf geschlechterabh&auml;ngige Unterschiede in der Plasmaeiwei&szlig;bindung von Arzneimitteln vor. Bei Frauen ist die Bindung mancher Arzneimitmittel an das &nbsp;&alpha;-saure-Glykoprotein etwas st&auml;rker. Die klinische Relevanz dieser Unterschiede ist bisher allerdings nicht belegt. Es m&uuml;ssen sicher mehrere Effekte zusammenkommen, bis ein Unterschied tats&auml;chlich klinisch relevant wird.
Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Verteilung von Arzneistoffen beruhen auf
 
Unterschieden in der Körpergröße, in der Muskelmasse, im Fett- und Wassergehalt.
 
Frauen haben einen deutlich höheren Fettanteil als Männer, während der männliche
 
Körper mehr Muskelgewebe und mehr Wasser aufweist. Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Verteilung.<ref>Thürmann P. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pharmakokinetik und-dynamik von Arzneimitteln. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforsch- Gesundheitsschutz 5 .2005 48:536–540.</ref> Lipophile Arzneimittel verbleiben bei gleicher Dosierung bei Frauen länger im Fettgewebe als bei Männern. Da sie erst aus
 
dem Fettgewebe mobilisiert werden müssen, werden sie zeitverzögert abgebaut.
 
Wirkungen und Nebenwirkungen halten länger an. Bei hydrophilen Arzneistoffen ist
 
es gerade umgekehrt: Die Plasmakonzentration von wasserlöslichen Substanzen ist bei
 
Männern niedriger als bei Frauen. Typische Beispiele für ein größeres Verteilungsvolumen und eine verlängerte Eliminationshalbwertzeit sind die lipophilen Pharmaka Diazepam und Midazolam. Sie wirken bei Frauen länger. Solche geschlechtsabhängigen Unterschiede wurden auch für Muskelrelaxanzien beschrieben.
 
Werden sie nach Körpergewicht dosiert, kann man bei gleicher Dosierung eine signifikant tiefere Muskelblockade und längere Wirkdauer beobachten.
 
  
====Plasmaeiweißbindung====
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====<strong>Arzneimittelmetabolismus</strong>====
Es liegen ebenfalls Hinweise auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Plasmaeiweißbindung von Arzneimitteln vor. Bei Frauen ist die Bindung mancher Arzneimitmittel an das  α-saure-Glykoprotein etwas stärker. Die klinische Relevanz dieser Unterschiede ist bisher allerdings nicht belegt. Es müssen sicher mehrere Effekte zusammenkommen, bis ein geschlechtsspezifischer Unterschied tatsächlich klinisch relevant wird.
 
  
====Arzneimittelmetabolismus====
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Relevante geschlechterabh&auml;ngige Unterschiede bestehen im Wesentlichen beim Arzneimittelmetabolismus. Die wichtigsten Phase-I-Enzyme f&uuml;r den Abbau von Arzneimitteln beim Menschen geh&ouml;ren zur Familie der Cytochrom-P450-Enzyme (CYP450). Die Variabilit&auml;t der Funktion dieser CYP450-Enzyme ist eine Ursache daf&uuml;r, dass bei gleicher Dosierung eines Medikaments Intensit&auml;t und Dauer von Wirkungen und Nebenwirkungen sehr unterschiedlich sein k&ouml;nnen. F&uuml;r mehrere dieser Enzyme sind Unterschiede in Abh&auml;ngigket vom Geschlecht beschrieben worden.<ref>Wolbold R, Klein K, Burk O, N&uuml;ssler AK, Neuhaus P, Eichelbaum M, Schwab M, Zanger UM. Sex is a major determinant of CYP3A4 expression in human liver. Hepatology. 2003;38:978-988.</ref>&nbsp;Bei Frauen ist die mRNA-Konzentration von CYP3A4 und die tats&auml;chliche Proteinkonzentration in der Leber durchschnittlich um den Faktor 2 h&ouml;her als bei M&auml;nnern. Die vermehrte Enzymexpression korreliert mit einer etwa 50 % h&ouml;heren In-vitro Metabolisierungsrate von Verapamil, dessen N-Dealkylierung &uuml;ber CYP3A4 erfolgt. Entsprechend wird bei Frauen eine erh&ouml;hte In vivo-Clearance f&uuml;r Verapamil im Vergleich zu M&auml;nnern gefunden.<ref>Krecic-Shepard ME, Barnas CR, Slimko J et al. Gender-specific effects on verapamil pharmacokinetics and pharmacodynamics in humans. J Clin Pharmacol 2000; 40:219&ndash;230.</ref>&nbsp;Gleiches gilt f&uuml;r Nifedipin <ref>Krecic-Shepard ME, Park K, Barnas C et al. Race and sex influence clearance of nifedipine: results of a population study. Clin Pharm Ther 2000;68:130&ndash;142.</ref>&nbsp; und Methylprednisolon, <ref name=&quot;Th&uuml;rmann PA&quot;>Th&uuml;rmann PA, Hompesch BC (1998) Influence of gender on the pharmacokinetics and pharmacodynamics of drugs. Int J Clin Pharmacol Ther 36:586&ndash;590</ref>&nbsp;die ebenfalls CYP3A4-Substrate sind. Die &beta;-Blocker Metoprolol Carvidolol oder Nebivolol werden &uuml;berwiegend &uuml;ber CYP2D6 abgebaut. Frauen haben nach einer standardisierten Tagesdosis h&ouml;here maximale Plasmakonzentrationen als M&auml;nner.<ref>Luzier AB, Killian A, Wilton JH et al. Gender-related effects on metoprolol pharmacokinetics and pharmacodynamicsin healthy volunteers. Clin Pharm Ther 1999;66:594&ndash;601.</ref>&nbsp;Da die Konzentrations-Wirkungs-Beziehung zwischen Plasmakonzentration und Senkung der Herzfrequenz bei M&auml;nnern und Frauen gleich ist, treten bei Frauen bei gleicher Dosierung deutlich st&auml;rkere Nebenwirkungen auf. Dies ist besonders bedeutungsvoll, da die Plasmakonzentrationen durch orale Kontrazeptiva nochmals erh&ouml;ht werden. Obwohl &beta;-Blocker eine gro&szlig;e therapeutische Breite haben und die Therapie in der Regel mit einer niedrigen Dosis beginnt, die je nach Wirkung und Vertr&auml;glichkeit gesteigert wird, sind die unerw&uuml;nschten Arzneimittelwirkungen bei Frauen deutlich h&auml;ufiger als bei M&auml;nnern. Bei &beta;-Blockern mit CYP2D6 unabh&auml;ngiger Metabolisierung wie Sotalol, Bisoprolol oder Atenolol bestehen keine geschlechterabh&auml;ngigen&nbsp; Unterschiede in den Plasmakonzentrationen und den Nebenwirkungen, sodass sie f&uuml;r Frauen besser geeignet sein k&ouml;nnten.&nbsp;Auch Phase-II-Metabolisierungsreaktionen variieren geschlechtsspezifisch. So scheint die Aktivit&auml;t glukuronidierender Enzyme bei Frauen geringer zu sein als bei M&auml;nnern. Das w&uuml;rde erkl&auml;ren, warum ASS bei Frauen etwa 30&ndash;40 % langsamer metabolisiert wird als bei M&auml;nnern. &Auml;hnliche Befunde wurden auch f&uuml;r Paracetamol, Clofibrat und Phenprocoumon erhoben, die alle durch Glukuronidierung ausscheidungsf&auml;hig gemacht werden.<ref>Miners JO, Attwood J, Birkett DJ. Influence of sex and oral contraceptive steroids on paracetamol metabolism. Br J Clin Pharmacol 1983;16:503&ndash;509.</ref>&nbsp;<ref>M&ouml;nig H, Baese C, Heidemann HT et al. Effect of oral contraceptive steroids on the pharmacokinetics of phenprocoumon. Br J Clin Pharmacol 1990;30:115&ndash;118.</ref>&nbsp;<ref name=&quot;Th&uuml;rmann PA&quot;/> Unter den methylierenden Enzymen scheint v. a. die Aktivit&auml;t der Thiopurin-S-Methyltransferase bei Frauen geringer zu sein als bei M&auml;nnern. Dies k&ouml;nnte die Ursache f&uuml;r die h&ouml;here Knochenmarkstoxizit&auml;t der Thiopurine Azathioprin und 6-Mercaptopurin bei Patientinnen sein.<ref>Schwartz JB. Gender-specific implications for cardiovascular medication use in the elderly optimizing therapy for older women. Cardiol Rev. 2003;11:275-298.</ref>
Relevante geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen im Wesentlichen beim
 
Arzneimittelmetabolismus. Die wichtigsten Phase-I-Enzyme für den Abbau von Arzneimitteln beim Menschen gehören zur Familie der Cytochrom-P450-Enzyme (CYP450). Die Variabilität der Funktion dieser CYP450-Enzyme ist eine Ursache dafür, dass bei gleicher Dosierung eines Medikaments Intensität und Dauer von Wirkungen und Nebenwirkungen sehr unterschiedlich sein können. Für mehrere dieser Enzyme sind geschlechtsspezifische Unterschiede beschrieben worden.<ref>Wolbold R, Klein K, Burk O, Nüssler AK, Neuhaus P, Eichelbaum M, Schwab M, Zanger UM. Sex is a major determinant of CYP3A4 expression in human liver. Hepatology. 2003;38:978-988.</ref> Bei Frauen ist die mRNA-Konzentration von CYP3A4 und die tatsächliche Proteinkonzentration in der Leber durchschnittlich um den Faktor 2 höher als bei Männern. Die vermehrte Enzymexpression korreliert mit einer etwa 50 % höheren In-vitro Metabolisierungsrate von Verapamil, dessen N-Dealkylierung über CYP3A4 erfolgt. Entsprechend wird bei Frauen eine erhöhte In vivo-Clearance für Verapamil im Vergleich zu Männern gefunden.<ref>Krecic-Shepard ME, Barnas CR, Slimko J et al. Gender-specific effects on verapamil pharmacokinetics and pharmacodynamics in humans. J Clin Pharmacol 2000; 40:219–230.</ref> Gleiches gilt für Nifedipin <ref>Krecic-Shepard ME, Park K, Barnas C et al. Race and sex influence clearance of nifedipine: results of a population study. Clin Pharm Ther 2000;68:130–142.</ref> und Methylprednisolon, <ref>Thürmann PA, Hompesch BC (1998) Influence of gender on the pharmacokinetics and pharmacodynamics of drugs. Int J Clin Pharmacol Ther 36:
 
586–590</ref> die ebenfalls CYP3A4-Substrate sind. Die β-Blocker Metoprolol Carvidolol oder Nebivolol werden
 
überwiegend über CYP2D6 abgebaut. Frauen haben nach einer standardisierten
 
Tagesdosis höhere maximale Plasmakonzentrationen als Männer.<ref>Luzier AB, Killian A, Wilton JH et al. Gender-related effects on metoprolol pharmacokinetics and pharmacodynamicsin healthy volunteers. Clin Pharm Ther 1999;66:594–601.</ref> Da die Konzentrations-Wirkungs-Beziehung zwischen Plasmakonzentration und Senkung
 
der Herzfrequenz bei Männern und Frauen gleich ist, treten bei Frauen bei gleicher
 
Dosierung deutlich stärkere Nebenwirkungen auf. Dies ist besonders bedeutungsvoll,
 
da die Plasmakonzentrationen durch orale Kontrazeptiva nochmals erhöht werden.
 
Obwohl β-Blocker eine große therapeutische Breite haben und die Therapie in der Regel mit einer niedrigen Dosis beginnt, die je nach Wirkung und Verträglichkeit gesteigert wird, sind die unerwünschten Arzneimittelwirkungen bei Frauen deutlich häufiger als bei Männern.
 
Bei β-Blockern mit CYP2D6 unabhängiger Metabolisierung wie Sotalol,
 
Bisoprolol oder Atenolol bestehen keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in den
 
Plasmakonzentrationen und den Nebenwirkungen, sodass sie für Frauen besser geeignet sein könnten.
 
Auch Phase-II-Metabolisierungsreaktionen variieren geschlechtsspezifisch. So
 
scheint die Aktivität glukuronidierender Enzyme bei Frauen geringer zu sein als bei
 
Männern [Anderson 2005]. Das würde erklären, warum ASS bei Frauen etwa 30–40 %
 
langsamer metabolisiert wird als bei Männern. Ähnliche Befunde wurden auch für Paracetamol, Clofibrat und Phenprocoumon erhoben, die alle durch Glukuronidierung
 
ausscheidungsfähig gemacht werden.<ref>Miners JO, Attwood J, Birkett DJ. Influence of sex and oral contraceptive steroids on paracetamol metabolism. Br J Clin Pharmacol 1983;16:503–509.</ref> <ref>Mönig H, Baese C, Heidemann HT et al. Effect of oral contraceptive steroids on the pharmacokinetics of phenprocoumon. Br J Clin Pharmacol 1990;30:115–118. </ref> <ref>Thürmann PA, Hompesch BC. Influence of gender on the pharmacokinetics and pharmacodynamics of drugs. Int J Clin Pharmacol Ther 1998;36:586–590.</ref>  
 
Unter den methylierenden Enzymen scheint v. a. die Aktivität der Thiopurin-S-Methyltransferase bei Frauen geringer zu sein als bei Männern. Dies könnte die Ursache für die höhere Knochenmarkstoxizität der Thiopurine Azathioprin und 6-Mercaptopurin
 
bei Patientinnen sein.<ref>Schwartz JB. Gender-specific implications for cardiovascular medication use in the elderly optimizing therapy for older women. Cardiol Rev. 2003;11:275-298.</ref>
 
  
 +
Eine &Uuml;bersicht zu geschlechterabh&auml;ngigen Unterschieden in verschiedenen pharmakokinetischen Parametern ist Tabelle 1 zu entnehmen.<ref>Wiener, H. (2008). Pharmakokinetische und pharmakodynamische Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Journal f&uuml;r Hypertonie-Austrian Journal of Hypertension, 12(2), 22-25.</ref>
  
Eine Übersicht zu geschlechtsspezifischen Unterschieden in verschiedenen pharmakokinetischen Parametern ist Tabelle 1 zu entnehmen.
+
<small><strong>Tabelle 1. Geschlechterabh&auml;ngige Unterschiede in verschiedenen pharmakokinetischen Parametern. [Quelle: Nieber (2015), modifiziert nach Wiener (2008)]</strong></small>
  
<small>'''Tabelle 1. Geschlechtsspezifische Unterschiede in verschiedenen pharmakokinetischen Parametern. [Quelle: Nieber (2015), modifiziert nach: Kest et al. (2000)]'''</small>
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<table>
{| class="wikitable"
+
<tr>
|-
+
<th>Parameter</th>
! Parameter !! Männer > Frauen !! Männer = Frauen !! Frauen > Männer
+
<th>M&auml;nner &gt; Frauen</th>
|-
+
<th>M&auml;nner = Frauen</th>
| colspan="4" | '''Bioverfügbarkeit'''
+
<th>Frauen &gt; M&auml;nner</th>
|-
+
</tr>
| oral ||  ||  || X
+
<tr>
|-
+
<td colspan="4"><strong>Bioverf&uuml;gbarkeit</strong></td>
| transdermal || || X ||
+
</tr>
|-
+
<tr>
| pulmonal || X ||  ||
+
<td>oral</td>
|-
+
<td>&nbsp;</td>
| colspan="4" | '''Verteilungsvolumen*'''
+
<td>&nbsp;</td>
|-
+
<td>X</td>
| hydrophile Pharmaka || X ||  ||
+
</tr>
|-
+
<tr>
| lipophile Pharmaka ||  ||  || X
+
<td>transdermal</td>
|-
+
<td>&nbsp;</td>
| colspan="4" | '''Proteinbindung'''
+
<td>X</td>
|-
+
<td>&nbsp;</td>
| Albumin ||  || X ||
+
</tr>
|-
+
<tr>
| saures α<sub>1</sub>-Glykoprotein || X ||  ||
+
<td>pulmonal</td>
|-
+
<td>X</td>
| colspan="4" | '''Metabolisierung'''
+
<td>&nbsp;</td>
|-
+
<td>&nbsp;</td>
| colspan="4" | ''Phase-I-Reaktionen''
+
</tr>
|-
+
<tr>
| CYP1A, -2D6, -2E1 || X ||  ||
+
<td colspan="4"><strong>Verteilungsvolumen*</strong></td>
|-
+
</tr>
| CYP2C9, -2C19 ||  || X ||
+
<tr>
|-
+
<td>hydrophile Pharmaka</td>
| CYP3A4, -2B6 ||  ||  || X
+
<td>X</td>
|-
+
<td>&nbsp;</td>
| colspan="4" | ''Phase-II-Reaktionen''
+
<td>&nbsp;</td>
|-
+
</tr>
| Glucuronidierung || X ||  ||
+
<tr>
|-
+
<td>lipophile Pharmaka</td>
| Methylierung || X ||  ||
+
<td>&nbsp;</td>
|-
+
<td>&nbsp;</td>
| Acetylierung || || X ||
+
<td>X</td>
|-
+
</tr>
| colspan="4" | '''Exkretion'''
+
<tr>
|-
+
<td colspan="4"><strong>Proteinbindung</strong></td>
| glomeruläre Filtration || X ||  ||
+
</tr>
|-
+
<tr>
| tubuläre Reabsorption || X ||  ||
+
<td>Albumin</td>
|-
+
<td>&nbsp;</td>
| tubuläre Sekretion || X || ||
+
<td>X</td>
|-
+
<td>&nbsp;</td>
| colspan="4" | * im Allgemeinen ist bei Männern aufgrund des durchschnittlich höheren Körpergewichts das Verteilungsvolumen größer als bei Frauen.
+
</tr>
|}
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<tr>
 +
<td>saures &alpha;1-Glykoprotein</td>
 +
<td>X</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td colspan="4"><strong>Metabolisierung</strong></td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td colspan="4"><em>Phase-I-Reaktionen</em></td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td>CYP1A, -2D6, -2E1</td>
 +
<td>X</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td>CYP2C9, -2C19</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
 +
<td>X</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td>CYP3A4, -2B6</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
 +
<td>X</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td colspan="4"><em>Phase-II-Reaktionen</em></td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td>Glucuronidierung</td>
 +
<td>X</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
 +
</tr>
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<tr>
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<td>Methylierung</td>
 +
<td>X</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
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<td>&nbsp;</td>
 +
</tr>
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<tr>
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<td>Acetylierung</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
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<td>X</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
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</tr>
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<tr>
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<td colspan="4"><strong>Exkretion</strong></td>
 +
</tr>
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<tr>
 +
<td>glomerul&auml;re Filtration</td>
 +
<td>X</td>
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<td>&nbsp;</td>
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<td>&nbsp;</td>
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</tr>
 +
<tr>
 +
<td>tubul&auml;re Reabsorption</td>
 +
<td>X</td>
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<td>&nbsp;</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td>tubul&auml;re&nbsp;Sekretion</td>
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<td>X</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
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</tr>
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<tr>
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<td colspan="4">* im Allgemeinen ist bei M&auml;nnern aufgrund des durchschnittlich h&ouml;heren K&ouml;rpergewichts das Verteilungsvolumen gr&ouml;&szlig;er als bei Frauen.</td>
 +
</tr>
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</table>
  
 
===Pharmakodynamik===
 
===Pharmakodynamik===
Im Vergleich zur Pharmakokinetik gibt es weniger Erkenntnisse zu geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Pharmakodynamik. Grund dafür ist, dass pharmakodynamische Effekte sehr viel schwerer zu untersuchen sind. Einige Arzneimittel haben allerdings trotz identischer Plasmakonzentration geschlechtsspezifisch unterschiedliche Wirkungen. Als Ursache werden genetisch bedingte Unterschiede bei der Anzahl und Lokalisation von Bindungsstellen für Arzneimittel (Rezeptoren, Transporter, Ionenkanäle) vermutet. Beispielsweise docken bestimmte Opioide an den entsprechenden Bindungsstellen bei Frauen passgenauer an als bei Männern. <ref>Thürmann, P. A. (2005). Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pharmakokinetik und-dynamik von Arzneimitteln. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz, 48(5), 536-540.</ref> <ref>Kest B, Sarton E, Dahan A. Gender differences in opioid-mediated analgesia: animal and human studies. Anesthesiology. 2000;93:539-547.</ref> Experimentelle Studien zeigten, dass das Bindungspotenzial an den Opioidrezeptor für Morphin, Fentanyl, Alfentanil und Remifentanil bei Frauen signifikant höher ist als bei Männern.<ref>Pleym, H.; Spigset, O.; Kharasch, E. D.; Dale, O. (2003): Gender differences in drug effects: implications for anesthesiologists. In: Acta Anaesthesiol Scand 47 (3), S. 241–259. DOI: 10.1034/j.1399-6576.2003.00036.x.</ref> Die bessere Ansprechbarkeit von SSRI bei prämenopausalen Frauen ist ein Hinweis, das Östrogene die Serotoninrezeptoren beeinflussen.<ref>Vermeiden, M.; van den Broek, W W; Mulder, P G H; Birkenhäger, T. K. (2010): Influence of gender and menopausal status on antidepressant treatment response in depressed inpatients. In: Journal of psychopharmacology (Oxford, England) 24 (4), S. 497–502. DOI: 10.1177/0269881109105137</ref>
 
Neue experimentelle Ergebnisse deuten weiterhin darauf hin, dass auch der Natriumtransport in Epithelzellen der Atemwege geschlechtsspezifische Unterschiede zeigt und dass auch hier die Östrogene modulierend wirken. Dies hätte Auswirkungen auf die Therapie von Atemwegserkrankungen.<ref>Kaltofen, Till; Haase, Melanie; Thome, Ulrich H.; Laube, Mandy (2015): Male Sex is Associated with a Reduced Alveolar Epithelial Sodium Transport. In: PloS one 10 (8), S. e0136178. DOI: 10.1371/journal.pone.0136178.</ref> <ref>Laube, Mandy; Stolzing, Alexandra; Thome, Ulrich H.; Fabian, Claire (2016): Therapeutic potential of mesenchymal stem cells for pulmonary complications associated with preterm birth. In: The international journal of biochemistry & cell biology 74, S. 18–32. DOI: 10.1016/j.biocel.2016.02.023.</ref>
 
  
Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Pharmakodynamik führen auch zu unterschiedlichen Profilen von Arzneimittelnebenwirkungen (NW). Verschiedene Untersuchungen belegen, dass Frauen häufiger von unerwünschten Arzneimittelwirkungen betroffen sind als Männer.<ref>Martin RM, Biswas PN, Freemantie SN, Pearce GL, Mann RD: Age and sex distribution of suspected adverse drug reactions to newly marketed drugs in general practice in England: analysis of 48 cohort studies. British Journal of Pharmacology 1998; 46: 505–511</ref> So besteht für Frauen im Vergleich zu Männern ein um 50 bis 70 Prozent höheres Risiko, dass Arzneimittelnebenwirkungen auftreten. Zum Beispiel können Medikamente, die möglicherweise die QT-Zeit des Herzens verlängern (d. h. eine Verlängerung in der Herzreizleitung wie bei Antiarrhythmika, Antipsychotika, Antihistaminika und Antibiotika) vor allem bei Frauen zu Arrhythmien führen. So erleiden Frauen aufgrund der Einnahme solcher Medikamente etwa doppelt so häufig lebensbedrohliche Arrhythmien wie Männer. Auch tierexperimentell lässt sich dies an isolierten Kaninchenherzen belegen.<ref>Ebert, S. N., Liu, X. K., & Woosley, R. L. (1998). Female gender as a risk factor for drug-induced cardiac arrhythmias: evaluation of clinical and experimental evidence. Journal of Women's Health, 7(5), 547-557.</ref> Für die Arzneimittelsicherheit sollte diese Beobachtung besonders relevant sein, in der Behandlung berücksichtigt wird sie jedoch meist nicht.<ref>Drici M, Clément N. Is Gender a RiskFactorforAdverse Drug Reactions? Drug Safety 2001; 24(8):575–85.</ref> Zudem besteht bei Frauen ein vermehrtes Auftreten medikamentös induzierter Lebertoxizität, unerwünschter gastrointestinaler Ereignisse aufgrund von steroidaler entzündungshemmender Medikamente sowie medikamentös bedingte allergische Hautausschläge.<ref>Nieber K. Geschlecht und Gender in der Pharmakologie. Berlin: Charité Universitätsmedizin; 2015.</ref>
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Im Vergleich zur Pharmakokinetik gibt es weniger Erkenntnisse zu geschlechterabh&auml;ngigen Unterschieden in der Pharmakodynamik. Grund daf&uuml;r ist, dass pharmakodynamische Effekte sehr viel schwerer zu untersuchen sind. Einige Arzneimittel haben allerdings trotz identischer Plasmakonzentration geschlechterabh&auml;ngig unterschiedliche Wirkungen. Als Ursache werden genetisch bedingte Unterschiede bei der Anzahl und Lokalisation von Bindungsstellen f&uuml;r Arzneimittel (Rezeptoren, Transporter, Ionenkan&auml;le) vermutet. Beispielsweise docken bestimmte Opioide an den entsprechenden Bindungsstellen bei Frauen passgenauer an als bei M&auml;nnern. <ref name&quot;Th&uuml;rmann&quot;> Th&uuml;rmann P. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der&nbsp;Pharmakokinetik&nbsp;und-dynamik von Arzneimitteln. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforsch- Gesundheitsschutz 5 .2005 48:536&ndash;540 </ref><ref>Kest B, Sarton E, Dahan A. Gender differences in opioid-mediated analgesia: animal and human studies. Anesthesiology. 2000;93:539-547.</ref>&nbsp;Experimentelle Studien zeigten, dass das Bindungspotenzial an den Opioidrezeptor f&uuml;r Morphin, Fentanyl, Alfentanil und Remifentanil bei Frauen signifikant h&ouml;her ist als bei M&auml;nnern.<ref name=&quot;Pleym&quot;>Pleym, H.; Spigset, O.; Kharasch, E. D.; Dale, O. (2003): Gender differences in drug effects: implications for anesthesiologists. In: Acta Anaesthesiol Scand 47 (3), S. 241&ndash;259. DOI: 10.1034/j.1399-6576.2003.00036.x.</ref>&nbsp;Die bessere Ansprechbarkeit von SSRI bei pr&auml;menopausalen Frauen ist ein Hinweis, das &Ouml;strogene die Serotoninrezeptoren beeinflussen.<ref>Vermeiden, M.; van den Broek, W W; Mulder, P G H; Birkenh&auml;ger, T. K. (2010): Influence of gender and menopausal status on antidepressant treatment response in depressed inpatients. In: Journal of psychopharmacology (Oxford, England) 24 (4), S. 497&ndash;502. DOI: 10.1177/0269881109105137</ref><br />
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Neue experimentelle Ergebnisse deuten weiterhin darauf hin, dass auch der Natriumtransport in Epithelzellen der Atemwege geschlechterabh&auml;ngige Unterschiede zeigt und dass auch hier die &Ouml;strogene modulierend wirken. Dies h&auml;tte Auswirkungen auf die Therapie von Atemwegserkrankungen.<ref>Kaltofen, Till; Haase, Melanie; Thome, Ulrich H.; Laube, Mandy (2015): Male Sex is Associated with a Reduced Alveolar Epithelial Sodium Transport. In: PloS one 10 (8), S. e0136178. DOI: 10.1371/journal.pone.0136178.</ref>&nbsp;<ref>Laube, Mandy; Stolzing, Alexandra; Thome, Ulrich H.; Fabian, Claire (2016): Therapeutic potential of mesenchymal stem cells for pulmonary complications associated with preterm birth. In: The international journal of biochemistry &amp; cell biology 74, S. 18&ndash;32. DOI: 10.1016/j.biocel.2016.02.023.</ref>
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Die geschlechterabh&auml;ngigen Unterschiede in der Pharmakodynamik f&uuml;hren auch zu unterschiedlichen Profilen von Arzneimittelnebenwirkungen (NW). Verschiedene Untersuchungen belegen, dass Frauen h&auml;ufiger von unerw&uuml;nschten Arzneimittelwirkungen betroffen sind als M&auml;nner.<ref>Martin RM, Biswas PN, Freemantie SN, Pearce GL, Mann RD: Age and sex distribution of suspected adverse drug reactions to newly marketed drugs in general practice in England: analysis of 48 cohort studies. British Journal of Pharmacology 1998; 46: 505&ndash;511</ref>&nbsp;So besteht f&uuml;r Frauen im Vergleich zu M&auml;nnern ein um 50 bis 70 Prozent h&ouml;heres Risiko, dass Arzneimittelnebenwirkungen auftreten. Zum Beispiel k&ouml;nnen Medikamente, die m&ouml;glicherweise die QT-Zeit des Herzens verl&auml;ngern (d. h. eine Verl&auml;ngerung in der Herzreizleitung wie bei Antiarrhythmika, Antipsychotika, Antihistaminika und Antibiotika) vor allem bei Frauen zu Arrhythmien f&uuml;hren. So erleiden Frauen aufgrund der Einnahme solcher Medikamente etwa doppelt so h&auml;ufig lebensbedrohliche Arrhythmien wie M&auml;nner. Auch tierexperimentell l&auml;sst sich dies an isolierten Kaninchenherzen belegen.<ref>Ebert, S. N., Liu, X. K., &amp; Woosley, R. L. (1998). Female gender as risk factor for drug-induced cardiac arrhythmias: evaluation of clinical and experimental evidence. Journal of Women&#39;s Health, 7(5), 547-557.</ref>&nbsp;F&uuml;r die Arzneimittelsicherheit sollte diese Beobachtung besonders relevant sein, in der Behandlung ber&uuml;cksichtigt wird sie jedoch meist nicht.<ref>Drici M, Cl&eacute;ment N. Is Gender a RiskFactorforAdverse Drug Reactions? Drug Safety 2001; 24(8):575&ndash;85.</ref>&nbsp;Zudem besteht bei Frauen ein vermehrtes Auftreten medikament&ouml;s induzierter Lebertoxizit&auml;t, unerw&uuml;nschter gastrointestinaler Ereignisse aufgrund von steroidaler entz&uuml;ndungshemmender Medikamente sowie medikament&ouml;s bedingte allergische Hautausschl&auml;ge.<ref name=&quot;Nieber&quot;>Nieber K. Geschlecht und Gender in der Pharmakologie. Berlin: Charit&eacute; Universit&auml;tsmedizin; 2015.</ref>
  
 
==Arzneimittelanwendung==
 
==Arzneimittelanwendung==
Verordnungsmengen von Arzneimitteln fallen erwartungsgemäß unterschiedlich nach Alter und Geschlecht aus (vergleiche Grafik 2).<ref>Knopf, H., & Grams, D. (2013). Arzneimittelanwendung von Erwachsenen in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 56(5-6), 868-877.</ref> <ref>BARMER GEK Arzneimittelreport 2016 Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse Band 39. </ref> 30 bis 40 Prozent aller Patienten und Patientinnen, die älter als 65 Jahre sind, nehmen mindestens vier Arzneimittel ein.
 
Arzneimitteltherapie erfolgt also hauptsächlich bei Patienten und Patientinnen, die altersbedingt ein überdurchschnittliches Risiko für Nebenwirkungen der Behandlung aufweisen sowie unterdurchschnittlich häufig im Rahmen von Arzneimittelstudien untersucht worden sind. Das bedeutet, dass aus Studien ableitbare Evidenz gerade für die Patienten und Patientinnen fehlt, die hauptsächlich mit den Arzneimitteln behandelt werden. Bezüglich Geschlecht zeigt eine Übersicht der Arzneimittelverordnung der größten deutschen Ersatzkasse, dass Frauen im Jahr 2011 durchschnittlich 22,3 Prozent mehr Arzneimittel verordnet wurden als Männern (berechnet wurde der Arzneimittelduchschnitt pro 100 Versicherte).<ref>Glaeske G, Schicktanz Ch. (Hgs.) BARMER GEK Arzneimittelreport 2012. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, Band 14, Asgard Verlangsservice GmbH Siegburg, 2012.</ref> Zudem gibt es eine Reihe von Arzneimitteln, die Frauen im Vergleich zu Männern deutlich häufiger verordnet bekommen. Dazu gehören Sexualhormone, Osteoporosemittel, Schilddrüsentherapeutika und Mineralstoffe. Antithrombotische Mittel sowie Lipidsenker bekommen Männer  häufiger als Frauen verschrieben.<ref>Coca V, Nink K. Arzneimittelverordnungen nach alter und Geschlecht . In Schwabe U. Paffrath D (Hrgs.) Arzneiverordnungs-Report 2011. Springer Heidelberg, Berlin 2011.</ref>
 
  
[[Datei:Arnzeimittelverbrauch Prävalenz.png|thumb|left|650px|<small> '''Grafik 2. Prävalenz der Arzneimittelanwendung nach Geschlecht und Alter. [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), nach Knopf & Grams (2013)]</small>]]
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Verordnungsmengen von Arzneimitteln fallen erwartungsgem&auml;&szlig; unterschiedlich nach Alter und Geschlecht aus (vergleiche Grafik 2).<ref>Knopf, H., &amp; Grams, D. (2013). Arzneimittelanwendung von Erwachsenen in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 56(5-6), 868-877.</ref>&nbsp;<ref>BARMER GEK Arzneimittelreport 2016 Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse Band 39.</ref>&nbsp;30 bis 40 Prozent aller Patienten und Patientinnen, die &auml;lter als 65 Jahre sind, nehmen mindestens vier Arzneimittel ein.&nbsp;<br />
<br clear=all>
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Arzneimitteltherapie erfolgt also haupts&auml;chlich bei Patienten und Patientinnen, die altersbedingt ein &uuml;berdurchschnittliches Risiko f&uuml;r Nebenwirkungen der Behandlung aufweisen sowie unterdurchschnittlich h&auml;ufig im Rahmen von Arzneimittelstudien untersucht worden sind. Das bedeutet, dass aus Studien ableitbare Evidenz gerade f&uuml;r die Patienten und Patientinnen fehlt, die haupts&auml;chlich mit den Arzneimitteln behandelt werden. Bez&uuml;glich Geschlecht zeigt eine &Uuml;bersicht der Arzneimittelverordnung der gr&ouml;&szlig;ten deutschen Ersatzkasse, dass Frauen im Jahr 2011 durchschnittlich 22,3 Prozent mehr Arzneimittel verordnet wurden als M&auml;nnern (berechnet wurde der Arzneimittelduchschnitt pro 100 Versicherte).<ref name=Glaeske&quot;>Glaeske G, Schicktanz Ch. (Hgs.) BARMER GEK Arzneimittelreport 2012. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, Band 14, Asgard Verlangsservice GmbH Siegburg, 2012.</ref>&nbsp;Zudem gibt es eine Reihe von Arzneimitteln, die Frauen im Vergleich zu M&auml;nnern deutlich h&auml;ufiger verordnet bekommen. Dazu geh&ouml;ren Sexualhormone, Osteoporosemittel, Schilddr&uuml;sentherapeutika und Mineralstoffe. Antithrombotische Mittel sowie Lipidsenker bekommen M&auml;nner &nbsp;h&auml;ufiger als Frauen verschrieben.<ref>Coca V, Nink K. Arzneimittelverordnungen nach alter und Geschlecht . In Schwabe U. Paffrath D (Hrgs.) Arzneiverordnungs-Report 2011. Springer Heidelberg, Berlin 2011.</ref>&nbsp;
Rund 65 Prozent der ApothekenkundInnen mit Selbstmedikationswunsch sind weiblichen Geschlechts (vergleiche Grafik 3). Der Begriff ''Selbstmedikation'' umfasst die eigenverantwortliche Einnahme eines nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittels. Wobei auch die Anwendung von nicht-veschreibungspflichtigen Präparaten zu ernstzunehmenden Neben- und Wechselwirkungen (v. a. mit verschreibungspflichtigen Medikamenten) führen kann. <ref>Eickhoff, C., Griese, N., Hämmerlein, A., & Schulz, M. (2009). ABP in der Selbstmedikation: Chance und Auftrag für die Apotheke. Pharmazeutische Zeitung, 154(39).</ref>
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<small><strong>[[File:6267d664d7319.png|600px|class=img-responsive]]</strong></small>
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<small><strong>Grafik 2.&nbsp;Pr&auml;valenz&nbsp;der Arzneimittelanwendung nach Geschlecht und Alter. [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), nach Knopf &amp; Grams (2013)]</strong></small>
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Rund 65 Prozent der ApothekenkundInnen mit Selbstmedikationswunsch sind weiblichen Geschlechts (vergleiche Grafik 3). Der Begriff &#39;&#39;Selbstmedikation&#39;&#39; umfasst die eigenverantwortliche Einnahme eines nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittels. Wobei auch die Anwendung von nicht-veschreibungspflichtigen Pr&auml;paraten zu ernstzunehmenden Neben- und Wechselwirkungen (v. a. mit verschreibungspflichtigen Medikamenten) f&uuml;hren kann. <ref>Eickhoff, C., Griese, N., H&auml;mmerlein, A., &amp; Schulz, M. (2009). ABP in der Selbstmedikation: Chance und Auftrag f&uuml;r die Apotheke. Pharmazeutische Zeitung, 154(39).</ref>
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<small><strong>[[File:6267d666c142b.png|600px|class=img-responsive]]</strong></small>
  
[[Datei:Selbstmedikation.png|thumb|left|650px|<small> '''Grafik 3. Prävalenz der Selbstmedikation nach Geschlecht und Alter. [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), nach Knopf & Grams (2013)]</small>]]
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<small><strong>Grafik 3.&nbsp;Pr&auml;valenz&nbsp;der Selbstmedikation nach Geschlecht und Alter. [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), nach Knopf &amp; Grams (2013)]</strong></small>
  
 
==Geschlechterunterschiede bei bestimmten Arzneimitteln==
 
==Geschlechterunterschiede bei bestimmten Arzneimitteln==
Nachfolgend werden Geschlechterunterschiede bezüglich Psychopharmaka, Schmerzmittel und Herz-Kreislauf-Medikamente näher beleuchtet.
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Nachfolgend werden Geschlechterunterschiede bez&uuml;glich Psychopharmaka, Schmerzmittel und Herz-Kreislauf-Medikamente &nbsp;n&auml;her beleuchtet.
  
 
===Psychopharmaka===
 
===Psychopharmaka===
  
[[Datei:SSRIs.png|thumb|right|500px|<small> '''Grafik 4. Tagesdosis (DDD*)-Klassen für selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (z. B. Citalopram, Fluoxetin, Sertralin, etc.) unterteilt nach Geschlecht [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), nach Glaeske & Schicktanz (2012)]<br/><small> <nowiki>*</nowiki> DDD = defined daily dose </small></small>]]
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Die geschlechterabh&auml;ngigen Unterschiede in der Arzneimittelversorgung werden bei Psychopharmaka besonders deutlich. Sowohl bei den selektiven Serotoninwiederaufnahme-Hemmern (SSRI) als auch bei den trizyklischen Antidepressiva sind die Unterschiede in den Tagesdosen &uuml;berdeutlich. So erhielten im Jahr 2010 Frauen mit 33.4 verordneten Tagesdosen durchschnittlich 56 Prozent mehr Psychopharmaka-Verordnungen als M&auml;nner mit 21 Tagesdosen (vergleiche Grafik 4 und 5). &Auml;hnliche Verteilungsunterschiede in den Tagesdosen ergeben sich auch bei Benzodiazepinen oder Z-Substanzen (Zolpidem, Zopiclon, Zaleplon), dabei sind auch Benzodiazepin-Derivate, die als Muskelrelaxanzien angewendet werden, eingeschlossen.<ref name=Glaeske&quot;/> Auffallend ist, dass der Gro&szlig;teil an Sedativa und Hypnotika Frauen im h&ouml;heren Lebensalter (&uuml;ber 65 Jahre) verschrieben werden, oft kommt es dann zur sogenannten &#39;&#39;low-dose-dependency&#39;&#39;.<ref>Ebner, N., Winklbaur, B., B&auml;wert, A., &amp; Fischer, G. (2008). Geschlechtsunterschiede in der Psychiatrie. Hochleitner, Margarethe (Hg. in): Gender Medicine. Ringvorlesung an der Medizinischen Universit&auml;t Innsbruck. Wien: Facultas, 125-142.</ref>
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[[Datei:Trizyklika.png|thumb|right|500px|<small> '''Grafik 5. Tagesdosis (DDD*)-Klassen für trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin, Doxepin, Trimipramin, etc.)  unterteilt nach Geschlecht [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), nach Glaeske & Schicktanz (2012)]<br/> <small> <nowiki>*</nowiki> DDD = defined daily dose </small></small>]]
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<small><strong>[[File:6267d6686a9db.png|600px|class=img-responsive]]</strong></small>
  
Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Arzneimittelversorgung werden bei Psychopharmaka besonders deutlich. Sowohl bei den selektiven Serotoninwiederaufnahme-Hemmern (SSRI) als auch bei den trizyklischen Antidepressiva sind die Unterschiede in den Tagesdosen überdeutlich. So erhielten im Jahr 2010 Frauen mit 33.4 verordneten Tagesdosen durchschnittlich 56 Prozent mehr Psychopharmaka-Verordnungen als Männer mit 21 Tagesdosen (vergleiche Grafik 4 und 5). Ähnliche Verteilungsunterschiede in den Tagesdosen ergeben sich auch bei Benzodiazepinen oder Z-Substanzen (Zolpidem, Zopiclon, Zaleplon), dabei sind auch Benzodiazepin-Derivate, die als Muskelrelaxanzien angewendet werden, eingeschlossen.<ref>Glaeske G, Schicktanz Ch. (Hgs.) BARMER GEK Arzneimittelreport 2012. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, Band 14, Asgard Verlangsservice GmbH Siegburg, 2012.</ref> Auffallend ist, dass der Großteil an Sedativa und Hypnotika Frauen im höheren Lebensalter (über 65 Jahre) verschrieben werden, oft kommt es dann zur sogenannten ''low-dose-dependency''.<ref>Ebner, N., Winklbaur, B., Bäwert, A., & Fischer, G. (2008). Geschlechtsunterschiede in der Psychiatrie. Hochleitner, Margarethe (Hg. in): Gender Medicine. Ringvorlesung an der Medizinischen Universität Innsbruck. Wien: Facultas, 125-142.</ref>
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<small><strong>Grafik 4. Tagesdosis (DDD*)-Klassen f&uuml;r selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (z. B. Citalopram, Fluoxetin, Sertralin, etc.) unterteilt nach Geschlecht [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), nach Glaeske &amp; Schicktanz (2012)]&nbsp;* DDD = defined daily dose</strong></small>
  
Zu berücksichtigen gilt, dass orale Progesteron-haltige Kontrazeptiva die Rezeptorbindung bei Benzodiazepinen modifizieren können. Beispielsweise reagieren Frauen unter Progesteroneinnahme signifikant stärker auf intravenös appliziertes Triazolam als Frauen, die keine oralen Kontrazeption einnehmen.<ref>Thürmann P A. Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Pharmakokinetik und -dynamik von Arzneimitteln.  Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz. 2005; 48 536-540</ref>
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Bei einer Antidepressiva-Behandlung sprechen prämenopausale Frauen besser auf SSRI an als Männer, wohingegen postmenopausal trizyklische Antidepressiva bei beiden Geschlechtern ähnlich gut wirken. Da ovariale Hormone serotonerge Funktionen modulieren,<ref>Wolfersdorf M, Schulte-Wefers H, Straub R, Klotz T. Männer-Depression: Ein vernachlässigtes Thema-ein therapeutisches Problem. Blickpunkt der Mann 2006; 4(2):6–9.</ref> scheint durch das weibliche Östrogen die Effektivität von SSRIs gesteigert zu werden.<ref>Gorman JM. Gender differences in depression and response to psychotropic medication. Gender Medicine 2006; 3(2):93–109.</ref>
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<small><strong>[[File:6267d669c1dfe.png|600px|class=img-responsive]]</strong></small>
Bei Frauen werden aufgrund der unerwünschten Arzneimittelwirkungen wie Gewichtszunahme und hypotensiver Störungen häufiger Therapieabbrüche beobachtet,<ref>Ebner N, Fischer G. Kapitel 5 Psychiatrie. In: Rieder A, Lohoff B (Hrsg) . Gender Medizin geschlechtsspezifische Aspekte für die klinische Praxis. Springer-Verlag, Wien New York 2004.</ref> Männer klagen oftmals aufgrund der Einnahme von SSRI über Erektions- und Ejakulationsstörungen.<ref>Clayton A, Keller A, McGarvey EL. Burden of phase specific sexual dysfunction with SSRIs. J Affect Disord 2006;91:27–32.</ref>
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<small><strong>Grafik 5. Tagesdosis (DDD*)-Klassen f&uuml;r trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin, Doxepin, Trimipramin, etc.) unterteilt nach Geschlecht [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), nach Glaeske &amp; Schicktanz (2012)] * DDD = defined daily dose</strong></small>
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Zu ber&uuml;cksichtigen gilt, dass orale Progesteron-haltige Kontrazeptiva die Rezeptorbindung bei Benzodiazepinen modifizieren k&ouml;nnen. Beispielsweise reagieren Frauen unter Progesteroneinnahme signifikant st&auml;rker auf intraven&ouml;s appliziertes Triazolam als Frauen, die keine oralen Kontrazeption einnehmen.<ref name=&quot;Th&uuml;rmann&quot;/>
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Bei einer Antidepressiva-Behandlung sprechen pr&auml;menopausale Frauen besser auf SSRI an als M&auml;nner, wohingegen postmenopausal trizyklische Antidepressiva bei beiden Geschlechtern &auml;hnlich gut wirken. Da ovariale Hormone serotonerge Funktionen modulieren,<ref>Wolfersdorf M, Schulte-Wefers H, Straub R, Klotz T. M&auml;nner-Depression: Ein vernachl&auml;ssigtes Thema-ein therapeutisches Problem. Blickpunkt der Mann 2006; 4(2):6&ndash;9.</ref>&nbsp;scheint durch das weibliche &Ouml;strogen die Effektivit&auml;t von SSRIs gesteigert zu werden.<ref>Gorman JM. Gender differences in depression and response to psychotropic medication. Gender Medicine 2006; 3(2):93&ndash;109.</ref><br />
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Bei Frauen werden aufgrund der unerw&uuml;nschten Arzneimittelwirkungen wie Gewichtszunahme und hypotensiver St&ouml;rungen h&auml;ufiger Therapieabbr&uuml;che beobachtet,<ref>Ebner N, Fischer G. Kapitel 5 Psychiatrie. In: Rieder A, Lohoff B (Hrsg) . Gender Medizin &ndash; geschlechtsspezifische Aspekte f&uuml;r die klinische Praxis. Springer-Verlag, Wien New York 2004.</ref>&nbsp;M&auml;nner klagen oftmals aufgrund der Einnahme von SSRI &uuml;ber Erektions- und Ejakulationsst&ouml;rungen.<ref>Clayton A, Keller A, McGarvey EL. Burden of phase specific sexual dysfunction with SSRIs. J Affect Disord 2006;91:27&ndash;32.</ref>
  
 
===Schmerzmittel===
 
===Schmerzmittel===
Frauen leiden wesentlich öfter an chronisch entzündlichen Erkrankungen. In Übereinstimmung mit der höheren Entzündungsaktivität weiblicher Leukozyten stimuliert Estradiol Entzündungsreaktionen, dagegen wirkt Testosteron eher entzündungshemmend.<ref>Pergola, C., Dodt, G., Rossi, A., Neunhoeffer, E., Lawrenz, B., Northoff, H., ... & Werz, O. (2008). ERK-mediated regulation of leukotriene biosynthesis by androgens: a molecular basis for gender differences in inflammation and asthma. Proceedings of the National Academy of Sciences, 105(50), 19881-19886. </ref> Frauen greifen deshalb deutlich häufiger zu Schmerzmitteln und nehmen mehr und öfter nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) ein als Männer. Statische Erhebungen zeigen zudem, dass 85 % der Anwender von Coxiben Frauen sind [Salomon 2008, Dominik 2003]. 
 
  
Zahlreiche Studien belegen, dass Morphin bei Frauen stärker analgetisch wirkt als bei Männern.<ref>Pleym, H.; Spigset, O.; Kharasch, E. D.; Dale, O. (2003): Gender differences in drug effects: implications for anesthesiologists. In: Acta Anaesthesiol Scand 47 (3), S. 241–259. DOI: 10.1034/j.1399-6576.2003.00036.x.</ref> So benötigen Männer etwa 40 % mehr Morphin als Frauen, um einen analgetischen Effekt zu erzielen. Aus diesen Daten wird ersichtlich, dass eine geschlechtsspezifische Dosisanpassung des Morphins, d. h. eine reduzierte Dosis bei Frauen ein Schritt in der geschlechtsspezifischen Pharmakotherapie sein könnte. Eine Dosisreduktion ist auch deshalb sinnvoll und notwendig, da Frauen bei gleicher Morphindosis stärker an Nebenwirkungen wie Atemdepression, Übelkeit und Erbrechen leiden als Männer.
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Frauen leiden wesentlich &ouml;fter an chronisch entz&uuml;ndlichen Erkrankungen. In &Uuml;bereinstimmung mit der h&ouml;heren Entz&uuml;ndungsaktivit&auml;t weiblicher Leukozyten stimuliert Estradiol Entz&uuml;ndungsreaktionen, dagegen wirkt Testosteron eher entz&uuml;ndungshemmend.<ref>Pergola, C., Dodt, G., Rossi, A., Neunhoeffer, E., Lawrenz, B., Northoff, H.,&nbsp; &amp; Werz, O. (2008). ERK-mediated regulation of leukotriene biosynthesis by androgens: a molecular basis for gender differences in inflammation and asthma. Proceedings of the National Academy of Sciences, 105(50), 19881-19886.</ref>&nbsp;Frauen greifen deshalb deutlich h&auml;ufiger zu Schmerzmitteln und nehmen mehr und &ouml;fter nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) ein als M&auml;nner. Statische Erhebungen zeigen zudem, dass 85 % der Anwender von Coxiben Frauen sind.
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Zahlreiche Studien belegen, dass Morphin bei Frauen st&auml;rker analgetisch wirkt als bei M&auml;nnern.<ref name=&quot;Pleym&quot;/> So ben&ouml;tigen M&auml;nner etwa 40 % mehr Morphin als Frauen, um einen analgetischen Effekt zu erzielen. Aus diesen Daten wird ersichtlich, dass eine geschlechtsspezifische Dosisanpassung des Morphins, d. h. eine reduzierte Dosis bei Frauen ein Schritt in der geschlechtsspezifischen Pharmakotherapie sein k&ouml;nnte. Eine Dosisreduktion ist auch deshalb sinnvoll und notwendig, da Frauen bei gleicher Morphindosis st&auml;rker an Nebenwirkungen wie Atemdepression, &Uuml;belkeit und Erbrechen leiden als M&auml;nner.
  
 
===Herz-Kreislauf-Mittel===
 
===Herz-Kreislauf-Mittel===
In der Arzneimitteltherapie der Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind inzwischen ebenfalls
 
viele geschlechtsspezifische Unterschiede bekannt.<ref>Regitz-Zagrosek V, Schubert C, Krüger S: Sex differences in cardiovascular drug targeting. Internist 2008;49: 1383–1386.</ref> <ref>Simpson M, McNulty J: Different needs: Women’s drug use and treatment in the UK International Journal of Drug Policy 2008;19:169–175.</ref> <ref>Thürmann P. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pharmakokinetik und-dynamik von Arzneimitteln. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforsch- Gesundheitsschutz 5 .2005 48:536–540.</ref> So hat eine Metaanalyse gezeigt, dass sich das Risiko für einen Herzinfarkt durch die medikamentöse Prophylaxe mit ASS bei Männern zwar um 23 % senken lässt, bei Frauen jedoch nur um statistisch nicht signifikante 5 %. Hinsichtlich des Schlaganfalls ergibt sich die umgekehrte Situation. Hier profitieren Frauen von einer signifikanten Risikoreduktion durch einen Thrombozytenaggregations-Hemmer, Männer dagegen nicht. Diese Ergebnisse haben in den USA bereits teilweise Eingang in die Leitlinien gefunden. So wird ASS bei Frauen zur  Primärprävention des Schlaganfalls, bei Männern zur Primärprävention des Myokardinfarkts empfohlen. Bereits seit 2002 war durch eine retrospektive Analyse bei Patienten mit Herzinsuffizienz eine erhöhte Sterblichkeit von Frauen unter Digitalistherapie bekannt.<ref>Rathore SS, Wang Y., Krumholz HM: Sex-based Differences in the Effect of Digoxin for the Treatment of Heart Failure. New England Journal of Medicine 2002;347:1403–1411.</ref> Eine mögliche Erklärung ist eine erhöhte Plasmakonzentration durch eine bei Frauen niedrigere glomeruläre Filtrationsrate. Die Nebenwirkungen einiger Herz-Kreislauf-Medikamente, wie z. B. ACE-Hemmer oder β-Blocker sind bei Frauen statistisch häufiger. Durch ACE-Hemmer induzierter Reizhusten oder Herz-Rhythmus-Störungen durch Arzneimittel bedingte Verlängerung des QT-Intervalls treten häufiger bei Frauen auf.<ref>Lehmann MH, Hardy S, Archibald D, Quart B, MacNeil DJ: Sex difference in risk of torsade de pointes with d, l-sotalol. Circulation 1996;94:2535–2541.</ref> Für die geschlechtsspezifischen Unterschiede im QT-Intervall dürften eher Androgene als Östrogene verantwortlich sein, da es bei Männern während und nach der Pubertät zu einer Verkürzung des QT-Intervalls kommt.<ref>Rautaharju PM, Zhou SH, Wong S, Calhoun HP, Berenson GS, Prineas R, Davignon A. Sex differences in the evolution of the electrocardiographic QT interval with age. Can J Cardiol. 1992;8:690-695.</ref>
 
  
==Zunehmendes Bewusstsein für geschlechtsspezifische Unterschiede==
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In der Arzneimitteltherapie der Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind inzwischen ebenfalls viele geschlechterabh&auml;ngige Unterschiede bekannt.<ref>Regitz-Zagrosek V, Schubert C, Kr&uuml;ger S: Sex differences in cardiovascular drug targeting. Internist 2008;49: 1383&ndash;1386.</ref>&nbsp;<ref>Simpson M, McNulty J: Different needs: Women&rsquo;s drug use and treatment in the UK International Journal of Drug Policy 2008;19:169&ndash;175.</ref>&nbsp;<ref name=&quot;Th&uuml;rmann&quot;/>So hat eine Metaanalyse gezeigt, dass sich das Risiko f&uuml;r einen Herzinfarkt durch die medikament&ouml;se Prophylaxe mit ASS bei M&auml;nnern zwar um 23 % senken l&auml;sst, bei Frauen jedoch nur um statistisch nicht signifikante 5 %. Hinsichtlich des Schlaganfalls ergibt sich die umgekehrte Situation. Hier profitieren Frauen von einer signifikanten Risikoreduktion durch einen Thrombozytenaggregations-Hemmer, M&auml;nner dagegen nicht. Diese Ergebnisse haben in den USA bereits teilweise Eingang in die Leitlinien gefunden. So wird ASS bei Frauen zur &nbsp;Prim&auml;rpr&auml;vention des Schlaganfalls, bei M&auml;nnern zur Prim&auml;rpr&auml;vention des Myokardinfarkts empfohlen. Bereits seit 2002 war durch eine retrospektive Analyse bei Patienten mit Herzinsuffizienz eine erh&ouml;hte Sterblichkeit von Frauen unter Digitalistherapie bekannt.<ref>Rathore SS, Wang Y., Krumholz HM: Sex-based Differences in the Effect of Digoxin for the Treatment of Heart Failure. New England Journal of Medicine 2002;347:1403&ndash;1411.</ref>&nbsp;Eine m&ouml;gliche Erkl&auml;rung ist eine erh&ouml;hte Plasmakonzentration durch eine bei Frauen niedrigere glomerul&auml;re Filtrationsrate. Die Nebenwirkungen einiger Herz-Kreislauf-Medikamente, wie z. B. ACE-Hemmer oder &beta;-Blocker sind bei Frauen statistisch h&auml;ufiger. Durch ACE-Hemmer induzierter Reizhusten oder Herz-Rhythmus-St&ouml;rungen durch Arzneimittel bedingte Verl&auml;ngerung des QT-Intervalls treten h&auml;ufiger bei Frauen auf.<ref>Lehmann MH, Hardy S, Archibald D, Quart B, MacNeil DJ: Sex difference in risk of torsade de pointes with d, l-sotalol. Circulation 1996;94:2535&ndash;2541.</ref>&nbsp;F&uuml;r die geschlechtsspezifischen Unterschiede im QT-Intervall d&uuml;rften eher Androgene als &Ouml;strogene verantwortlich sein, da es bei M&auml;nnern w&auml;hrend und nach der Pubert&auml;t zu einer Verk&uuml;rzung des QT-Intervalls kommt.<ref>Rautaharju PM, Zhou SH, Wong S, Calhoun HP, Berenson GS, Prineas R, Davignon A. Sex differences in the evolution of the electrocardiographic QT interval with age. Can J Cardiol. 1992;8:690-695.</ref>
Ein zunehmendes Bewussstein für geschlechterspezifische Unterschiede kann zu Erkenntnisfortschritten führen. Im folgenden sind Beispiele für Geschlechterunterschiede in der pharmakologischen Praxis aufgeführt:
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* Zolpidem gehört zu den am häufigsten verordneten Schlafmitteln. Frauen scheinen den Wirkstoff deutlich langsamer abzubauen als Männer. Zwar treten auch bei Männern Plasmakonzentrationen auf, bei denen mit eingeschränktem Reaktionsvermögen zu rechnen ist, aber deutlich seltener als bei Frauen. Das ergab eine von der amerikanischen Zulassungsbehörde (FDA) durchgeführte Untersuchung. Daher hat die FDA die zugelassene Dosis für Frauen bei schnell freisetzendem Zolpidem von 10 auf 5 mg reduziert.
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==Zunehmendes Bewusstsein &nbsp;f&uuml;r geschlechterabh&auml;ngige Unterschiede==
* In den USA ist nur bei Frauen, die unter einem schweren Reizdarmsyndrom mit Durchfall leiden, zugelassene 4-HT3-Antagonist Alosetron. Er wirkte in klinischen Studien bei Frauen, jedoch nicht bei Männern, was auf eine unterschiedliche Rezeptorausstattung deutet [Lievre 2002, Medication Guide 2010]. Neue Studien zeigen mittlerweile, dass das Medikament wohl auch für Männer geeignet ist, dann aber höher dosiert werden muss.  
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* Auch in Deutschland gibt es ein Beispiel, wo geschlechtsspezifisch unterschiedliche Dosierungen vorgeschlagen werden. Minoxidil, welches v. a. durch den Medikamentennamen Regaine® bekannt ist, ist ein Wirkstoff, der sich bei der Behandlung des erblich bedingten Haarausfalls bewährt hat. Da diese Art des Haarverlusts genetisch bedingt ist, können die Ursachen selbst nicht behandelt werden, jedoch kann dem Fortschreiten des Haarausfalls entgegen gewirkt werden. Bei Männern empfiehlt sich die Behandlung mit einer 5 %igen Minoxidil-Konzentration, für Frauen gibt es die 2 %ige Minoxidil-Lösung.
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Ein zunehmendes Bewussstein f&uuml;r geschlechterabh&auml;ngige Unterschiede kann zu Erkenntnisfortschritten f&uuml;hren. Im folgenden sind Beispiele f&uuml;r Geschlechterunterschiede in der pharmakologischen Praxis aufgef&uuml;hrt:
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<li>Zolpidem geh&ouml;rt zu den am h&auml;ufigsten verordneten Schlafmitteln. Frauen scheinen den Wirkstoff deutlich langsamer abzubauen als M&auml;nner. Zwar treten auch bei M&auml;nnern Plasmakonzentrationen auf, bei denen mit eingeschr&auml;nktem Reaktionsverm&ouml;gen zu rechnen ist, aber deutlich seltener als bei Frauen. Das ergab eine von der amerikanischen Zulassungsbeh&ouml;rde (FDA) durchgef&uuml;hrte Untersuchung. Daher hat die FDA die zugelassene Dosis f&uuml;r Frauen bei schnell freisetzendem Zolpidem von 10 auf 5 mg reduziert.</li>
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<li>In den USA ist nur bei Frauen, die unter einem schweren Reizdarmsyndrom mit Durchfall leiden, zugelassene 4-HT3-Antagonist Alosetron. Er wirkte in klinischen Studien bei Frauen, jedoch nicht bei M&auml;nnern, was auf eine unterschiedliche Rezeptorausstattung deutet. Neue Studien zeigen mittlerweile, dass das Medikament wohl auch f&uuml;r M&auml;nner geeignet ist, dann aber h&ouml;her dosiert werden muss.&nbsp;</li>
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<li>Auch in Deutschland gibt es ein Beispiel, wo geschlechterabh&auml;ngig unterschiedliche Dosierungen vorgeschlagen werden. Minoxidil, welches v. a. durch den Medikamentennamen Regaine&reg; bekannt ist, ist ein Wirkstoff, der sich bei der Behandlung des erblich bedingten Haarausfalls bew&auml;hrt hat. Da diese Art des Haarverlusts genetisch bedingt ist, k&ouml;nnen die Ursachen selbst nicht behandelt werden, jedoch kann dem Fortschreiten des Haarausfalls entgegen gewirkt werden. Bei M&auml;nnern empfiehlt sich die Behandlung mit einer 5 %igen Minoxidil-Konzentration, f&uuml;r Frauen gibt es die 2 %ige Minoxidil-L&ouml;sung.</li>
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==Weitere Forschungsfragen==
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H&auml;ufig gebrauchte Arzneimittel wirken bei Frauen und M&auml;nnern unterschiedlich. Viele Kenntnisse zu Geschlechterunterschieden in der Pharmakologie sind reine Zufallsprodukte, systematische Untersuchungen fehlt nach wie vor. Deshalb sind nicht nur epidemiologische Untersuchungen zur Geschlechterverteilung von Krankheiten notwendig, sondern v. a. auch Studien, die pharmakokinetische und (bisher kaum ber&uuml;cksichtigte) pharmakodynamische Aspekte oder das Ansprechen einer Therapie ber&uuml;cksichtigen. Ein zunehmendes Bewusstsein f&uuml;r geschlechterabh&auml;ngige Unterschiede kann schlie&szlig;lich zu Erkenntnisfortschritten in der Pharmakotherapie f&uuml;hren.
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Bei der Bestimmung einer geeigneten Medikamentendosis sollte zuk&uuml;nftig das jeweilige Geschlecht, aber auch Aspekte wie K&ouml;rpergr&ouml;&szlig;e, Alter sowie Komorbidit&auml;ten st&auml;rker ber&uuml;cksichtigt werden. Im Allgemeinen k&ouml;nnen hormonelle und immunologische Faktoren sowie anatomische, physiologische, biochemische und endokrine Geschlechterunterschiede die Medikamenteneinnahme und -vertr&auml;glichkeit beeinflussen.<ref name=&quot;Nieber&quot;/>Neben dem biologische Geschlecht stellen auch Aspekte des sozialen Geschlechts wie beispielsweise &auml;rztliche Verordnungsgewohnheiten oder Selbstmedikation einen wichtigen Einflussfaktor dar. Eine ad&auml;quate Erforschung geschlechtersensibler Arzneimittelanwendung steht derzeit noch aus.<ref>Th&uuml;rmann, P. A.; Janhsen, K. &amp; Gisbert W. Selke (2016). Geschlechteraspekte in der Pharmakotherapie. In P. Kolip &amp; K. Hurrelmann (Eds.), Programmbereich Gesundheit. Handbuch Geschlecht und Gesundheit. M&auml;nner und Frauen im Vergleich (2nd ed.). Bern: Hogrefe.</ref><br />
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==Externe Links==
  
== Weitere Forschungsfragen ==
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Literatur
Häufig gebrauchte Arzneimittel wirken bei Frauen und Männern unterschiedlich. Viele Kenntnisse zu Geschlechterunterschieden in der Pharmakologie sind reine Zufallsprodukte, systematische Untersuchungen fehlt nach wie vor. Deshalb sind nicht nur epidemiologische Untersuchungen zur Geschlechterverteilung von Krankheiten notwendig, sondern v. a. auch Studien, die pharmakokinetische und (bisher kaum berücksichtigte) pharmakodynamische Aspekte oder das Ansprechen einer Therapie berücksichtigen. Ein zunehmendes Bewusstsein für geschlechtsspezifische Unterschiede kann schließlich zu Erkenntnisfortschritten in der Pharmakotherapie führen.
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<div class="toccolours mw-collapsible mw-collapsed">Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.<div class="mw-collapsible-content"> <references/></div></div>
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==Lizenz==
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Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode
  
Bei der Bestimmung einer geeigneten Medikamentendosis sollte zukünftig das jeweilige Geschlecht, aber auch Aspekte wie Körpergröße, Alter sowie Komorbiditäten stärker berücksichtigt werden. Im Allgemeinen können hormonelle und immunologische Faktoren sowie anatomische, physiologische, biochemische und endokrine Geschlechterunterschiede die Medikamenteneinnahme und -verträglichkeit beeinflussen.<ref>Nieber K. Geschlecht und Gender in der Pharmakologie. Berlin: Charité Universitätsmedizin; 2015.</ref> Neben dem biologische Geschlecht stellen auch Aspekte des sozialen Geschlechts wie beispielsweise ärztliche Verordnungsgewohnheiten oder Selbstmedikation einen wichtigen Einflussfaktor dar. Eine adäquate Erforschung geschlechtersensibler Arzneimittelanwendung steht derzeit noch aus.<ref>Thürmann, P. A.; Janhsen, K. & Gisbert W. Selke (2016). Geschlechteraspekte in der Pharmakotherapie. In P. Kolip & K. Hurrelmann (Eds.), Programmbereich Gesundheit. Handbuch Geschlecht und Gesundheit. Männer und Frauen im Vergleich (2nd ed.). Bern: Hogrefe.</ref>
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==Autoren==
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Julia Schreitmüller
  
== Literatur ==
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Zuletzt geändert: 2022-04-26 13:24:18
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Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.
 
<div class="mw-collapsible-content"> <references/></div>
 
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Aktuelle Version vom 26. April 2022, 12:24 Uhr

Bedeutung geschlechterabhängige Unterschiede[Bearbeiten]

Geschlechterabhängige Unterschiede in der Wirksamkeit von Arzneimitteln sind in der Medizin bekannt. Männer und Frauen unterscheiden sich auf vielfache Weise hinsichtlich des Gebrauchs und der Wirkung medikamentöser Behandlungen.[1] Das Interesse, diesbezügliche Konsequenzen für die Praxis zu ziehen ist jedoch gering und eine geschlechtersensible Pharmakotherapie hat bislang kaum Eingang in die praktische Medizin gefunden.[2] [3] 
Da Hormonstatus und psychosoziale Unterschiede zwischen den Geschlechtern offenbar eine große Rolle spielen, sind  geschlechterabhänige Unterschiede in der Arzneimittelwirkung und damit auch in der Arzneimitteltherapie zu berücksichtigen. Das betrifft v. a. die Frage der richtigen Dosierung, um eine Pharmakotherapie mit möglichst geringen Nebenwirkungen zu implementieren. Zulassungsbehörden fordern deshalb, dass die Auswertung pharmakologischer Studien geschlechterabhänig erfolgt und hierzu eine ausreichende Fallzahl von Frauen inkludiert wird. Bisher ist sehr viel mehr über die Pharmakologie von Arzneimitteln bei  Männern als bei Frauen bekannt, da Frauen traditionell in  klinischen Studien unterrepräsentiert sind:[4] Insbesondere in der frühen Phase der Arzneimittelentwicklung waren Frauen viele Jahre von klinischen Studien ausgeschlossen. Die Verantwortlichen befürchteten, dass Frauen durch eine mögliche Schwangerschaft oder hormonelle Schwankungen das Gelingen einer Studie gefährden oder die Ergebnisse verfälschen könnten. Dadurch wurde der Einflussfaktor  ''weibliches Geschlecht'' lange Zeit nicht oder nur wenig in pharmakologische Studien miteinbezogen.[5] Zwar ergab eine Auswertung aus dem Jahre 2001, dass in Studien der letzten Jahre vermehrt Frauen berücksichtigt wurden, eine  Subgruppenanalyse im Abhängikeit vom Geschelcht wurde aber nur in neun Prozent aller Studien durchgeführt.[6]

Stoffwechsel und Wirkung von Arzneimitteln[Bearbeiten]

Geschlechterunterschiede bestehen in der ''Pharmakokinetik'' (die Bewegung eines Arzneistoffes durch den Körper) und in der ''Pharmakodynamik'' (Effekte des Arzneimittels am Zielort). Obwohl die Pharmakokinetik neuer Substanzen in der Regel für Männer und Frauen separat beschrieben wird, werden die Behandlungseffekte (pharmakodynamische Effekte) fast nie geschlechtersensibel untersucht.[7] Der  eventuell spezifische Effekt von Frauen auf eine hohe Anzahl existierender Medikamente ist schlichtweg nicht bekannt. 

Pharmakokinetik[Bearbeiten]

Warum Frauen auf einige Arzneimittel anders reagieren als Männer und im Allgemeinen häufiger unerwünschte Arzneimittelwirkungen erleiden, lässt sich durch unterschiedliche pharmakodynamische und vor allem pharmakokinetische Faktoren zumindest teilweise erklären.[8] [9][10] [11] 
Geschlechterbedingte physiologische Unterschiede bedeuten, dass  Medikamente vom Körper auf verschiedene Weise und in unterschiedlichem Tempo resorbiert, verteilt, metabolisiert und ausgeschieden werden.[12] Daten zur Pharmakokinetik werden hauptsächlich in Phase-I-Studien generiert. Bioäquivalenzstudien, in denen sich für zahlreiche Medikamente geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pharmakokinetik fanden, unterstützen die Bedeutung von Geschlecht.[13] 

Bioverfügbarkeit[Bearbeiten]

Die Bioverfügbarkeit  eines Arzneimittels wird durch die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Resorption in den Blutkreiskauf bestimmt. Sie erfolgt bei den meisten Arzneimittel im Darm, wobei ein aktiver Rücktransport in das Darmlumen den systemisch verfügbaren Anteil verringert. Magensäuresekretion oder Magenentleerungszeit sowie gastrointestinale Durchblutung und Größe der intestinalen Resorptionsfläche sind Faktoren, die geschlechterabhängig variieren. Auch die Ernährungsgewohnheiten von Männer und Frauen unterscheiden sich, was mögliche Auswirkungen auf die Aufnahme von Arzneimitteln haben kann. Allerdings wurden bisher keine Unterschiede weder in der Magensäuresekretion oder in der gastralen und intestinalen Sekretion zwischen den Geschlechtern gefunden.[14] [15] Ob es auch geschlechterabhängige Unterschiede in der Beeinflussung der gastrointestinalen Motilität gibt, ist bisher nicht geklärt. Während im Tierexperiment keine geschlechterabhängige Unterschiede gefunden wurden,[16] weisen beim Menschen die Befunde auf einen direkten Einfluss der Geschlechtshormone hin. Einige  Befunde sprechen dafür, dass Frauen eine verzögerte Magenentleerung für Flüssigkeiten und eine verlangsamte Darmpassage haben.[17] Bekannt sind auch Unterschiede in der Enzymausstattung. So haben Männer eine deutlich höhere Aktivität der gastralen Alkoholdehydrogenase als Frauen, woraus die deutlich höhere Bioverfügbarkeit von Alkohol bei Frauen resultiert.[11] Obwohl es geschlechtsspezifische physiologische Unterschiede gibt, scheint es bei der Resorption von Arzneimitteln durch die Haut und in der Lunge keine klinisch signifikanten geschlechterabhängigen Unterschiede zu geben.[18] [19]

Verteilung von Arzneistoffen[Bearbeiten]

Geschlechterabhängige Unterschiede in der Verteilung von Arzneistoffen beruhen auf Unterschieden in der Körpergröße, in der Muskelmasse, im Fett- und Wassergehalt. Frauen haben einen deutlich höheren Fettanteil als Männer, während der männliche
Körper mehr Muskelgewebe und mehr Wasser aufweist. Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Verteilung. [20]  Lipophile Arzneimittel verbleiben bei gleicher Dosierung bei Frauen länger im Fettgewebe als bei Männern. Da sie erst aus dem Fettgewebe mobilisiert werden müssen, werden sie zeitverzögert abgebaut. Wirkungen und Nebenwirkungen halten länger an. Bei hydrophilen Arzneistoffen ist es gerade umgekehrt: Die Plasmakonzentration von wasserlöslichen Substanzen ist bei Männern niedriger als bei Frauen. Typische Beispiele für ein größeres Verteilungsvolumen und eine verlängerte Eliminationshalbwertzeit sind die lipophilen Pharmaka Diazepam und Midazolam. Sie wirken bei Frauen länger. Solche geschlechtsabhängigen Unterschiede wurden auch für Muskelrelaxanzien beschrieben. Werden sie nach Körpergewicht dosiert, kann man bei gleicher Dosierung eine signifikant tiefere Muskelblockade und längere Wirkdauer beobachten. Pharmakokinetische Parameter und ihre geschlechterabhängigen Einflüsse auf die  Verteilung von Arzneistoffen werden in Grafik 1 dargestellt.[21]

 

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Grafik 1. Pharmakokinetische Parameter und ihre Beeinflussung in Abhängigkeit vom Geschlecht [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), modifiziert nach Nieber (2015)]

Plasmaeiweißbindung[Bearbeiten]

Es liegen ebenfalls Hinweise auf geschlechterabhängige Unterschiede in der Plasmaeiweißbindung von Arzneimitteln vor. Bei Frauen ist die Bindung mancher Arzneimitmittel an das  α-saure-Glykoprotein etwas stärker. Die klinische Relevanz dieser Unterschiede ist bisher allerdings nicht belegt. Es müssen sicher mehrere Effekte zusammenkommen, bis ein Unterschied tatsächlich klinisch relevant wird.

Arzneimittelmetabolismus[Bearbeiten]

Relevante geschlechterabhängige Unterschiede bestehen im Wesentlichen beim Arzneimittelmetabolismus. Die wichtigsten Phase-I-Enzyme für den Abbau von Arzneimitteln beim Menschen gehören zur Familie der Cytochrom-P450-Enzyme (CYP450). Die Variabilität der Funktion dieser CYP450-Enzyme ist eine Ursache dafür, dass bei gleicher Dosierung eines Medikaments Intensität und Dauer von Wirkungen und Nebenwirkungen sehr unterschiedlich sein können. Für mehrere dieser Enzyme sind Unterschiede in Abhängigket vom Geschlecht beschrieben worden.[22] Bei Frauen ist die mRNA-Konzentration von CYP3A4 und die tatsächliche Proteinkonzentration in der Leber durchschnittlich um den Faktor 2 höher als bei Männern. Die vermehrte Enzymexpression korreliert mit einer etwa 50 % höheren In-vitro Metabolisierungsrate von Verapamil, dessen N-Dealkylierung über CYP3A4 erfolgt. Entsprechend wird bei Frauen eine erhöhte In vivo-Clearance für Verapamil im Vergleich zu Männern gefunden.[23] Gleiches gilt für Nifedipin [24]  und Methylprednisolon, [25] die ebenfalls CYP3A4-Substrate sind. Die β-Blocker Metoprolol Carvidolol oder Nebivolol werden überwiegend über CYP2D6 abgebaut. Frauen haben nach einer standardisierten Tagesdosis höhere maximale Plasmakonzentrationen als Männer.[26] Da die Konzentrations-Wirkungs-Beziehung zwischen Plasmakonzentration und Senkung der Herzfrequenz bei Männern und Frauen gleich ist, treten bei Frauen bei gleicher Dosierung deutlich stärkere Nebenwirkungen auf. Dies ist besonders bedeutungsvoll, da die Plasmakonzentrationen durch orale Kontrazeptiva nochmals erhöht werden. Obwohl β-Blocker eine große therapeutische Breite haben und die Therapie in der Regel mit einer niedrigen Dosis beginnt, die je nach Wirkung und Verträglichkeit gesteigert wird, sind die unerwünschten Arzneimittelwirkungen bei Frauen deutlich häufiger als bei Männern. Bei β-Blockern mit CYP2D6 unabhängiger Metabolisierung wie Sotalol, Bisoprolol oder Atenolol bestehen keine geschlechterabhängigen  Unterschiede in den Plasmakonzentrationen und den Nebenwirkungen, sodass sie für Frauen besser geeignet sein könnten. Auch Phase-II-Metabolisierungsreaktionen variieren geschlechtsspezifisch. So scheint die Aktivität glukuronidierender Enzyme bei Frauen geringer zu sein als bei Männern. Das würde erklären, warum ASS bei Frauen etwa 30–40 % langsamer metabolisiert wird als bei Männern. Ähnliche Befunde wurden auch für Paracetamol, Clofibrat und Phenprocoumon erhoben, die alle durch Glukuronidierung ausscheidungsfähig gemacht werden.[27] [28] [25] Unter den methylierenden Enzymen scheint v. a. die Aktivität der Thiopurin-S-Methyltransferase bei Frauen geringer zu sein als bei Männern. Dies könnte die Ursache für die höhere Knochenmarkstoxizität der Thiopurine Azathioprin und 6-Mercaptopurin bei Patientinnen sein.[29]

Eine Übersicht zu geschlechterabhängigen Unterschieden in verschiedenen pharmakokinetischen Parametern ist Tabelle 1 zu entnehmen.[30]

Tabelle 1. Geschlechterabhängige Unterschiede in verschiedenen pharmakokinetischen Parametern. [Quelle: Nieber (2015), modifiziert nach Wiener (2008)]

Parameter Männer > Frauen Männer = Frauen Frauen > Männer
Bioverfügbarkeit
oral     X
transdermal   X  
pulmonal X    
Verteilungsvolumen*
hydrophile Pharmaka X    
lipophile Pharmaka     X
Proteinbindung
Albumin   X  
saures α1-Glykoprotein X    
Metabolisierung
Phase-I-Reaktionen
CYP1A, -2D6, -2E1 X    
CYP2C9, -2C19   X  
CYP3A4, -2B6     X
Phase-II-Reaktionen
Glucuronidierung X    
Methylierung X    
Acetylierung   X  
Exkretion
glomeruläre Filtration X    
tubuläre Reabsorption X    
tubuläre Sekretion X    
* im Allgemeinen ist bei Männern aufgrund des durchschnittlich höheren Körpergewichts das Verteilungsvolumen größer als bei Frauen.

Pharmakodynamik[Bearbeiten]

Im Vergleich zur Pharmakokinetik gibt es weniger Erkenntnisse zu geschlechterabhängigen Unterschieden in der Pharmakodynamik. Grund dafür ist, dass pharmakodynamische Effekte sehr viel schwerer zu untersuchen sind. Einige Arzneimittel haben allerdings trotz identischer Plasmakonzentration geschlechterabhängig unterschiedliche Wirkungen. Als Ursache werden genetisch bedingte Unterschiede bei der Anzahl und Lokalisation von Bindungsstellen für Arzneimittel (Rezeptoren, Transporter, Ionenkanäle) vermutet. Beispielsweise docken bestimmte Opioide an den entsprechenden Bindungsstellen bei Frauen passgenauer an als bei Männern. [31][32] Experimentelle Studien zeigten, dass das Bindungspotenzial an den Opioidrezeptor für Morphin, Fentanyl, Alfentanil und Remifentanil bei Frauen signifikant höher ist als bei Männern.[33] Die bessere Ansprechbarkeit von SSRI bei prämenopausalen Frauen ist ein Hinweis, das Östrogene die Serotoninrezeptoren beeinflussen.[34]
Neue experimentelle Ergebnisse deuten weiterhin darauf hin, dass auch der Natriumtransport in Epithelzellen der Atemwege geschlechterabhängige Unterschiede zeigt und dass auch hier die Östrogene modulierend wirken. Dies hätte Auswirkungen auf die Therapie von Atemwegserkrankungen.[35] [36]

Die geschlechterabhängigen Unterschiede in der Pharmakodynamik führen auch zu unterschiedlichen Profilen von Arzneimittelnebenwirkungen (NW). Verschiedene Untersuchungen belegen, dass Frauen häufiger von unerwünschten Arzneimittelwirkungen betroffen sind als Männer.[37] So besteht für Frauen im Vergleich zu Männern ein um 50 bis 70 Prozent höheres Risiko, dass Arzneimittelnebenwirkungen auftreten. Zum Beispiel können Medikamente, die möglicherweise die QT-Zeit des Herzens verlängern (d. h. eine Verlängerung in der Herzreizleitung wie bei Antiarrhythmika, Antipsychotika, Antihistaminika und Antibiotika) vor allem bei Frauen zu Arrhythmien führen. So erleiden Frauen aufgrund der Einnahme solcher Medikamente etwa doppelt so häufig lebensbedrohliche Arrhythmien wie Männer. Auch tierexperimentell lässt sich dies an isolierten Kaninchenherzen belegen.[38] Für die Arzneimittelsicherheit sollte diese Beobachtung besonders relevant sein, in der Behandlung berücksichtigt wird sie jedoch meist nicht.[39] Zudem besteht bei Frauen ein vermehrtes Auftreten medikamentös induzierter Lebertoxizität, unerwünschter gastrointestinaler Ereignisse aufgrund von steroidaler entzündungshemmender Medikamente sowie medikamentös bedingte allergische Hautausschläge.[40]

Arzneimittelanwendung[Bearbeiten]

Verordnungsmengen von Arzneimitteln fallen erwartungsgemäß unterschiedlich nach Alter und Geschlecht aus (vergleiche Grafik 2).[41] [42] 30 bis 40 Prozent aller Patienten und Patientinnen, die älter als 65 Jahre sind, nehmen mindestens vier Arzneimittel ein. 
Arzneimitteltherapie erfolgt also hauptsächlich bei Patienten und Patientinnen, die altersbedingt ein überdurchschnittliches Risiko für Nebenwirkungen der Behandlung aufweisen sowie unterdurchschnittlich häufig im Rahmen von Arzneimittelstudien untersucht worden sind. Das bedeutet, dass aus Studien ableitbare Evidenz gerade für die Patienten und Patientinnen fehlt, die hauptsächlich mit den Arzneimitteln behandelt werden. Bezüglich Geschlecht zeigt eine Übersicht der Arzneimittelverordnung der größten deutschen Ersatzkasse, dass Frauen im Jahr 2011 durchschnittlich 22,3 Prozent mehr Arzneimittel verordnet wurden als Männern (berechnet wurde der Arzneimittelduchschnitt pro 100 Versicherte).[43] Zudem gibt es eine Reihe von Arzneimitteln, die Frauen im Vergleich zu Männern deutlich häufiger verordnet bekommen. Dazu gehören Sexualhormone, Osteoporosemittel, Schilddrüsentherapeutika und Mineralstoffe. Antithrombotische Mittel sowie Lipidsenker bekommen Männer  häufiger als Frauen verschrieben.[44] 

 

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Grafik 2. Prävalenz der Arzneimittelanwendung nach Geschlecht und Alter. [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), nach Knopf & Grams (2013)]

Rund 65 Prozent der ApothekenkundInnen mit Selbstmedikationswunsch sind weiblichen Geschlechts (vergleiche Grafik 3). Der Begriff ''Selbstmedikation'' umfasst die eigenverantwortliche Einnahme eines nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittels. Wobei auch die Anwendung von nicht-veschreibungspflichtigen Präparaten zu ernstzunehmenden Neben- und Wechselwirkungen (v. a. mit verschreibungspflichtigen Medikamenten) führen kann. [45]

 

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Grafik 3. Prävalenz der Selbstmedikation nach Geschlecht und Alter. [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), nach Knopf & Grams (2013)]

Geschlechterunterschiede bei bestimmten Arzneimitteln[Bearbeiten]

Nachfolgend werden Geschlechterunterschiede bezüglich Psychopharmaka, Schmerzmittel und Herz-Kreislauf-Medikamente  näher beleuchtet.

Psychopharmaka[Bearbeiten]

Die geschlechterabhängigen Unterschiede in der Arzneimittelversorgung werden bei Psychopharmaka besonders deutlich. Sowohl bei den selektiven Serotoninwiederaufnahme-Hemmern (SSRI) als auch bei den trizyklischen Antidepressiva sind die Unterschiede in den Tagesdosen überdeutlich. So erhielten im Jahr 2010 Frauen mit 33.4 verordneten Tagesdosen durchschnittlich 56 Prozent mehr Psychopharmaka-Verordnungen als Männer mit 21 Tagesdosen (vergleiche Grafik 4 und 5). Ähnliche Verteilungsunterschiede in den Tagesdosen ergeben sich auch bei Benzodiazepinen oder Z-Substanzen (Zolpidem, Zopiclon, Zaleplon), dabei sind auch Benzodiazepin-Derivate, die als Muskelrelaxanzien angewendet werden, eingeschlossen.[43] Auffallend ist, dass der Großteil an Sedativa und Hypnotika Frauen im höheren Lebensalter (über 65 Jahre) verschrieben werden, oft kommt es dann zur sogenannten ''low-dose-dependency''.[46]

 

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Grafik 4. Tagesdosis (DDD*)-Klassen für selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (z. B. Citalopram, Fluoxetin, Sertralin, etc.) unterteilt nach Geschlecht [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), nach Glaeske & Schicktanz (2012)] * DDD = defined daily dose

 

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Grafik 5. Tagesdosis (DDD*)-Klassen für trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin, Doxepin, Trimipramin, etc.) unterteilt nach Geschlecht [Quelle: GenderMed-Wiki (2016), nach Glaeske & Schicktanz (2012)] * DDD = defined daily dose

Zu berücksichtigen gilt, dass orale Progesteron-haltige Kontrazeptiva die Rezeptorbindung bei Benzodiazepinen modifizieren können. Beispielsweise reagieren Frauen unter Progesteroneinnahme signifikant stärker auf intravenös appliziertes Triazolam als Frauen, die keine oralen Kontrazeption einnehmen.[20]

Bei einer Antidepressiva-Behandlung sprechen prämenopausale Frauen besser auf SSRI an als Männer, wohingegen postmenopausal trizyklische Antidepressiva bei beiden Geschlechtern ähnlich gut wirken. Da ovariale Hormone serotonerge Funktionen modulieren,[47] scheint durch das weibliche Östrogen die Effektivität von SSRIs gesteigert zu werden.[48]
Bei Frauen werden aufgrund der unerwünschten Arzneimittelwirkungen wie Gewichtszunahme und hypotensiver Störungen häufiger Therapieabbrüche beobachtet,[49] Männer klagen oftmals aufgrund der Einnahme von SSRI über Erektions- und Ejakulationsstörungen.[50]

Schmerzmittel[Bearbeiten]

Frauen leiden wesentlich öfter an chronisch entzündlichen Erkrankungen. In Übereinstimmung mit der höheren Entzündungsaktivität weiblicher Leukozyten stimuliert Estradiol Entzündungsreaktionen, dagegen wirkt Testosteron eher entzündungshemmend.[51] Frauen greifen deshalb deutlich häufiger zu Schmerzmitteln und nehmen mehr und öfter nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) ein als Männer. Statische Erhebungen zeigen zudem, dass 85 % der Anwender von Coxiben Frauen sind.

Zahlreiche Studien belegen, dass Morphin bei Frauen stärker analgetisch wirkt als bei Männern.[33] So benötigen Männer etwa 40 % mehr Morphin als Frauen, um einen analgetischen Effekt zu erzielen. Aus diesen Daten wird ersichtlich, dass eine geschlechtsspezifische Dosisanpassung des Morphins, d. h. eine reduzierte Dosis bei Frauen ein Schritt in der geschlechtsspezifischen Pharmakotherapie sein könnte. Eine Dosisreduktion ist auch deshalb sinnvoll und notwendig, da Frauen bei gleicher Morphindosis stärker an Nebenwirkungen wie Atemdepression, Übelkeit und Erbrechen leiden als Männer.

Herz-Kreislauf-Mittel[Bearbeiten]

In der Arzneimitteltherapie der Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind inzwischen ebenfalls viele geschlechterabhängige Unterschiede bekannt.[52] [53] [20]So hat eine Metaanalyse gezeigt, dass sich das Risiko für einen Herzinfarkt durch die medikamentöse Prophylaxe mit ASS bei Männern zwar um 23 % senken lässt, bei Frauen jedoch nur um statistisch nicht signifikante 5 %. Hinsichtlich des Schlaganfalls ergibt sich die umgekehrte Situation. Hier profitieren Frauen von einer signifikanten Risikoreduktion durch einen Thrombozytenaggregations-Hemmer, Männer dagegen nicht. Diese Ergebnisse haben in den USA bereits teilweise Eingang in die Leitlinien gefunden. So wird ASS bei Frauen zur  Primärprävention des Schlaganfalls, bei Männern zur Primärprävention des Myokardinfarkts empfohlen. Bereits seit 2002 war durch eine retrospektive Analyse bei Patienten mit Herzinsuffizienz eine erhöhte Sterblichkeit von Frauen unter Digitalistherapie bekannt.[54] Eine mögliche Erklärung ist eine erhöhte Plasmakonzentration durch eine bei Frauen niedrigere glomeruläre Filtrationsrate. Die Nebenwirkungen einiger Herz-Kreislauf-Medikamente, wie z. B. ACE-Hemmer oder β-Blocker sind bei Frauen statistisch häufiger. Durch ACE-Hemmer induzierter Reizhusten oder Herz-Rhythmus-Störungen durch Arzneimittel bedingte Verlängerung des QT-Intervalls treten häufiger bei Frauen auf.[55] Für die geschlechtsspezifischen Unterschiede im QT-Intervall dürften eher Androgene als Östrogene verantwortlich sein, da es bei Männern während und nach der Pubertät zu einer Verkürzung des QT-Intervalls kommt.[56]

Zunehmendes Bewusstsein  für geschlechterabhängige Unterschiede[Bearbeiten]

Ein zunehmendes Bewussstein für geschlechterabhängige Unterschiede kann zu Erkenntnisfortschritten führen. Im folgenden sind Beispiele für Geschlechterunterschiede in der pharmakologischen Praxis aufgeführt:

  • Zolpidem gehört zu den am häufigsten verordneten Schlafmitteln. Frauen scheinen den Wirkstoff deutlich langsamer abzubauen als Männer. Zwar treten auch bei Männern Plasmakonzentrationen auf, bei denen mit eingeschränktem Reaktionsvermögen zu rechnen ist, aber deutlich seltener als bei Frauen. Das ergab eine von der amerikanischen Zulassungsbehörde (FDA) durchgeführte Untersuchung. Daher hat die FDA die zugelassene Dosis für Frauen bei schnell freisetzendem Zolpidem von 10 auf 5 mg reduziert.
  • In den USA ist nur bei Frauen, die unter einem schweren Reizdarmsyndrom mit Durchfall leiden, zugelassene 4-HT3-Antagonist Alosetron. Er wirkte in klinischen Studien bei Frauen, jedoch nicht bei Männern, was auf eine unterschiedliche Rezeptorausstattung deutet. Neue Studien zeigen mittlerweile, dass das Medikament wohl auch für Männer geeignet ist, dann aber höher dosiert werden muss. 
  • Auch in Deutschland gibt es ein Beispiel, wo geschlechterabhängig unterschiedliche Dosierungen vorgeschlagen werden. Minoxidil, welches v. a. durch den Medikamentennamen Regaine® bekannt ist, ist ein Wirkstoff, der sich bei der Behandlung des erblich bedingten Haarausfalls bewährt hat. Da diese Art des Haarverlusts genetisch bedingt ist, können die Ursachen selbst nicht behandelt werden, jedoch kann dem Fortschreiten des Haarausfalls entgegen gewirkt werden. Bei Männern empfiehlt sich die Behandlung mit einer 5 %igen Minoxidil-Konzentration, für Frauen gibt es die 2 %ige Minoxidil-Lösung.

Weitere Forschungsfragen[Bearbeiten]

Häufig gebrauchte Arzneimittel wirken bei Frauen und Männern unterschiedlich. Viele Kenntnisse zu Geschlechterunterschieden in der Pharmakologie sind reine Zufallsprodukte, systematische Untersuchungen fehlt nach wie vor. Deshalb sind nicht nur epidemiologische Untersuchungen zur Geschlechterverteilung von Krankheiten notwendig, sondern v. a. auch Studien, die pharmakokinetische und (bisher kaum berücksichtigte) pharmakodynamische Aspekte oder das Ansprechen einer Therapie berücksichtigen. Ein zunehmendes Bewusstsein für geschlechterabhängige Unterschiede kann schließlich zu Erkenntnisfortschritten in der Pharmakotherapie führen.

Bei der Bestimmung einer geeigneten Medikamentendosis sollte zukünftig das jeweilige Geschlecht, aber auch Aspekte wie Körpergröße, Alter sowie Komorbiditäten stärker berücksichtigt werden. Im Allgemeinen können hormonelle und immunologische Faktoren sowie anatomische, physiologische, biochemische und endokrine Geschlechterunterschiede die Medikamenteneinnahme und -verträglichkeit beeinflussen.[40]Neben dem biologische Geschlecht stellen auch Aspekte des sozialen Geschlechts wie beispielsweise ärztliche Verordnungsgewohnheiten oder Selbstmedikation einen wichtigen Einflussfaktor dar. Eine adäquate Erforschung geschlechtersensibler Arzneimittelanwendung steht derzeit noch aus.[57]
 

Externe Links[Bearbeiten]

Literatur

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Lizenz[Bearbeiten]

Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode

Autoren[Bearbeiten]

Julia Schreitmüller

Zuletzt geändert: 2022-04-26 13:24:18

Die Einwirkung des Organismus auf ein eingenommenes Arzneimittel in Abhängigkeit von der Zeit.

Die Effekte des Arzneimittels am Zielort.

Eine Messgröße dafür, wie schnell und in welchem Umfang ein Arzneimittel resorbiert wird und am Wirkort zur Verfügung steht.

Prozess, bei dem körpereigene oder -fremde Stoffe durch lebende Zellen oder Gewebe aufgenommen werden.

Freier, normalerweise mit Speisebrei oder Stuhl ausgefüllter Raum innerhalb der Darmschlingen.

Abgabe von für den Organismus wichtigen Substanzen (beispielsweise Hormone, Verdauungsenzyme) durch spezialisierte Zellen.

(ADH) Ein Enzym, das die Reaktion von Alkoholen zu den entsprechenden Aldehyden oder Ketonen und auch die Rückreaktion dieser (Aldehyd zu Alkohol) katalysiert.

Konzentration eines körpereigenen oder körperfremden Stoffes im Blutplasma.

Medikamente zur Entspannung ("Relaxierung") der Skelettmuskulatur. Sie setzen den Muskeltonus herab.

Zwanghaftes Bedürfnis bzw. unwiderstehlicher Drang nach einem bestimmten Stimulus (Reiz), z. B. einer chemischen Substanz (Droge).

(Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) Wirkstoffgruppe der Antidepressiva, blockieren Serotonin-Transportproteine im ZNS, die für die Wiederaufnahme des Serotonins in die Präsynapse verantwortlich sind. Die Serotonin­konzentration im synaptischen Spalt wird so erhöht.

Die Häufigkeit einer Krankheit oder eines Symptoms in einer definierten Population zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Sedativ und anxiolytisch wirkende Arzneistoffe.

Weiße Blutzellen, zu finden im Blut, im Knochenmark, in den lymphatischen Organen und anderen Körpergeweben.

Eine Messgröße bei der Auswertung eines EKGs. Sie entspricht dem Zeitintervall vom Anfang des QRS-Komplexes bis zum Ende der T-Welle.

Hormone, die die Entwicklung der männlichen Geschlechtsmerkmale steuern.

(RDS) Gastroenterologisches Krankheitsbild, das durch diffuse abdominelle Beschwerden charakterisiert wird und oft auf psychosomatischen Faktoren beruht.

Soziales Geschlecht

Biologisches Geschlecht

(lat.: deprimere = herunterdrücken) Psychische Erkrankung, die durch die Hauptsymptome gedrückte Stimmung, Verlust an Interessen bzw. an Freude und deutliche Antriebsminderung gekennzeichnet ist.