Geschlecht und Gewalt - Ein Überblick/Fachartikel: Unterschied zwischen den Versionen

(Gewalt bei Menschen mit Behinderungen)
 
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==Epidemiologische Daten==
  
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Repr&auml;sentative Daten von 2008 ergeben, dass ungef&auml;hr jede vierte Frau in Deutschland im Laufe ihres Erwachsenenlebens k&ouml;rperliche und/oder sexuelle Gewalt in Ehe oder Partnerschaft erlebt. Damit erfolgen gewaltt&auml;tige &Uuml;bergriffe an Frauen &uuml;berwiegend im h&auml;uslichen Umfeld. Werden Gewalterfahrungen au&szlig;erhalb der Partnerschaft miteinbezogen, betr&auml;gt der Anteil betroffener Frauen, die seit dem 16. Lebensjahr &nbsp;k&ouml;rperliche Gewalt (z. B. Ohrfeigen, Tritte, Faustschl&auml;ge oder Waffengewalt) erlebt haben, 37 Prozent. Dabei gaben ungef&auml;hr ein Drittel der betroffenen Frauen an, mittlere bis schwere Formen von k&ouml;rperlichen Gewalt erlebt zu haben (z. B. lebensgef&auml;hrliche Verletzungen oder wiederholte Gewaltsituationen). Unter (strafrechtlich relevanten) sexuellen &Uuml;bergriffen (z. B. Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung oder sexuelle N&ouml;tigung) hatten 13 Prozent (etwa jede siebte Frau) der Befragten (ab 16 Jahre) bereits gelitten. Bezieht man weitere Formen sexualisierter Gewalt mit ein (z. B. schwere sexuelle Bel&auml;stigung) steigt der Anteil der Betroffenen sexueller Gewalt auf 58 Prozent. 42 Prozent der befragten Frauen waren im Erwachsenenalter bereits psychischer Gewalt ausgesetzt (z. B. Drohungen, Dem&uuml;tigung oder aggressives Anschreien). Eine &Uuml;bersicht zu Pr&auml;valenzen verschiedener Gewalterfahrungen bei Frauen ist &#39;&#39;Grafik 1&#39;&#39; zu entnehmen.<ref>Schr&ouml;ttle M, M&uuml;ller U (2004) Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repr&auml;sentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministerium f&uuml;r Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Kurz- und Langfassungen dieser und der folgenden Dokumentationen unter: www.bmfsfj.de/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte,did=20560.html</ref>&nbsp;<ref>Hornberg, C., Schr&ouml;ttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., &amp; Bohne, S. (2008). Themenheft 42&quot; Gesundheitliche Folgen von Gewalt&quot; Unter besonderer Ber&uuml;cksichtigung von h&auml;uslicher Gewalt gegen Frauen.</ref>&nbsp;Dabei gilt zu ber&uuml;cksichtigen, dass viele Frauen unter multiplen Formen der Gewalt leiden m&uuml;ssen.
  
== Epidemiologische Daten ==
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Repräsentative Daten von 2008 ergeben, dass ungefähr jede vierte Frau in Deutschland im Laufe ihres Erwachsenenlebens körperliche und/oder sexuelle Gewalt in Ehe oder Partnerschaft erlebt. Damit erfolgen gewalttätige Übergriffe an Frauen überwiegend im häuslichen Umfeld. Werden Gewalterfahrungen außerhalb der Partnerschaft mit einbezogen, beträgt der Anteil betroffener Frauen, die seit dem 16. Lebensjahr  körperliche Gewalt (z. B. Ohrfeigen, Tritte, Faustschläge oder Waffengewalt) erlebt haben, 37 Prozent. Dabei gaben ungefähr ein Drittel der betroffenen Frauen an, mittlere bis schwere Formen von körperlichen Gewalt erlebt zu haben (z. B. lebensgefährliche Verletzungen oder wiederholte Gewaltsituationen). Unter (strafrechtlich relevanten) sexuellen Übergriffen (z. B. Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung) hatten 13 Prozent (etwa jede siebte Frau) der Befragten (ab 16 Jahre) bereits gelitten. Bezieht man weitere Formen sexualisierter Gewalt mit ein (z. B. schwere sexuelle Belästigung) steigt der Anteil der Betroffenen sexueller Gewalt auf 58 Prozent. 42 Prozent der befragten Frauen waren im Erwachsenenalter bereits psychischer Gewalt ausgesetzt (z. B. Drohungen, Demütigung oder aggressives Anschreien). Eine Übersicht zu Prävalenzen verschiedener Gewalterfahrungen bei Frauen ist ''Grafik 1'' zu entnehmen.<ref>Schröttle M, Müller U (2004) Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Kurz- und Langfassungen dieser und der folgenden Dokumentationen unter: www.bmfsfj.de/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte,did=20560.html</ref> <ref>Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.</ref>
 
  
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[[Datei:Prävalenzen Gewalt an Frauen.png|thumb|left|500px|<small>'''Grafik 1. Lebenszeitprävalenzen von Gewalt gegen Frauen in Deutschland seit dem 16. Lebensjahr. [Quelle: Schröttle & Müller (2004)]'''</small>]]
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<strong>Grafik 1. Lebenszeitpr&auml;valenzen von Gewalt gegen Frauen in Deutschland seit dem 16. Lebensjahr. [Quelle: Schr&ouml;ttle &amp; M&uuml;ller (2004)]</strong>
  
[[Datei:Prävalenzen Gewalt an Männern.png|thumb|left|500px|<small>'''Grafik 2. Lebenszeitprävalenzen von Gewalt gegen Männer in Deutschland seit dem 18. Lebensjahr (nicht repräsentativ). [Quelle: BMFSFJ (2004)]'''</small>]]
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Lange Zeit wurden von Gewalt betroffene Männer in Studien wenig berücksichtigt.<ref>Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.</ref> Im öffentlichen Diskurs wird die Verletzbarkeit von Männern oft nicht wahrgenommen und repräsentative Daten existieren derzeit noch nicht. Dennoch legen Studienergebnisse nahe, dass die Viktimisierung durch Gewalt als geschlechterübergreifend zu verstehen ist und Männer unterschiedlicher Kontexte und Altersklassen von Gewalt betroffen sind.<ref>Jungnitz L, Lenz HJ, Puchert R et al. (Hrsg) (2007) Gewalt gegen Männer. Personale Gewaltwiderfahrnisse
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<strong>Grafik 2. Lebenszeitpr&auml;valenzen von Gewalt gegen M&auml;nner in Deutschland seit dem 18. Lebensjahr (nicht repr&auml;sentativ). [Quelle: BMFSFJ (2004)]</strong>
von Männern in Deutschland. Verlag Barbara Budrich, Opladen</ref> So scheinen Männer ungefähr genauso oft wie Frauen, zuweilen sogar öfter, von Gewalt betroffen zu sein.<ref>Kury H, Dörmann, U, Richter H et al. (1996) Opfererfahrung und Meinungen zur inneren Sicherheit in Deutschland. Ein empirischer Vergleich von Viktimisierungen, Anzeigeverhalten und Sicherheitseinschätzung in Ost- und West vor der Vereinigung. Bundeskriminalamt, Wiesbaden.</ref> Jugendliche und junge Männer sind dabei nicht nur eine Risikogruppe bezüglich des Ausübens von Gewalttaten, sondern werden auch besonders häufig zu Gewaltopfern. Gewaltkontexte sind dann häufig öffentliche Räume wie die Schule, die Ausbildungsstätte, der Wehrdienst oder auch  Freizeiteinrichtungen und Sportvereine. Auch innerhalb der Peergroup kommt es gehäuft zu Gewaltäußerungen. Evaluative (nicht repräsentative) Daten des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ergeben dabei Folgendes: 40 Prozent der Befragten gaben an, in ihrem Erwachsenenalter von körperlicher Gewalt betroffen gewesen zu sein, 5 Prozent erlebten sexuelle Übergriffe und 58 Prozent waren psychischer Gewalt (vorwiegend im Arbeitskontext) ausgesetzt. 25 Prozent äußerten zudem, schon einmal körperliche Übergriffe in ihrer Partnerschaft erlebt zu haben, wobei dabei eine deutlich geringere Intensität und Häufigkeit im Vergleich zur Viktimisierung bei Frauen zu bestehen scheint.<ref>Forschungsverbund (2004) Gewalt gegen Männer. Personale Gewaltwiderfahrnisse von Männern in Deutschland. Abschlussbericht der Pilotstudie im Auftrag des BMFSFJ. Berlin www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte.html</ref> Eine Übersicht der (nicht repräsentativen) Prävalenzen unterschiedlicher Gewaltformen bei Männern ist ''Grafik 2'' zu entnehmen.
 
  
Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend können langfristige Gesundheitsprobleme zufolge haben und erhöhen das Risiko auch im Erwachsenenalter unter Gewaltanwendungen zu leiden bzw. selbst TäterIn zu werden. Nach einer Studie des Robert-Koch-Instituts von 2007 scheinen Jungen deutlich häufiger als Mädchen von Gewalt betroffen zu sein (als Täter und als Opfer). Der Geschlechterunterschied ist sowohl bezüglich Opfersein als auch bezüglich TäterInnenschaft hochsignifikant, der genaue Geschlechtervergleich ist ''Grafik 3'' zu entnehmen. Damit zusammenhängend ergibt sich, dass die Gewaltbefürwortung (zur Konfliktbearbeitung) bei Jungen hochsignifikant höher ist als bei Mädchen (bei beiden Geschlechtern nimmt diese Gewaltbefürwortung mit dem Alter hochsignifikant ab).<ref>Schlack, R., & Hölling, H. (2007). Gewalterfahrungen von Kindern und Jugendlichen im subjektiven Selbstbericht. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 50(5-6), 819-826.</ref> Mädchen sind ähnlich wie Frauen deutlich häufiger von schwerem sexuellen Missbrauch betroffen als Jungen.<ref>Häuser, W., Schmutzer, G., Brähler, E., & Glaesmer, H. (2011). Misshandlungen in Kindheit und Jugend. Deutsches Ärzteblatt, 108, 17.</ref>
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Lange Zeit wurden von Gewalt betroffene M&auml;nner in Studien wenig ber&uuml;cksichtigt.<ref>Hornberg, C., Schr&ouml;ttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., &amp; Bohne, S. (2008). Themenheft 42&quot; Gesundheitliche Folgen von Gewalt&quot; Unter besonderer Ber&uuml;cksichtigung von h&auml;uslicher Gewalt gegen Frauen.</ref>&nbsp;Im &ouml;ffentlichen Diskurs wird die Verletzbarkeit von M&auml;nnern oft nicht wahrgenommen und repr&auml;sentative Daten existieren derzeit noch nicht. Dennoch legen Studienergebnisse nahe, dass die Viktimisierung durch Gewalt als geschlechter&uuml;bergreifend zu verstehen ist und M&auml;nner unterschiedlicher Kontexte und Altersklassen von Gewalt betroffen sind.<ref>Jungnitz L, Lenz HJ, Puchert R et al. (Hrsg) (2007) Gewalt gegen M&auml;nner. Personale Gewaltwiderfahrnisse von M&auml;nnern in Deutschland. Verlag Barbara Budrich, Opladen</ref>&nbsp;So scheinen M&auml;nner ungef&auml;hr genauso oft wie Frauen, zuweilen sogar &ouml;fter, von Gewalt betroffen zu sein.<ref>Kury H, D&ouml;rmann, U, Richter H et al. (1996) Opfererfahrung und Meinungen zur inneren Sicherheit in Deutschland. Ein empirischer Vergleich von Viktimisierungen, Anzeigeverhalten und Sicherheitseinsch&auml;tzung in Ost- und West vor der Vereinigung. Bundeskriminalamt, Wiesbaden</ref>&nbsp;Jugendliche und junge M&auml;nner sind dabei nicht nur eine Risikogruppe bez&uuml;glich des Aus&uuml;bens von Gewalttaten, sondern werden auch besonders h&auml;ufig zu Gewaltopfern. Gewaltkontexte sind dann h&auml;ufig &ouml;ffentliche R&auml;ume wie die Schule, die Ausbildungsst&auml;tte, der Wehrdienst oder auch &nbsp;Freizeiteinrichtungen und Sportvereine. Auch innerhalb der Peergroup kommt es geh&auml;uft zu Gewalt&auml;u&szlig;erungen. Evaluative (nicht repr&auml;sentative) Daten des Bundesministerium f&uuml;r Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ergeben dabei Folgendes: 40 Prozent der Befragten gaben an, in ihrem Erwachsenenalter von k&ouml;rperlicher Gewalt betroffen gewesen zu sein, 5 Prozent erlebten sexuelle &Uuml;bergriffe und 58 Prozent waren psychischer Gewalt (vorwiegend im Arbeitskontext) ausgesetzt. 25 Prozent &auml;u&szlig;erten zudem, schon einmal k&ouml;rperliche &Uuml;bergriffe in ihrer Partnerschaft erlebt zu haben, wobei dabei eine deutlich geringere Intensit&auml;t und H&auml;ufigkeit im Vergleich zur Viktimisierung bei Frauen zu bestehen scheint.<ref>Forschungsverbund (2004) Gewalt gegen M&auml;nner. Personale Gewaltwiderfahrnisse von M&auml;nnern in Deutschland. Abschlussbericht der Pilotstudie im Auftrag des BMFSFJ. Berlin www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte.html</ref>&nbsp;Eine &Uuml;bersicht der (nicht repr&auml;sentativen) Pr&auml;valenzen unterschiedlicher Gewaltformen bei M&auml;nnern ist &#39;&#39;Grafik 2&#39;&#39; zu entnehmen.&nbsp;
  
[[Datei:Gewalt im Kindes- und Jugendalter.PNG|thumb|left|500px|<small>'''Grafik 3. 12-Monats-Prävalenz von Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend (11-17 Jahre). [Quelle: Schlack & Hölling (2007)]'''<br />
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Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend k&ouml;nnen langfristige Gesundheitsprobleme zufolge haben und erh&ouml;hen das Risiko auch im Erwachsenenalter unter Gewaltanwendungen zu leiden bzw. selbst T&auml;terIn zu werden. Nach einer Studie des Robert-Koch-Instituts von 2007 scheinen Jungen deutlich h&auml;ufiger als M&auml;dchen von Gewalt betroffen zu sein (als T&auml;ter und als Opfer). Der Geschlechterunterschied ist sowohl bez&uuml;glich Opfersein als auch bez&uuml;glich T&auml;terInnenschaft hochsignifikant, der genaue Geschlechtervergleich ist &#39;&#39;Grafik 3&#39;&#39; zu entnehmen. Damit zusammenh&auml;ngend ergibt sich, dass die Gewaltbef&uuml;rwortung (zur Konfliktbearbeitung) bei Jungen hochsignifikant h&ouml;her ist als bei M&auml;dchen (bei beiden Geschlechtern nimmt diese Gewaltbef&uuml;rwortung mit dem Alter hochsignifikant ab).<ref>Schlack, R., &amp; H&ouml;lling, H. (2007). Gewalterfahrungen von Kindern und Jugendlichen im subjektiven Selbstbericht. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 50(5-6), 819-826.</ref>&nbsp;M&auml;dchen sind &auml;hnlich wie Frauen deutlich h&auml;ufiger von schwerem sexuellen Missbrauch betroffen als Jungen.<ref>H&auml;user, W., Schmutzer, G., Br&auml;hler, E., &amp; Glaesmer, H. (2011). Misshandlungen in Kindheit und Jugend. Deutsches &Auml;rzteblatt, 108, 17.</ref>
<nowiki>**</nowiki> p ≤ .01 = hochsignifikanter Geschlechterunterschied</small>]]
 
  
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Festgehalten werden kann, dass bei beiden Geschlechtern ein erheblicher Anteil in Kindheit und/oder im  Erwachsenenalter von Gewalt betroffen ist. Dabei sind Männer besonders in Kindheit und Jugend sowie im jungen Erwachsenenalter Betroffene von körperlicher Gewalt, während Frauen zusätzlich im mittleren Alter besonders häufig körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Geschlechterunterschiede äußern sich vor allem darin, dass Frauen sehr viel häufiger deutlich schwerere Formen von Gewalt in der Partnerschaft sowie sexuelle Gewalt erleben, während Männer öfter körperlicher Gewalt im öffentlichen Raum ausgesetzt sind. Bezüglich psychischer Gewalt scheinen keine Geschlechterunterschiede in der Häufigkeit vorzuliegen: Beide Geschlechter scheinen in hohem Maß betroffen zu sein, wobei kontextspezifisch noch keine Aussagen getroffen werden können.<ref>Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.</ref>
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===Häusliche und sexualisierte Gewalt an Frauen===
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<strong>Grafik 3. 12-Monats-Pr&auml;valenz&nbsp;von Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend (11-17 Jahre). [Quelle: Schlack &amp; H&ouml;lling (2007)]<br />
Kriminalstatistische Auswertung bestätigen: In den meisten Fällen sind es Frauen (82 %), die von Partnerschaftsgewalt betroffen sind und fast die Hälfte dieser Frauen lebte zum Zeitpunkt der Gewaltausübung mit dem Täter in einem Haushalt (49 %). Häusliche Gewalt gegenüber Frauen kommt in allen sozialen Schichten vor und auch die oft vermutete soziale Auffälligkeit der Täter bzw. der Familien, in denen Gewalt ausgeübt wird, ist nur selten zu beobachten. Allein im Jahr 2015 waren über 104 000 Frauen in Deutschland von Partnerschaftsgewalt betroffen. Dabei erlitten die Frauen unterschiedliche Formen der Gewalt: Von vorsätzlicher einfacher Körperverletzung waren über 65 800 Frauen, von Bedrohung über 16 200 Frauen, von gefährlicher Körperverletzung über 11 400 Frauen, von Stalking über 7 900 Frauen und von Mord und Totschlag 331 Frauen betroffen. Bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung in Partnerschaften sind die Betroffenen beinahe zu 100 Prozent weiblich, bei Stalking und Bedrohung in der Partnerschaft sind es fast 90 Prozent. Von vorsätzlicher und einfacher Körperverletzung sowie von Mord und Totschlag in Paarbeziehungen sind 80 Prozent der Betroffenen weiblichen Geschlechts.<ref>BMFSFJ: Presse­mitteilung. Wenn das eigene Zuhause nicht sicher ist – Gewalt in Paarbeziehungen. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/wenn-das-eigene-zuhause-nicht-sicher-ist---gewalt-in-paarbeziehungen/112658, 22.11.2016</ref> Als TäterIn werden fast ausschließlich männliche Beziehungspartner genannt. In einer vom BMFSFJ geförderten Untersuchung gaben nur ein Prozent der befragten Frauen an, Übergriffe durch eine Beziehungspartnerin erlebt zu haben. Bezüglich der Höhe von Prävalenzen häuslicher Gewalt kann davon ausgegangen werden, dass es sich zumindest teilweise um Mindestwerte handelt. Besonders bei den stärker tabuisierten Gewaltformen und bei Kontexten im Bereich engster sozialer Beziehungen scheinen Gewaltprävalenzen in Wirklichkeit noch höher zu sein. Im europäischen Vergleich deuten die Prävalenzen von Gewalt an Frauen in Deutschland auf eine mittlere bis hohe Gewaltbetroffenheit hin.<ref>Müller, U., Schöttle, M., Hess, D., & Prussog-Wagner, A. (2004). Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland.</ref>
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&nbsp;</strong>** p &le; .01 = hochsignifikanter Geschlechterunterschied
  
===Gewalt bei Menschen mit Behinderungen===
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Festgehalten werden kann, dass bei beiden Geschlechtern ein erheblicher Anteil in Kindheit und/oder im &nbsp;Erwachsenenalter von Gewalt betroffen ist. Dabei sind M&auml;nner besonders in Kindheit und Jugend sowie im jungen Erwachsenenalter Betroffene von k&ouml;rperlicher Gewalt, w&auml;hrend Frauen zus&auml;tzlich im mittleren Alter besonders h&auml;ufig k&ouml;rperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Geschlechterunterschiede &auml;u&szlig;ern sich vor allem darin, dass Frauen sehr viel h&auml;ufiger deutlich schwerere Formen von Gewalt in der Partnerschaft sowie sexuelle Gewalt erleben, w&auml;hrend M&auml;nner &ouml;fter k&ouml;rperlicher Gewalt im &ouml;ffentlichen Raum ausgesetzt sind. Bez&uuml;glich psychischer Gewalt scheinen keine Geschlechterunterschiede in der H&auml;ufigkeit vorzuliegen: Beide Geschlechter scheinen in hohem Ma&szlig; betroffen zu sein, wobei kontextspezifisch noch keine Aussagen getroffen werden k&ouml;nnen.<ref>Hornberg, C., Schr&ouml;ttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., &amp; Bohne, S. (2008). Themenheft 42&quot; Gesundheitliche Folgen von Gewalt&quot; Unter besonderer Ber&uuml;cksichtigung von h&auml;uslicher Gewalt gegen Frauen.</ref>
Menschen mit Behinderung sind aufgrund ihrer körperlichen und/oder kognitiven Abhängigkeit oftmals einem besonderem Risiko ausgesetzt, von Gewalt betroffen zu sein. Dabei ergibt sich ein ähnlicher Geschlechterunterschied wie in der Gesamtbevölkerung: Während vor allem Frauen unter sexualisierter Gewalt leiden müssen, sind Männer öfter von körperlicher Gewalt betroffen. Allerdings ist der Anteil derer, die von Gewalt betroffen sind, maßgeblich höher als in der Gesamtbevölkerung. Beispielsweise ergibt sich in einer Untersuchung von Hornberg und Schröttle (2013), dass 43 Prozent der Männer in der Gesamtbevölkerung körperlicher Gewalt ausgesetzt sind, bei Männern mit Behinderung sind es 71 Prozent.<ref>Schröttle, M., & Hornberg, C. (2013). Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland. Ergebnisse der quantitativen Befragung. Endbericht. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.). Berlin: BMFSFJ.</ref> Zudem sind Frauen mit Behinderung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zwei- bis dreimal so häufig von sexueller Gewalt betroffen. Ein besonderes Risiko stellen dabei Versorgungseinrichtungen, aber auch Schulen und Internate dar.<ref>Schröttle, M., Hornberg, C., Neder, N., Mecke, D., Elli, O., & Vogt, K. (2014). Gewalterfahrungen von in Einrichtungen lebenden Frauen mit Behinderungen-Ausmaß, Risikofaktoren, Prävention. Interdisziplinäres Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universität Bielefeld im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.</ref> Menschen mit Behinderung sind deutlich häufiger psychischer Gewalt ausgesetzt als Menschen ohne Behinderungen, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer.  Auch ist über ein Viertel der Frauen mit Behinderung multipler und wiederholter Gewalt ausgesetzt, während der Anteil betroffener Männer hier bei unter 10 Prozent liegt. Angaben zu Täter und Täterinnen sind in dieser Bevölkerungsgruppe ähnlich wie in der Gesamtbevölkerung: Beeinträchtigte Frauen geben an, häufiger von Personen (Männern oder Frauen) aus dem sozialen Umfeld misshandelt zu werden (oft Angehörige oder der Partner/die Partnerin), beeinträchtigte Männer scheinen dagegen eher Gewalt im öffentlichen Raum ausgesetzt zu sein. Die Studienlage bestätigt, dass Behinderung als Risikofaktor für Gewalterlebnisse gewertet werden kann und damit ein erhöhtes Risiko für weitere Behinderungen besteht.<ref>Schröttle, M., & Hornberg, C. (2013). Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland. Ergebnisse der quantitativen Befragung. Endbericht. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.). Berlin: BMFSFJ.</ref>
 
  
===Gewalt im Kontext von Migration und Flucht===
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==H&auml;usliche und sexualisierte Gewalt an Frauen==
Der Zusammenhang zwischen (häuslicher) Gewalt, Migration und Gesundheit wurde bisher nur in wenigen Studien untersucht. Zu berücksichtigen ist dabei unbedingt, dass Frauen und Männer mit Migrationshintergrund eine sehr heterogene Gruppe repräsentieren.  Verschiedene Studien belegen einen Zusammenhang zwischen
 
Migrationshintergrund und Gesundheit <ref>Schröttle M, Khelaifat N (2008) Gesundheit – Gewalt – Migration: Eine vergleichende Sekundäranalyse zur gesundheitlichen Gewaltsituation von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland. Ein Forschungsprojekt des Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universität Bielefeld im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
 
Frauen und Jugend. Veröffentlichung der Kurz- und Langfassung im Internet unter: www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Forschungsnetzforschungsberichte,did=108722.html</ref> <ref>Spallek J, Razum O (2007) Gesundheit von Migranten: Defizite im Bereich der Prävention. Medizinische
 
Klinik 102 (6): 451–456.</ref> sowie zwischen Migrationshintergrund und Gewalt.<ref>Schröttle M, Khelaifat N (2008) Gesundheit – Gewalt – Migration: Eine vergleichende Sekundäranalyse zur gesundheitlichen Gewaltsituation von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland. Ein Forschungsprojekt des Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universität Bielefeld im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Veröffentlichung der Kurz- und Langfassung im Internet unter: www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Forschungsnetzforschungsberichte,did=108722.html</ref> <ref>Raj A, Silverman JG (2003) Immigrant South Asian women at greater risk for injury from intimate partner violence. American Journal of Public Health 93 (3): 435–437</ref> Nach den Ergebnissen einer deutschen Prävalenzstudie sind Frauen mit türkischem Migrationshintergrund im Vergleich zu osteuropäischen Migrantinnen und Frauen ohne Migrationshintergrund in einem höherem Maß von schwerer körperlicher und/oder sexueller Gewalt mit Verletzungsfolgen in der Partnerschaft betroffen. Im öffentlichen Raum erfuhren beide Migrantinnengruppen deutlich häufiger als Nicht-Migrantinnen psychische Gewalt und Diskriminierung. Eine nichtrepräsentative Studie mit Asylbewerberinnen ergab, dass diese im Vergleich zu anderen Befragungsgruppen am stärksten von Gewalt in unterschiedlichen Lebensbereichen betroffen waren.<ref>Schröttle M, Khelaifat N (2008) Gesundheit – Gewalt – Migration: Eine vergleichende Sekundäranalyse zur gesundheitlichen Gewaltsituation von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland. Ein Forschungsprojekt des Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universität Bielefeld im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
 
Frauen und Jugend. Veröffentlichung der Kurz- und Langfassung im Internet unter: www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Forschungsnetzforschungsberichte,did=108722.html</ref>  Die Gewalterfahrungen waren dabei nicht auf häusliche Gewalt beschränkt, sondern  schlossen vielfältige psychische, körperliche und sexualisierte Übergriffe durch unbekannte Personen, durch MitbewohnerInnen in Gemeinschaftsunterkünften sowie durch MitarbeiterInnen und Betreuungspersonen in Ämtern, Schulen, Behörden und Hilfseinrichtungen ein.<ref>Schröttle M, Müller U (2004) Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Kurz- und Langfassungen dieser und der folgenden Dokumentationen unter: www.bmfsfj.de/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte,did=20560.html</ref> Zudem ist bei Asylbewerbern und Asylbewerberinnen häufig von vergangenen Gewalterfahrungen und Traumatisierungen im Kontext von Krieg, Verfolgung und Flucht auszugehen, so dass die Prävalenz Posttraumatischer Belastungsstörung entsprechend hoch ist.<ref>Gäbel U, Ruf M, Schauer M et al. (2005) Prävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) und Möglichkeiten der Ermittlung in der
 
Asylverfahrenspraxis. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie 35 (1): 12–20.</ref>
 
  
Wichtig ist, dass die oft unterstellte und teilweise auch reale Legitimierung von Gewalt gegen Frauen in bestimmten Kultur- und Religionszusammenhängen die höhere Gewaltbetroffenheit von Migrantinnen nicht hinreichend erklärt. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass kumulative Belastungen durch Faktoren wie Minoritätenstatus, ungesicherter Aufenthaltsstatus, mangelnde Integration, finanzielle Probleme, Arbeitslosigkeit, beengte Wohnverhältnisse, Statusverlust sowie fehlende soziale Netzwerke Gewalt deutlich begünstigen.<ref>Hague G, Gangoli G, Joseph H et al. (2006) Domestic violence, marriage and immigration: if you are immigrating into the UK to marry, what you might need to know. The Violence Against Women Research Group, University of Bristol, Bristol.</ref> <ref>Belser K (2005) Häusliche Gewalt kommt in allen Kreisen vor nur in manchen vielleicht etwas häufiger. Häusliche Gewalt und Migration: Einführung zum Schwerpunktthema. Frauenfragen 1/2005. IVAWS, Bern. www.frauenkommission.ch/pdf/Belser_d.pdf</ref> Die häufige finanzielle Abhängigkeiten der Migrantinnen von ihren Ehemännern erschweren zusätzlich das Herauslösen aus gewaltbelasteten Partnerschaften.<ref>Erez E, Hartley CC (2003) Battered immigrant women and the legal system: a therapeutic jurisprudence perspective. Western Criminology Review 4: 155–169</ref> Dies gilt vor allem für illegal eingereiste Migrantinnen und Frauen ohne eigenständigen Aufenthaltsstatus. Besonders Zwangsprostitution und Zwangsehen bilden dabei Kontexte, die besonders gewaltgeprägt sind.<ref>Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.</ref>
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Kriminalstatistische Auswertung best&auml;tigen: In den meisten F&auml;llen sind es Frauen (82 %), die von Partnerschaftsgewalt betroffen sind und fast die H&auml;lfte dieser Frauen lebte zum Zeitpunkt der Gewaltaus&uuml;bung mit dem T&auml;ter in einem Haushalt (49 %). H&auml;usliche Gewalt gegen&uuml;ber Frauen kommt in allen sozialen Schichten vor und auch die oft vermutete soziale Auff&auml;lligkeit der T&auml;ter bzw. der Familien, in denen Gewalt ausge&uuml;bt wird, ist nur selten zu beobachten. Allein im Jahr 2015 waren &uuml;ber 104 000 Frauen in Deutschland von Partnerschaftsgewalt betroffen. Dabei erlitten die Frauen unterschiedliche Formen der Gewalt: Von vors&auml;tzlicher einfacher K&ouml;rperverletzung waren &uuml;ber 65 800 Frauen, von Bedrohung &uuml;ber 16 200 Frauen, von gef&auml;hrlicher K&ouml;rperverletzung &uuml;ber 11 400 Frauen, von Stalking &uuml;ber 7 900 Frauen und von Mord und Totschlag 331 Frauen betroffen. Bei Vergewaltigung und sexueller N&ouml;tigung in Partnerschaften sind die Betroffenen beinahe zu 100 Prozent weiblich, bei Stalking und Bedrohung in der Partnerschaft sind es fast 90 Prozent. Von vors&auml;tzlicher und einfacher K&ouml;rperverletzung sowie von Mord und Totschlag in Paarbeziehungen sind 80 Prozent der Betroffenen weiblichen Geschlechts.<ref>BMFSFJ: Presse&shy;mitteilung. Wenn das eigene Zuhause nicht sicher ist &ndash; Gewalt in Paarbeziehungen. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/wenn-das-eigene-zuhause-nicht-sicher-ist---gewalt-in-paarbeziehungen/112658, 22.11.2016</ref>&nbsp;Als T&auml;terIn werden fast ausschlie&szlig;lich m&auml;nnliche Beziehungspartner genannt. In einer vom BMFSFJ gef&ouml;rderten Untersuchung gaben nur ein Prozent der befragten Frauen an, &Uuml;bergriffe durch eine Beziehungspartnerin erlebt zu haben. Bez&uuml;glich der H&ouml;he von Pr&auml;valenzen h&auml;uslicher Gewalt kann davon ausgegangen werden, dass es sich zumindest teilweise um Mindestwerte handelt. Besonders bei den st&auml;rker tabuisierten Gewaltformen und bei Kontexten im Bereich engster sozialer Beziehungen scheinen Gewaltpr&auml;valenzen in Wirklichkeit noch h&ouml;her zu sein. Im europ&auml;ischen Vergleich deuten die Pr&auml;valenzen von Gewalt an Frauen in Deutschland auf eine mittlere bis hohe Gewaltbetroffenheit hin.<ref>M&uuml;ller, U., Sch&ouml;ttle, M., Hess, D., &amp; Prussog-Wagner, A. (2004). Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland.</ref>
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==Gewalt bei Menschen mit Behinderung==
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Menschen mit Behinderung sind aufgrund ihrer k&ouml;rperlichen und/oder kognitiven Abh&auml;ngigkeit oftmals einem besonderem Risiko ausgesetzt, von Gewalt betroffen zu sein. Dabei ergibt sich ein &auml;hnlicher Geschlechterunterschied wie in der Gesamtbev&ouml;lkerung: W&auml;hrend vor allem Frauen unter sexualisierter Gewalt leiden m&uuml;ssen, sind M&auml;nner &ouml;fter von k&ouml;rperlicher Gewalt betroffen. Allerdings ist der Anteil derer, die von Gewalt betroffen sind, ma&szlig;geblich h&ouml;her als in der Gesamtbev&ouml;lkerung. &nbsp;Beispielsweise ergibt sich in einer Untersuchung von Hornberg und Schr&ouml;ttle (2013), dass 43 Prozent der M&auml;nner in der Gesamtbev&ouml;lkerung k&ouml;rperlicher Gewalt ausgesetzt sind, bei M&auml;nnern mit Behinderung sind es 71 Prozent.<ref>Schr&ouml;ttle, M., &amp; Hornberg, C. (2013). Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeintr&auml;chtigungen in Deutschland. Ergebnisse der quantitativen Befragung. Endbericht. Bundesministerium f&uuml;r Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.). Berlin: BMFSFJ.</ref>&nbsp;Zudem sind Frauen mit Behinderung im Vergleich zur Allgemeinbev&ouml;lkerung zwei- bis dreimal so h&auml;ufig von sexueller Gewalt betroffen. Ein besonderes Risiko stellen dabei Versorgungseinrichtungen, aber auch Schulen und Internate dar.<ref>Schr&ouml;ttle, M., Hornberg, C., Neder, N., Mecke, D., Elli, O., &amp; Vogt, K. (2014). Gewalterfahrungen von in Einrichtungen lebenden Frauen mit Behinderungen-Ausma&szlig;, Risikofaktoren, Pr&auml;vention. Interdisziplin&auml;res Zentrum f&uuml;r Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universit&auml;t Bielefeld im Auftrag des Bundesministeriums f&uuml;r Familie, Senioren, Frauen und Jugend.</ref>&nbsp;Menschen mit Behinderung sind deutlich h&auml;ufiger psychischer Gewalt ausgesetzt als Menschen ohne Behinderungen, wobei Frauen h&auml;ufiger betroffen sind als M&auml;nner. &nbsp;Auch ist &uuml;ber ein Viertel der Frauen mit Behinderung multipler und wiederholter Gewalt ausgesetzt, w&auml;hrend der Anteil betroffener M&auml;nner hier bei unter 10 Prozent liegt. Angaben zu T&auml;ter und T&auml;terinnen sind in dieser Bev&ouml;lkerungsgruppe &auml;hnlich wie in der Gesamtbev&ouml;lkerung: Beeintr&auml;chtigte Frauen geben an, h&auml;ufiger von Personen (M&auml;nnern oder Frauen) aus dem sozialen Umfeld misshandelt zu werden (oft Angeh&ouml;rige oder der Partner/die Partnerin), beeintr&auml;chtigte M&auml;nner scheinen dagegen eher Gewalt im &ouml;ffentlichen Raum ausgesetzt zu sein. Die Studienlage best&auml;tigt, dass Behinderung als Risikofaktor f&uuml;r Gewalterlebnisse gewertet werden kann und damit ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r weitere Behinderungen besteht.<ref>Schr&ouml;ttle, M., &amp; Hornberg, C. (2013). Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeintr&auml;chtigungen in Deutschland. Ergebnisse der quantitativen Befragung. Endbericht. Bundesministerium f&uuml;r Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.). Berlin: BMFSFJ.</ref>
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==Gewalt im Kontext von Migration und Flucht==
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Der Zusammenhang zwischen (h&auml;uslicher) Gewalt, Migration und Gesundheit wurde bisher nur in wenigen Studien untersucht. Zu ber&uuml;cksichtigen ist dabei unbedingt, dass Frauen und M&auml;nner mit Migrationshintergrund eine sehr heterogene Gruppe repr&auml;sentieren. &nbsp;Verschiedene Studien belegen einen Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und Gesundheit <ref>Schr&ouml;ttle M, Khelaifat N (2008) Gesundheit &ndash; Gewalt &ndash; Migration: Eine vergleichende Sekund&auml;ranalyse zur gesundheitlichen Gewaltsituation von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland. Ein Forschungsprojekt des Interdisziplin&auml;ren Zentrum f&uuml;r Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universit&auml;t Bielefeld im Auftrag des Bundesministeriums f&uuml;r Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ver&ouml;ffentlichung der Kurz- und Langfassung im Internet unter: www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Forschungsnetzforschungsberichte,did=108722.html</ref>&nbsp;<ref>Spallek J, Razum O (2007) Gesundheit von Migranten: Defizite im Bereich der Pr&auml;vention. Medizinische Klinik 102 (6): 451&ndash;456.</ref>&nbsp;sowie zwischen Migrationshintergrund und Gewalt.<ref>Schr&ouml;ttle M, Khelaifat N (2008) Gesundheit &ndash; Gewalt &ndash; Migration: Eine vergleichende Sekund&auml;ranalyse zur gesundheitlichen Gewaltsituation von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland. Ein Forschungsprojekt des Interdisziplin&auml;ren Zentrum f&uuml;r Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universit&auml;t Bielefeld im Auftrag des Bundesministeriums f&uuml;r Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ver&ouml;ffentlichung der Kurz- und Langfassung im Internet unter: www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Forschungsnetzforschungsberichte,did=108722.html</ref>&nbsp;<ref>Raj A, Silverman JG (2003) Immigrant South Asian women at greater risk for injury from intimate partner violence. American Journal of Public Health 93 (3): 435&ndash;437</ref>&nbsp;Nach den Ergebnissen einer deutschen Pr&auml;valenzstudie sind Frauen mit t&uuml;rkischem Migrationshintergrund im Vergleich zu osteurop&auml;ischen Migrantinnen und Frauen ohne Migrationshintergrund in einem h&ouml;herem Ma&szlig; von schwerer k&ouml;rperlicher und/oder sexueller Gewalt mit Verletzungsfolgen in der Partnerschaft betroffen. Im &ouml;ffentlichen Raum erfuhren beide Migrantinnengruppen deutlich h&auml;ufiger als Nicht-Migrantinnen psychische Gewalt und Diskriminierung. Eine nichtrepr&auml;sentative Studie mit Asylbewerberinnen ergab, dass diese im Vergleich zu anderen Befragungsgruppen am st&auml;rksten von Gewalt in unterschiedlichen Lebensbereichen betroffen waren.<ref>Schr&ouml;ttle M, Khelaifat N (2008) Gesundheit &ndash; Gewalt &ndash; Migration: Eine vergleichende Sekund&auml;ranalyse zur gesundheitlichen Gewaltsituation von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland. Ein Forschungsprojekt des Interdisziplin&auml;ren Zentrum f&uuml;r Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universit&auml;t Bielefeld im Auftrag des Bundesministeriums f&uuml;r Familie, Senioren,<br />
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Frauen und Jugend. Ver&ouml;ffentlichung der Kurz- und Langfassung im Internet unter: www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Forschungsnetzforschungsberichte,did=108722.html</ref>&nbsp; Die Gewalterfahrungen waren dabei nicht auf h&auml;usliche Gewalt beschr&auml;nkt, sondern &nbsp;schlossen vielf&auml;ltige psychische, k&ouml;rperliche und sexualisierte &Uuml;bergriffe durch unbekannte Personen, durch MitbewohnerInnen in Gemeinschaftsunterk&uuml;nften sowie durch MitarbeiterInnen und Betreuungspersonen in &Auml;mtern, Schulen, Beh&ouml;rden und Hilfseinrichtungen ein.<ref>Schr&ouml;ttle M, M&uuml;ller U (2004) Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repr&auml;sentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministerium f&uuml;r Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Kurz- und Langfassungen dieser und der folgenden Dokumentationen unter: www.bmfsfj.de/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte,did=20560.html</ref>&nbsp;Zudem ist bei Asylbewerbern und Asylbewerberinnen h&auml;ufig von vergangenen Gewalterfahrungen und Traumatisierungen im Kontext von Krieg, Verfolgung und Flucht auszugehen, so dass die Pr&auml;valenz Posttraumatischer Belastungsst&ouml;rungen (PTBS) entsprechend hoch ist.<ref>G&auml;bel U, Ruf M, Schauer M et al. (2005) Pr&auml;valenz der Posttraumatischen Belastungsst&ouml;rung (PTSD) und M&ouml;glichkeiten der Ermittlung in der Asylverfahrenspraxis. Zeitschrift f&uuml;r Klinische Psychologie und Psychotherapie 35 (1): 12&ndash;20.</ref>
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Wichtig ist, dass die oft unterstellte und teilweise auch reale Legitimierung von Gewalt gegen Frauen in bestimmten Kultur- und Religionszusammenh&auml;ngen die h&ouml;here Gewaltbetroffenheit von Migrantinnen nicht hinreichend &nbsp;erkl&auml;rt. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass kumulative Belastungen durch Faktoren wie Minorit&auml;tenstatus, ungesicherter Aufenthaltsstatus, mangelnde Integration, finanzielle Probleme, Arbeitslosigkeit, beengte Wohnverh&auml;ltnisse, &nbsp;Statusverlust sowie fehlende soziale Netzwerke Gewalt deutlich beg&uuml;nstigen.<ref>Hague G, Gangoli G, Joseph H et al. (2006) Domestic violence, marriage and immigration: if you are immigrating into the UK to marry, what you might need to know. The Violence Against Women Research Group, University of Bristol, Bristol.</ref>&nbsp;<ref>Belser K (2005) H&auml;usliche Gewalt kommt in allen Kreisen vor &ndash; nur in manchen vielleicht etwas h&auml;ufiger. H&auml;usliche Gewalt und Migration: Einf&uuml;hrung zum Schwerpunktthema. Frauenfragen 1/2005. IVAWS, Bern. www.frauenkommission.ch/pdf/Belser_d.pdf</ref>&nbsp;Die h&auml;ufige finanzielle Abh&auml;ngigkeiten der Migrantinnen von ihren Ehem&auml;nnern erschweren zus&auml;tzlich das Herausl&ouml;sen aus gewaltbelasteten Partnerschaften.Erez E, Hartley CC (2003) Battered immigrant women and the legal system: a therapeutic jurisprudence perspective. Western Criminology Review 4: 155&ndash;169 Dies gilt vor allem f&uuml;r illegal eingereiste Migrantinnen und Frauen ohne eigenst&auml;ndigen Aufenthaltsstatus. Zwangsprostitution und Zwangsehen bilden dabei Kontexte, die besonders gewaltgepr&auml;gt sind.<ref>Hornberg, C., Schr&ouml;ttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., &amp; Bohne, S. (2008). Themenheft 42&quot; Gesundheitliche Folgen von Gewalt&quot; Unter besonderer Ber&uuml;cksichtigung von h&auml;uslicher Gewalt gegen Frauen.</ref><br />
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==Folgen von Gewalterfahrungen==
 
==Folgen von Gewalterfahrungen==
Studien belegen einen (multifaktoriellen) Zusammenhang zwischen gegenwärtigen oder vergangenen Gewalterfahrungen und physischen und/oder psychischen Gesundheitsproblemen mit erheblichen Einbußen in der Lebensqualität.<ref>Arias I (2004) The legacy of child maltreatment:
 
long-term health consequences for women. Journal of Women’s Health 13 (5): 468–473</ref> <ref>Campbell J (2002) Health consequences of intimate partner violence. Lancet 359(9314): 1331–1336</ref> Besonders Gewalt in der Kindheit sowie kumultative Gewalterlebnisse können den Gesundheitszustand negativ beeinflussen.<ref>Campbell J, Jones AS, Dienemann J et al. (2002). Intimate partner violence and physical health
 
consequences. Archives of Internal Medicine 162 (10): 1157–1163</ref> Über 75 Prozent der Betroffenen köperlicher  Gewalt und 60 Prozent der Betroffenen psychischer Gewalt gaben in einer Studie an, dass ihr Wohlergehen durch die Gewalterfahrung(en) stark oder sehr stark beeinträchtigt wurde.<ref>Schlack, Robert, et al. "Körperliche und psychische Gewalterfahrungen in der deutschen Erwachsenenbevölkerung." Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 56.5-6 (2013): 755-764.</ref> Dabei lässt sich zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Gesundheitsfolgen unterscheiden. Kurzfristige bzw. unmittelbare Folgen umfassen unter anderem akute Verletzungen und/oder direkte psychosoziale Folgeprobleme wie Gefühle von Angst und Bedrohung, erhöhter Alkohol- oder Medikamentenkonsum sowie allgemeiner Distress (negativer Stress). Frauen scheinen infolge von schweren Misshandlungen in der Partnerschaft häufig wiederholt starke Verletzungen (z. B. Frakturen) zu erleiden. Aufgrund sexualisierter Gewalt treten bei Frauen zudem oft vaginale oder anale Verletzungen auf.
 
  
Die extremste Form direkter Gewaltfolgen sind Verletzungen mit Todesfolge. Orientierend an den angezeigten Straftaten sind hier Männer häufiger betroffen als Frauen. Ausnahme bildet dabei die Tötung im Zusammenhang mit Sexualdelikten, bei denen Frauen deutlich häufiger Todesopfer werden.<ref>Statistisches Bundesamt (2014). Opfer von Straftaten (Anzahl). Gliederungsmerkmale: Jahre, Deutschland, Altergruppen, Geschlecht, Tatabschluss, Straftaten(gruppen). Ad-hoc-Tabelle.</ref>  
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Studien belegen einen (multifaktoriellen) Zusammenhang zwischen gegenw&auml;rtigen oder vergangenen Gewalterfahrungen und physischen und/oder psychischen Gesundheitsproblemen mit erheblichen Einbu&szlig;en in der Lebensqualit&auml;t.<ref>Arias I (2004) The legacy of child maltreatment: long-term health consequences for women. Journal of Women&rsquo;s Health 13 (5): 468&ndash;473</ref>&nbsp;<ref>Campbell J (2002) Health consequences of intimate partner violence. Lancet 359(9314): 1331&ndash;1336</ref>&nbsp;Besonders Gewalt in der Kindheit sowie kumultative Gewalterlebnisse k&ouml;nnen den Gesundheitszustand negativ beeinflussen.<ref>Campbell J, Jones AS, Dienemann J et al. (2002). Intimate partner violence and physical health consequences. Archives of Internal Medicine 162 (10): 1157&ndash;1163</ref>&nbsp;&Uuml;ber 75 Prozent der Betroffenen k&ouml;perlicher &nbsp;Gewalt und 60 Prozent der Betroffenen psychischer Gewalt gaben in einer Studie an, dass ihr Wohlergehen durch die Gewalterfahrung(en) stark oder sehr stark beeintr&auml;chtigt wurde.<ref>Schlack, Robert, et al. &quot;K&ouml;rperliche und psychische Gewalterfahrungen in der deutschen Erwachsenenbev&ouml;lkerung.&quot; Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 56.5-6 (2013): 755-764.</ref>&nbsp;Dabei l&auml;sst sich zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Gesundheitsfolgen unterscheiden. Kurzfristige bzw. unmittelbare Folgen umfassen unter anderem akute Verletzungen und/oder direkte psychosoziale Folgeprobleme wie Gef&uuml;hle von Angst und Bedrohung, erh&ouml;hter Alkohol- oder Medikamentenkonsum sowie allgemeiner Distress. Frauen scheinen infolge von schweren Misshandlungen in der Partnerschaft h&auml;ufig wiederholt starke Verletzungen (z. B. Frakturen) zu erleiden. Aufgrund sexualisierter Gewalt treten bei Frauen zudem oft vaginale oder anale Verletzungen auf.&nbsp;
  
Als mittel- und langfristige Folgen lassen sich somatische, psychosomatische und psychische Symptomatiken identifizieren, die oft chronischen Charakter annehmen und zeitlich verzögert auftreten können.<ref>Martinez M, Schröttle M, Condon S et al. (2006) State of European research on the prevalence of interpersonal violence and its impact on health and human rights. CAHRV – Report 2006. Coordination Action on Human Rights Violations funded through the European Commission, 6th Framework Programme, Project No. 506348 www.cahrv.uni-osnabrueck.de</ref> <ref>Martinez M, Schröttle M, Condon S et al. (2007) Perspectives and standards for good practice in data collection on interpersonal violence at European Level. CAHRV – Report 2007. Co-ordination Action on Human Rights Violations funded through the European Commission, 6th Framework Programme, Project No. 506348. Veröff. ab Dezember 2007 www.cahrv.uni-osnabrueck.de/reddot/190.htm</ref> Frauen scheinen dabei häufiger mit [[Depression/Fachartikel | Depressionen]], Posttraumatischer Belastungsstörung oder [[Angststörungen | Angsterkrankungen]] zu reagieren, während Männer öfter externale Verhaltensweisen (z. B. [[Substanzgebrauchsstörungen|Suchtmittelmissbrauch]]) zeigen. Außerdem erleiden Frauen häufiger schwere Verletzungen und sind öfter von Behinderungen infolge von Gewalt betroffen. Sekundärnalysen der deutschen ''Repräsentativen Studie zur Gewalt gegen Frauen'' des BMFSFJs zeigen, dass Zusammenhänge zwischen vergangenen Gewalterfahrungen und verschiedenen Schmerzsyndromen, Herz-Kreislauf-Problemen, zerebralen und gynäkologischen Beschwerden sowie dermatologischen Erkrankungen bestehen.<ref>Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.</ref> <ref>Schröttle M, Müller U (2004) Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
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Die extremste Form direkter Gewaltfolgen sind Verletzungen mit Todesfolge. Orientierend an den angezeigten Straftaten sind hier M&auml;nner h&auml;ufiger betroffen als Frauen. Ausnahme bildet dabei die T&ouml;tung im Zusammenhang mit Sexualdelikten, bei denen Frauen deutlich h&auml;ufiger Todesopfer werden.<ref>Statistisches Bundesamt (2014). Opfer von Straftaten (Anzahl). Gliederungsmerkmale: Jahre, Deutschland, Altergruppen, Geschlecht, Tatabschluss, Straftaten(gruppen). Ad-hoc-Tabelle.</ref>&nbsp;
und Jugend. Kurz- und Langfassungen dieser und der folgenden Dokumentationen unter: www.bmfsfj.de/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte,did=20560.html</ref>  
 
  
Nachfolgende Tabelle (''Tabelle 1'') stellt mögliche Folgen von Gewalterfahrungen dar, die sich aus Studien zu Gewalt an Frauen und Mädchen ergeben. <br />
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Als mittel- und langfristige Folgen lassen sich somatische, psychosomatische und psychische Symptomatiken identifizieren, die oft chronischen Charakter annehmen und zeitlich verz&ouml;gert auftreten k&ouml;nnen.<ref>Martinez M, Schr&ouml;ttle M, Condon S et al. (2006) State of European research on the prevalence of interpersonal violence and its impact on health and human rights. CAHRV &ndash; Report 2006. Coordination Action on Human Rights Violations funded through the European Commission, 6th Framework Programme, Project No. 506348 www.cahrv.uni-osnabrueck.de</ref>&nbsp;<ref>Martinez M, Schr&ouml;ttle M, Condon S et al. (2007) Perspectives and standards for good practice in data collection on interpersonal violence at European Level. CAHRV &ndash; Report 2007. Co-ordination Action on Human Rights Violations funded through the European Commission, 6th Framework Programme, Project No. 506348. Ver&ouml;ff. ab Dezember 2007 www.cahrv.uni-osnabrueck.de/reddot/190.htm</ref>&nbsp;Frauen scheinen dabei h&auml;ufiger mit [[Depression/Fachartikel | Depressionen]], Posttraumatischer Belastungsst&ouml;rung oder [[Angstst&ouml;rungen | Angsterkrankungen]] zu reagieren, w&auml;hrend M&auml;nner &ouml;fter externale Verhaltensweisen (z. B. [[Substanzgebrauchsst&ouml;rungen|Suchtmittelmissbrauch]]) zeigen. Au&szlig;erdem erleiden Frauen h&auml;ufiger schwere Verletzungen und sind &ouml;fter von Behinderungen infolge von Gewalt betroffen. Sekund&auml;rnalysen der deutschen &#39;&#39;Repr&auml;sentativen Studie zur Gewalt gegen Frauen&#39;&#39; des BMFSFJs zeigen, dass Zusammenh&auml;nge zwischen vergangenen Gewalterfahrungen und verschiedenen Schmerzsyndromen, Herz-Kreislauf-Problemen, zerebralen und gyn&auml;kologischen Beschwerden sowie dermatologischen Erkrankungen bestehen.<ref>Hornberg, C., Schr&ouml;ttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., &amp; Bohne, S. (2008). Themenheft 42&quot; Gesundheitliche Folgen von Gewalt&quot; Unter besonderer Ber&uuml;cksichtigung von h&auml;uslicher Gewalt gegen Frauen.</ref>&nbsp;<ref>Schr&ouml;ttle M, M&uuml;ller U (2004) Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repr&auml;sentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministerium f&uuml;r Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Kurz- und Langfassungen dieser und der folgenden Dokumentationen unter: www.bmfsfj.de/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte,did=20560.html</ref>&nbsp;
  
<small>'''Tabelle 1. Gesundheitliche Folgen von Gewalt an Mädchen und Frauen. [Quelle: Hornberg et al. (2008)]'''</small>
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Nachfolgende Tabelle (&#39;&#39;Tabelle 1&#39;&#39;) stellt m&ouml;gliche Folgen von Gewalterfahrungen dar, die sich aus Studien zu Gewalt an Frauen und M&auml;dchen ergeben.&nbsp;
{| class="wikitable"
 
|-
 
| colspan="2" style="background-color:#CED8F6;text-align:center" | '''Nicht tötliche Folgen'''
 
|-
 
| '''''Körperliche Folgen'''''
 
|
 
* Verletzungen
 
* Funktionelle Beeinträchtigungen
 
* Dauerhafte Behinderungen
 
|-
 
| '''''(Psycho)somatische Folgen'''''
 
|
 
* [[Somatoforme Störungen/Fachartikel | Chronische Schmerzsyndrome]]
 
* Reizdarmsyndrom
 
* Magen-Darm-Störungen
 
* Harnwegsinfektionen
 
* Atemwegsbeschwerden
 
|-
 
| '''''Psychische Folgen'''''
 
|
 
* Posttraumatische Belastungsstörung
 
* [[Depression/Fachartikel | Depression]], [[Angststörungen/Fachartikel | Angststörungen]], Schlafstörungen
 
* [[Essstörungen/Fachartikel | Essstörungen]]
 
* Verlust von Selbstachtung bzw. Selbstwertgefühl
 
* [[Geschlechterunterschiede bei Suizid und Suizidalität/Fachartikel | Suizidalität]]
 
|-
 
| '''''Gesundheitsgefährdende Bewältigungsstrategien'''''
 
|
 
* Rauchen
 
* [[Alkoholabhängigkeit/Fachartikel | Alkohol]]- und [[Substanzgebrauchsstörungen/Fachartikel | Drogengebrauch]]
 
* Risikoreiches Sexualverhalten
 
* Selbstverletzendes Verhalten
 
|-
 
| '''''Reproduktive Gesundheitsfolgen'''''
 
|
 
* Eileiter-/Eierstockentzündungen
 
* Sexuell übertragbare Krankheiten
 
* Ungewollte Schwangerschaften
 
* Schwangerschaftskomplikationen
 
* Fehlgeburten
 
* Niedriges Geburtsgewicht des Säuglings
 
|-
 
| colspan="2" style="background-color:#CED8F6;text-align:center" | '''Tödliche Folgen'''
 
|-
 
|
 
|
 
* Tödliche Verletzungen
 
* Tötung
 
* [[Geschlechterunterschiede bei Suizid und Suizidalität/Fachartikel | Suizid]]
 
|}
 
  
Frauen, die unter sexualisierter Gewalt leiden mussten bzw. müssen, zeigen häufig ungeklärte Symptome der Fortpflanzungsorgane, werden (wiederholt) ungewollt schwanger und entscheiden sich öfter für Schwangerschaftsabbrüche. Oft nehmen die betroffenen Frauen die Schwangerenvorsorge erst sehr spät in Anspruch, was die Gesundheit von Mutter und Kind gefährden kann. Langzeitfolgen von Vergewaltigungen können zudem chronische Urogenitalsymptome (z. B. häufige Nieren- und Blaseninfektionen), rezidivierende vaginale Blutungen, sexuell übertragbare Krankheiten (z. B. HIV) oder auch Unfruchtbarkeit sein.<ref>Wheeler, J., Anfinson, K., Valvert, D., & Lungo, S. (2014). Is violence associated with increased risk behavior among MSM? Evidence from a population-based survey conducted across nine cities in Central America. Global health action, 7.</ref> Dazu kommen häufig (psycho)somatische Probleme wie Kopf- und Bauchschmerzen, Magen-Darmprobleme, Nervosität und Schwindel, Atemprobleme oder auch Blutdruckschwankungen. Ungefähr die Hälfte der Betroffenen von sexualisierter Gewalt entwickeln eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).
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Um gesundheitlichen (Langzeit)folgen durch Gewalterfahrungen verhindern zu können, besteht die absolute Notwendigkeit, Betroffene im medizinischen Setting frühzeitig zu erkennen und eine sensible Versorgung zu gewährleisten.<ref>Rüweler M, Ernst C, Wattenberg I, Hornberg C (2016). Geschlechterunterschiede bei Gewalterfahrungen und -auswirkungen. In P. Kolip & K. Hurrelmann (Eds.), Programmbereich Gesundheit. Handbuch Geschlecht und Gesundheit. Männer und Frauen im Vergleich (2nd ed.). Bern: Hogrefe.</ref> Für die Sensibilisierung von medizinischem Fachpersonal bezüglich häuslicher Gewalt wurden von Seifert et al. (2006) typische Körperregionen definiert, an denen man üblicherweise Verletzungen dieser Art findet (vergleiche ''Tabelle 2'').<ref>Seifert, D., Heinemann, A., & Püschel, K. (2006). Frauen und Kinder als Opfer häuslicher Gewalt. Deutsches Ärzteblatt 103(33), A2168-2173.</ref>
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<strong>Tabelle 1. Gesundheitliche Folgen von Gewalt an M&auml;dchen und Frauen. [Quelle: Hornberg et al. (2008)]</strong>
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<small>'''Tabelle 2. Typische Körperregionen, an denen man üblicherweise durch häusliche Gewalt verursachte Verletzungen findet. [Quelle: Seifert, Heinemann & Püschel (2006)].'''</small>
 
{| class="wikitable"
 
|-
 
!  colspan="2" | Typische Verletzungsregionen
 
|-
 
| ''Hirnschädel:'' || Kopfhaar gelichtet (Follikelhämatom?), Hämatome, Platz-/Risswunden
 
|-
 
| ''Gesicht, Orbita, Hirnschädel:'' || Hämatome (Handabdruck?), Kratz-, Bissspuren, Schürfungen,
 
Frakturen, Lippen-/Mundvorraum-/Zahnverletzungen, Verletzungen an der Ohrmuschel
 
|-
 
| ''Bindehäute der Augen, Mundschleimhaut, Gesichtshaut'' || Petechiale Einblutungen bei Strangulation
 
|-
 
| ''Hals:'' || Hautabschürfungen, Hämatome durch Kratzen, Würgen, Drosseln (eventuell mit Abdruckmarke),
 
(Heiserkeit, Schluckbeschwerden)
 
|-
 
| ''Streckseiten der Arme:'' || Hämatome unterschiedlichen Alters, als Abwehrverletzungen auch
 
Schnitte, Stich beugeseitig, Schürfungen
 
|-
 
| ''Hände:'' || Schnittwunden als Abwehrverletzungen, Nagelränderbrüche
 
|-
 
| ''Brüste:'' || Hämatome, Bissspuren
 
|-
 
| ''Rücken:'' ||  Widerlagerverletzungen, Schürfungen über Aufliegeseiten
 
|-
 
| ''Innenseite Oberschenkel, Gesäß:'' || Hämatome
 
|-
 
|  colspan="2"  style="background-color:#CED8F6;text-align:center" | '''Beispiele spezieller Verletzungen'''
 
|-
 
|  colspan="2" | 
 
* Geformte Abdruckmarken, zum Beispiel von Gürtelschnalle, Schlagwerkzeug, Doppelstreifenkonturen?
 
|-
 
|  colspan="2" |
 
* Zigaretten-Brandwunden (zirkuläre 5–15 mm), -narben
 
|-
 
|  colspan="2" |
 
* Oberflächliche Stich-/Schnittverletzungen
 
|}
 
  
== Gegenwärtige Situation und Ausblick ==
+
<table>
Gewalt im privaten und öffentlichen Raum wird als eines der weltweit größten Gesundheitsrisiken für Frauen und Kinder eingestuft und ist mit enormen gesundheitlichen Folgen assoziiert.  Dabei wurde sexualisierte und häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder erstmals durch die Frauenbewegung der 1970er Jahre thematisiert und auch dann dauerte es beinahe weitere 20 Jahre bis dieses Themenfeld auf nationaler und internationaler Ebene (z. B. durch die WHO) als erhebliches gesellschaftliches Problem wahrgenommen und diskutiert wurde. Heute ist offensichtlich, dass sich die Notwendigkeit zur Prävention und Intervention allein aus den hohen Prävalenzzahlen von Gewalterfahrungen bei Frauen, aber auch bei Männern ergibt. Komplexe Problemsituationen, wie häusliche und/oder sexualisierte Gewalt, erfordern vielschichtige Interventionen, innerhalb derer die Gesundheitsversorgung eine zentrale Rolle einnimmt. Aktuelle Versorgungskonzepte konzentrieren sich in Deutschland auf das frühzeitige Erkennen von Gewalt, eine adäquate Vernetzung der Akteure (z. B. medizinische Praxen und Beratungsstellen) und verhältnisbezogene Hilfe. Die deutliche Mehrheit dieser Hilfsmaßnahmen bezieht sich dabei auf Frauen als Gewaltbetroffene.
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<tr>
 +
<td colspan="2"><strong>Nicht t&ouml;tliche Folgen</strong></td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em><strong>K&ouml;rperliche Folgen</strong></em></td>
 +
<td>
 +
<ul>
 +
<li>Verletzungen</li>
 +
<li>Funktionelle Beeintr&auml;chtigungen</li>
 +
<li>Dauerhafte Behinderungen</li>
 +
</ul>
 +
</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em><strong>(Psycho)somatische Folgen</strong></em></td>
 +
<td>
 +
<ul>
 +
<li>[[Somatoforme St&ouml;rungen/Fachartikel | Chronische Schmerzsyndrome]]&nbsp;</li>
 +
<li>Reizdarmsyndrom</li>
 +
<li>Magen-Darm-St&ouml;rungen</li>
 +
<li>Harnwegsinfektionen</li>
 +
<li>Atemwegsbeschwerden</li>
 +
</ul>
 +
</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em><strong>Psychische Folgen</strong></em></td>
 +
<td>
 +
<ul>
 +
<li>Posttraumatische Belastungsst&ouml;rung</li>
 +
<li>[[Depression/Fachartikel | Depression]],&nbsp;[[Angstst&ouml;rungen/Fachartikel | Angstst&ouml;rungen]], Schlafst&ouml;rungen</li>
 +
<li>[[Essst&ouml;rungen/Fachartikel | Essst&ouml;rungen]]</li>
 +
<li>Verlust von Selbstachtung bzw. Selbstwertgef&uuml;hl</li>
 +
<li>&nbsp;[[Geschlechterunterschiede bei Suizid und Suizidalit&auml;t/Fachartikel | Suizidalit&auml;t]]</li>
 +
</ul>
 +
</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em><strong>Gesundheitsgef&auml;hrdende Bew&auml;ltigungsstrategien</strong></em></td>
 +
<td>
 +
<ul>
 +
<li>Rauchen</li>
 +
<li>[[Alkoholabh&auml;ngigkeit/Fachartikel | Alkohol]]- und [[Substanzgebrauchsst&ouml;rungen/Fachartikel | Drogengebrauch]]</li>
 +
<li>Risikoreiches Sexualverhalten</li>
 +
<li>Selbstverletzendes Verhalten</li>
 +
</ul>
 +
</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em><strong>Reproduktive Gesundheitsfolgen</strong></em></td>
 +
<td>
 +
<ul>
 +
<li>Eileiter-/Eierstockentz&uuml;ndungen</li>
 +
<li>Sexuell &uuml;bertragbare Krankheiten</li>
 +
<li>Ungewollte Schwangerschaften</li>
 +
<li>Schwangerschaftskomplikationen</li>
 +
<li>Fehlgeburten</li>
 +
<li>Niedriges Geburtsgewicht des S&auml;uglings</li>
 +
</ul>
 +
</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td colspan="2"><strong>T&ouml;dliche Folgen</strong></td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td>&nbsp;</td>
 +
<td>
 +
<ul>
 +
<li>T&ouml;dliche Verletzungen</li>
 +
<li>T&ouml;tung</li>
 +
<li>[[Geschlechterunterschiede bei Suizid und Suizidalit&auml;t/Fachartikel | Suizid]]</li>
 +
</ul>
 +
</td>
 +
</tr>
 +
</table>
  
Dennoch ergeben sich auch für Frauen immer noch zahlreiche Versorgungsdefizite. Die WHO formulierte 2013 evidenzbasierte Leitlinien für den Umgang mit häuslicher und sexualisierter Gewalt an Frauen in Versorgung, Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der Gesundheitspolitik (in deutscher Übersetzung vom S.I.G.N.A.L e. V.). Aus diesen Leitlinien ergibt sich für Deutschland der Bedarf, bundesweite fachliche Standards für die gesundheitliche Versorgung bei häuslicher und sexueller Gewalt zu entwickeln, einen (gesetzlichen) Versorgungsauftrag für die Gesundheitsversorgung zu formulieren und eine systematische curriculare Verankerung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe zu fördern. Auch sollten Maßnahmen der Qualitätssicherung sowie eine systematische Überprüfung der praktischen Umsetzung etabliert werden.<ref>Wieners, K., & Winterholler, M. (2016). Häusliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 59(1), 73-80.</ref>
+
&nbsp;
  
Begegnet wurde den Versorgungsdefiziten gewaltbetroffener Frauen beispielsweise im Projekt ''Medizinische Interventionen gegen Gewalt an Frauen'' (MIGG):<ref>Neue Wege in der gesundheitlichen Versorgung von Frauen. Häusliche Gewalt: erkennnen und helfen. http://www.gesundheit-und-gewalt.de/migg, Stand: 16.12.2016</ref> In fünf Regionen Deutschlands wurden Ärztinnen und Ärzte hinsichtlich des Erkennens und Ansprechens gewaltbetroffener Frauen, der Dokumentation sowie des Umgangs mit den Patientinnen geschult und mit Hilfeeinrichtungen vernetzt. Außerdem wurde ein Implementierungsleitfaden zur ''Einführung der Interventionsstandards in die medizinische Versorgung von Frauen'' herausgearbeitet. Um die medizinische Versorgung von Gewaltbetroffenen zu verbessern, hat das BMFSFJ eine Informationsmappe für Gesundheitsfachkräfte (''Häusliche Gewalt: Erkennen und Helfen'') erstellt, bei der ein besonderer Schwerpunkt auf der Vermittlung der Erkenntnisse des MIGG-Projekts liegt. Derzeit wird das Projekt in leicht modifizierter Form unter dem Namen ''Gewinn Gesundheit<sup>(R)</sup>'' <ref>Gewinn Gesundheit. Gewaltintervention im Netz. http://www.gewinngesundheit.de/gewinn-gesundheit%C2%AE-nrw. Stand: 15.12.2016</ref> in fünf Regionen NRWs umgesetzt.  
+
Frauen, die unter sexualisierter Gewalt leiden mussten bzw. m&uuml;ssen, zeigen h&auml;ufig ungekl&auml;rte Symptome der Fortpflanzungsorgane, werden (wiederholt) ungewollt schwanger und entscheiden sich &ouml;fter f&uuml;r Schwangerschaftsabbr&uuml;che. Oft nehmen die betroffenen Frauen die Schwangerenvorsorge erst sehr sp&auml;t in Anspruch, was die Gesundheit von Mutter und Kind gef&auml;hrden kann. Langzeitfolgen von Vergewaltigungen k&ouml;nnen zudem chronische Urogenitalsymptome (z. B. h&auml;ufige Nieren- und Blaseninfektionen), rezidivierende vaginale Blutungen, sexuell &uuml;bertragbare Krankheiten (z. B. HIV) oder auch Unfruchtbarkeit sein.<ref>Wheeler, J., Anfinson, K., Valvert, D., &amp; Lungo, S. (2014). Is violence associated with increased risk behavior among MSM? Evidence from a population-based survey conducted across nine cities in Central America. Global health action, 7.</ref>&nbsp;Dazu kommen h&auml;ufig (psycho)somatische Probleme wie Kopf- und Bauchschmerzen, Magen-Darmprobleme, Nervosit&auml;t und Schwindel, Atemprobleme oder auch Blutdruckschwankungen. Ungef&auml;hr die H&auml;lfte der Betroffenen von sexualisierter Gewalt entwickeln eine Posttraumatische Belastungsst&ouml;rung (PTBS).&nbsp;
  
Hinsichtlich der großen Anzahl männlicher Betroffener gilt es, auch das Angebot für Männer schnellstmöglich auszubauen bzw. Angebote vermehrt geschlechtersensibel zu gestalten. Außerdem sollten besonders vulnerable bzw. gefährdete Personengruppen stärker berücksichtigt werden: Dazu gehören Menschen mit Behinderungen, Menschen im hohen Alter bzw. mit Pflegebedarf, Menschen mit ungesichertem Aufenthalts- oder Minoritätenstatus, Menschen in sozioökonomischen Mangellagen, Frauen, die in traditionell patriarchalisch strukturierte Familienverbänden leben, sowie Menschen, die sich in Institutionen mit spezifischen Abhängigkeiten befinden (z. B. Haftanstalten).  
+
Um gesundheitlichen (Langzeit)folgen durch Gewalterfahrungen verhindern zu k&ouml;nnen, besteht die absolute Notwendigkeit, Betroffene im medizinischen Setting fr&uuml;hzeitig zu erkennen und eine sensible Versorgung zu gew&auml;hrleisten.<ref>R&uuml;weler M, Ernst C, Wattenberg I, Hornberg C (2016). Geschlechterunterschiede bei Gewalterfahrungen und -auswirkungen. In P. Kolip &amp; K. Hurrelmann (Eds.), Programmbereich Gesundheit. Handbuch Geschlecht und Gesundheit. M&auml;nner und Frauen im Vergleich (2nd ed.). Bern: Hogrefe.</ref>&nbsp;Zum Beispiel wurde im Rahmen einer wissenschaftlichen &nbsp;Erhebung festgestellt, dass 93 Prozent der gewaltbetroffenen Patientinnen vom medizinischen Personal einer Notfallambulanz nicht auf &nbsp;ihre Gewaltbelastung angesprochen wurden.<ref>Hellbernd H.; Brzank P; Wieners K und U. Maschwewsky-Schneider. 2003. H&auml;usliche Gewalt gegen Frauen: Gesundheitliche Versorgung &ndash; Das S.I.G.N.A.L: Interventionsprogramm. Handbuch f&uuml;r die Praxis. Bonn: BZgA.</ref>&nbsp;F&uuml;r die Sensibilisierung von medizinischem Fachpersonal bez&uuml;glich h&auml;uslicher Gewalt wurden von Seifert et al. (2006) typische K&ouml;rperregionen definiert, an denen man &uuml;blicherweise Verletzungen dieser Art findet (vergleiche &#39;&#39;Tabelle 2&#39;&#39;).<ref>Seifert, D., Heinemann, A., &amp; P&uuml;schel, K. (2006). Frauen und Kinder als Opfer h&auml;uslicher Gewalt. Deutsches &Auml;rzteblatt 103(33), A2168-2173.</ref>
  
Um gut evaluierte Präventions- und Interventionsangebote bereitstellen und die (langfristige) Wirkung von Gewalt auf die Gesundheit geschlechtersensibel interpretieren zu können, sollte  weitere Forschung diesbezüglich stattfinden. Erst dann wird die Versorgungssituationen für Frauen <u>und</u> Männer mit Gewalterfahrungen deutlich verbessert werden können.<ref>Rüweler M, Ernst C, Wattenberg I, Hornberg C (2016). Geschlechterunterschiede bei Gewalterfahrungen und -auswirkungen. In P. Kolip & K. Hurrelmann (Eds.), Programmbereich Gesundheit. Handbuch Geschlecht und Gesundheit. Männer und Frauen im Vergleich (2nd ed.). Bern: Hogrefe.</ref> <ref>Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.</ref>
+
&nbsp;
  
==Externe Links/Informationen für Gesundheitsfachkräfte==
+
<strong>Tabelle 2. Typische K&ouml;rperregionen, an denen man &uuml;blicherweise durch h&auml;usliche Gewalt verursachte Verletzungen findet. [Quelle: Seifert, Heinemann &amp; P&uuml;schel (2006)].</strong>
* [http://www.who.int/reproductivehealth/publications/violence/9789241548595/en/ Umgang mit Gewalt in Paarbeziehungen und mit sexueller Gewalt gegen Frauen. Leitlinien der WHO für Gesundheitsversorgung und Gesundheitspolitik. (Quelle: WHO, 2013)]
 
* [https://www.bmfsfj.de/blob/94018/bb855bd14e2950c2c3b2389b76182b74/implementierungsleitfaden-data.pdf Implementierungsleitfaden zur Einführung der Interventionsstandards in medizinische Versorgung von Frauen. (Quelle: BMFSFJ)]
 
* [http://www.zeitbild.de/2013/04/17/fremdsprachige-ausgaben-medical-hausliche-gewalt/ Informationsmappe für Gesundheitsfachkräfte: Häusliche Gewalt: Erkennen und Helfen. (Quelle: BMFSFJ, Zeitbild GmbH)]
 
  
== Literatur ==
+
<table>
<div class="toccolours mw-collapsible mw-collapsed">
+
<tr>
Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.
+
<th colspan="2">Typische Verletzungsregionen</th>
<div class="mw-collapsible-content"> <references/></div>
+
</tr>
</div>
+
<tr>
 +
<td><em>Hirnsch&auml;del:</em></td>
 +
<td>Kopfhaar gelichtet (Follikelh&auml;matom?), H&auml;matome, Platz-/Risswunden</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em>Gesicht, Orbita, Hirnsch&auml;del:</em></td>
 +
<td>H&auml;matome (Handabdruck?), Kratz-, Bissspuren, Sch&uuml;rfungen,
  
==Quiz==
+
Frakturen, Lippen-/Mundvorraum-/Zahnverletzungen, Verletzungen an der Ohrmuschel
{| class="wikitable"
 
|-
 
|
 
  
<quiz>
+
</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em>Bindeh&auml;ute der Augen, Mundschleimhaut, Gesichtshaut</em></td>
 +
<td>Petechiale Einblutungen bei Strangulation</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em>Hals:</em></td>
 +
<td>Hautabsch&uuml;rfungen, H&auml;matome durch Kratzen, W&uuml;rgen, Drosseln (eventuell mit Abdruckmarke),
  
{ '''Es existieren verschieden epidemiologische Studien zum Thema Geschlecht und Gewalt. Welche Aussagen werden durch die derzeitige Datenlage gestützt?'''
+
(Heiserkeit, Schluckbeschwerden)
| typ="[]" }
 
  
 +
</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em>Streckseiten der Arme:</em></td>
 +
<td>H&auml;matome unterschiedlichen Alters, als Abwehrverletzungen auch
  
+ Jungen und junge Männer werden öfter als Mädchen und junge Frauen sowohl Täter als auch Opfer von Gewalttaten.
+
Schnitte, Stich beugeseitig, Sch&uuml;rfungen
  
+ Frauen erleben deutlich häufiger schwere Formen von Gewalt in der Partnerschaft sowie sexuelle Gewalt.
+
</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em>H&auml;nde:</em></td>
 +
<td>Schnittwunden als Abwehrverletzungen, Nagelr&auml;nderbr&uuml;che</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em>Br&uuml;ste:</em></td>
 +
<td>H&auml;matome, Bissspuren</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em>R&uuml;cken:</em></td>
 +
<td>Widerlagerverletzungen, Sch&uuml;rfungen &uuml;ber Aufliegeseiten</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em>Innenseite Oberschenkel, Ges&auml;&szlig;:</em></td>
 +
<td>H&auml;matome</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td colspan="2"><strong>Beispiele spezieller Verletzungen</strong></td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td colspan="2">
 +
<ul>
 +
<li>Geformte Abdruckmarken, zum Beispiel von G&uuml;rtelschnalle, Schlagwerkzeug, Doppelstreifenkonturen?</li>
 +
</ul>
 +
</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td colspan="2">
 +
<ul>
 +
<li>Zigaretten-Brandwunden (zirkul&auml;re 5&ndash;15 mm), -narben</li>
 +
</ul>
 +
</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td colspan="2">
 +
<ul>
 +
<li>Oberfl&auml;chliche Stich-/Schnittverletzungen</li>
 +
</ul>
 +
</td>
 +
</tr>
 +
</table>
  
+ Männer sind öfter körperlicher Gewalt im öffentlichen Raum ausgesetzt.
+
&nbsp;
  
- Frauen scheinen deutlich häufiger als Männer von psychischer Gewalt betroffen zu sein.
+
==Gegenw&auml;rtige Situation und Ausblick==
  
 +
Gewalt im privaten und &ouml;ffentlichen Raum wird als eines der weltweit gr&ouml;&szlig;ten Gesundheitsrisiken f&uuml;r Frauen und Kinder eingestuft und ist mit enormen gesundheitlichen Folgen assoziiert. &nbsp;Dabei wurde sexualisierte und h&auml;usliche Gewalt gegen Frauen und Kinder erstmals durch die Frauenbewegung der 1970er Jahre thematisiert und auch dann dauerte es beinahe weitere 20 Jahre bis dieses Themenfeld auf nationaler und internationaler Ebene (z. B. durch die WHO) als erhebliches gesellschaftliches Problem wahrgenommen und diskutiert wurde. Heute ist offensichtlich, dass sich die Notwendigkeit zur Pr&auml;vention und Intervention allein aus den hohen Pr&auml;valenzzahlen von Gewalterfahrungen bei Frauen, aber auch bei M&auml;nnern ergibt. Komplexe Problemsituationen, wie h&auml;usliche und/oder sexualisierte Gewalt, erfordern vielschichtige Interventionen, innerhalb derer die Gesundheitsversorgung eine zentrale Rolle einnimmt. Aktuelle Versorgungskonzepte konzentrieren sich in Deutschland auf das fr&uuml;hzeitige Erkennen von Gewalt, eine ad&auml;quate Vernetzung der Akteure (z. B. medizinische Praxen und Beratungsstellen) und verh&auml;ltnisbezogene Hilfe. Die deutliche Mehrheit dieser Hilfsma&szlig;nahmen bezieht sich dabei auf Frauen als Gewaltbetroffene.&nbsp;
  
{'''Menschen mit Behinderung sind  oftmals einem besonderem Risiko ausgesetzt, von Gewalterfahrungen betroffen zu sein. Welche Aussagen sind diesbezüglich richtig?'''
+
Dennoch ergeben sich auch f&uuml;r Frauen immer noch zahlreiche Versorgungsdefizite. Die WHO formulierte 2013 evidenzbasierte Leitlinien f&uuml;r den Umgang mit h&auml;uslicher und sexualisierter Gewalt an Frauen in Versorgung, Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der Gesundheitspolitik (in deutscher &Uuml;bersetzung vom S.I.G.N.A.L e. V.). Aus diesen Leitlinien ergibt sich f&uuml;r Deutschland der Bedarf, bundesweite fachliche Standards f&uuml;r die gesundheitliche Versorgung bei h&auml;uslicher und sexueller Gewalt zu entwickeln, einen (gesetzlichen) Versorgungsauftrag f&uuml;r die Gesundheitsversorgung zu formulieren und eine systematische curriculare Verankerung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe zu f&ouml;rdern. Auch sollten Ma&szlig;nahmen der Qualit&auml;tssicherung sowie eine systematische &Uuml;berpr&uuml;fung der praktischen Umsetzung etabliert werden.<ref>Wieners, K., &amp; Winterholler, M. (2016). H&auml;usliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 59(1), 73-80.</ref>
| typ="[]" }
 
  
+ Genau wie in der Gesamtbevölkerung leiden Frauen mit Behinderung deutlich häufiger unter sexualisierter Gewalt.
+
Begegnet wurde den Versorgungsdefiziten gewaltbetroffener Frauen beispielsweise im Projekt &#39;&#39;Medizinische Interventionen gegen Gewalt an Frauen&#39;&#39; (MIGG):<ref>Neue Wege in der gesundheitlichen Versorgung von Frauen. H&auml;usliche Gewalt: erkennnen und helfen. http://www.gesundheit-und-gewalt.de/migg, Stand: 16.12.2016</ref>&nbsp;In f&uuml;nf Regionen Deutschlands wurden &Auml;rztinnen und &Auml;rzte hinsichtlich des Erkennens und Ansprechens gewaltbetroffener Frauen, der Dokumentation sowie des Umgangs mit den Patientinnen geschult und mit Hilfeeinrichtungen vernetzt. Au&szlig;erdem wurde ein Implementierungsleitfaden zur &#39;&#39;Einf&uuml;hrung der Interventionsstandards in die medizinische Versorgung von Frauen&#39;&#39; herausgearbeitet. Um die medizinische Versorgung von Gewaltbetroffenen zu verbessern, hat das BMFSFJ eine Informationsmappe f&uuml;r Gesundheitsfachkr&auml;fte (&#39;&#39;H&auml;usliche Gewalt: Erkennen und Helfen&#39;&#39;) erstellt, bei der ein besonderer Schwerpunkt auf der Vermittlung der Erkenntnisse des MIGG-Projekts liegt. Derzeit wird das Projekt in leicht modifizierter Form unter dem Namen &#39;&#39;Gewinn Gesundheit(R)&#39;&#39; <ref>Gewinn Gesundheit. Gewaltintervention im Netz. http://www.gewinngesundheit.de/gewinn-gesundheit%C2%AE-nrw. Stand: 15.12.2016</ref>&nbsp;in f&uuml;nf Regionen NRWs umgesetzt.&nbsp;
  
- Der Anteil derer, die von Gewalt betroffen sind, ist bei Frauen mit Behinderung maßgeblich höher als in der Gesamtbevölkerung, bei Männern mit Behinderung unterscheidet er sich dagegen nur geringfügig.
+
Hinsichtlich der gro&szlig;en Anzahl m&auml;nnlicher Betroffener gilt es, auch das Angebot f&uuml;r M&auml;nner schnellstm&ouml;glich auszubauen bzw. Angebote vermehrt geschlechtersensibel zu gestalten. Au&szlig;erdem sollten besonders vulnerable bzw. gef&auml;hrdete Personengruppen st&auml;rker ber&uuml;cksichtigt werden: Dazu geh&ouml;ren Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Pflegebedarf, Menschen mit ungesichertem Aufenthalts- oder Minorit&auml;tenstatus, Menschen in sozio&ouml;konomischen Mangellagen, Frauen, die in traditionell patriarchalisch strukturierte Familienverb&auml;nden leben, sowie Menschen, die sich in Institutionen mit spezifischen Abh&auml;ngigkeiten befinden (z. B. Haftanstalten). In den Analysen zu Gewalt und Geschlecht werden zudem nicht alle Altersgruppen hinreichend ber&uuml;cksichtigt: Zu Gewalt im hohen Alter (&gt; 65 Jahre) liegen derzeit noch keine repr&auml;sentativen geschlechtersensiblen Daten vor, obwohl in dieser Altersgruppe eine besondere Gef&auml;hrdung f&uuml;r verschiedene und multiple Gewaltformen besteht: Gewalterfahrungen beschr&auml;nken sich dabei nicht nur auf verbale Aggression und k&ouml;rperliche bzw. sexualisierte Gewalt, sondern umfassen auch finanziellen Ausnutzung und sozialen Ausgrenzung sowie Bevormundung. Probleme in der Identifizierung solcher Gewalterfahrungen liegen unter anderem darin, dass die Mitteilungsf&auml;higkeit alter Menschen sowohl krankheitsbedingt als auch aus einer Abh&auml;ngigkeit heraus eingeschr&auml;nkt sein kann.<ref>Gra&szlig;, P. D. H., Walentich, G., Rothschild, M. A., &amp; Ritz-Timme, S. (2007). Gewalt gegen alte Menschen in Pflegesituationen. Rechtsmedizin, 17(6), 367-371.</ref>&nbsp;
  
+ Während beeinträchtigte Frauen häufiger von Personen aus dem sozialen Umfeld misshandelt werden, sind beeinträchtigte Männer eher Gewalt im öffentlichen Raum ausgesetzt.  
+
Wichtig w&auml;re zudem, Gewaltformen genauer zu differenzieren. Repr&auml;sentative Studien zu Gewalt und Geschlecht unterscheiden meist nur k&ouml;rperliche, sexualisierte und psychische Gewalt. Gewaltformen wie soziale (Isolation von Familie und Freundeskreis, Kontrolle der Kontakte, Verbot von Kontakten oder Einsperren) oder finanzielle Gewaltaus&uuml;bung (das Erzeugen finanzieller Abh&auml;ngigkeit durch Arbeitsverbote, Arbeitszwang oder alleinige Kontrolle der Finanzen durch den/die T&auml;terIn) bleiben i. &nbsp;d. R. unber&uuml;cksichtigt. Um gut evaluierte Pr&auml;ventions- und Interventionsangebote bereitstellen und die (langfristige) Wirkung von Gewalt auf die Gesundheit geschlechtersensibel interpretieren zu k&ouml;nnen, sollte &nbsp;weitere systematische Forschung stattfinden. Erst dann wird die Versorgungssituation f&uuml;r Frauen und M&auml;nner mit Gewalterfahrungen deutlich verbessert werden k&ouml;nnen.<ref>R&uuml;weler M, Ernst C, Wattenberg I, Hornberg C (2016). Geschlechterunterschiede bei Gewalterfahrungen und -auswirkungen. In P. Kolip &amp; K. Hurrelmann (Eds.), Programmbereich Gesundheit. Handbuch Geschlecht und Gesundheit. M&auml;nner und Frauen im Vergleich (2nd ed.). Bern: Hogrefe.</ref>&nbsp;<ref>Hornberg, C., Schr&ouml;ttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., &amp; Bohne, S. (2008). Themenheft 42&quot; Gesundheitliche Folgen von Gewalt&quot; Unter besonderer Ber&uuml;cksichtigung von h&auml;uslicher Gewalt gegen Frauen.</ref>
  
- Menschen mit Behinderung scheinen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung nicht maßgeblich öfter psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein. Ein Unterschied zwischen den Geschlechtern existiert zudem nicht.
+
==Externe Links/Informationen f&uuml;r Gesundheitsfachkr&auml;fte==
  
{'''Gewalterfahrungen können eine Reihe von schwerwiegenden kurz-, mittel- und langfristigen Folgen haben. Welche geschlechterspezifischen Aspekte ergeben sich diesbezüglich?
+
<ul>
| typ="[]" }
+
<li>&nbsp;[http://www.who.int/reproductivehealth/publications/violence/9789241548595/en/ Umgang mit Gewalt in Paarbeziehungen und mit sexueller Gewalt gegen Frauen. Leitlinien der WHO f&uuml;r Gesundheitsversorgung und Gesundheitspolitik. (Quelle: WHO, 2013)]</li>
 +
<li>[https://www.bmfsfj.de/blob/94018/bb855bd14e2950c2c3b2389b76182b74/implementierungsleitfaden-data.pdf Implementierungsleitfaden zur Einf&uuml;hrung der Interventionsstandards in medizinische Versorgung von Frauen. (Quelle: BMFSFJ)]</li>
 +
<li>[http://www.zeitbild.de/2013/04/17/fremdsprachige-ausgaben-medical-hausliche-gewalt/ Informationsmappe f&uuml;r Gesundheitsfachkr&auml;fte: H&auml;usliche Gewalt: Erkennen und Helfen. (Quelle: BMFSFJ, Zeitbild GmbH)]</li>
 +
</ul>
  
- Frauen werden häufiger als Männer zu Todesopfern aufgrund von Gewalteinwirkung.
+
==Literatur==
  
+ Frauen scheinen auf Gewalterfahrungen häufiger mit Depressionen, Posttraumatischer Belastungsstörung oder Angsterkrankungen zu reagieren, während Männer öfter mit dem Missbrauch von Suchtmitteln beginnen.
+
&nbsp;
 +
<div class="toccolours mw-collapsible mw-collapsed">Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.<div class="mw-collapsible-content"> <references/></div></div>
 +
==Lizenz==
 +
Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode
  
+ Frauen erleiden häufiger schwere Verletzungen und sind öfter von Behinderungen infolge von Gewalt betroffen.
+
==Autoren==
  
- Paradoxerweise geben weniger als die Hälfte derjenigen Personen, die von Gewalt betroffen waren, an, dass ihr Wohlergehen durch die Gewalterfahrung maßgeblich beeinträchtigt wurde.
 
</quiz>
 
|}
 
  
{| class="wikitable"
+
Zuletzt geändert: 2018-12-14 08:40:39
|-
 
|style="border: 2px #003399 solid;" | [[Geschlecht und Gewalt - Ein Überblick/Lehrmaterial |<big><big><span><u>Weiter zum Lehrmaterial</u></span></big></big>]]
 
|}
 

Aktuelle Version vom 14. Dezember 2018, 08:40 Uhr

Epidemiologische Daten[Bearbeiten]

Repräsentative Daten von 2008 ergeben, dass ungefähr jede vierte Frau in Deutschland im Laufe ihres Erwachsenenlebens körperliche und/oder sexuelle Gewalt in Ehe oder Partnerschaft erlebt. Damit erfolgen gewalttätige Übergriffe an Frauen überwiegend im häuslichen Umfeld. Werden Gewalterfahrungen außerhalb der Partnerschaft miteinbezogen, beträgt der Anteil betroffener Frauen, die seit dem 16. Lebensjahr  körperliche Gewalt (z. B. Ohrfeigen, Tritte, Faustschläge oder Waffengewalt) erlebt haben, 37 Prozent. Dabei gaben ungefähr ein Drittel der betroffenen Frauen an, mittlere bis schwere Formen von körperlichen Gewalt erlebt zu haben (z. B. lebensgefährliche Verletzungen oder wiederholte Gewaltsituationen). Unter (strafrechtlich relevanten) sexuellen Übergriffen (z. B. Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung) hatten 13 Prozent (etwa jede siebte Frau) der Befragten (ab 16 Jahre) bereits gelitten. Bezieht man weitere Formen sexualisierter Gewalt mit ein (z. B. schwere sexuelle Belästigung) steigt der Anteil der Betroffenen sexueller Gewalt auf 58 Prozent. 42 Prozent der befragten Frauen waren im Erwachsenenalter bereits psychischer Gewalt ausgesetzt (z. B. Drohungen, Demütigung oder aggressives Anschreien). Eine Übersicht zu Prävalenzen verschiedener Gewalterfahrungen bei Frauen ist ''Grafik 1'' zu entnehmen.[1] [2] Dabei gilt zu berücksichtigen, dass viele Frauen unter multiplen Formen der Gewalt leiden müssen.

 

5c135e775e8ea.png

Grafik 1. Lebenszeitprävalenzen von Gewalt gegen Frauen in Deutschland seit dem 16. Lebensjahr. [Quelle: Schröttle & Müller (2004)]

 

5c135e7804804.png

Grafik 2. Lebenszeitprävalenzen von Gewalt gegen Männer in Deutschland seit dem 18. Lebensjahr (nicht repräsentativ). [Quelle: BMFSFJ (2004)]

Lange Zeit wurden von Gewalt betroffene Männer in Studien wenig berücksichtigt.[3] Im öffentlichen Diskurs wird die Verletzbarkeit von Männern oft nicht wahrgenommen und repräsentative Daten existieren derzeit noch nicht. Dennoch legen Studienergebnisse nahe, dass die Viktimisierung durch Gewalt als geschlechterübergreifend zu verstehen ist und Männer unterschiedlicher Kontexte und Altersklassen von Gewalt betroffen sind.[4] So scheinen Männer ungefähr genauso oft wie Frauen, zuweilen sogar öfter, von Gewalt betroffen zu sein.[5] Jugendliche und junge Männer sind dabei nicht nur eine Risikogruppe bezüglich des Ausübens von Gewalttaten, sondern werden auch besonders häufig zu Gewaltopfern. Gewaltkontexte sind dann häufig öffentliche Räume wie die Schule, die Ausbildungsstätte, der Wehrdienst oder auch  Freizeiteinrichtungen und Sportvereine. Auch innerhalb der Peergroup kommt es gehäuft zu Gewaltäußerungen. Evaluative (nicht repräsentative) Daten des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ergeben dabei Folgendes: 40 Prozent der Befragten gaben an, in ihrem Erwachsenenalter von körperlicher Gewalt betroffen gewesen zu sein, 5 Prozent erlebten sexuelle Übergriffe und 58 Prozent waren psychischer Gewalt (vorwiegend im Arbeitskontext) ausgesetzt. 25 Prozent äußerten zudem, schon einmal körperliche Übergriffe in ihrer Partnerschaft erlebt zu haben, wobei dabei eine deutlich geringere Intensität und Häufigkeit im Vergleich zur Viktimisierung bei Frauen zu bestehen scheint.[6] Eine Übersicht der (nicht repräsentativen) Prävalenzen unterschiedlicher Gewaltformen bei Männern ist ''Grafik 2'' zu entnehmen. 

Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend können langfristige Gesundheitsprobleme zufolge haben und erhöhen das Risiko auch im Erwachsenenalter unter Gewaltanwendungen zu leiden bzw. selbst TäterIn zu werden. Nach einer Studie des Robert-Koch-Instituts von 2007 scheinen Jungen deutlich häufiger als Mädchen von Gewalt betroffen zu sein (als Täter und als Opfer). Der Geschlechterunterschied ist sowohl bezüglich Opfersein als auch bezüglich TäterInnenschaft hochsignifikant, der genaue Geschlechtervergleich ist ''Grafik 3'' zu entnehmen. Damit zusammenhängend ergibt sich, dass die Gewaltbefürwortung (zur Konfliktbearbeitung) bei Jungen hochsignifikant höher ist als bei Mädchen (bei beiden Geschlechtern nimmt diese Gewaltbefürwortung mit dem Alter hochsignifikant ab).[7] Mädchen sind ähnlich wie Frauen deutlich häufiger von schwerem sexuellen Missbrauch betroffen als Jungen.[8]

 

5c135e78a71ef.PNG

Grafik 3. 12-Monats-Prävalenz von Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend (11-17 Jahre). [Quelle: Schlack & Hölling (2007)]
 
** p ≤ .01 = hochsignifikanter Geschlechterunterschied

Festgehalten werden kann, dass bei beiden Geschlechtern ein erheblicher Anteil in Kindheit und/oder im  Erwachsenenalter von Gewalt betroffen ist. Dabei sind Männer besonders in Kindheit und Jugend sowie im jungen Erwachsenenalter Betroffene von körperlicher Gewalt, während Frauen zusätzlich im mittleren Alter besonders häufig körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Geschlechterunterschiede äußern sich vor allem darin, dass Frauen sehr viel häufiger deutlich schwerere Formen von Gewalt in der Partnerschaft sowie sexuelle Gewalt erleben, während Männer öfter körperlicher Gewalt im öffentlichen Raum ausgesetzt sind. Bezüglich psychischer Gewalt scheinen keine Geschlechterunterschiede in der Häufigkeit vorzuliegen: Beide Geschlechter scheinen in hohem Maß betroffen zu sein, wobei kontextspezifisch noch keine Aussagen getroffen werden können.[9]

Häusliche und sexualisierte Gewalt an Frauen[Bearbeiten]

Kriminalstatistische Auswertung bestätigen: In den meisten Fällen sind es Frauen (82 %), die von Partnerschaftsgewalt betroffen sind und fast die Hälfte dieser Frauen lebte zum Zeitpunkt der Gewaltausübung mit dem Täter in einem Haushalt (49 %). Häusliche Gewalt gegenüber Frauen kommt in allen sozialen Schichten vor und auch die oft vermutete soziale Auffälligkeit der Täter bzw. der Familien, in denen Gewalt ausgeübt wird, ist nur selten zu beobachten. Allein im Jahr 2015 waren über 104 000 Frauen in Deutschland von Partnerschaftsgewalt betroffen. Dabei erlitten die Frauen unterschiedliche Formen der Gewalt: Von vorsätzlicher einfacher Körperverletzung waren über 65 800 Frauen, von Bedrohung über 16 200 Frauen, von gefährlicher Körperverletzung über 11 400 Frauen, von Stalking über 7 900 Frauen und von Mord und Totschlag 331 Frauen betroffen. Bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung in Partnerschaften sind die Betroffenen beinahe zu 100 Prozent weiblich, bei Stalking und Bedrohung in der Partnerschaft sind es fast 90 Prozent. Von vorsätzlicher und einfacher Körperverletzung sowie von Mord und Totschlag in Paarbeziehungen sind 80 Prozent der Betroffenen weiblichen Geschlechts.[10] Als TäterIn werden fast ausschließlich männliche Beziehungspartner genannt. In einer vom BMFSFJ geförderten Untersuchung gaben nur ein Prozent der befragten Frauen an, Übergriffe durch eine Beziehungspartnerin erlebt zu haben. Bezüglich der Höhe von Prävalenzen häuslicher Gewalt kann davon ausgegangen werden, dass es sich zumindest teilweise um Mindestwerte handelt. Besonders bei den stärker tabuisierten Gewaltformen und bei Kontexten im Bereich engster sozialer Beziehungen scheinen Gewaltprävalenzen in Wirklichkeit noch höher zu sein. Im europäischen Vergleich deuten die Prävalenzen von Gewalt an Frauen in Deutschland auf eine mittlere bis hohe Gewaltbetroffenheit hin.[11]

Gewalt bei Menschen mit Behinderung[Bearbeiten]

Menschen mit Behinderung sind aufgrund ihrer körperlichen und/oder kognitiven Abhängigkeit oftmals einem besonderem Risiko ausgesetzt, von Gewalt betroffen zu sein. Dabei ergibt sich ein ähnlicher Geschlechterunterschied wie in der Gesamtbevölkerung: Während vor allem Frauen unter sexualisierter Gewalt leiden müssen, sind Männer öfter von körperlicher Gewalt betroffen. Allerdings ist der Anteil derer, die von Gewalt betroffen sind, maßgeblich höher als in der Gesamtbevölkerung.  Beispielsweise ergibt sich in einer Untersuchung von Hornberg und Schröttle (2013), dass 43 Prozent der Männer in der Gesamtbevölkerung körperlicher Gewalt ausgesetzt sind, bei Männern mit Behinderung sind es 71 Prozent.[12] Zudem sind Frauen mit Behinderung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zwei- bis dreimal so häufig von sexueller Gewalt betroffen. Ein besonderes Risiko stellen dabei Versorgungseinrichtungen, aber auch Schulen und Internate dar.[13] Menschen mit Behinderung sind deutlich häufiger psychischer Gewalt ausgesetzt als Menschen ohne Behinderungen, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer.  Auch ist über ein Viertel der Frauen mit Behinderung multipler und wiederholter Gewalt ausgesetzt, während der Anteil betroffener Männer hier bei unter 10 Prozent liegt. Angaben zu Täter und Täterinnen sind in dieser Bevölkerungsgruppe ähnlich wie in der Gesamtbevölkerung: Beeinträchtigte Frauen geben an, häufiger von Personen (Männern oder Frauen) aus dem sozialen Umfeld misshandelt zu werden (oft Angehörige oder der Partner/die Partnerin), beeinträchtigte Männer scheinen dagegen eher Gewalt im öffentlichen Raum ausgesetzt zu sein. Die Studienlage bestätigt, dass Behinderung als Risikofaktor für Gewalterlebnisse gewertet werden kann und damit ein erhöhtes Risiko für weitere Behinderungen besteht.[14]

Gewalt im Kontext von Migration und Flucht[Bearbeiten]

Der Zusammenhang zwischen (häuslicher) Gewalt, Migration und Gesundheit wurde bisher nur in wenigen Studien untersucht. Zu berücksichtigen ist dabei unbedingt, dass Frauen und Männer mit Migrationshintergrund eine sehr heterogene Gruppe repräsentieren.  Verschiedene Studien belegen einen Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und Gesundheit [15] [16] sowie zwischen Migrationshintergrund und Gewalt.[17] [18] Nach den Ergebnissen einer deutschen Prävalenzstudie sind Frauen mit türkischem Migrationshintergrund im Vergleich zu osteuropäischen Migrantinnen und Frauen ohne Migrationshintergrund in einem höherem Maß von schwerer körperlicher und/oder sexueller Gewalt mit Verletzungsfolgen in der Partnerschaft betroffen. Im öffentlichen Raum erfuhren beide Migrantinnengruppen deutlich häufiger als Nicht-Migrantinnen psychische Gewalt und Diskriminierung. Eine nichtrepräsentative Studie mit Asylbewerberinnen ergab, dass diese im Vergleich zu anderen Befragungsgruppen am stärksten von Gewalt in unterschiedlichen Lebensbereichen betroffen waren.[19]  Die Gewalterfahrungen waren dabei nicht auf häusliche Gewalt beschränkt, sondern  schlossen vielfältige psychische, körperliche und sexualisierte Übergriffe durch unbekannte Personen, durch MitbewohnerInnen in Gemeinschaftsunterkünften sowie durch MitarbeiterInnen und Betreuungspersonen in Ämtern, Schulen, Behörden und Hilfseinrichtungen ein.[20] Zudem ist bei Asylbewerbern und Asylbewerberinnen häufig von vergangenen Gewalterfahrungen und Traumatisierungen im Kontext von Krieg, Verfolgung und Flucht auszugehen, so dass die Prävalenz Posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) entsprechend hoch ist.[21]

Wichtig ist, dass die oft unterstellte und teilweise auch reale Legitimierung von Gewalt gegen Frauen in bestimmten Kultur- und Religionszusammenhängen die höhere Gewaltbetroffenheit von Migrantinnen nicht hinreichend  erklärt. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass kumulative Belastungen durch Faktoren wie Minoritätenstatus, ungesicherter Aufenthaltsstatus, mangelnde Integration, finanzielle Probleme, Arbeitslosigkeit, beengte Wohnverhältnisse,  Statusverlust sowie fehlende soziale Netzwerke Gewalt deutlich begünstigen.[22] [23] Die häufige finanzielle Abhängigkeiten der Migrantinnen von ihren Ehemännern erschweren zusätzlich das Herauslösen aus gewaltbelasteten Partnerschaften.Erez E, Hartley CC (2003) Battered immigrant women and the legal system: a therapeutic jurisprudence perspective. Western Criminology Review 4: 155–169 Dies gilt vor allem für illegal eingereiste Migrantinnen und Frauen ohne eigenständigen Aufenthaltsstatus. Zwangsprostitution und Zwangsehen bilden dabei Kontexte, die besonders gewaltgeprägt sind.[24]
 

Folgen von Gewalterfahrungen[Bearbeiten]

Studien belegen einen (multifaktoriellen) Zusammenhang zwischen gegenwärtigen oder vergangenen Gewalterfahrungen und physischen und/oder psychischen Gesundheitsproblemen mit erheblichen Einbußen in der Lebensqualität.[25] [26] Besonders Gewalt in der Kindheit sowie kumultative Gewalterlebnisse können den Gesundheitszustand negativ beeinflussen.[27] Über 75 Prozent der Betroffenen köperlicher  Gewalt und 60 Prozent der Betroffenen psychischer Gewalt gaben in einer Studie an, dass ihr Wohlergehen durch die Gewalterfahrung(en) stark oder sehr stark beeinträchtigt wurde.[28] Dabei lässt sich zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Gesundheitsfolgen unterscheiden. Kurzfristige bzw. unmittelbare Folgen umfassen unter anderem akute Verletzungen und/oder direkte psychosoziale Folgeprobleme wie Gefühle von Angst und Bedrohung, erhöhter Alkohol- oder Medikamentenkonsum sowie allgemeiner Distress. Frauen scheinen infolge von schweren Misshandlungen in der Partnerschaft häufig wiederholt starke Verletzungen (z. B. Frakturen) zu erleiden. Aufgrund sexualisierter Gewalt treten bei Frauen zudem oft vaginale oder anale Verletzungen auf. 

Die extremste Form direkter Gewaltfolgen sind Verletzungen mit Todesfolge. Orientierend an den angezeigten Straftaten sind hier Männer häufiger betroffen als Frauen. Ausnahme bildet dabei die Tötung im Zusammenhang mit Sexualdelikten, bei denen Frauen deutlich häufiger Todesopfer werden.[29] 

Als mittel- und langfristige Folgen lassen sich somatische, psychosomatische und psychische Symptomatiken identifizieren, die oft chronischen Charakter annehmen und zeitlich verzögert auftreten können.[30] [31] Frauen scheinen dabei häufiger mit Depressionen, Posttraumatischer Belastungsstörung oder Angsterkrankungen zu reagieren, während Männer öfter externale Verhaltensweisen (z. B. Suchtmittelmissbrauch) zeigen. Außerdem erleiden Frauen häufiger schwere Verletzungen und sind öfter von Behinderungen infolge von Gewalt betroffen. Sekundärnalysen der deutschen ''Repräsentativen Studie zur Gewalt gegen Frauen'' des BMFSFJs zeigen, dass Zusammenhänge zwischen vergangenen Gewalterfahrungen und verschiedenen Schmerzsyndromen, Herz-Kreislauf-Problemen, zerebralen und gynäkologischen Beschwerden sowie dermatologischen Erkrankungen bestehen.[32] [33] 

Nachfolgende Tabelle (''Tabelle 1'') stellt mögliche Folgen von Gewalterfahrungen dar, die sich aus Studien zu Gewalt an Frauen und Mädchen ergeben. 

 

Tabelle 1. Gesundheitliche Folgen von Gewalt an Mädchen und Frauen. [Quelle: Hornberg et al. (2008)]

Nicht tötliche Folgen
Körperliche Folgen
  • Verletzungen
  • Funktionelle Beeinträchtigungen
  • Dauerhafte Behinderungen
(Psycho)somatische Folgen
Psychische Folgen
Gesundheitsgefährdende Bewältigungsstrategien
Reproduktive Gesundheitsfolgen
  • Eileiter-/Eierstockentzündungen
  • Sexuell übertragbare Krankheiten
  • Ungewollte Schwangerschaften
  • Schwangerschaftskomplikationen
  • Fehlgeburten
  • Niedriges Geburtsgewicht des Säuglings
Tödliche Folgen
 
  • Tödliche Verletzungen
  • Tötung
  • Suizid

 

Frauen, die unter sexualisierter Gewalt leiden mussten bzw. müssen, zeigen häufig ungeklärte Symptome der Fortpflanzungsorgane, werden (wiederholt) ungewollt schwanger und entscheiden sich öfter für Schwangerschaftsabbrüche. Oft nehmen die betroffenen Frauen die Schwangerenvorsorge erst sehr spät in Anspruch, was die Gesundheit von Mutter und Kind gefährden kann. Langzeitfolgen von Vergewaltigungen können zudem chronische Urogenitalsymptome (z. B. häufige Nieren- und Blaseninfektionen), rezidivierende vaginale Blutungen, sexuell übertragbare Krankheiten (z. B. HIV) oder auch Unfruchtbarkeit sein.[34] Dazu kommen häufig (psycho)somatische Probleme wie Kopf- und Bauchschmerzen, Magen-Darmprobleme, Nervosität und Schwindel, Atemprobleme oder auch Blutdruckschwankungen. Ungefähr die Hälfte der Betroffenen von sexualisierter Gewalt entwickeln eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). 

Um gesundheitlichen (Langzeit)folgen durch Gewalterfahrungen verhindern zu können, besteht die absolute Notwendigkeit, Betroffene im medizinischen Setting frühzeitig zu erkennen und eine sensible Versorgung zu gewährleisten.[35] Zum Beispiel wurde im Rahmen einer wissenschaftlichen  Erhebung festgestellt, dass 93 Prozent der gewaltbetroffenen Patientinnen vom medizinischen Personal einer Notfallambulanz nicht auf  ihre Gewaltbelastung angesprochen wurden.[36] Für die Sensibilisierung von medizinischem Fachpersonal bezüglich häuslicher Gewalt wurden von Seifert et al. (2006) typische Körperregionen definiert, an denen man üblicherweise Verletzungen dieser Art findet (vergleiche ''Tabelle 2'').[37]

 

Tabelle 2. Typische Körperregionen, an denen man üblicherweise durch häusliche Gewalt verursachte Verletzungen findet. [Quelle: Seifert, Heinemann & Püschel (2006)].

Typische Verletzungsregionen
Hirnschädel: Kopfhaar gelichtet (Follikelhämatom?), Hämatome, Platz-/Risswunden
Gesicht, Orbita, Hirnschädel: Hämatome (Handabdruck?), Kratz-, Bissspuren, Schürfungen,

Frakturen, Lippen-/Mundvorraum-/Zahnverletzungen, Verletzungen an der Ohrmuschel

Bindehäute der Augen, Mundschleimhaut, Gesichtshaut Petechiale Einblutungen bei Strangulation
Hals: Hautabschürfungen, Hämatome durch Kratzen, Würgen, Drosseln (eventuell mit Abdruckmarke),

(Heiserkeit, Schluckbeschwerden)

Streckseiten der Arme: Hämatome unterschiedlichen Alters, als Abwehrverletzungen auch

Schnitte, Stich beugeseitig, Schürfungen

Hände: Schnittwunden als Abwehrverletzungen, Nagelränderbrüche
Brüste: Hämatome, Bissspuren
Rücken: Widerlagerverletzungen, Schürfungen über Aufliegeseiten
Innenseite Oberschenkel, Gesäß: Hämatome
Beispiele spezieller Verletzungen
  • Geformte Abdruckmarken, zum Beispiel von Gürtelschnalle, Schlagwerkzeug, Doppelstreifenkonturen?
  • Zigaretten-Brandwunden (zirkuläre 5–15 mm), -narben
  • Oberflächliche Stich-/Schnittverletzungen

 

Gegenwärtige Situation und Ausblick[Bearbeiten]

Gewalt im privaten und öffentlichen Raum wird als eines der weltweit größten Gesundheitsrisiken für Frauen und Kinder eingestuft und ist mit enormen gesundheitlichen Folgen assoziiert.  Dabei wurde sexualisierte und häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder erstmals durch die Frauenbewegung der 1970er Jahre thematisiert und auch dann dauerte es beinahe weitere 20 Jahre bis dieses Themenfeld auf nationaler und internationaler Ebene (z. B. durch die WHO) als erhebliches gesellschaftliches Problem wahrgenommen und diskutiert wurde. Heute ist offensichtlich, dass sich die Notwendigkeit zur Prävention und Intervention allein aus den hohen Prävalenzzahlen von Gewalterfahrungen bei Frauen, aber auch bei Männern ergibt. Komplexe Problemsituationen, wie häusliche und/oder sexualisierte Gewalt, erfordern vielschichtige Interventionen, innerhalb derer die Gesundheitsversorgung eine zentrale Rolle einnimmt. Aktuelle Versorgungskonzepte konzentrieren sich in Deutschland auf das frühzeitige Erkennen von Gewalt, eine adäquate Vernetzung der Akteure (z. B. medizinische Praxen und Beratungsstellen) und verhältnisbezogene Hilfe. Die deutliche Mehrheit dieser Hilfsmaßnahmen bezieht sich dabei auf Frauen als Gewaltbetroffene. 

Dennoch ergeben sich auch für Frauen immer noch zahlreiche Versorgungsdefizite. Die WHO formulierte 2013 evidenzbasierte Leitlinien für den Umgang mit häuslicher und sexualisierter Gewalt an Frauen in Versorgung, Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der Gesundheitspolitik (in deutscher Übersetzung vom S.I.G.N.A.L e. V.). Aus diesen Leitlinien ergibt sich für Deutschland der Bedarf, bundesweite fachliche Standards für die gesundheitliche Versorgung bei häuslicher und sexueller Gewalt zu entwickeln, einen (gesetzlichen) Versorgungsauftrag für die Gesundheitsversorgung zu formulieren und eine systematische curriculare Verankerung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe zu fördern. Auch sollten Maßnahmen der Qualitätssicherung sowie eine systematische Überprüfung der praktischen Umsetzung etabliert werden.[38]

Begegnet wurde den Versorgungsdefiziten gewaltbetroffener Frauen beispielsweise im Projekt ''Medizinische Interventionen gegen Gewalt an Frauen'' (MIGG):[39] In fünf Regionen Deutschlands wurden Ärztinnen und Ärzte hinsichtlich des Erkennens und Ansprechens gewaltbetroffener Frauen, der Dokumentation sowie des Umgangs mit den Patientinnen geschult und mit Hilfeeinrichtungen vernetzt. Außerdem wurde ein Implementierungsleitfaden zur ''Einführung der Interventionsstandards in die medizinische Versorgung von Frauen'' herausgearbeitet. Um die medizinische Versorgung von Gewaltbetroffenen zu verbessern, hat das BMFSFJ eine Informationsmappe für Gesundheitsfachkräfte (''Häusliche Gewalt: Erkennen und Helfen'') erstellt, bei der ein besonderer Schwerpunkt auf der Vermittlung der Erkenntnisse des MIGG-Projekts liegt. Derzeit wird das Projekt in leicht modifizierter Form unter dem Namen ''Gewinn Gesundheit(R)'' [40] in fünf Regionen NRWs umgesetzt. 

Hinsichtlich der großen Anzahl männlicher Betroffener gilt es, auch das Angebot für Männer schnellstmöglich auszubauen bzw. Angebote vermehrt geschlechtersensibel zu gestalten. Außerdem sollten besonders vulnerable bzw. gefährdete Personengruppen stärker berücksichtigt werden: Dazu gehören Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Pflegebedarf, Menschen mit ungesichertem Aufenthalts- oder Minoritätenstatus, Menschen in sozioökonomischen Mangellagen, Frauen, die in traditionell patriarchalisch strukturierte Familienverbänden leben, sowie Menschen, die sich in Institutionen mit spezifischen Abhängigkeiten befinden (z. B. Haftanstalten). In den Analysen zu Gewalt und Geschlecht werden zudem nicht alle Altersgruppen hinreichend berücksichtigt: Zu Gewalt im hohen Alter (> 65 Jahre) liegen derzeit noch keine repräsentativen geschlechtersensiblen Daten vor, obwohl in dieser Altersgruppe eine besondere Gefährdung für verschiedene und multiple Gewaltformen besteht: Gewalterfahrungen beschränken sich dabei nicht nur auf verbale Aggression und körperliche bzw. sexualisierte Gewalt, sondern umfassen auch finanziellen Ausnutzung und sozialen Ausgrenzung sowie Bevormundung. Probleme in der Identifizierung solcher Gewalterfahrungen liegen unter anderem darin, dass die Mitteilungsfähigkeit alter Menschen sowohl krankheitsbedingt als auch aus einer Abhängigkeit heraus eingeschränkt sein kann.[41] 

Wichtig wäre zudem, Gewaltformen genauer zu differenzieren. Repräsentative Studien zu Gewalt und Geschlecht unterscheiden meist nur körperliche, sexualisierte und psychische Gewalt. Gewaltformen wie soziale (Isolation von Familie und Freundeskreis, Kontrolle der Kontakte, Verbot von Kontakten oder Einsperren) oder finanzielle Gewaltausübung (das Erzeugen finanzieller Abhängigkeit durch Arbeitsverbote, Arbeitszwang oder alleinige Kontrolle der Finanzen durch den/die TäterIn) bleiben i.  d. R. unberücksichtigt. Um gut evaluierte Präventions- und Interventionsangebote bereitstellen und die (langfristige) Wirkung von Gewalt auf die Gesundheit geschlechtersensibel interpretieren zu können, sollte  weitere systematische Forschung stattfinden. Erst dann wird die Versorgungssituation für Frauen und Männer mit Gewalterfahrungen deutlich verbessert werden können.[42] [43]

Externe Links/Informationen für Gesundheitsfachkräfte[Bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten]

 

Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.
  1. Schröttle M, Müller U (2004) Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Kurz- und Langfassungen dieser und der folgenden Dokumentationen unter: www.bmfsfj.de/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte,did=20560.html
  2. Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.
  3. Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.
  4. Jungnitz L, Lenz HJ, Puchert R et al. (Hrsg) (2007) Gewalt gegen Männer. Personale Gewaltwiderfahrnisse von Männern in Deutschland. Verlag Barbara Budrich, Opladen
  5. Kury H, Dörmann, U, Richter H et al. (1996) Opfererfahrung und Meinungen zur inneren Sicherheit in Deutschland. Ein empirischer Vergleich von Viktimisierungen, Anzeigeverhalten und Sicherheitseinschätzung in Ost- und West vor der Vereinigung. Bundeskriminalamt, Wiesbaden
  6. Forschungsverbund (2004) Gewalt gegen Männer. Personale Gewaltwiderfahrnisse von Männern in Deutschland. Abschlussbericht der Pilotstudie im Auftrag des BMFSFJ. Berlin www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte.html
  7. Schlack, R., & Hölling, H. (2007). Gewalterfahrungen von Kindern und Jugendlichen im subjektiven Selbstbericht. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 50(5-6), 819-826.
  8. Häuser, W., Schmutzer, G., Brähler, E., & Glaesmer, H. (2011). Misshandlungen in Kindheit und Jugend. Deutsches Ärzteblatt, 108, 17.
  9. Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.
  10. BMFSFJ: Presse­mitteilung. Wenn das eigene Zuhause nicht sicher ist – Gewalt in Paarbeziehungen. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/wenn-das-eigene-zuhause-nicht-sicher-ist---gewalt-in-paarbeziehungen/112658, 22.11.2016
  11. Müller, U., Schöttle, M., Hess, D., & Prussog-Wagner, A. (2004). Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland.
  12. Schröttle, M., & Hornberg, C. (2013). Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland. Ergebnisse der quantitativen Befragung. Endbericht. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.). Berlin: BMFSFJ.
  13. Schröttle, M., Hornberg, C., Neder, N., Mecke, D., Elli, O., & Vogt, K. (2014). Gewalterfahrungen von in Einrichtungen lebenden Frauen mit Behinderungen-Ausmaß, Risikofaktoren, Prävention. Interdisziplinäres Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universität Bielefeld im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
  14. Schröttle, M., & Hornberg, C. (2013). Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland. Ergebnisse der quantitativen Befragung. Endbericht. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.). Berlin: BMFSFJ.
  15. Schröttle M, Khelaifat N (2008) Gesundheit – Gewalt – Migration: Eine vergleichende Sekundäranalyse zur gesundheitlichen Gewaltsituation von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland. Ein Forschungsprojekt des Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universität Bielefeld im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Veröffentlichung der Kurz- und Langfassung im Internet unter: www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Forschungsnetzforschungsberichte,did=108722.html
  16. Spallek J, Razum O (2007) Gesundheit von Migranten: Defizite im Bereich der Prävention. Medizinische Klinik 102 (6): 451–456.
  17. Schröttle M, Khelaifat N (2008) Gesundheit – Gewalt – Migration: Eine vergleichende Sekundäranalyse zur gesundheitlichen Gewaltsituation von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland. Ein Forschungsprojekt des Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universität Bielefeld im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Veröffentlichung der Kurz- und Langfassung im Internet unter: www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Forschungsnetzforschungsberichte,did=108722.html
  18. Raj A, Silverman JG (2003) Immigrant South Asian women at greater risk for injury from intimate partner violence. American Journal of Public Health 93 (3): 435–437
  19. Schröttle M, Khelaifat N (2008) Gesundheit – Gewalt – Migration: Eine vergleichende Sekundäranalyse zur gesundheitlichen Gewaltsituation von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland. Ein Forschungsprojekt des Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universität Bielefeld im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
    Frauen und Jugend. Veröffentlichung der Kurz- und Langfassung im Internet unter: www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Forschungsnetzforschungsberichte,did=108722.html
  20. Schröttle M, Müller U (2004) Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Kurz- und Langfassungen dieser und der folgenden Dokumentationen unter: www.bmfsfj.de/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte,did=20560.html
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  23. Belser K (2005) Häusliche Gewalt kommt in allen Kreisen vor – nur in manchen vielleicht etwas häufiger. Häusliche Gewalt und Migration: Einführung zum Schwerpunktthema. Frauenfragen 1/2005. IVAWS, Bern. www.frauenkommission.ch/pdf/Belser_d.pdf
  24. Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.
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  43. Hornberg, C., Schröttle, M., Khelaifat, N., Pauli, A., & Bohne, S. (2008). Themenheft 42" Gesundheitliche Folgen von Gewalt" Unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.

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Zuletzt geändert: 2018-12-14 08:40:39

Die Häufigkeit einer Krankheit oder eines Symptoms in einer definierten Population zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Zwanghaftes Bedürfnis bzw. unwiderstehlicher Drang nach einem bestimmten Stimulus (Reiz), z. B. einer chemischen Substanz (Droge).

(RDS) Gastroenterologisches Krankheitsbild, das durch diffuse abdominelle Beschwerden charakterisiert wird und oft auf psychosomatischen Faktoren beruht.