Genderspezifisches Verhalten in der online Gesundheitsinformationsrecherche/Einführungsartikel

Viele von uns tun es täglich: Wir nehmen das Handy zur Hand und recherchieren Fragen, Sachverhalte, Zusammenhänge, oder Definitionen über Google. Das Internet als Informationsquelle nimmt an Wichtigkeit immer mehr zu. Aber inwiefern ist dieses weitverbreitete Verhalten der Informationssuche bei gesundheitlichen Fragen relevant? Ist das Internet das Medium der Zukunft für den mündigen, mitentscheidenden, autonomen Patienten? Gibt es geschlechterspezifische Unterschiede in diesem Verhalten? Und wenn ja, was für Faktoren determinieren, limitieren oder beeinflussen diese Differenzen? Welche genderspezifischen Strategien erweisen sich auf Basis dieser Informationen als praktikabel und zielführend für die Onlineinformationsvermittlung der Zukunft?

Um diesen Fragen wissenschaftlich nachzugehen wurde eine repräsentative Stichprobe (N=1728) erwachsener, deutscher Probanden bezüglich ihres Onlineverhaltens der Gesundheitsinformationsrecherche analysiert.[1] Die Daten stammen aus einer Erhebung der Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit der Barmer GEK.[2] Die Probandengruppe lies sich differenzieren in „health-offliners“ (Menschen, die andere Informationsquellen für die Suche nach Gesundheitsinformationen verwenden) und „health-onliners“ (Menschen, die online Gesundheitsinformationen suchen). Unter den Probanden, die allgemein das Internet benutzen, konnten knapp 53 % als „health-onliners“ definiert werden, wohingegen die Restpersonengruppe von etwa 47 % als „health-offliner“ charakterisiert werden konnte.[1] Interessant ist sicherlich die Fragestellung, ob es grundsätzliche Kriterien gibt, die beide Personengruppen von einander unterscheidet. Hier bedarf es weiter Forschungsarbeit.

Als relevante Faktoren für die Tendenz zur Onlinerecherche könnten folgende Determinanten herauskristallisiert werden: Das Alter der Probanden,  die Zufriedenheit mit der primären ärztlichen Versorgung, die Allgemeine Häufigkeit des Internetgebrauchs sowie insgesamt starkes Interesse an gesundheitlichen Fragen.[1] Diese Faktoren waren relevanter als der soziale Status der Personen in der Zielgruppe.[1]

Mit steigendem Alter neigen gerade Frauen dazu das Internet weniger oft bezüglich der Recherche von Gesundheitsfragen zu frequentieren.[3] [4] Dieser Zusammenhang könnte möglicherweise darauf zurückzuführen sein, dass diese Personengruppe allgemein das Internet weniger nutzt.[3] [4]

Über geschlechterspezifisches Verhalten bei der Gesundheitsinformationsrecherche Online wurde häufig berichtet.[5] [6] Aber wenig ist bekannt über die darunterliegenden Gründe dieser Unterschiede. Sind die geschechterspezifischen Unterschiede im Gesundheitsinformationsrechercheverhalten Online mitbedingt durch die Unterschiede in der sozialen Rolle zwischen Männern und Frauen?

Frauen neigen bei Unzufriedenheit mit der primären medizinischen Versorgung eher dazu, online Recherche zu betreiben oder sich in Onlineforen mit anderen Betroffenen auszutauschen. Für sie sind soziale und kommunikative Angebote wichtig und unterstützend. Männer hingegen geht es eher um die Informationsvermittlung an sich.[7] Gerade bei bestimmten immer noch tabuisierten oder stigmatisierten Themen bietet die Anonymität des Internets hier klar auf der Hand liegende Vorteile. Außerdem lässt sich feststellen, dass Frauen tendenziell eher für andere Personen wie z.B. Familienmitglieder Online Recherche betreiben.[8] Bei beiden Geschlechtern neigen chronisch oder/und „ernsthaft erkrankte“ Personen eher dazu das Internet für zusätzliche Informationen oder sozialen Austausch zu benutzen. [9] [10] Frauen haben unter diesen Bedingungen eine höhere Frequenz im Onlineverhalten und suchen eher soziale und emotionale Unterstützung.[7] [11] Männer hingegen bevorzugen sachliche, klar formulierte Informationen bezüglich der sie betreffenden Gesundheitsthemen.[7] [11]

Limitationen der analysierten Studie liegen in der Tatsache, dass die Gründe hinter den  gefunden Verhaltensunterschieden nicht eindeutig zuzuordnen sind.[1]  Aber auch darin, dass in der ausgewerteten Studie nicht berücksichtigt wurde, ob die Probanden für sich selbst oder für dritte nach Informationen recherchieren.[1] Außerdem besteht oft eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem selbst berichteten Online-Verhalten und der tatsächlichen Aktivität.[12] Diese Sachverhalte würden nicht in das Studiendesign integriert.[1]

Geschlechterspezifische, benutzerorientierte Internetinformation bedarf noch weiterer  präziser Forschungsarbeit. Die Informationsquellen für Gesundheitsinformationen  sollten neutralen Ursprungs sein und nicht etwa vertriebs- oder pharmaorientiert, was für den Laien oft schwer zu beurteilen ist. Außerdem sollten sie gut verständlich sein und nicht extremes medizinisches Fachwissen voraussetzen. Gleichzeitig könnten Informationen in verschieden Sprachen online abrufbar sein, so dass auch z.B. Personengruppen wie Geflüchtete oder Zuwanderer wichtige Gesundheitsinformationen leicht zugänglich erhalten könnten. Perspektivisch ist das Internet durchaus ein ernst zu nehmendes Informationsmedium der Zukunft gerade in Gesundheitsfragen, wenn fundierte Informationen zielgruppenorientiert vermittelt werden,  könnte die medizinische primäre Versorgung sinnvoll und effizient ergänzt werden.

Limitation[Bearbeiten]

Aufgrund des Studiendesigns, welches teilweise etwas undifferenziert ist, kommt es zu recht klassischen gender-stereotypen Ergebnissen, welche auf alle Fälle kritisch analysiert werden müssen.

Literatur[Bearbeiten]

Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.
  1. Baumann E, Czerwinsk F, Reifegerste D. Gender-Specific Determinants and Patterns of Online Health Information Seeking: Results From a Representative German Health Survey. J Med Internet Res 2017;19(4):e92). Doi10.2196/jmir.6668
  2. Gesundheitsmonitor. Gesundheitsmonitor Bertelsmann Healthcare Monitor URL: http://www.gesundheitsmonitor.de (accessed 2017-03-11) (WebCiteCache ID 6osnvLR8Y)
  3. Pew Research Center.2014. Internet user demographics URL: http://www.pewinternet.org/data-trend/internet-use/latest-stats/ (accessed 2016-05-13)
  4. Välimäki M, Nenonen H, Koivuenen M, Suhonen R. Patients‘ perception of Internet usage and their opportunity to obtain health information. Med Inform Internet Med 2007 Dec; 32 (4): 305-314 (doi: 10.1080/14639230701819792)
  5. Fox S, Duggan M. Pew Research Center 2013. Health Online 2013 URL: http://pewinternet.org/ /media/
  6. Feng Y, Xie W. Digital divide 2.0: the role of social networkingsites in seeking health information online from a longitudinal perspective. J Health Commun 2015;20  81):60-68. Doi 10.1080/10810730.2014.906522, Medline: 25119019
  7. Muscanell NL, Guadagno RE. Make new friens or keep the old: Gender and personality differences in social networking use. Comput Hum Behav 2012 Jan; 28 (1): 107-112 (doi: 10.1016/j.chb.2011.08.016)
  8. Johnson J, Case D. Health information seeking. New York: Peter Lang; 2013
  9. Renahy E, Parizot I, Cauvin P. Determinats of the frequency of online health information seeking: results of a web-based survey conducted in France in 2007. Inform health Soc Care 2010 Jan;35 (1):25-39 doi:10.3109/17538150903358784 (Medline: 20302437)
  10. Gitlow S. The online community as a healthcare resource. In: Nash DB, Manfredi MP, Bozarth B, Howell S, editors. Connecting with the new healthcare consumer: Defining your strategy. New York: McGraw-Hill; 2000:113-133
  11.  Mo PK, Malik SH, Coulson NS. Gender differences in computer-mediated communication: a systematic literature review of online health-relathed support groups. Patient Educ Couns 2009 Apr; 75 (1): 16-24 (doi: 10.1016/j.pec.2008.08.029) (medline: 19233586)
  12. Scharkow M. The accuracy of self-reported internet use – a validation study using client log data. Commun Methods Meas 2016 Mar 24; 10(1): 13-27. (doi: 10.1089/19312458.2015.1118446)

Lizenz[Bearbeiten]

Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode

Autoren[Bearbeiten]

Julia Schreitmüller, Julia Lichtenfels

Zuletzt geändert: 2022-04-26 11:44:55

Soziales Geschlecht