Inanspruchnahme professioneller Hilfe/Fachartikel: Unterschied zwischen den Versionen

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2011 konsultierten Frauen ihren Hausarzt bzw. ihre Hausärztin durchschnittlich 6.1 Mal, Männer baten nur 4.7 Mal um medizinische Unterstützung.<ref>Merens A, van den Brakel, M. Emancipatiemonitor 2014. Den Haag: SCP/CBS; 2014 Dec 16.</ref> Frauen erleben mehr gesundheitliche Probleme und besuchen Praxen aller Fachrichtungen häufiger als Männer. Die Ursachen hierfür sind ähnlich wie deren Auswirkungen nicht endgültig bekannt.<ref>Keene J, Li X. Age and Gender Differences in Health Service Utilization. Journal of Public Health 2005; 27(1):74–9.</ref><br>Der relative Unterschied beim Aufsuchen medizinischer Unterstützung ist am größten bezüglich Beschwerden des Harntraktes. 2011 besuchten 12 Prozent der Frauen, aber nur vier Prozent der Männer ihren Hausarzt/ihre Hausärztin aufgrund urogenitaler Probleme.<ref>Merens A, van den Brakel, M. Emancipatiemonitor 2014. Den Haag: SCP/CBS; 2014 Dec 16.</ref> Weitere Erkrankungen, bei denen eine hohe Differenz besteht, sind Anämien und Diabetes mellitus. Dabei ist der Geschlechterunterschied bezüglich des hilfesuchenden Verhaltens über alle ethnischen Gruppen zu beobachten. Am größten ist die Differenz bei Personen türkischen Ursprungs. <br>Zudem ist die Anzahl an Krankenhausaufnahmen bei Frauen 20 Prozent höher als bei Männern. Zu berücksichtigen ist dabei die Aufnahme aufgrund von Schwangerschaft und Geburt, wobei die Differenz nach Korrektur immer noch bei zehn Prozent erhöhtem Frauenanteil liegt. Die diesbezüglich größte Differenz ergibt sich (neben Erkrankungen des urogenitalen Systems) bei Störungen des Nervensystems und der Muskeln bzw. Gelenke. Bezüglich dieser Erkrankungen werden Frauen 50 Prozent öfter als Männer stationär behandelt. Dagegen werden Männer 1.4 Mal häufiger als Frauen aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen aufgenommen. Bezüglich Erkrankungen des Verdauungssystems werden beide Geschlechter ungefähr gleich häufig stationär behandelten. Betrachtet man die Population der über 60-jährigen, werden mehr Männer als Frauen im Krankenhaus versorgt. Ursache sind dann hauptsächlich kardiovaskuläre und onkologische Erkrankungen.<ref>Whitson HE, Landerman LR, Newman AB, Fried LP, Pieper CF, Cohen HJ. Chronic medical conditions and the sex-based disparity in disability: the Cardiovascular Health Study. The journals of gerontology. Series A, Biological sciences and medical sciences 2010; 65(12):1325–31.</ref> <ref>Merens A, van den Brakel, M. Emancipatiemonitor 2014. Den Haag: SCP/CBS; 2014 Dec 16.</ref> 
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2011 konsultierten Frauen ihren Hausarzt bzw. ihre Haus&auml;rztin durchschnittlich 6.1 Mal, M&auml;nner baten nur 4.7 Mal um medizinische Unterst&uuml;tzung.<ref>Merens A, van den Brakel, M. Emancipatiemonitor 2014. Den Haag: SCP/CBS; 2014 Dec 16.</ref> Frauen erleben mehr gesundheitliche Probleme und besuchen Praxen aller Fachrichtungen h&auml;ufiger als M&auml;nner. Die Ursachen hierf&uuml;r sind &auml;hnlich wie deren Auswirkungen nicht endg&uuml;ltig bekannt.<ref>Keene J, Li X. Age and Gender Differences in Health Service Utilization. Journal of Public Health 2005; 27(1):74&ndash;9.</ref><br />
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Der relative Unterschied beim Aufsuchen medizinischer Unterst&uuml;tzung ist am gr&ouml;&szlig;ten bez&uuml;glich Beschwerden des Harntraktes. 2011 besuchten 12 Prozent der Frauen, aber nur vier Prozent der M&auml;nner ihren Hausarzt/ihre Haus&auml;rztin aufgrund urogenitaler Probleme.<ref>Merens A, van den Brakel, M. Emancipatiemonitor 2014. Den Haag: SCP/CBS; 2014 Dec 16.</ref> Weitere Erkrankungen, bei denen eine hohe Differenz besteht, sind An&auml;mien und Diabetes mellitus. Dabei ist der Geschlechterunterschied bez&uuml;glich des hilfesuchenden Verhaltens &uuml;ber alle ethnischen Gruppen zu beobachten. Am gr&ouml;&szlig;ten ist die Differenz bei Personen t&uuml;rkischen Ursprungs.&nbsp;<br />
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Zudem ist die Anzahl an Krankenhausaufnahmen bei Frauen 20 Prozent h&ouml;her als bei M&auml;nnern. Zu ber&uuml;cksichtigen ist dabei die Aufnahme aufgrund von Schwangerschaft und Geburt, wobei die Differenz nach Korrektur immer noch bei zehn Prozent erh&ouml;htem Frauenanteil liegt. Die diesbez&uuml;glich gr&ouml;&szlig;te Differenz ergibt sich (neben Erkrankungen des urogenitalen Systems) bei St&ouml;rungen des Nervensystems und der Muskeln bzw. Gelenke. Bez&uuml;glich dieser Erkrankungen werden Frauen 50 Prozent &ouml;fter als M&auml;nner station&auml;r behandelt. Dagegen werden M&auml;nner 1.4 Mal h&auml;ufiger als Frauen aufgrund kardiovaskul&auml;rer Erkrankungen aufgenommen. Bez&uuml;glich Erkrankungen des Verdauungssystems werden beide Geschlechter ungef&auml;hr gleich h&auml;ufig station&auml;r behandelten. Betrachtet man die Population der &uuml;ber 60-j&auml;hrigen, werden mehr M&auml;nner als Frauen im Krankenhaus versorgt. Ursache sind dann haupts&auml;chlich kardiovaskul&auml;re und onkologische Erkrankungen.<ref>Whitson HE, Landerman LR, Newman AB, Fried LP, Pieper CF, Cohen HJ. Chronic medical conditions and the sex-based disparity in disability: the Cardiovascular Health Study. The journals of gerontology. Series A, Biological sciences and medical sciences 2010; 65(12):1325&ndash;31.</ref> <ref>Merens A, van den Brakel, M. Emancipatiemonitor 2014. Den Haag: SCP/CBS; 2014 Dec 16.</ref>&nbsp;
  
Folge der geschlechterspezifischen Inanspruchnahme professioneller Hilfe ist nicht zuletzt die signifikant unterschiedliche Anzahl an Krankschreibungen. Damit zusammenhängend ergeben sich unterschiedlich viele berufliche Fehltage zwischen Frauen und Männern. Im Jahr 2015 fehlten Frauen 14 Prozent häufiger im Job als ihre männlichen Kollegen. Der aktuelle DAK-Gesundheitsreport beschreibt hierfür mehrere Gründe: Zum Beispiel sind Krebserkrankungen und psychische Beschwerden bei Frauen häufiger als bei Männern der Grund für Fehlzeiten (obwohl Männer durchschnittlich häufiger an Krebs erkranken). Männer fehlen dagegen öfter aufgrund von Verletzungen. Zudem wurde ermittelt, dass Frauen häufiger als Männer in Branchen oder Berufen mit hohem Krankenstand arbeiten und eher zu Präsentismus neigen (das heißt, krank zur Arbeit zu gehen). Schließlich melden sich Mütter eher als Väter krank, um ihr Kind bei Krankheit zu Hause zu versorgen. Grafik 1 stellt Geschlechterunterschiede bezüglich der Fehltage aufgrund verschiedener Erkrankungsbereiche dar (orientierend am DAK-Gesundheitsreport 2016).<ref>DAK-Gesundheitsreport 2016: Warum Frauen und Männer anders krank sind; 2016. Available from: URL: http://www.dak.de/dak/gesundheit/DAK-Gesundheitsreport_2016-1783254.html.</ref> <br>
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Folge der geschlechterspezifischen Inanspruchnahme professioneller Hilfe ist nicht zuletzt die signifikant unterschiedliche Anzahl an Krankschreibungen. Damit zusammenh&auml;ngend ergeben sich unterschiedlich viele berufliche Fehltage zwischen Frauen und M&auml;nnern. Im Jahr 2015 fehlten Frauen 14 Prozent h&auml;ufiger im Job als ihre m&auml;nnlichen Kollegen. Der aktuelle DAK-Gesundheitsreport beschreibt hierf&uuml;r mehrere Gr&uuml;nde: Zum Beispiel sind Krebserkrankungen und psychische Beschwerden bei Frauen h&auml;ufiger als bei M&auml;nnern der Grund f&uuml;r Fehlzeiten (obwohl M&auml;nner durchschnittlich h&auml;ufiger an Krebs erkranken). M&auml;nner fehlen dagegen &ouml;fter aufgrund von Verletzungen. Zudem wurde ermittelt, dass Frauen h&auml;ufiger als M&auml;nner in Branchen oder Berufen mit hohem Krankenstand arbeiten und eher zu Pr&auml;sentismus neigen (das hei&szlig;t, krank zur Arbeit zu gehen). Schlie&szlig;lich melden sich M&uuml;tter eher als V&auml;ter krank, um ihr Kind bei Krankheit zu Hause zu versorgen. Grafik 1 stellt Geschlechterunterschiede bez&uuml;glich der Fehltage aufgrund verschiedener Erkrankungsbereiche dar (orientierend am DAK-Gesundheitsreport 2016).<ref>DAK-Gesundheitsreport 2016: Warum Frauen und M&auml;nner anders krank sind; 2016. Available from: URL: http://www.dak.de/dak/gesundheit/DAK-Gesundheitsreport_2016-1783254.html.</ref>&nbsp;
  
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<small>&#39;&#39;&#39;Geschlechterunterschiede bez&uuml;glich der beruflichen Fehltage aufgrund verschiedener Erkrankungsbereiche.&#39;&#39;&#39;<br />
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[Quelle: GenderMed-Wiki, nach: DAK-Gesundheitsreport (2016)] </small>
  
[[Modul 1: Geschlecht und Medizin/Fachartikel | Mehr zum Thema finden Sie unter Modul 1: Geschlecht und Medizin]]<br>
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==Literatur==
 
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==Autoren==
 
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Julia Schreitmüller
  
 
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Version vom 22. September 2019, 17:23 Uhr

2011 konsultierten Frauen ihren Hausarzt bzw. ihre Hausärztin durchschnittlich 6.1 Mal, Männer baten nur 4.7 Mal um medizinische Unterstützung.[1] Frauen erleben mehr gesundheitliche Probleme und besuchen Praxen aller Fachrichtungen häufiger als Männer. Die Ursachen hierfür sind ähnlich wie deren Auswirkungen nicht endgültig bekannt.[2]
Der relative Unterschied beim Aufsuchen medizinischer Unterstützung ist am größten bezüglich Beschwerden des Harntraktes. 2011 besuchten 12 Prozent der Frauen, aber nur vier Prozent der Männer ihren Hausarzt/ihre Hausärztin aufgrund urogenitaler Probleme.[3] Weitere Erkrankungen, bei denen eine hohe Differenz besteht, sind Anämien und Diabetes mellitus. Dabei ist der Geschlechterunterschied bezüglich des hilfesuchenden Verhaltens über alle ethnischen Gruppen zu beobachten. Am größten ist die Differenz bei Personen türkischen Ursprungs. 
Zudem ist die Anzahl an Krankenhausaufnahmen bei Frauen 20 Prozent höher als bei Männern. Zu berücksichtigen ist dabei die Aufnahme aufgrund von Schwangerschaft und Geburt, wobei die Differenz nach Korrektur immer noch bei zehn Prozent erhöhtem Frauenanteil liegt. Die diesbezüglich größte Differenz ergibt sich (neben Erkrankungen des urogenitalen Systems) bei Störungen des Nervensystems und der Muskeln bzw. Gelenke. Bezüglich dieser Erkrankungen werden Frauen 50 Prozent öfter als Männer stationär behandelt. Dagegen werden Männer 1.4 Mal häufiger als Frauen aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen aufgenommen. Bezüglich Erkrankungen des Verdauungssystems werden beide Geschlechter ungefähr gleich häufig stationär behandelten. Betrachtet man die Population der über 60-jährigen, werden mehr Männer als Frauen im Krankenhaus versorgt. Ursache sind dann hauptsächlich kardiovaskuläre und onkologische Erkrankungen.[4] [5] 

Folge der geschlechterspezifischen Inanspruchnahme professioneller Hilfe ist nicht zuletzt die signifikant unterschiedliche Anzahl an Krankschreibungen. Damit zusammenhängend ergeben sich unterschiedlich viele berufliche Fehltage zwischen Frauen und Männern. Im Jahr 2015 fehlten Frauen 14 Prozent häufiger im Job als ihre männlichen Kollegen. Der aktuelle DAK-Gesundheitsreport beschreibt hierfür mehrere Gründe: Zum Beispiel sind Krebserkrankungen und psychische Beschwerden bei Frauen häufiger als bei Männern der Grund für Fehlzeiten (obwohl Männer durchschnittlich häufiger an Krebs erkranken). Männer fehlen dagegen öfter aufgrund von Verletzungen. Zudem wurde ermittelt, dass Frauen häufiger als Männer in Branchen oder Berufen mit hohem Krankenstand arbeiten und eher zu Präsentismus neigen (das heißt, krank zur Arbeit zu gehen). Schließlich melden sich Mütter eher als Väter krank, um ihr Kind bei Krankheit zu Hause zu versorgen. Grafik 1 stellt Geschlechterunterschiede bezüglich der Fehltage aufgrund verschiedener Erkrankungsbereiche dar (orientierend am DAK-Gesundheitsreport 2016).[6] 

 

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'''Geschlechterunterschiede bezüglich der beruflichen Fehltage aufgrund verschiedener Erkrankungsbereiche.'''
[Quelle: GenderMed-Wiki, nach: DAK-Gesundheitsreport (2016)]

Mehr zum Thema finden Sie unter Modul 1: Geschlecht und Medizin

Literatur

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  1. Merens A, van den Brakel, M. Emancipatiemonitor 2014. Den Haag: SCP/CBS; 2014 Dec 16.
  2. Keene J, Li X. Age and Gender Differences in Health Service Utilization. Journal of Public Health 2005; 27(1):74–9.
  3. Merens A, van den Brakel, M. Emancipatiemonitor 2014. Den Haag: SCP/CBS; 2014 Dec 16.
  4. Whitson HE, Landerman LR, Newman AB, Fried LP, Pieper CF, Cohen HJ. Chronic medical conditions and the sex-based disparity in disability: the Cardiovascular Health Study. The journals of gerontology. Series A, Biological sciences and medical sciences 2010; 65(12):1325–31.
  5. Merens A, van den Brakel, M. Emancipatiemonitor 2014. Den Haag: SCP/CBS; 2014 Dec 16.
  6. DAK-Gesundheitsreport 2016: Warum Frauen und Männer anders krank sind; 2016. Available from: URL: http://www.dak.de/dak/gesundheit/DAK-Gesundheitsreport_2016-1783254.html.

Lizenz

Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode

Autoren

Julia Schreitmüller

Zuletzt geändert: 2019-09-22 18:22:59