Depression/Fachartikel: Unterschied zwischen den Versionen

 
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== Epidemiologie == <!--T:3-->
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Der folgende Artikel beschreibt Geschlechterunterschiede vordergr&uuml;ndig bei Unipolarer Depression. Geschlechter&uuml;bergreifende Inhalte entnehmen Sie bitte den [http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/nvl-005.html AWMF-Leitlinien zur Unipolaren Depression].
=== Inzidenz/Prävalenz ===
 
Epidemiologische Studien ergeben, dass Frauen deutlich häufiger als Männer an Depressionen erkranken. Longitudinalstudien, die ein Abschätzen von Inzidenzraten depressiver Störungen in einem bestimmten Zeitfenster erlauben, finden durchgängig höhere Neuerkrankungsraten bei Mädchen und Frauen (in einem Zeitraum von 12 bis 20 Monaten zeigen sich Inzidenzen zwischen 1.6 und 3.4 Prozent) im Vergleich zu Jungen und Männern.<ref>Bijl RV, Graaf R de, Ravelli A, Smit F, Vollebergh WAM. Gender and age-specific first incidence of DSM-III-R psychiatric disorders in the general population. Soc Psychiatry Psychiatr Epidemiol 2002; 37(8):372–9.</ref> <ref name= "Oldehinkel">Oldehinkel, A. J., Wittchen, H. U., & Schuster, P..Prevalence, 20-month incidence and outcome of unipolar depressive disorders in a community sample of adolescents. Psychological Medicine 1999, 29(03), 655-668.</ref> Nach den Daten der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland ergab sich 2014 eine 12-Monats-Prävalenz von 13.1 Prozent bei Frauen und 6.4 Prozent bei Männern im Alter von 18 bis 64 Jahren.<ref>Jacobi F, Höfler M, Siegert J, Mack S, Gerschler A, Scholl L et al. Twelve-month prevalence, comorbidity and correlates of mental disorders in Germany: The Mental Health Module of the German Health Interview and Examination Survey for Adults (DEGS1-MH). Int. J. Methods Psychiatr. Res. 2014; 23(3):304–19.</ref> Es ist davon auszugehen, dass Frauen im Vergleich zu Männern ungefähr doppelt so häufig unter einer depressiven Symptomatik leiden. Dabei ist der sogenannte „Gender Gap“ besonders ausgeprägt hinsichtlich der saisonal abhängigen und der atypischen Depression.<ref>Winkler D, Praschak-Rieder N, Willeit M, Lucht MJ, Hilger E, Konstantinidis A et al. Saisonal abhängige Depression in zwei deutschsprachigen Universitätszentren: Bonn, Wien Klinische und demographische Charakteristika. Nervenarzt 2002; 73(7):637–43.</ref> <ref name="Angst"/> <ref name= "Marcus">Marcus SM, Young EA, Kerber KB, Kornstein S, Farabaugh AH, Mitchell J et al. Gender differences in depression: Findings from the STAR*D study. Journal of Affective Disorders 2005; 87(2-3):141–50.</ref> Allgemein können Prävalenzunterschiede zwischen den Geschlechtern international stabil belegt werden. Weniger eindeutig sind die Ergebnisse bezüglich der Unterschiede im Krankheitsverlauf depressiver Frauen und Männer. Dennoch findet die Mehrzahl der Studien bei Frauen höhere Rückfall- und Chronifizierungsraten als bei Männern.<ref name="Kuehner">Kuehner C. Gender differences in unipolar depression. Acta Psychiatrica Scandinavica 2003; 108(3):163–74.</ref>
 
  
[[Datei:Verteilung affektiver Störungen.png|thumb|left|320px|<small>'''Grafik 1. Verteilung affektiver Störungen und Geschlechterverhältnis (weiblich:männlich)'''<br />[Quelle: GenderMed-Wiki]</small>]]
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==Epidemiologie==
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Anders als bei unipolaren Depressionen zeigt sich bei bipolaren Störungen und Manie keine Geschlechterdifferenz in den Prävalenzzahlen, Frauen und Männer scheinen hier in etwa gleich häufig betroffen zu sein. Von einem allgemein geschlechterspezifischen Prävalenzunterschied affektiver Störungen kann somit nicht ausgegangen werden (vergleiche Grafik 1). Dennoch unterscheiden sich auch bei bipolaren Störungen Verlauf und genaue Krankheitssymptomatik zwischen den Geschlechtern.<ref name="Kuehner"/>
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===Inzidenz/Pr&auml;valenz===
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Epidemiologische Studien ergeben, dass Frauen deutlich h&auml;ufiger als M&auml;nner an Depressionen erkranken. Longitudinalstudien, die ein Absch&auml;tzen von Inzidenzraten depressiver St&ouml;rungen in einem bestimmten Zeitfenster erlauben, finden durchg&auml;ngig h&ouml;here Neuerkrankungsraten bei M&auml;dchen und Frauen (in einem Zeitraum von 12 bis 20 Monaten zeigen sich Inzidenzen zwischen 1.6 und 3.4 Prozent) im Vergleich zu Jungen und M&auml;nnern.<ref>Bijl RV, Graaf R de, Ravelli A, Smit F, Vollebergh WAM. Gender and age-specific first incidence of DSM-III-R psychiatric disorders in the general population. Soc Psychiatry Psychiatr Epidemiol 2002; 37(8):372&ndash;9.</ref>&nbsp;<ref name= &quot;Oldehinkel&quot;>Oldehinkel, A. J., Wittchen, H. U., &amp; Schuster, P..Prevalence, 20-month incidence and outcome of unipolar depressive disorders in a community sample of adolescents. Psychological Medicine 1999, 29(03), 655-668.</ref>&nbsp;Nach den Daten der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland ergab sich 2014 eine 12-Monats-Pr&auml;valenz von 13.1 Prozent bei Frauen und 6.4 Prozent bei M&auml;nnern im Alter von 18 bis 64 Jahren.<ref>Jacobi F, H&ouml;fler M, Siegert J, Mack S, Gerschler A, Scholl L et al. Twelve-month prevalence, comorbidity and correlates of mental disorders in Germany: The Mental Health Module of the German Health Interview and Examination Survey for Adults (DEGS1-MH). Int. J. Methods Psychiatr. Res. 2014; 23(3):304&ndash;19.</ref>&nbsp;Es ist davon auszugehen, dass Frauen im Vergleich zu M&auml;nnern ungef&auml;hr doppelt so h&auml;ufig unter einer depressiven Symptomatik leiden. Dabei ist der sogenannte &bdquo;Gender Gap&ldquo; besonders ausgepr&auml;gt hinsichtlich der saisonal abh&auml;ngigen und der atypischen Depression.<ref>Winkler D, Praschak-Rieder N, Willeit M, Lucht MJ, Hilger E, Konstantinidis A et al. Saisonal abh&auml;ngige Depression in zwei deutschsprachigen Universit&auml;tszentren: Bonn, Wien Klinische und demographische Charakteristika. Nervenarzt 2002; 73(7):637&ndash;43.</ref>&nbsp;<ref name=&quot;Angst&quot;>Angst J, Gamma A, Gastpar M, L&eacute;pine J, Mendlewicz J, Tylee A. Gender differences in depression. Epidemiological findings from the European DEPRES I and II studies. European archives of psychiatry and clinical neuroscience 2002; 252(5):201&ndash;9.</ref>&nbsp;<ref name=&quot;Marcus&quot;>Marcus SM, Young EA, Kerber KB, Kornstein S, Farabaugh AH, Mitchell J et al. Gender differences in depression: Findings from the STAR*D study. Journal of Affective Disorders 2005; 87(2-3):141&ndash;50.</ref>&nbsp;Allgemein k&ouml;nnen Pr&auml;valenzunterschiede zwischen den Geschlechtern international stabil belegt werden. Weniger eindeutig sind die Ergebnisse bez&uuml;glich der Unterschiede im Krankheitsverlauf depressiver Frauen und M&auml;nner. Dennoch findet die Mehrzahl der Studien bei Frauen h&ouml;here R&uuml;ckfall- und Chronifizierungsraten als bei M&auml;nnern.<ref name=&quot;Kuehner&quot;>Kuehner C. Gender differences in unipolar depression. Acta Psychiatrica Scandinavica 2003; 108(3):163&ndash;74.</ref>&nbsp;
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<strong>Grafik 1. Verteilung affektiver St&ouml;rungen und Geschlechterverh&auml;ltnis (weiblich:m&auml;nnlich)</strong><br />
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<strong>[Quelle: GenderMed-Wiki]</strong>
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Anders als bei unipolaren Depressionen zeigt sich bei bipolaren St&ouml;rungen und Manie keine Geschlechterdifferenz in den Pr&auml;valenzzahlen, Frauen und M&auml;nner scheinen hier in etwa gleich h&auml;ufig betroffen zu sein. Von einem allgemein geschlechterspezifischen Pr&auml;valenzunterschied affektiver St&ouml;rungen kann somit nicht ausgegangen werden (vergleiche Grafik 1). Dennoch unterscheiden sich auch bei bipolaren St&ouml;rungen Verlauf und genaue Krankheitssymptomatik zwischen den Geschlechtern. <ref name=&quot;Kuehner&quot;/>
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<small><strong>Grafik 2: Kohortenspezifische Lebenszeitpr&auml;valenz von Major&nbsp;Depression&nbsp;bei Frauen und M&auml;nnern&nbsp;[Quelle: GenderMed-Wiki, nach Kessler et al., 1994]</strong></small>
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<strong>Grafik 3. Geschlechterabh&auml;ngige Unterschiede in der Pr&auml;valenz von Major&nbsp;Depression&nbsp;in unterschiedlichen Alterskohorten (6-Monats-Pr&auml;valenz)&nbsp;[Quelle: GenderMed-Wiki, nach Angst et al., 2002]</strong>
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Forschungen zur altersbezogenen Geschlechterdifferenz ergeben, dass sich die Depressionsrate zwischen weiblichem und m&auml;nnlichem Geschlecht erst mit Eintritt in die Pubert&auml;t zu unterscheiden beginnt.<ref>Essau CA, Petermann U. Depression bei Kindern und Jugendlichen. Zeitschrift f&uuml;r klinische Psychologie, Psychopathologie; 43:18&ndash;33.</ref> W&auml;hrend der Pubert&auml;t steigen die Pr&auml;valenzen insgesamt an, wobei der Anstieg deutlich st&auml;rker bei M&auml;dchen zu beobachten ist. Bereits im Alter von 18 Jahren sind Frauen im Vergleich zu M&auml;nnern doppelt so h&auml;ufig von Depressionen betroffen.<ref name= &quot;Oldehinkel&quot;/>&nbsp;Momentan unklar bleibt, ob sich die Pr&auml;valenzzahlen beider Geschlechter im hohen Erwachsenenalter wieder ann&auml;hern.<ref name=&quot;K&uuml;hner&quot;>&nbsp;K&uuml;hner C. Warum leiden mehr Frauen unter Depressionen? In: Lautenbacher S, editor. Gehirn und Geschlecht: Neurowissenschaft des kleinen Unterschieds zwischen Frau und Mann. Heidelberg: Springer; 2007.</ref>&nbsp;
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===Risikofaktoren und protektive Faktoren===
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Studien best&auml;tigen &uuml;berwiegend das weibliche Geschlecht als einen Risikofaktor f&uuml;r die Entwicklung einer depressiven Episode. Nachfolgend werden wichtige biologische und psychosoziale Pr&auml;diktoren tabellarisch aufgef&uuml;hrt, die als Ursachen f&uuml;r diesen Geschlechterunterschied wissenschaftlich untersucht werden (Tabelle 1). Psychosoziale Einflussfaktoren beider Geschlechter sind Gliederungspunkt 4.4 (&#39;&#39;Psychosoziale Faktoren&#39;&#39;) zu entnehmen. &nbsp;
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<table align="center" border="1" cellpadding="1" cellspacing="1" style="width:900px">
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<caption>Tabelle 1. Biologische und psychosoziale Faktoren im Geschlechtervergleich.</caption>
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<th scope="col">Biologische Faktoren</th>
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<th scope="col">Psychosoziale Faktoren</th>
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<td><strong>Genetisches Risiko:</strong><br />
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Neuere Untersuchungen weisen auf einen st&auml;rkeren genetischen Einfluss bei Frauen im Vergleich zu M&auml;nnern hin (Heritabilit&auml;t f&uuml;r Frauen 40 bis 42 und f&uuml;r M&auml;nner 29 bis 31 Prozent).<ref name= &quot;Kendler&quot;>Kendler KS, Gatz M, Gardner CO, Pedersen NL. A Swedish National Twin Study of Lifetime Major Depression. AJP 2006; 163(1):109&ndash;14.</ref> Zudem ergeben sich Hinweise, dass ein Teil der genetischen Risikofaktoren f&uuml;r Frauen und M&auml;nner unterschiedliche Auswirkungen haben bzw. nur f&uuml;r ein Geschlecht relevant sind.<ref>Sullivan PF, Neale MC, Kendler KS. Genetic Epidemiology of Major Depression: Review and Meta-Analysis. AJP 2000; 157(10):1552&ndash;62.</ref> [ref name= &quot;Kendler&quot;/</td>
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<td><strong>Prim&auml;re Angstst&ouml;rung:</strong><br />
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Sch&auml;tzungen zufolge, erkl&auml;rt das Vorhandensein prim&auml;rer [[Angstst&ouml;rungen/Fachartikel | Angstst&ouml;rungen]] ca. 50 Prozent der Assoziation zwischen Geschlecht und Depressionspr&auml;valenz: So belegen epidemiologische Untersuchungen, dass die Diagnose einer [[Angstst&ouml;rungen/Fachartikel | Angstst&ouml;rung]] das Risiko an einer Depression zu erkranken bei M&auml;nnern und Frauen deutlich erh&ouml;ht. Jedoch sind Frauen von [[Angstst&ouml;rungen/Fachartikel | Angsterkrankungen]] signifikant h&auml;ufiger betroffen als M&auml;nner, womit dieser Risikofaktor eine geschlechtsspezifische Ausrichtung erh&auml;lt.<ref>Breslau N, Schultz L, Peterson E. Sex differences in depression: A role for preexisting anxiety. Psychiatry Research 1995; 58(1):1&ndash;12.</ref>&nbsp;</td>
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<strong>Hormonelle Umstellungsphasen:</strong><br />
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<em>1.&nbsp;&nbsp; &nbsp;Pubert&auml;t:</em> Der pubert&auml;re Reifungsgrad ist ein guter Pr&auml;diktor adoleszenter Depressionen bei M&auml;dchen.<ref>Patton GC, Hibbert ME, Carlin J, Shao Q, Rosier M, Caust J et al. Menarche and the onset of depression and anxiety in Victoria, Australia. Journal of Epidemiology &amp; Community Health 1996; 50(6):661&ndash;6.</ref>&nbsp;Unter Umst&auml;nden steht der Anstieg der Geschlechtshormone im direkten Zusammenhang mit negativem Affekt bei M&auml;dchen.<ref>Angold A, Costello EJ, Erkanli A, Worthman CM. Pubertal changes in hormone levels and depression in girls. Psychological Medicine 1999; 29(5):1043&ndash;53.</ref>&nbsp;Dabei ist der Pubert&auml;tsstatus nicht als isolierter biologischer Faktor zu werten, vielmehr besteht eine komplexe Interaktion mit sozialen und kulturellen Variablen (z. B. Identit&auml;tssuche).<ref name=&quot;K&uuml;hner&quot;/>&nbsp;
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<em>2.&nbsp;&nbsp; &nbsp;Pr&auml;menstruelles Dysphorisches Syndrom (PMDS):&nbsp;</em>Angenommen wird eine erh&ouml;hte Sensibilit&auml;t f&uuml;r Ver&auml;nderungen der &Ouml;strogen- und Progesteronkonzentration, die sich negativ auf den Serotoninstoffwechsel auswirkt. Reliable Messung der zentralnerv&ouml;sen Serotoninfunktion ist derzeit jedoch noch nicht m&ouml;glich.<ref name=&quot;K&uuml;hner&quot;/>&nbsp;Empfohlen wird, PMDS als eigenst&auml;ndige St&ouml;rung zu begreifen, da es sich in Leitsymptomen (Reizbarkeit, Affektlabilit&auml;t), Phasendauer und medikament&ouml;ser Wirklatenz (SSRI) von einer depressiven Episode unterscheidet.<ref>Land&eacute;n M, Eriksson E. How does premenstrual dysphoric disorder relate to depression and anxiety disorders? Depress. Anxiety 2003; 17(3):122&ndash;9 </ref>&nbsp;
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<em>3.&nbsp;&nbsp; &nbsp;Postpartumphase:</em> Eine Postpartumdepression wird definiert als eine Major Depression, die innerhalb von vier Wochen nach der Geburt beginnt. W&auml;hrend bis zu 70 Prozent der Frauen nach einer Geburt einzelne depressive Symptome entwickeln, &nbsp;scheinen ungef&auml;hr 13 Prozent in dieser Zeit tats&auml;chlich von einer depressiven Episode betroffen. Studien ergeben, dass in den ersten drei bis vier &nbsp;Tagen nach der Geburt das weibliche &Ouml;strogenlevel enorm abf&auml;llt. Proportional zu diesem &Ouml;strogen-Verlust scheint das Level des Enzyms Monoaminooxidase A (MAO-A) im weiblichen Gehirn dramatisch anzusteigen. &nbsp;Das Enzym befindet sich in h&ouml;herer Konzentration in Gliazellen und Monoamin-releasing Neuronen, wo es die Verf&uuml;gbarkeit der Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin verringert. Diese Neurotransmitter beeinflussen u. a. unsere Stimmung: Sind sie defizient, f&uuml;hlen wir uns zun&auml;chst traurig, sp&auml;ter erh&ouml;ht sich unser Risiko f&uuml;r die Entwicklung einer Depression.<ref>J. Sacher, A. A. Wilson, S. Houle, P. Rusjan, S. Hassan, P. M. Bloomfield, D. E. Stewart, J. H. Meyer Elevated Brain Monoamine Oxidase A Binding in the Early Postpartum Period Archives of General Psychiatry 67(5):468-474 (2010)</ref>
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Identifiziert wurden au&szlig;erdem Pr&auml;diktoren wie depressive Erkrankung in der Anamnese und/oder w&auml;hrend der Schwangerschaft, fehlende soziale Unterst&uuml;tzung und stressvolle Lebensereignisse.<ref>O&#39;hara MW, Swain AM. Rates and risk of postpartum depression&mdash;a meta-analysis. International Review of Psychiatry 2009; 8(1):37&ndash;54.</ref>&nbsp;Zudem k&ouml;nnen auch M&auml;nner postpartale Depressionen entwickeln, wenngleich die Pr&auml;valenz hier deutlich geringer ausf&auml;llt (4 bis 5 Prozent).<ref>Ballard CG, Davis R, Cullen PC, Mohan RN, Dean C. Prevalence of postnatal psychiatric morbidity in mothers and fathers. The British Journal of Psychiatry 1994; 164(6):782&ndash;8</ref>&nbsp;
  
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Forschungen zur altersbezogenen Geschlechterdifferenz ergeben, dass sich die Depressionsrate zwischen weiblichem und männlichem Geschlecht erst mit Eintritt in die Pubertät zu unterscheiden beginnt.<ref>Essau CA, Petermann U. Depression bei Kindern und Jugendlichen. Zeitschrift für klinische Psychologie, Psychopathologie; 43:18–33.</ref> Während der Pubertät steigen die Prävalenzen insgesamt an, wobei der Anstieg deutlich stärker bei Mädchen zu beobachten ist. Bereits im Alter von 18 Jahren sind Frauen im Vergleich zu Männern doppelt so häufig von Depressionen betroffen.<ref name= "Oldehinkel"/> Momentan unklar bleibt, ob sich die Prävalenzzahlen beider Geschlechter im hohen Erwachsenenalter wieder annähern.<ref name="Kühner"> Kühner C. Warum leiden mehr Frauen unter Depressionen? In: Lautenbacher S, editor. Gehirn und Geschlecht: Neurowissenschaft des kleinen Unterschieds zwischen Frau und Mann. Heidelberg: Springer; 2007.</ref>  
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<em>4. (Peri-)Menopause:</em> Einige Studien best&auml;tigen ein erh&ouml;htes R&uuml;ckfallrisiko bei Frauen mit fr&uuml;heren depressiven Episoden <ref>Harlow BL, Wise LA, Otto MW, Soares CN, Cohen LS. Depression and Its Influence on Reproductive Endocrine and Menstrual Cycle Markers Associated With Perimenopause. Arch Gen Psychiatry 2003; 60(1):29.</ref>&nbsp;sowie eine Zunahme depressiver Symptomatik bei nicht vorbelasteten Frauen <ref>Freeman EW, Sammel MD, Lin H, Nelson DB. Associations of Hormones and Menopausal Status With Depressed Mood in Women With No History of Depression. Arch Gen Psychiatry 2006; 63(4):375.</ref>&nbsp;w&auml;hrend der Perimenopause. Unklar bleibt, ob hormonelle Ver&auml;nderungen direkt Einfluss nehmen oder indirekt &uuml;ber vasomotorische Symptome und/oder kritische Lebensereignisse den Zusammenhang modulieren.<ref name=&quot;K&uuml;hner&quot;/>&nbsp;Die Effektivit&auml;t von &Ouml;strogenersatztherapien bei depressiven Symptomen bleibt inkonsistent.<ref name=&quot;Amin&quot;>Amin Z. Effect of Estrogen-Serotonin Interactions on Mood and Cognition. Behavioral and Cognitive Neuroscience Reviews 2005; 4(1):43&ndash;58.</ref>&nbsp;
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<strong>Pers&ouml;nlichkeitseigenschaften:</strong><br />
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Geschlechterunterschiede in pers&ouml;nlichkeitsbezogenen Vulnerabilit&auml;tsfaktoren zeigen sich vor allem in der sp&auml;ten Adoleszenz und dem jungen Erwachsenenalter: Zum Beispiel scheinen ein geringeres Selbstwertgef&uuml;hl <ref name= &quot;Feingold&quot;>Feingold A. Gender differences in personality: A meta-analysis. Psychological Bulletin 1994; 116(3):429&ndash;56</ref>&nbsp;und h&ouml;here Neurotizismuswerte <ref>Costa, Paul, Jr., Terracciano A, McCrae RR. Gender differences in personality traits across cultures: Robust and surprising findings. Journal of Personality and Social Psychology 2001; 81(2):322&ndash;31.</ref>&nbsp;das Depressionsrisiko bei M&auml;dchen und Frauen in diesen Lebensphasen zu erh&ouml;hen.
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Au&szlig;erdem weisen M&auml;dchen bereits vor Beginn der Pubert&auml;t (und damit vor dem Auseinanderdriften der Depressionsraten zwischen den Geschlechtern) deutlich h&ouml;here &Auml;ngstlichkeitswerte als Jungen auf.<ref name= &quot;Feingold&quot;/>
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Ein prominenter kognitiver Ansatz zu Geschlechterunterschieden bei Depressionen ist die &#39;&#39;Response-Styles-Theory&#39;&#39;, die sich mit Coping-Strategien im Umgang mit depressiven Verstimmungen besch&auml;ftigt. Dabei kann emotionsfokussiertes, symptombezogenes Gr&uuml;beln (Rumination) eine Exazerbation depressiver Symptome zur Folge haben. Ruminationen sind bei Frauen meist deutlich st&auml;rker ausgepr&auml;gt als bei M&auml;nnern. M&auml;nner bew&auml;ltigen dagegen eher mit kognitiver und verhaltensm&auml;&szlig;iger Distraktion, die oft depressionsreduzierende Auswirkungen hat. Zur&uuml;ckzuf&uuml;hren sind diese unterschiedlichen Coping-Stile vor allem auf geschlechterspezifische Sozialisationsprozesse.<ref name=&quot;Nolen-Hoeksema&quot;>Nolen-Hoeksema S. The Response Styles Theory. In: Papageorgiou C, Wells A, editors. Rumination: Nature, theory &amp; treatment for nagative thinking in depression. Chichester: Wiley; 2003.</ref>
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<td><strong>Neuroendokrine Stressreaktion:</strong><br />
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Diskutiert wird die Hypothese, dass Sexualhormone bei Frauen eine st&auml;rkere Dysregulation der HPA-Achse modulieren.<ref>Young EA, Altemus M. Puberty, ovarian steroids, and stress. In: Dahl RE, Spear LP (eds) Adolescent brain development: Vulnerabilities and opportunities. New York Academy of Sciences, New York, 2004, pp 124&ndash;133.</ref> Dementgegen zeigen Studienergebnisse, dass Frauen bei niedriger &Ouml;strogenproduktion (Lutealphase) auf psychischen Stress eine &auml;hnliche Kortisolaussch&uuml;ttung wie M&auml;nner zeigen und bei hoher &Ouml;strogenproduktion (Follikelphase oder Einnahme von Kontrozeptiva) eine geringere Kortisolaussch&uuml;ttung als M&auml;nner aufweisen.<ref>Kirschbaum C, Kudielka BM, Gaab J, Schommer NC, Hellhammer DH. Impact of gender, menstrual cycle phase, and oral contraceptives on the activity of the hypothalamus-pituitary-adrenal axis. Psychosomatic medicine 1999; 61(2):154&ndash;62.</ref> Frauen scheinen demnach nicht generell stressempfindlicher zu sein, vielmehr identifizieren Studien geschlechterspezifische Stressoren, auf die Frauen und M&auml;nner mit einer unterschiedlich starken endokrinen Antwort reagieren: Bei Frauen ist aufgrund interpersoneller Stressprovokation mit einer erh&ouml;hten Kortisolantwort zu rechnen, w&auml;hrend M&auml;nner auf eine breitere Palette an Stressreizen reagieren (z. B. &ouml;ffentliche Reden oder mentale Aufgaben).<ref>Kiecolt-Glaser JK, Newton TL. Marriage and health: His and hers. Psychological Bulletin 2001; 127(4):472&ndash;503.</ref>&nbsp;<br />
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<td><strong>Psychosoziale Stressoren:</strong><br />
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Besonders im makrosozialen Bereich sind Frauen psychosozialen Stressoren in besonderem Ma&szlig;e ausgesetzt: Faktoren wie niedriges Bildungsniveau, geringer sozio&ouml;konomischer Status (bis hin zur Armut) oder geringe Handlungskontrolle sind strukturelle Aspekte, die sich negativ auf die psychische Gesundheit von Frauen und M&auml;nnern auswirken. Jedoch sind es in der Regel Frauen, die bez&uuml;glich dieser Faktoren deutlich benachteiligt sind.<ref>Belle Doucet DJ. Poverty, Inequality, And Discrimination As Sources Of Depression Among U.S. Women. Psychology of Women Quarterly 2003; 27(2):101&ndash;13.</ref><br />
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Auch die Life-Event-Forschung best&auml;tigt, dass Frauen und M&auml;nner zwar tendenziell ein &auml;hnliches Risiko haben, auf belastende Lebensereignisse mit Depressionen zu reagieren, Frauen im Vergleich zu M&auml;nnern jedoch deutlich mehr Negativereignissen ausgesetzt sind, die ihr soziales Umfeld betreffen.<ref name= &quot;Kendler1&quot;>Kendler KS, Gardner CO, Prescott CA. Are there sex differences in the reliability of a lifetime history of major depression and its predictors? Psychol. Med. 2001; 31(04).</ref> Schon in der Adoleszenz erleben M&auml;dchen h&auml;ufiger interpersonellen Stress, auf den sie mit Depressivit&auml;t reagieren.<ref name= &quot;Shih&quot;>Shih JH, Eberhart NK, Hammen CL, Brennan PA. Differential Exposure and Reactivity to Interpersonal Stress Predict Sex Differences in Adolescent Depression. Journal of Clinical Child &amp; Adolescent Psychology 2006; 35(1):103&ndash;15.</ref></td>
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<td><strong>Oxytocin:</strong><br />
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Hohe interpersonelle Bed&uuml;rfnisse und der Wunsch nach Intimit&auml;t sind beim weiblichen Geschlecht unter anderem durch das [[Sexualhormone | Sexualhormon]] Oxytocin gesteuert. So sind besonders Frauen bez&uuml;glich des Stresserlebens im zwischenmenschlichen Bereich vulnerabel f&uuml;r die Entwicklung einer Depression. Risikofaktoren sind dabei eine unsichere elterliche Bindung, ein &auml;ngstlich-gehemmtes Temperament sowie geringe instrumentelle Coping-Strategien (z. B. Rumination).<ref>Cyranowski JM, Frank E, Young E, Shear MK. Adolescent Onset of the Gender Difference in Lifetime Rates of Major Depression. Arch Gen Psychiatry 2000; 57(1):21.</ref> Hinreichende empirische Ergebnisse aus der Humanforschung liegen bisher nicht vor.&nbsp;</td>
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<td><strong>K&ouml;rperliche sexuelle und nicht-sexuelle Gewalt:</strong><br />
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K&ouml;rperliche sexuelle und nicht-sexuelle [[Geschlecht und Gewalt - Ein &Uuml;berblick/Fachartikel | Gewalt]] stellen traumatische Stressoren dar, die die Entwicklung verschiedener psychischer Erkrankungen zur Folge haben k&ouml;nnen.<ref>Campbell JC. Health consequences of intimate partner violence. The Lancet 2002; 359(9314):1331&ndash;6.</ref> Dabei werden M&auml;nner und Frauen Opfer von [[Geschlecht und Gewalt - Ein &Uuml;berblick/Fachartikel | Gewalt]]. W&auml;hrend M&auml;nner sehr viel &ouml;fter k&ouml;rperlicher Gewalt im &ouml;ffentlichen Raum ausgesetzt sind, sind Frauen deutlich h&auml;ufiger von schweren Formen h&auml;uslicher und sexueller Gewalt betroffen. Nach Zahlen des BMFSFJ von 2004 sind ca. 13 Prozent der Frauen in Partnerschaft h&auml;uslicher [[Geschlecht und Gewalt - Ein &Uuml;berblick/Fachartikel | Gewalt]] ausgesetzt.<ref>Bundesministerium f&uuml;r Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repr&auml;sentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Baden-Baden: Bundesministerium f&uuml;r Familie, Senioren, Frauen und Jugend; 2004.</ref> Folge dieser [[Geschlecht und Gewalt - Ein &Uuml;berblick/Fachartikel | Gewalt]] k&ouml;nnen nicht nur psychische und physische Verletzungen sein, sondern auch chronisch-pathologische Ver&auml;nderungen der HPA-Achse.<ref>Griffin MG, Resick PA, Yehuda R. Enhanced Cortisol Suppression Following Dexamethasone Administration in Domestic Violence Survivors. AJP 2005; 162(6):1192&ndash;9.</ref></td>
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==Pathophysiologie==
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Physiologische Ver&auml;nderungen k&ouml;nnen die Entwicklung einer Depression durchaus beg&uuml;nstigen, f&uuml;hren aber nicht kausal zwingend zu diesem St&ouml;rungsbild. Geschlechterspezifisch diskutiert wird vor allem die Rolle gonadaler Steroide bei der Pathogenese einer Depression. Dabei finden sich in den meisten Studien keine Unterschiede in der LHRH-induzierten FSH- und LH-Sekretion zwischen depressiven Patienten und Patientinnen und gesunden Vergleichspopulationen. Viele Autoren und Autorinnen schlie&szlig;en daraus, dass die Funktionalit&auml;t der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse bei depressiven Patienten und Patientinnen nicht beeintr&auml;chtigt sei.<ref>Rubin RT, Poland RE, Lesser IM. Neuroendocrine aspects of primary endogenous depression VIII. Pituitary-gonadal axis activity in male patients and matched control subjects. Psychoneuroendocrinology 1989; 14(3):217&ndash;29.</ref>&nbsp;Dennoch scheint ein akuter Abfall gonadaler Steroide (z. B. postpartal) die Entwicklung einer depressiven Symptomatik zu beg&uuml;nstigen.<ref>Payne JL. The role of estrogen in mood disorders in women. International Review of Psychiatry 2009; 15(3):280&ndash;90.</ref>&nbsp;Dabei k&ouml;nnen nicht nur &Ouml;strogen und Progesteron bei Frauen, sondern auch Testosteron bei M&auml;nnern durchaus Bedeutung bei der Entwicklung einer Depression besitzen. Der Zusammenhang zwischen affektivem Erleben und Testosteron wird besonders bei bestehendem Testosteron-Defizit deutlich. <ref>Kindler-R&ouml;hrborn A, Pfleiderer B. Gendermedizin - Modewort oder Notwendigkeit?: - Die Rolle des Geschlechts in der Medizin. XX 2012; 1(03):146&ndash;52.</ref>&nbsp;In Tabelle 2 werden Untersuchungsergebnisse dargestellt, die einen Zusammenhang zwischen &Ouml;strogen bei Frauen bzw. Testosteron bei M&auml;nnern und der Pathogenese depressiver St&ouml;rungen nahelegen. &nbsp;
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<table align="center" border="1" cellpadding="1" cellspacing="1" style="width:900px">
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<caption>Tabelle 2. Die Rolle gonadaler Steroide bei der Entwicklung einer Depression.</caption>
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<tr>
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<th scope="col">Frauen/&Ouml;strogen</th>
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<th scope="col">M&auml;nner/Testosteron</th>
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</tr>
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<tr>
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<td>
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<ul>
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<li>Das erh&ouml;hte Risiko an einer Depression zu erkranken besteht vor allem w&auml;hrend der reproduktiven Jahre, in denen zyklische Schwankungen in der Konzentration gonadaler Steroide charakteristisch sind.<ref>Weissman MM. Sex Differences and the Epidemiology of Depression. Arch Gen Psychiatry 1977; 34(1):98.</ref>&nbsp;</li>
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</ul>
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</td>
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<td>
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<ul>
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<li>Depressive M&auml;nner weisen im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden h&ouml;here Kortisol-, aber niedrigere Testosteronwerte auf.<ref>Schweiger U, Deuschle M, Weber B, K&ouml;rner A, Lammers CH, Schmider J et al. Testosterone, gonadotropin, and cortisol secretion in male patients with major depression. Psychosomatic medicine 1999; 61(3):292&ndash;6.</ref></li>
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</ul>
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</td>
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</tr>
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<tr>
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<td>
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<ul>
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<li>Die &Ouml;strogenkonzentration ist in der follikul&auml;ren Phase bei depressiven Patientinnen signifikant geringer als bei gesunden Kontrollprobandinnen vergleichbaren Alters.<ref>Young EA, Midgley AR, Carlson NE, Brown MB. Alteration in the Hypothalamic-Pituitary-Ovarian Axis in Depressed Women. Arch Gen Psychiatry 2000; 57(12):1157.</ref>&nbsp;</li>
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</ul>
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</td>
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<td>
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<ul>
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<li>Bei &auml;lteren M&auml;nnern ist die Inzidenzrate f&uuml;r Depressionen umso h&ouml;her, desto geringer die Testosteronkonzentration ist.<ref>Shores MM, Sloan KL, Matsumoto AM, Moceri VM, Felker B, Kivlahan DR. Increased Incidence of Diagnosed Depressive Illness in HypogonadalOlder Men. Arch Gen Psychiatry 2004; 61(2):162.</ref></li>
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</ul>
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</td>
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</tr>
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<tr>
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<td>
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<ul>
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<li>Pr&auml;klinische Studien ergeben: &Ouml;strogene unterst&uuml;tzen die serotonerge Neurotransmission durch Verst&auml;rkung der Serotoninsynthese bzw. durch Hemmung des Abbaus oder der Wiederaufnahme von Serotonin.<ref name=&quot;Amin&quot;/>&nbsp;</li>
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</ul>
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</td>
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<td>
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<ul>
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<li>Bestimmte Untergruppen depressiver M&auml;nner leiden unter deutlichem Hypogonadismus. Zum Beispiel ist die Altersdepression bei M&auml;nnern unter anderen abh&auml;ngig vom CAG-repeat-Polymorphismus des Androgenrezeptor-Gens.<ref>Schneider G, Nienhaus K, Gromoll J, Heuft G, Nieschlag E, Zitzmann M. Aging males&rsquo; symptoms in relation to the genetically determined androgen receptor CAG polymorphism, sex hormone levels and sample membership. Psychoneuroendocrinology 2010; 35(4):578&ndash;87.</ref></li>
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</ul>
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</td>
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</tr>
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<tr>
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<td>
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<ul>
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<li>Depressive Frauen sprechen besser auf Sertralin (SSRI) an, w&auml;hrend depressive M&auml;nner positiver auf Imipramin (trizyklisches Antidepressivum) reagieren. Der Geschlechterunterschied in der Wirksamkeit scheint bedingt durch die g&uuml;nstigen Effekte von &Ouml;strogenen auf die serotonerge Neurotransmission.<ref name= &quot;Kornstein&quot;>Kornstein SG, Schatzberg AF, Thase ME, Yonkers KA, McCullough JP, Keitner GI et al. Gender differences in treatment response to sertraline versus imipramine in chronic depression. The American journal of psychiatry 2000; 157(9):1445&ndash;52</ref>&nbsp;</li>
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</ul>
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</td>
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<td>
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<ul>
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<li>Doppelblindstudien ergeben erste Hinweise f&uuml;r eine antidepressive Wirkung von Testosteron-Substitutionstherapie. Das erh&ouml;hte Risiko eines Prostatakarzinoms spricht dabei gegen die breite klinische Anwendung.<ref>Pope HG, Cohane GH, Kanayama G, Siegel AJ, Hudson JI. Testosterone Gel Supplementation for Men With Refractory Depression: A Randomized, Placebo-Controlled Trial. AJP 2003; 160(1):105&ndash;11.</ref></li>
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</ul>
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</td>
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</tr>
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<tr>
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<td>
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<ul>
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<li>Es bestehen Hinweise auf die klinische Wirksamkeit von &Ouml;strogenmonotherapie bei depressiven Patientinnen. Mit ausreichender Sicherheit l&auml;sst sich diese Wirksamkeit jedoch nicht best&auml;tigen.<ref>Halbreich U. Gonadal Hormones, Reproductive Age, and Women With Depression. Arch Gen Psychiatry 2000; 57(12):1163.</ref></li>
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</ul>
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</td>
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<td>&nbsp;</td>
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</tr>
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</table>
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==Klinik==
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===Symptome===
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[[File:617d6e2ba05df.png|600px|class=img-responsive]]
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<strong>W&auml;hrend Frauen Kernsymptome wie Traurigkeit eher zeigen, k&ouml;nnen diese bei M&auml;nnern durch externale Symptome wie&nbsp;Aggressivit&auml;t &uuml;berdeckt werden.&nbsp;&nbsp;[Quelle: GenderMed-Wiki, 2016]</strong>
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W&auml;hrend depressive Kernsymptome wie Traurigkeit, Niedergeschlagenheit und Anhedonie von beiden Geschlechtern etwa gleich h&auml;ufig genannt werden, k&ouml;nnen sich andere depressive Beschwerden zwischen den Geschlechtern durchaus unterscheiden.<ref name= &quot;Lautenbacher&quot;>Lautenbacher S. Gehirn und Geschlecht: Neurowissenschaft des kleinen Unterschieds zwischen Frau und Mann. Heidelberg: Springer; 2007.</ref>&nbsp;Nicht zuletzt deswegen bleiben Depressionen bei M&auml;nnern h&auml;ufig unerkannt. Autoren und Autorinnen sprechen von einer &bdquo;Depressionsblindheit&ldquo; bei M&auml;nnern, die verschiedene Ursachen zu haben scheint. Dabei ist sicherlich ein wichtiger Aspekt, dass sich depressive Symptome bei M&auml;nnern zuweilen in anderer Form &auml;u&szlig;ern als bei Frauen. Zum Beispiel reagieren M&auml;nner bei einer Depression eher aggressiv und risikofreudig und greifen &ouml;fter zu Alkohol und Drogen. Diese externalen Symptome &uuml;berdecken besonders zu Beginn h&auml;ufig die &bdquo;klassisch&ldquo; internalen Symptome wie Selbstwertverlust, Antriebslosigkeit oder Verlust an Freude.<ref name=&quot;Wei&szlig;bach&quot;>Wei&szlig;bach L, Stiehler M. M&auml;nnergesundheitsbericht 2013: Im Fokus: Psychische Gesundheit. Bern: Hans Huber; 2013.</ref>&nbsp;Solche Verhaltensweisen werden vom Fachpersonal h&auml;ufig nicht als m&ouml;gliche Depressionssymptome erkannt, sondern als &quot;typisch m&auml;nnliche Abwehrstrategien&quot; eingeordnet.<ref name=&quot;M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler&quot;>M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler AM, Paulus, N-C, Heller J: Male Depression in einer Bev&ouml;lkerungsstichprobe junger M&auml;nner: Risiko und Symptome. Der Nervenarzt, 2007, 78 (6): 641-650</ref>&nbsp;
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Frauen reagieren dagegen eher als M&auml;nner mit atypischen Symptomen (z. B. Appetitsteigerung statt Appetitverlust) oder somatischen Beschwerden und [[Schmerz/Fachartikel |Schmerz]].<ref name= &quot;Lautenbacher&quot;/>&nbsp;Sie berichten insgesamt von mehr Symptomen als M&auml;nner.[<ref name=&quot;Angst&quot;/>
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Obwohl Pr&auml;valenzangaben von Depressionen beim weiblichen Geschlecht deutlich h&ouml;her sind, suizidieren sich M&auml;nner dreimal so h&auml;ufig wie Frauen (wobei Frauen &ouml;fter einen Suizidversuch begehen). W&auml;hrend Frauen eher parasuizidales Verhalten zeigen, w&auml;hlen M&auml;nner meist aggressivere Methoden. Dabei erfolgen bis zu 70 Prozent aller Suizide im Rahmen einer depressiven Erkrankung.<ref name=&quot;G&ouml;&szlig;wald&quot;>G&ouml;&szlig;wald A, Lange M, Kamtsiuris P, Kurth B. DEGS: Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland. Bundesgesundheitsbl. 2012; 55(6-7):775&ndash;80.</ref>&nbsp;Die erh&ouml;hte Suizidrate bei geringerer Suizidversuchsrate in der m&auml;nnlichen im Vergleich zur weiblichen Bev&ouml;lkerung wird wissenschaftlich als &#39;&#39;Gender Paradox&#39;&#39; diskutiert und erlaubt die Hypothese, dass die niedrige Depressionspr&auml;valenz bei M&auml;nnern weniger durch ein geringeres Depressionsrisiko als vielmehr durch Unterdiagnostizierung bedingt ist (detaillierte Information zu [[Geschlechterunterschiede bei Suizid und Suizidalit&auml;t/Fachartikel | Geschlechterunterschieden bei Suizid und Suizidalit&auml;t]] erhalten Sie [[Geschlechterunterschiede bei Suizid und Suizidalit&auml;t/Fachartikel | hier]]).<ref>Canetto SS, Sakinofsky I. The Gender Paradox in Suicide. Suicide and Life-Threatening Behavior 1998; 28(1):1&ndash;23.</ref>&nbsp;<ref name=&quot;M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler2012&quot;/>
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Bez&uuml;glich der Symptomatik erkrankten M&auml;nnern zeigt sich: Je st&auml;rker die Orientierung an stereotypen M&auml;nnlichkeitsidealen (normative bzw. hegemoniale M&auml;nnlichkeit) desto ausgepr&auml;gter sind die externalisierten Symptome bei Depressionen <ref>Magovcevic M, Addis ME. The Masculine Depression Scale: development and psychometric evaluation. Psychol Men Masc 2008; 9: 117&ndash;32.</ref>&nbsp;und desto wahrscheinlicher ist ein Suizidversuch.<ref>Houle J, Mishara BL, Chagnon F. An empirical test of a mediation model of the impact<br />
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of the traditional male gender role on suicidal behavior in men. J Affect Disord 2008; 107: 37&ndash;43.</ref>&nbsp;Um Suizidraten bei M&auml;nnern senken zu k&ouml;nnen, muss eine tendenziell m&auml;nnliche Symptomatik in Diagnostik und Therapie ber&uuml;cksichtigt werden.<ref>RutzW (1999) Improvement of care for people suffering from depression: the need for comprehensive education. Int Clin Psychopharmacol 14: 27&ndash;33.</ref>
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Nachfolgende Tabelle (Tabelle 3) soll die Verteilung depressiver Symptome zwischen den Geschlechtern verdeutlichen. &nbsp;Dabei kann von keiner trennscharfen Unterscheidung zwischen den Geschlechtern ausgegangen werden, abgebildet werden lediglich Tendenzen und Ergebnisse einzelner Studien.&nbsp;
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<table align="center" border="1" cellpadding="1" cellspacing="1" style="width:900px">
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<caption>Tabelle 3. Unterschiede in der Syptomauspr&auml;gung zwischen M&auml;nnern und Frauen.</caption>
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<tr>
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<th scope="col">Frauen &gt; M&auml;nner</th>
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<th scope="col">Frauen &lt; M&auml;nner&nbsp;</th>
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</tr>
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<tr>
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<td><strong>K&ouml;rperliche Symptome: </strong>Energieverlust, M&uuml;digkeit, Schlafst&ouml;rungen, Appetitst&ouml;rungen, motorische und kognitive Verlangsamung <ref name= &quot;Silverstein&quot;>Silverstein B. Gender Differences in the Prevalence of Somatic Versus Pure Depression: A Replication. AJP 2002; 159(6):1051&ndash;2.</ref> <ref name= &quot;Marcus&quot;/></td>
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<td><strong>Emotionales Arrousal: </strong>Aggressivit&auml;t, Wut, <ref name= &quot;Neurologen&quot;>Neurologen und Psychiater im Netz. Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen. Reizbarkeit, &Auml;rger, Sucht sind typische Depressionssymptome bei M&auml;nnern; 2013.</ref> &Auml;rgerattacken und Gereiztheit <ref name=&quot;M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler&quot;/></td>
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</tr>
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<tr>
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<td><strong>Atypische Symptome: </strong>Gewichtszunahme, Appetitsteigerung, vermehrter Schlaf <ref name=&quot;Angst&quot;/></td>
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<td><strong>Substanzmissbrauch/-abh&auml;ngigkeit: </strong>Alkohol, Nikotin, Drogen <ref name= &quot;Wei&szlig;bach&quot;/></td>
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</tr>
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<tr>
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<td><strong>Weiteres:</strong> Komorbide &Auml;ngstlichkeit mit Nervosit&auml;t und/oder Panik <ref name=&quot;Angst&quot;/> , K&ouml;rperliche Beschwerden und [[Schmerz | Schmerzen]] <ref name= &quot;Silverstein&quot;/></td>
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<td><strong>Soziale Interaktion: </strong>Feindseligkeit, unkontrollierte Handlungen, Tendenz zur nach au&szlig;en gerichteten Vorwurfshaltung, antisoziales Verhalten <ref name=&quot;M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler&quot;/> <ref name= &quot;Wei&szlig;bach&quot;/></td>
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</tr>
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</table>
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===Diagnostik===
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Eine ad&auml;quate Diagnostik von Depressionen beim m&auml;nnlichen Geschlecht gestaltet sich bereits aufgrund der Tatsache schwierig, dass M&auml;nner im Gegensatz zu Frauen deutlich seltener und weniger intensiv hilfesuchendes Verhalten zeigen. Die europ&auml;ische DEPRES-Studie zeigt, dass 52 Prozent der Probanden und 41 Prozent der Probandinnen, bei denen sich in irgendeiner Weise depressive Symptome manifestiert haben, keine professionelle Unterst&uuml;tzung in Anspruch nehmen. Wenn Hilfe gesucht wird, ist die erste Anlaufstelle h&auml;ufig nicht eine psychiatrische oder psychotherapeutische Praxis. In der Regel werden zun&auml;chst der Hausarzt bzw. die Haus&auml;rztin oder ein/e Internist/Internistin konsultiert, die nicht immer &uuml;ber hinreichendes Fachwissen verf&uuml;gen.<ref>Lepine JP, Gastpar M, Mendlewicz O, et al. Depression in the community: the first pan European study DEPRES (Depression Research in European Society). Int Clin Psychopharmacology 1997; 12: 19 &ndash; 29</ref>&nbsp;<ref name=&quot;Angst&quot;/>
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H&auml;ufig verdr&auml;ngen betroffene M&auml;nner ihre psychischen Beschwerden und f&uuml;hren Befindlichkeitsst&ouml;rungen auf momentanen Stress und/oder berufliche Belastungen zur&uuml;ck. Depressive Fr&uuml;hsymptome wie erh&ouml;hte Ersch&ouml;pfbarkeit oder Schlafst&ouml;rungen werden dabei ignoriert und geeignete Behandlungsschritte k&ouml;nnen nicht eingeleitet werden. M&auml;nner neigen bei psychischen Problemen eher dazu ihre Beschwerden auf die Umwelt zu projizieren und Krankheitsgef&uuml;hle nicht korrekt zu interpretieren. So konsultieren sie einen Arzt oder eine &Auml;rztin h&auml;ufig erst dann, wenn somatische Beschwerden wie starke Ersch&ouml;pfungszust&auml;nde oder Gef&uuml;hle eines &bdquo;Burnouts&ldquo; eindeutige Auswirkungen auf die allt&auml;gliche Funktionalit&auml;t haben. Oft f&uuml;hrt auch komorbider Alkohol- und/oder Nikotinkonsum zu gesundheitlichen Folgen und damit zu einem steigenden Behandlungsdruck.<ref name= &quot;Neurologen&quot;/>&nbsp;
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Selbst wenn &auml;rztliche Konsultation stattfindet, ist eine korrekte Diagnosestellung nicht immer gew&auml;hrleistet. Vielmehr scheinen soziale Geschlechterstereotype grundlegenden Einfluss auf das Erkennen (und damit Behandeln) depressiver Erkrankungen zu haben (siehe auch: Interaktion zwischen Arzt/&Auml;rztin und Patient/Patientin). Tats&auml;chlich zeigen die Ergebnisse einer prospektiven Studie mit 500 Patienten und Patientinnen, dass in allgemeinmedizinischen Praxen beim Vorliegen klinisch-relevanter Depressionswerte die Diagnose einer Depression bei M&auml;nnern signifikant seltener gestellt wird als bei Frauen.<ref>Bertakis KD. The influence of gender on the doctor&ndash;patient interaction. Patient Education and Counseling 2009; 76(3):356&ndash;60.</ref>
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Zierau et al. untersuchten in ihrer Studie von 2009 eine Stichprobe von 87 alkoholabh&auml;ngigen Patienten bez&uuml;glich einer depressiven Symptomatik. &nbsp;Sie erfassten neben den klassischen Depressionssymptomen auch klinisch nicht-relevante, aber bei M&auml;nnern h&auml;ufig vorkommende &nbsp;Verhaltensmuster. Wurden diese Verhaltensmuster als Diagnosekriterien hinzugezogen, konnte ein deutlich h&ouml;herer Prozentsatz von depressiv erkrankten M&auml;nnern identifiziert werden.<ref>Zierau F, Bille A, Rutz W. et al . The Gotland Male Depression Scale: A validity study in patients with alcohol use disorders. &nbsp;Nord J Psychiatry. 2002; &nbsp;56 265-271</ref>&nbsp;Die hierbei entwickelten Kriterien einer &quot;m&auml;nnlichen Depression&quot; (&#39;&#39;Gotland Male Depression Scale&#39;&#39;) sind Tabelle 4 zu entnehmen. &nbsp;&Auml;hnliches erkannten auch Martin et al. (2013): Durch die diagnostische Ber&uuml;cksichtigung von den Symptomen &#39;&#39;&Auml;rgerattacken&#39;&#39;, &#39;&#39;Agression&#39;&#39;, &nbsp;&#39;&#39;Risikoverhalten&#39;&#39; und &#39;&#39;Substanzmissbrauch&#39;&#39; verschwanden die Geschlechterunterschiede in der Pr&auml;valenz von Depressionen.<ref>Martin LA, Neighbors HW, Griffith DM (2013): The experience of symptoms of depression in men vs women: Analysis of the National Comorbidity Survey Replication. JAMA Psychiatry 70:1100&ndash;1106.</ref>&nbsp;
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<table align="center" border="1" cellpadding="1" cellspacing="1" style="width:900px">
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<caption>Tabelle 4. Vorgeschlagene Diagnosekriterien nach Zierau et al. (2002) und Pollack &amp; Levant (1998) aus M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler (2009) <ref>Zierau F, Bille A, Rutz W. et al . The Gotland Male Depression Scale: A validity study in patients with alcohol use disorders. Nord J Psychiatry. 2002; 56 265-271</ref> <ref>Pollack W (1998) Mourning, Melancholia, and Masculinity: Recognizing and Treating Depression in Men. In: Pollack W, Levant R (eds.) A New Psychotherapy for Men. Wiley, New York, S 147-166. </ref> <ref>M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler, A. M. (2009). M&auml;nner, Depression und &bdquo;m&auml;nnliche Depression&rdquo;. Fortschritte der Neurologie&middot; Psychiatrie, 77(07), 412-422.</ref></caption>
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<tr>
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<th scope="col">M&ouml;gliche Diagnosekriterien &quot;m&auml;nnlicher Depression&quot;: &#39;&#39;Gotland Male Depression Scale&#39;&#39;</th>
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</tr>
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<tr>
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<td>* Vermehrter sozialer R&uuml;ckzug, der oft verneint wird<br />
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* Burn-out: berufliches &Uuml;berengagement, das mit Klagen &uuml;ber Stress maskiert wird<br />
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* Abstreiten von Kummer und Traurigkeit<br />
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* Zunehmend rigide Forderungen nach Autonomie (in Ruhe gelassen werden)<br />
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* Hilfe von anderen nicht annehmen: das &bdquo;Ich kann das schon allein&rdquo;-Syndrom<br />
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* Ab- oder zunehmendes sexuelles Interesse<br />
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* zunehmende Intensit&auml;t oder H&auml;ufigkeit von &Auml;rgerattacken<br />
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* Impulsivit&auml;t<br />
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* Vermehrter bis exzessiver Alkohol- und/oder Nikotinkonsum (s&uuml;chtig nach TV, Sport, etc.)<br />
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* Ausgepr&auml;gte Selbstkritik, bezogen auf vermeintliches Versagen<br />
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* Versagensangst<br />
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* Andere f&uuml;r eigene Probleme verantwortlich machen<br />
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* Verdeckte oder offene Feindseligkeit<br />
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* Unruhe und Agitiertheit<br />
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* Konzentrations-, Schlaf- und Gewichtsprobleme</td>
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</tr>
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</table>
  
[[Datei:Lebenszeitprävalenz Major Depression.png|thumb|right|520px|<small>'''Grafik 2: Kohortenspezifische Lebenszeitprävalenz von Major <br/>  Depression bei Frauen und Männern''' <br />
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==Management von Patienten und Patientinnen==
[Quelle: GenderMed-Wiki, nach Kessler et al., 1994]</small>]]
 
  
[[Datei:Prävalenz Major Depression.png|thumb|right|520px|<small>'''Grafik 3. Geschlechterspezifische Prävalenzunterschiede von Major Depression in unterschiedlichen Alterskohorten (6-Monats-Prävalenz)'''<br />
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===Therapie===
[Quelle: GenderMed-Wiki, nach Angst et al., 2002]
 
</small>]]
 
Es lässt sich zudem der Trend beobachten, dass eine Zunahme depressiver Störungen vor allem in den jüngeren Geburtskohorten zu verzeichnen ist.<ref name= "Kessler">Kessler RC, McGonagle KA, Nelson CB, Hughes M, Swartz M, Blazer DG. Sex and depression in the national comorbidity survey. II: Cohort effects. Journal of Affective Disorders 1994; 30(1):15–26.</ref> Studien an Jugendlichen ergeben, dass bis zum jungen Erwachsenenalter bereits drei bis 15 Prozent der Jungen und elf bis 32 Prozent der Mädchen mindestens eine depressive Episode durchlaufen haben.<ref name="Kühner"/> Kessler et al. (2004) verglichen anhand des National-Comorbidity-Survey Datensatzes Prävalenzraten verschiedener Geburtskohorten. Sie stellten dabei fest, dass bei der jüngsten (15 bis 24 Jahre) im Vergleich zur ältesten Kohorte (45 bis 54 Jahre) die Depressionsrate um das Fünffache angestiegen war (vgl. Grafik 2). Ein Ausgleich des geschlechterspezifischen Prävalenzunterschiedes konnte dabei nicht beobachtet werden.<ref name="Kessler"/> Bezüglich des Anstiegs depressiver Symptome in jüngeren Kohorten werden weniger genetische Faktoren als Ursache diskutiert, als vielmehr psychosoziale Aspekte wie mangelnde elterliche Fürsorge, fehlende soziale Bindungen sowie gesellschaftlicher Leistungsdruck als Prädiktoren angenommen.<ref>Fombonne E. Increased rates of psychosocial disorders in youth. European archives of psychiatry and clinical neuroscience 1998; 248(1):14–21.</ref> Grafik 3 zeigt die geschlechterspezifischen Prävalenzunterschiede von Major Depression (6-Monats-Prävalenz) in unterschiedlichen Alterskohorten.<ref name="Angst"/>
 
  
=== Risikofaktoren und protektive Faktoren === <!--T:8-->
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===Interaktion zwischen Arzt/&Auml;rztin und Patient/Patientin===
  
<!--T:11-->
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M&auml;nner suizidieren sich drei Mal so h&auml;ufig wie Frauen und bei 70 Prozent der [[Geschlechterunterschiede bei Suizid und Suizidalit&auml;t | Suizide]] ist eine depressive Erkrankung urs&auml;chlich.<ref name=&quot;G&ouml;&szlig;wald&quot;/>&nbsp; Diese Tatsache legt die Folgerung nahe, dass die Zahl unerkannter psychischer Erkrankungen bei M&auml;nnern deutlich h&ouml;her ist als bei Frauen. Damit scheinen aktuell klare Defizite in Diagnostik und Versorgung depressiver Episoden (und psychischer Erkrankungen im Allgemeinen) vor allem bei M&auml;nnern zu bestehen.<ref name= &quot;Wei&szlig;bach&quot;/>
Studien bestätigen überwiegend das weibliche Geschlecht als einen Risikofaktor für die Entwicklung einer depressiven Episode. Nachfolgend werden wichtige biologische und psychosoziale Prädiktoren tabellarisch aufgeführt, die als Ursachen für diesen Geschlechterunterschied wissenschaftlich untersucht werden (Tabelle 1). Psychosoziale Einflussfaktoren beider Geschlechter sind Gliederungspunkt 4.4 (''Psychosoziale Faktoren'') zu entnehmen.
 
  
<!--T:12-->
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Immer noch h&auml;ufig zeigen Patienten im Kontakt mit &Auml;rzten oder &Auml;rztinnen einen stereotyp &bdquo;m&auml;nnlichen&ldquo; Kommunikationsstil. Intra- und interpersonelle Probleme werden oft verharmlost und die &auml;u&szlig;ere Fassade aufrechtgehalten.<ref>M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler, A. M. (2016). Vom Dauerstress zur Depression. Fischer &amp; Gann.</ref>&nbsp;Psychische Beschwerden werden dabei oft als pers&ouml;nliches Versagen gewertet und deshalb nicht kommuniziert. Folge ist dann, dass psychische und psychosomatische Symptome von M&auml;nnern w&auml;hrend der &auml;rztlichen Untersuchung nicht genannt werden und von &Auml;rzten und &Auml;rztinnen &uuml;bersehen werden. Frauen f&uuml;hren ihre Krankheitssymptome h&auml;ufiger als M&auml;nner auf Stress und psychische Probleme zur&uuml;ck.<ref>Cronauer CK, Schmid Mast M. Geschlechtsspezifische Aspekte des Gespr&auml;chs zwischen Arzt und Patient. Die Rehabilitation 2010; 49(5):308&ndash;14.</ref>&nbsp;Aber auch &Auml;rzte und &Auml;rztinnen neigen bei Frauen eher als bei M&auml;nnern dazu, Symptome psychosomatisch zu deuten. Dagegen werden psychische Belastungen beispielsweise aufgrund von beruflichem Stress bei M&auml;nnern h&auml;ufig &uuml;bersehen, obwohl (laut M&auml;nnergesundheitsbericht 2013) M&auml;nner aufgrund ihres Berufes deutlich st&auml;rker psychisch belastet sind als dies bei Frauen der Fall ist. Geschlechterspezifische Interaktionseffekte k&ouml;nnen schlie&szlig;lich zu Beobachtungsfehlern f&uuml;hren und eine korrekte psychiatrische (oder somatische) Diagnose verz&ouml;gern oder sogar verhindern.<ref>Harth W, Br&auml;hler E, Schuppe HC. Praxisbuch M&auml;nnergesundheit: Interdisziplin&auml;rer Beratungsund Behandlungsleitfaden. Berlin: MWV Medizinisch-Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.</ref>
<small>'''Tabelle 1. Biologische und psychosoziale Faktoren im Geschlechtervergleich.'''</small>
 
{| class="wikitable"
 
|-
 
! style="width:50%;"|Biologische Faktoren !! style="width:50%;" |Psychosoziale Faktoren
 
|-
 
|  style="vertical-align:top;" |'''Genetisches Risiko:''' <br />
 
Neuere Untersuchungen weisen auf einen stärkeren genetischen Einfluss bei Frauen im Vergleich zu Männern hin (Heritabilität für Frauen 40 bis 42 und für Männer 29 bis 31 Prozent).<ref name= "Kendler">Kendler KS, Gatz M, Gardner CO, Pedersen NL. A Swedish National Twin Study of Lifetime Major Depression. AJP 2006; 163(1):109–14.</ref> Zudem ergeben sich Hinweise, dass ein Teil der genetischen Risikofaktoren für Frauen und Männer unterschiedliche Auswirkungen haben bzw. nur für ein Geschlecht relevant sind.<ref>Sullivan PF, Neale MC, Kendler KS. Genetic Epidemiology of Major Depression: Review and Meta-Analysis. AJP 2000; 157(10):1552–62.</ref> <ref name= "Kendler"/>
 
| '''Primäre Angststörung:''' <br />
 
Schätzungen zufolge, erklärt das Vorhandensein primärer [[Angststörungen/Fachartikel | Angststörungen]] ca. 50 Prozent der Assoziation zwischen Geschlecht und Depressionsprävalenz: So belegen epidemiologische Untersuchungen, dass die Diagnose einer [[Angststörungen/Fachartikel | Angststörung]] das Risiko an einer Depression zu erkranken bei Männern und Frauen deutlich erhöht. Jedoch sind Frauen von [[Angststörungen/Fachartikel | Angsterkrankungen]] signifikant häufiger betroffen als Männer, womit dieser Risikofaktor eine geschlechtsspezifische Ausrichtung erhält.<ref>Breslau N, Schultz L, Peterson E. Sex differences in depression: A role for preexisting anxiety. Psychiatry Research 1995; 58(1):1–12.</ref>  
 
|-
 
| '''Hormonelle Umstellungsphasen:'''<br />
 
'''''1. Pubertät:''''' Der pubertäre Reifungsgrad ist ein guter Prädiktor adoleszenter Depressionen bei Mädchen.<ref>Patton GC, Hibbert ME, Carlin J, Shao Q, Rosier M, Caust J et al. Menarche and the onset of depression and anxiety in Victoria, Australia. Journal of Epidemiology & Community Health 1996; 50(6):661–6.</ref> Unter Umständen steht der Anstieg der Geschlechtshormone im direkten Zusammenhang mit negativem Affekt bei Mädchen.<ref>Angold A, Costello EJ, Erkanli A, Worthman CM. Pubertal changes in hormone levels and depression in girls. Psychological Medicine 1999; 29(5):1043–53.</ref> Dabei ist der Pubertätsstatus nicht als isolierter biologischer Faktor zu werten, vielmehr besteht eine komplexe Interaktion mit sozialen und kulturellen Variablen (z. B. Identitätssuche).<ref name="Kühner"/> <br />
 
  
<!--T:13-->
+
===Behandlungserfolg/Outcome===
'''''2. Prämenstruelles Dysphorisches Syndrom (PMDS):''''' Angenommen wird eine erhöhte Sensibilität für Veränderungen der Östrogen- und Progesteronkonzentration, die sich negativ auf den Serotoninstoffwechsel auswirkt. Reliable Messung der zentralnervösen Serotoninfunktion ist derzeit jedoch noch nicht möglich.<ref name="Kühner"/> Empfohlen wird, PMDS als eigenständige Störung zu begreifen, da es sich in Leitsymptomen (Reizbarkeit, Affektlabilität), Phasendauer und medikamentöser Wirklatenz (SSRI) von einer depressiven Episode unterscheidet.<ref>Landén M, Eriksson E. How does premenstrual dysphoric disorder relate to depression and anxiety disorders? Depress. Anxiety 2003; 17(3):122–9 </ref> <br />
 
  
<!--T:14-->
+
Bez&uuml;glich der Wirksamkeit psychotherapeutischer Methoden k&ouml;nnen keine eindeutig geschlechtersensiblen Aussagen getroffen werden, empirisch gest&uuml;tzte Ergebnisse sind begrenzt.<ref name= &quot;Kolip&quot;>Kolip P, Hurrelmann K. Handbuch Geschlecht und Gesundheit: M&auml;nner und Frauen im Vergleich. 2., vollst. &uuml;berarb. und erw. Aufl. Bern: Hogrefe; 2016. (Programmbereich Gesundheit).</ref>&nbsp;Dennoch scheint ein Trend zu bestehen: Obwohl Psychotherapie stereotyp als eher weibliche Dom&auml;ne eingeordnet wird, ergeben sich zumindest hinsichtlich der kognitiven und der interpersonellen Verhaltenstherapie keine Geschlechterunterschiede in der Wirksamkeit.<ref>Hautzinger M, de Jong-Meyer R. Depression. Ergebnisse von zwei multizentrischen Vergleichsstudien bei unipolarer Depression. Z Klin Psychol 1996; 26: 80&ndash;160.</ref>&nbsp;<ref>Schneider D, Zobel I, H&auml;rter M, Kech S, Berger M, Schramm E. Wirkt die Interpersonelle Psychotherapie besser bei Frauen als bei M&auml;nnern? Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Studie. Psychotherapie &ndash; Psychosomatik &ndash; Medizinische Psychologie 2008; 58: 23&ndash;31.</ref>&nbsp;Erkrankte M&auml;nner scheinen von einer Verhaltenstherapie genauso zu profitieren wie Frauen. Die Geschlechtszugeh&ouml;rigkeit des Patienten bzw. der Patientin alleine kann damit kein geeigneter Pr&auml;diktor f&uuml;r einen Psychotherapieerfolg sein, sondern muss immer in Interaktion mit weiteren Variablen analysiert werden (zum Beispiel auch mit dem Geschlecht des Therapeuten bzw. der &nbsp;Therapeutin). Voraussetzung und Herausforderung f&uuml;r das Fachpersonal sind jedoch, M&auml;nner f&uuml;r eine solche Behandlung &uuml;berhaupt erst zu motivieren. So bildet das weibliche Geschlecht die &uuml;berwiegende Mehrheit der PsychotherapiepatientInnen und vor allem Frauen aus der Mittelschicht nehmen deutlich h&auml;ufiger als M&auml;nner (ambulante) Psychotherapie in Anspruch.<ref name= &quot;Kolip&quot;/>&nbsp; W&auml;hrend der Psychotherapie gilt es dann bei Patienten und Patientinnen, geschlechtersensible Aspekte der Lebenswelt ad&auml;quat in die therapeutische Praxis zu integrieren.<ref name=&quot;M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler2012&quot;/>
'''''3. Postpartumphase:''''' Eine Postpartumdepression wird definiert als eine Major Depression, die innerhalb von vier Wochen nach der Geburt beginnt. Während bis zu 70 Prozent der Frauen nach einer Geburt einzelne depressive Symptome entwickeln,  scheinen ungefähr 13 Prozent in dieser Zeit tatsächlich von einer depressiven Episode betroffen. Studien ergeben, dass in den ersten drei bis vier  Tagen nach der Geburt das weibliche Östrogenlevel enorm abfällt. Proportional zu diesem Östrogen-Verlust scheint das Level des Enzyms Monoaminooxidase A (MAO-A) im weiblichen Gehirn dramatisch anzusteigen. Das Enzym befindet sich in höherer Konzentration in Gliazellen und Monoamin-releasing Neuronen, wo es die Verfügbarkeit der Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin verringert. Diese Neurotransmitter beeinflussen u. a. unsere Stimmung: Sind sie defizient, fühlen wir uns zunächst traurig, später erhöht sich unser Risiko für die Entwicklung einer Depression.<ref>J. Sacher, A. A. Wilson, S. Houle, P. Rusjan, S. Hassan, P. M. Bloomfield, D. E. Stewart, J. H. Meyer Elevated Brain Monoamine Oxidase A Binding in the Early Postpartum Period Archives of General Psychiatry 67(5):468-474 (2010)</ref>
 
  
<!--T:52-->
+
Bereits zu Beginn der medikament&ouml;sen Versorgung von Depressionen bestand die Vermutung, dass Frauen und M&auml;nner unterschiedlich auf die Behandlung mit Antidepressiva reagieren. Zum Beispiel best&auml;tigen metaanalytische Auswertungen, dass M&auml;nner auf das trizyklische Antidepressivum Imipramin besser ansprechen als Frauen.<ref name= &quot;Hamilton&quot;>Hamilton JA, Grant M, Jensvold MF. Sex and treatment of depression. In: Psychopharmacology and women: Sex, gender, and hormones: American Psychiatric Association; 1996.</ref>&nbsp;Gegenw&auml;rtig besteht erste Evidenz hinsichtlich einer geschlechterspezifischen Wirkung selektiver Serotonin Wiederhaufnahmehemmer (SSRIs). Da ovariale Hormone serotonerge Funktionen modulieren,<ref>Wolfersdorf M, Schulte-Wefers H, Straub R, Klotz T. M&auml;nner-Depression: Ein vernachl&auml;ssigtes Thema-ein therapeutisches Problem. Blickpunkt der Mann 2006; 4(2):6&ndash;9.</ref>&nbsp;scheint durch das weibliche &Ouml;strogen die Effektivit&auml;t von SSRIs gesteigert zu werden.<ref>Gorman JM. Gender differences in depression and response to psychotropic medication. Gender Medicine 2006; 3(2):93&ndash;109.</ref>&nbsp;Die allgemeine Studienlage deutet darauf hin, dass Patienten besser auf trizyklische Antidepressiva ansprechen, w&auml;hrend bei Patientinnen eine Behandlung mit SSRIs effektiver erscheint. Einheitlich best&auml;tigt werden k&ouml;nnen diese Ergebnisse nicht. Verschiedene Studien belegen einen Geschlechterunterschied in der Pharmakokinetik der g&auml;ngigen Antidepressiva. Frauen und M&auml;nner scheinen sich in ihrem Nebenwirkungsprofil bei Antidepressiva zu unterscheiden. Weitere Forschung bez&uuml;glich einer geschlechterspezifischen Dosierung erweist sich als notwendig, um eine positive Wirksamkeit und m&ouml;glichst hohe PatientInnen-Compliance zu gew&auml;hrleisten.<ref name= &quot;Frackiewicz&quot;>Frackiewicz EJ, Sramek JJ, Cutler NR. Gender Differences in Depression and Antidepressant Pharmacokinetics and Adverse Events. The Annals of Pharmacotherapy 2000; 34:80&ndash;8.</ref>&nbsp;Nachfolgend wird die Studienlage bez&uuml;glich medikament&ouml;ser Behandlungen tabellarisch aufgef&uuml;hrt (Tabelle 5).
Identifiziert wurden außerdem Prädiktoren wie depressive Erkrankung in der Anamnese und/oder während der Schwangerschaft, fehlende soziale Unterstützung und stressvolle Lebensereignisse.<ref>O'hara MW, Swain AM. Rates and risk of postpartum depression—a meta-analysis. International Review of Psychiatry 2009; 8(1):37–54.</ref> Zudem können auch Männer postpartale Depressionen entwickeln, wenngleich die Prävalenz hier deutlich geringer ausfällt (4 bis 5 Prozent).<ref>Ballard CG, Davis R, Cullen PC, Mohan RN, Dean C. Prevalence of postnatal psychiatric morbidity in mothers and fathers. The British Journal of Psychiatry 1994; 164(6):782–8</ref> <br />
 
  
<!--T:15-->
+
<table align="center" border="1" cellpadding="1" cellspacing="1" style="width:900px">
'''''4. (Peri-)Menopause:''''' Einige Studien bestätigen ein erhöhtes Rückfallrisiko bei Frauen mit früheren depressiven Episoden <ref>Harlow BL, Wise LA, Otto MW, Soares CN, Cohen LS. Depression and Its Influence on Reproductive Endocrine and Menstrual Cycle Markers Associated With Perimenopause. Arch Gen Psychiatry 2003; 60(1):29.</ref> sowie eine Zunahme depressiver Symptomatik bei nicht vorbelasteten Frauen <ref>Freeman EW, Sammel MD, Lin H, Nelson DB. Associations of Hormones and Menopausal Status With Depressed Mood in Women With No History of Depression. Arch Gen Psychiatry 2006; 63(4):375.</ref> während der Perimenopause. Unklar bleibt, ob hormonelle Veränderungen direkt Einfluss nehmen oder indirekt über vasomotorische Symptome und/oder kritische Lebensereignisse den Zusammenhang modulieren.<ref name="Kühner"/> Die Effektivität von Östrogenersatztherapien bei depressiven Symptomen bleibt inkonsistent.<ref name="Amin">Amin Z. Effect of Estrogen-Serotonin Interactions on Mood and Cognition. Behavioral and Cognitive Neuroscience Reviews 2005; 4(1):43–58.</ref>
+
<caption>Tabelle 5. Geschlechterunterschiede im medikament&ouml;sen Outcome.</caption>
|  style="vertical-align:top;" |'''Persönlichkeitseigenschaften:'''
 
Geschlechterunterschiede in persönlichkeitsbezogenen Vulnerabilitätsfaktoren zeigen sich vor allem in der späten Adoleszenz und dem jungen Erwachsenenalter: Zum Beispiel scheinen ein geringeres Selbstwertgefühl <ref name= "Feingold">Feingold A. Gender differences in personality: A meta-analysis. Psychological Bulletin 1994; 116(3):429–56</ref> und höhere Neurotizismuswerte <ref>Costa, Paul, Jr., Terracciano A, McCrae RR. Gender differences in personality traits across cultures: Robust and surprising findings. Journal of Personality and Social Psychology 2001; 81(2):322–31.</ref> das Depressionsrisiko bei Mädchen und Frauen in diesen Lebensphasen zu erhöhen.
 
  
<!--T:53-->
+
<tr>
Außerdem weisen Mädchen bereits vor Beginn der Pubertät (und damit vor dem Auseinanderdriften der Depressionsraten zwischen den Geschlechtern) deutlich höhere Ängstlichkeitswerte als Jungen auf.<ref name= "Feingold"/>
+
<th scope="col">Studien</th>
 +
<th scope="col"><strong>Trizyklische Antidepressiva</strong></th>
 +
</tr>
  
<!--T:16-->
+
<tr>
Ein prominenter kognitiver Ansatz zu Geschlechterunterschieden bei Depressionen ist die ''Response-Styles-Theory'', die sich mit Coping-Strategien im Umgang mit depressiven Verstimmungen beschäftigt. Dabei kann emotionsfokussiertes, symptombezogenes Grübeln (Rumination) eine Exazerbation depressiver Symptome zur Folge haben. Ruminationen sind bei Frauen meist deutlich stärker ausgeprägt als bei Männern. Männer bewältigen dagegen eher mit kognitiver und verhaltensmäßiger Distraktion, die oft depressionsreduzierende Auswirkungen hat. Zurückzuführen sind diese unterschiedlichen Coping-Stile vor allem auf geschlechterspezifische Sozialisationsprozesse.<ref name="Nolen-Hoeksema">Nolen-Hoeksema S. The Response Styles Theory. In: Papageorgiou C, Wells A, editors. Rumination: Nature, theory & treatment for nagative thinking in depression. Chichester: Wiley; 2003.</ref>
+
<td><em>Hamilton et al., 1996 (Metaanalyse)</em></td>
|-
+
<td>M&auml;nner sprechen auf das trizyklische Imipramin signifikant besser an als Frauen.<ref name= &quot;Hamilton&quot;/></td>
| '''Neuroendokrine Stressreaktion:''' <br />
+
</tr>
Diskutiert wird die Hypothese, dass Sexualhormone bei Frauen eine stärkere Dysregulation der HPA-Achse modulieren.<ref>Young EA, Altemus M. Puberty, ovarian steroids, and stress. In: Dahl RE, Spear LP (eds) Adolescent brain development: Vulnerabilities and opportunities. New York Academy of Sciences, New York, 2004, pp 124–133.</ref> Dementgegen zeigen Studienergebnisse, dass Frauen bei niedriger Östrogenproduktion (Lutealphase) auf psychischen Stress eine ähnliche Kortisolausschüttung wie Männer zeigen und bei hoher Östrogenproduktion (Follikelphase oder Einnahme von Kontrozeptiva) eine geringere Kortisolausschüttung als Männer aufweisen.<ref>Kirschbaum C, Kudielka BM, Gaab J, Schommer NC, Hellhammer DH. Impact of gender, menstrual cycle phase, and oral contraceptives on the activity of the hypothalamus-pituitary-adrenal axis. Psychosomatic medicine 1999; 61(2):154–62.</ref> Frauen scheinen demnach nicht generell stressempfindlicher zu sein, vielmehr identifizieren Studien geschlechterspezifische Stressoren, auf die Frauen und Männer mit einer unterschiedlich starken endokrinen Antwort reagieren: Bei Frauen ist aufgrund interpersoneller Stressprovokation mit einer erhöhten Kortisolantwort zu rechnen, während Männer auf eine breitere Palette an Stressreizen reagieren (z. B. öffentliche Reden oder mentale Aufgaben).<ref>Kiecolt-Glaser JK, Newton TL. Marriage and health: His and hers. Psychological Bulletin 2001; 127(4):472–503.</ref>  
+
<tr>
| style="vertical-align:top;" |'''Psychosoziale Stressoren:'''
+
<td><em>Kornstein et al., 2000</em></td>
Besonders im makrosozialen Bereich sind Frauen psychosozialen Stressoren in besonderem Maße ausgesetzt: Faktoren wie niedriges Bildungsniveau, geringer sozioökonomischer Status (bis hin zur Armut) oder geringe Handlungskontrolle sind strukturelle Aspekte, die sich negativ auf die psychische Gesundheit von Frauen und Männern auswirken. Jedoch sind es in der Regel Frauen, die bezüglich dieser Faktoren deutlich benachteiligt sind.<ref>Belle Doucet DJ. Poverty, Inequality, And Discrimination As Sources Of Depression Among U.S. Women. Psychology of Women Quarterly 2003; 27(2):101–13.</ref>
+
<td>Frauen brechen die Behandlung mit dem trizyklischen Imipramin signifikant h&auml;ufiger ab, als die Behandlung mit dem SSRI Sertralin.<ref name= &quot;Kornstein&quot;/></td>
Auch die Life-Event-Forschung bestätigt, dass Frauen und Männer zwar tendenziell ein ähnliches Risiko haben, auf belastende Lebensereignisse mit Depressionen zu reagieren, Frauen im Vergleich zu Männern jedoch deutlich mehr Negativereignissen ausgesetzt sind, die ihr soziales Umfeld betreffen.<ref name= "Kendler1">Kendler KS, Gardner CO, Prescott CA. Are there sex differences in the reliability of a lifetime history of major depression and its predictors? Psychol. Med. 2001; 31(04).</ref> Schon in der Adoleszenz erleben Mädchen häufiger interpersonellen Stress, auf den sie mit Depressivität reagieren.<ref name= "Shih>Shih JH, Eberhart NK, Hammen CL, Brennan PA. Differential Exposure and Reactivity to Interpersonal Stress Predict Sex Differences in Adolescent Depression. Journal of Clinical Child & Adolescent Psychology 2006; 35(1):103–15.</ref>
+
</tr>
|-
+
<tr>
| style="vertical-align:top;" |'''Oxytocin:'''
+
<td><em>Frackiewicz et al., 2000 (Review)</em></td>
Hohe interpersonelle Bedürfnisse und der Wunsch nach Intimität sind beim weiblichen Geschlecht unter anderem durch das [[Sexualhormone | Sexualhormon]] Oxytocin gesteuert. So sind besonders Frauen bezüglich des Stresserlebens im zwischenmenschlichen Bereich vulnerabel für die Entwicklung einer Depression. Risikofaktoren sind dabei eine unsichere elterliche Bindung, ein ängstlich-gehemmtes Temperament sowie geringe instrumentelle Coping-Strategien (z. B. Rumination).<ref>Cyranowski JM, Frank E, Young E, Shear MK. Adolescent Onset of the Gender Difference in Lifetime Rates of Major Depression. Arch Gen Psychiatry 2000; 57(1):21.</ref> Hinreichende empirische Ergebnisse aus der Humanforschung liegen bisher nicht vor.
+
<td>Trizyklische Antidepressiva zeigen bei Frauen im Vergleich zu M&auml;nnern einen h&ouml;heren Plasmaspiegel. (Au&szlig;erdem: Verschiedene Studien best&auml;tigen Geschlechterunterschiede in der Pharmakokinetik g&auml;ngiger Antidepressiva. Frauen scheinen sich in ihrem Nebenwirkungsprofil von M&auml;nnern zu unterscheiden. )<ref name= &quot;Frackiewicz&quot;/></td>
| '''Körperliche und/oder sexuelle Gewalt:''' <br />
+
</tr>
Körperliche und/oder sexuelle [[Geschlecht und Gewalt - Ein Überblick/Fachartikel | Gewalt]] stellen traumatische Stressoren dar, die die Entwicklung verschiedener psychischer Erkrankungen zur Folge haben können.<ref>Campbell JC. Health consequences of intimate partner violence. The Lancet 2002; 359(9314):1331–6.</ref> Dabei werden Männer und Frauen Opfer von [[Geschlecht und Gewalt - Ein Überblick/Fachartikel | Gewalt]]. Während Männer sehr viel öfter körperlicher Gewalt im öffentlichen Raum ausgesetzt sind, sind Frauen deutlich häufiger von schweren Formen häuslicher und sexueller Gewalt betroffen. Nach Zahlen des BMFSFJ von 2004 sind ca. 13 Prozent der Frauen in Partnerschaft häuslicher [[Geschlecht und Gewalt - Ein Überblick/Fachartikel | Gewalt]] ausgesetzt.<ref>Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Baden-Baden: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; 2004.</ref> Folge dieser [[Geschlecht und Gewalt - Ein Überblick/Fachartikel | Gewalt]] können nicht nur psychische und physische Verletzungen sein, sondern auch chronisch-pathologische Veränderungen der HPA-Achse.<ref>Griffin MG, Resick PA, Yehuda R. Enhanced Cortisol Suppression Following Dexamethasone Administration in Domestic Violence Survivors. AJP 2005; 162(6):1192–9.</ref>
+
<tr>
|}
+
<td><em>Hildebrandt et al., 2003</em></td>
 +
<td>Bei der Gabe des trizyklischen Antidepressivums Clomipramin ergibt sich bei Frauen ein h&ouml;herer Plasmaspiegel als bei M&auml;nnern, die Konsequenzen f&uuml;r die klinische Wirkung bleiben unklar.<ref>Hildebrandt MG, Steyerberg EW, Stage KB, Passchier J, Kragh-Soerensen P. Are gender differences important for the clinical effects of antidepressants? The American journal of psychiatry 2003; 160(9):1643&ndash;50.</ref></td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em>Parker et al., 2003</em></td>
 +
<td>Es konnte kein Geschlechterunterschied bez&uuml;glich der Wirkung von trizyklischen Antidepressiva belegt werden.<ref name= &quot;PARKER&quot;/></td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em>Wohlfahrt et al., 2004 (Metaanalyse)</em></td>
 +
<td>
  
== Pathophysiologie == <!--T:17-->
+
Frauen und M&auml;nner unterscheiden sich nicht in ihrer Ansprechrate auf trizyklische Antidepressiva.<ref>Wohlfarth T, Storosum JG, Elferink AJ, van Zwieten BJ, Fouwels A, van den Brink W. Response to Tricyclic Antidepressants: Independent of Gender? AJP 2004; 161(2):370&ndash;2.</ref>
Physiologische Veränderungen können die Entwicklung einer Depression durchaus begünstigen, führen aber nicht kausal zwingend zu diesem Störungsbild. Geschlechterspezifisch diskutiert wird vor allem die Rolle gonadaler Steroide bei der Pathogenese einer Depression. Dabei finden sich in den meisten Studien keine Unterschiede in der LHRH-induzierten FSH- und LH-Sekretion zwischen depressiven Patienten und Patientinnen und gesunden Vergleichspopulationen. Viele Autoren und Autorinnen schließen daraus, dass die Funktionalität der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse bei depressiven Patienten und Patientinnen nicht beeinträchtigt sei.<ref>Rubin RT, Poland RE, Lesser IM. Neuroendocrine aspects of primary endogenous depression VIII. Pituitary-gonadal axis activity in male patients and matched control subjects. Psychoneuroendocrinology 1989; 14(3):217–29.</ref> Dennoch scheint ein akuter Abfall gonadaler Steroide (z. B. postpartal) die Entwicklung einer depressiven Symptomatik zu begünstigen.<ref>Payne JL. The role of estrogen in mood disorders in women. International Review of Psychiatry 2009; 15(3):280–90.</ref> Dabei können nicht nur Östrogen und Progesteron bei Frauen, sondern auch Testosteron bei Männern durchaus Bedeutung bei der Entwicklung einer Depression besitzen. Der Zusammenhang zwischen affektivem Erleben und Testosteron wird besonders bei bestehendem Testosteron-Defizit deutlich.<ref> Kindler-Röhrborn A, Pfleiderer B. Gendermedizin - Modewort oder Notwendigkeit?: - Die Rolle des Geschlechts in der Medizin. XX 2012; 1(03):146–52.</ref> In Tabelle 2 werden Untersuchungsergebnisse dargestellt, die einen Zusammenhang zwischen Östrogen bei Frauen bzw. Testosteron bei Männern und der Pathogenese depressiver Störungen nahelegen. 
 
  
<!--T:18-->
+
</td>
<small>'''Tabelle 2. Die Rolle gonadaler Steroide bei der Entwicklung einer Depression.'''</small>
+
</tr>
{| class="wikitable"
+
</table>
|-
 
! style="width:50%;"| Frauen/Östrogen !! Männer/Testosteron
 
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* Das erhöhte Risiko an einer Depression zu erkranken besteht vor allem während der reproduktiven Jahre, in denen zyklische Schwankungen in der Konzentration gonadaler Steroide charakteristisch sind.<ref>Weissman MM. Sex Differences and the Epidemiology of Depression. Arch Gen Psychiatry 1977; 34(1):98.</ref>
 
|
 
* Depressive Männer weisen im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden höhere Kortisol-, aber niedrigere Testosteronwerte auf.<ref>Schweiger U, Deuschle M, Weber B, Körner A, Lammers CH, Schmider J et al. Testosterone, gonadotropin, and cortisol secretion in male patients with major depression. Psychosomatic medicine 1999; 61(3):292–6.</ref>
 
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|
 
* Die Östrogenkonzentration ist in der follikulären Phase bei depressiven Patientinnen signifikant geringer als bei gesunden Kontrollprobandinnen vergleichbaren Alters.<ref>Young EA, Midgley AR, Carlson NE, Brown MB. Alteration in the Hypothalamic-Pituitary-Ovarian Axis in Depressed Women. Arch Gen Psychiatry 2000; 57(12):1157.</ref>
 
|
 
* Bei älteren Männern ist die Inzidenzrate für Depressionen umso höher, desto geringer die Testosteronkonzentration ist.<ref>Shores MM, Sloan KL, Matsumoto AM, Moceri VM, Felker B, Kivlahan DR. Increased Incidence of Diagnosed Depressive Illness in HypogonadalOlder Men. Arch Gen Psychiatry 2004; 61(2):162.</ref>
 
|-
 
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* Präklinische Studien ergeben: Östrogene unterstützen die serotonerge Neurotransmission durch Verstärkung der Serotoninsynthese bzw. durch Hemmung des Abbaus oder der Wiederaufnahme von Serotonin.<ref name="Amin"/>  
 
|
 
* Bestimmte Untergruppen depressiver Männer leiden unter deutlichem Hypogonadismus. Zum Beispiel ist die Altersdepression bei Männern unter anderen abhängig vom CAG-repeat-Polymorphismus des Androgenrezeptor-Gens.<ref>Schneider G, Nienhaus K, Gromoll J, Heuft G, Nieschlag E, Zitzmann M. Aging males’ symptoms in relation to the genetically determined androgen receptor CAG polymorphism, sex hormone levels and sample membership. Psychoneuroendocrinology 2010; 35(4):578–87.</ref>
 
|-
 
|
 
* Depressive Frauen sprechen besser auf Sertralin (SSRI) an, während depressive Männer positiver auf Imipramin (trizyklisches Antidepressivum) reagieren. Der Geschlechterunterschied in der Wirksamkeit scheint bedingt durch die günstigen Effekte von Östrogenen auf die serotonerge Neurotransmission.<ref name= "Kornstein">Kornstein SG, Schatzberg AF, Thase ME, Yonkers KA, McCullough JP, Keitner GI et al. Gender differences in treatment response to sertraline versus imipramine in chronic depression. The American journal of psychiatry 2000; 157(9):1445–52</ref>  
 
|
 
* Doppelblindstudien ergeben erste Hinweise für eine antidepressive Wirkung von Testosteron-Substitutionstherapie. Das erhöhte Risiko eines Prostatakarzinoms spricht dabei gegen die breite klinische Anwendung.<ref>Pope HG, Cohane GH, Kanayama G, Siegel AJ, Hudson JI. Testosterone Gel Supplementation for Men With Refractory Depression: A Randomized, Placebo-Controlled Trial. AJP 2003; 160(1):105–11.</ref>
 
|-
 
|
 
* Es bestehen Hinweise auf die klinische Wirksamkeit von Östrogenmonotherapie bei depressiven Patientinnen. Mit ausreichender Sicherheit lässt sich diese Wirksamkeit jedoch nicht bestätigen.<ref>Halbreich U. Gonadal Hormones, Reproductive Age, and Women With Depression. Arch Gen Psychiatry 2000; 57(12):1163.</ref>
 
|
 
|}
 
  
== Klinik == <!--T:19-->
+
&nbsp;
=== Symptome ===
 
  
<!--T:54-->
+
<table align="center" border="1" cellpadding="1" cellspacing="1" style="width:900px">
[[Datei:Geschlecht und Depression.png|thumb|right|380px|<small>'''Während Frauen Kernsymptome wie Traurigkeit eher zeigen, können diese bei Männern durch externale Symptome wie Aggressivität überdeckt werden. '''<br />[Quelle: GenderMed-Wiki, 2016]</small>]]
 
  
<!--T:55-->
+
<tr>
Während depressive Kernsymptome wie Traurigkeit, Niedergeschlagenheit und Anhedonie von beiden Geschlechtern etwa gleich häufig genannt werden, können sich andere depressive Beschwerden zwischen den Geschlechtern durchaus unterscheiden.<ref name= "Lautenbacher">Lautenbacher S. Gehirn und Geschlecht: Neurowissenschaft des kleinen Unterschieds zwischen Frau und Mann. Heidelberg: Springer; 2007.</ref> Nicht zuletzt deswegen bleiben Depressionen bei Männern häufig unerkannt. Autoren und Autorinnen sprechen von einer „Depressionsblindheit“ bei Männern, die verschiedene Ursachen zu haben scheint. Dabei ist sicherlich ein wichtiger Aspekt, dass sich depressive Symptome bei Männern zuweilen in anderer Form äußern als bei Frauen. Zum Beispiel reagieren Männer bei einer Depression eher aggressiv und risikofreudig und greifen öfter zu Alkohol und Drogen. Diese externalen Symptome überdecken besonders zu Beginn häufig die „klassisch“ internalen Symptome wie Selbstwertverlust, Antriebslosigkeit oder Verlust an Freude.<ref name="Weißbach">Weißbach L, Stiehler M. Männergesundheitsbericht 2013: Im Fokus: Psychische Gesundheit. Bern: Hans Huber; 2013.</ref> Solche Verhaltensweisen werden vom Fachpersonal häufig nicht als mögliche Depressionssymptome erkannt, sondern als "typisch männliche Abwehrstrategien" eingeordnet.<ref name=" Möller-Leimkühler">Möller-Leimkühler AM, Paulus, N-C, Heller J: Male Depression in einer Bevölkerungsstichprobe junger Männer: Risiko und Symptome. Der Nervenarzt, 2007, 78 (6): 641-650</ref>  
+
<th scope="col">Studien</th>
 +
<th scope="col"><strong>Serotonin Wiederaufnahmehemmer (SSRIs)</strong></th>
 +
</tr>
  
<!--T:56-->
+
<tr>
Frauen reagieren dagegen eher als Männer mit atypischen Symptomen (z. B. Appetitsteigerung statt Appetitverlust) oder somatischen Beschwerden und [[Schmerz/Fachartikel |Schmerz]].<ref name= "Lautenbacher"/> Sie berichten insgesamt von mehr Symptomen als Männer.<ref name="Angst"/>  
+
<td><em>Lewis-Hall et al., 1997</em></td>
 +
<td>Bei einer Untersuchung mit 800 Patientinnen zeigt der SSRI Fluoxetin keine &Uuml;berlegenheit in der Wirksamkeit gegen&uuml;ber trizyklischen Antidepressiva.<ref>LEWIS-HALL FC, WILSON MG, TEPNER RG, KOKE SC. Fluoxetine vs. Tricyclic Antidepressants in Women with Major Depressive Disorder. Journal of Women&#39;s Health 1997; 6(3):337&ndash;43.</ref></td>
 +
</tr>
 +
<tr>
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<td><em>Kornstein et al., 2000</em></td>
 +
<td>
  
<!--T:20-->
+
Frauen mit chronischer Depression oder eine &bdquo;Double Depression&ldquo; sprechen signifikant besser auf den SSRI Sertralin an als auf das trizyklische Antidepressivum Imipramin.
Obwohl Prävalenzangaben von Depressionen beim weiblichen Geschlecht deutlich höher sind, suizidieren sich Männer dreimal so häufig wie Frauen (wobei Frauen öfter einen Suizidversuch begehen). Während Frauen eher parasuizidales Verhalten zeigen, wählen Männer meist aggressivere Methoden. Dabei erfolgen bis zu 70 Prozent aller Suizide im Rahmen einer depressiven Erkrankung.<ref name="Gößwald"> Gößwald A, Lange M, Kamtsiuris P, Kurth B. DEGS: Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland. Bundesgesundheitsbl. 2012; 55(6-7):775–80.</ref> Die erhöhte Suizidrate bei geringerer Suizidversuchsrate in der männlichen im Vergleich zur weiblichen Bevölkerung wird wissenschaftlich als ''Gender Paradox'' diskutiert und erlaubt die Hypothese, dass die niedrige Depressionsprävalenz bei Männern weniger durch ein geringeres Depressionsrisiko als vielmehr durch Unterdiagnostizierung bedingt ist (detaillierte Information zu [[Geschlechterunterschiede bei Suizid und Suizidalität/Fachartikel | Geschlechterunterschieden bei Suizid und Suizidalität]] erhalten Sie [[Geschlechterunterschiede bei Suizid und Suizidalität/Fachartikel | hier]]).<ref>Canetto SS, Sakinofsky I. The Gender Paradox in Suicide. Suicide and Life-Threatening Behavior 1998; 28(1):1–23.</ref> <ref name="Möller-Leimkühler2012"/>
 
  
<!--T:57-->
+
Bei der Einnahme von SSRI Sertralin brechen signifikant mehr M&auml;nner die Behandlung fr&uuml;hzeitig ab als bei der Einnahme des trizyklischen Imipramin.&nbsp;
Bezüglich der Symptomatik erkrankten Männern zeigt sich: Je stärker die Orientierung an stereotypen Männlichkeitsidealen (normative bzw. hegemoniale Männlichkeit) desto ausgeprägter sind die externalisierten Symptome bei Depressionen  <ref>Magovcevic M, Addis ME. The Masculine Depression Scale: development and psychometric evaluation. Psychol Men Masc 2008; 9: 117–32.</ref> und desto wahrscheinlicher ist ein Suizidversuch.<ref>Houle J, Mishara BL, Chagnon F. An empirical test of a mediation model of the impact
 
of the traditional male gender role on suicidal behavior in men. J Affect Disord 2008; 107: 37–43.</ref> Um Suizidraten bei Männern senken zu können, muss eine tendenziell männliche Symptomatik in Diagnostik und Therapie berücksichtigt werden.<ref>RutzW (1999) Improvement of care for people suffering from depression: the need for comprehensive education. Int Clin Psychopharmacol 14: 27–33.</ref>
 
  
<!--T:21-->
+
Bei postmenopausalen Frauen unterscheidet sich die Ansprechrate zwischen dem SSRI Sertralin und dem trizyklischen Imipramin nicht.<ref name= &quot;Kornstein&quot;/>&nbsp;
Nachfolgende Tabelle (Tabelle 3) soll die Verteilung depressiver Symptome zwischen den Geschlechtern verdeutlichen.  Dabei kann von keiner trennscharfen Unterscheidung zwischen den Geschlechtern ausgegangen werden, abgebildet werden lediglich Tendenzen und Ergebnisse einzelner Studien.  
 
  
<!--T:22-->
+
</td>
<small>'''Tabelle 3. Unterschiede in der Syptomausprägung zwischen Männern und Frauen.'''</small>
+
</tr>
{| class="wikitable"
+
<tr>
|-
+
<td><em>Parker et al., 2003</em></td>
! Frauen > Männer !! Frauen < Männer
+
<td>Es konnnte kein Geschlechterunterschied in der Wirkung von SSRI belegt werden.<ref name= &quot;PARKER&quot;>PARKER G, PARKER K, AUSTIN M, MITCHELL P, BROTCHIE H. Gender differences in response to differing antidepressant drug classes: two negative studies. Psychol. Med. 1999; 33(8):1473&ndash;7.</ref></td>
|-
+
</tr>
| '''''Körperliche Symptome:''''' Energieverlust, Müdigkeit, Schlafstörungen, Appetitstörungen, motorische und kognitive Verlangsamung <ref name= "Silverstein">Silverstein B. Gender Differences in the Prevalence of Somatic Versus Pure Depression: A Replication. AJP 2002; 159(6):1051–2.</ref> <ref name= "Marcus"/> || '''''Emotionales Arrousal:''''' Aggressivität, Wut, <ref name= "Neurologen">Neurologen und Psychiater im Netz. Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen. Reizbarkeit, Ärger, Sucht sind typische Depressionssymptome bei Männern; 2013.</ref> Ärgerattacken und Gereiztheit <ref name=" Möller-Leimkühler"/>
+
<tr>
|-
+
<td><em>Baca et al., 2004</em></td>
| '''''Atypische Symptome:''''' Gewichtszunahme, Appetitsteigerung, vermehrter Schlaf <ref name="Angst"/> || '''''Substanzmissbrauch/-abhängigkeit:''''' Alkohol, Nikotin, Drogen <ref name= "Weißbach"/>
+
<td>Bei Frauen zeigt sich eine h&ouml;here Vertr&auml;glichkeit und Wirkung beim SSRI Sertralin im Vergleich zum trizyklischen Imipramin.<ref>Baca E, Garcia-Garcia M, Porras-Chavarino A. Gender differences in treatment response to sertraline versus imipramine in patients with nonmelancholic depressive disorders. Progress in Neuro-Psychopharmacology and Biological Psychiatry 2004; 28(1):57&ndash;65.</ref></td>
|-
+
</tr>
| '''''Weiteres:''''' Komorbide Ängstlichkeit mit Nervosität und/oder Panik <ref name="Angst"/> , Körperliche Beschwerden und [[Schmerz | Schmerzen]] <ref name= "Silverstein"/> || '''''Soziale Interaktion:''''' Feindseligkeit, unkontrollierte Handlungen, Tendenz zur nach außen gerichteten Vorwurfshaltung, antisoziales Verhalten <ref name=" Möller-Leimkühler"/><ref name= "Weißbach"/>
+
</table>
|-
 
|}
 
  
=== Diagnostik === <!--T:23-->
+
&nbsp;
Eine adäquate Diagnostik von Depressionen beim männlichen Geschlecht gestaltet sich bereits aufgrund der Tatsache schwierig, dass Männer im Gegensatz zu Frauen deutlich seltener und weniger intensiv hilfesuchendes Verhalten zeigen. Die europäische DEPRES-Studie zeigt, dass 52 Prozent der Probanden und 41 Prozent der Probandinnen, bei denen sich in irgendeiner Weise depressive Symptome manifestiert haben, keine professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen. Wenn Hilfe gesucht wird, ist die erste Anlaufstelle häufig nicht eine psychiatrische oder psychotherapeutische Praxis. In der Regel werden zunächst der Hausarzt bzw. die Hausärztin oder ein/e Internist/Internistin konsultiert, die nicht immer über hinreichendes Fachwissen verfügen.<ref>Lepine JP, Gastpar M, Mendlewicz O, et al. Depression in the community: the first pan European study DEPRES (Depression Research in European Society). Int Clin Psychopharmacology 1997; 12: 19 – 29</ref> <ref name="Angst"/>
 
  
<!--T:24-->
+
<table align="center" border="1" cellpadding="1" cellspacing="1" style="width:900px">
Häufig verdrängen betroffene Männer ihre psychischen Beschwerden und führen Befindlichkeitsstörungen auf momentanen Stress und/oder berufliche Belastungen zurück. Depressive Frühsymptome wie erhöhte Erschöpfbarkeit oder Schlafstörungen werden dabei ignoriert und geeignete Behandlungsschritte können nicht eingeleitet werden. Männer neigen bei psychischen Problemen eher dazu ihre Beschwerden auf die Umwelt zu projizieren und Krankheitsgefühle nicht korrekt zu interpretieren. So konsultieren sie einen Arzt oder eine Ärztin häufig erst dann, wenn somatische Beschwerden wie starke Erschöpfungszustände oder Gefühle eines „Burnouts“ eindeutige Auswirkungen auf die alltägliche Funktionalität haben. Oft führt auch komorbider Alkohol- und/oder Nikotinkonsum zu gesundheitlichen Folgen und damit zu einem steigenden Behandlungsdruck.<ref name= "Neurologen"/>  
 
  
<!--T:25-->
+
<tr>
Selbst wenn ärztliche Konsultation stattfindet, ist eine korrekte Diagnosestellung nicht immer gewährleistet. Vielmehr scheinen soziale Geschlechterstereotype grundlegenden Einfluss auf das Erkennen (und damit Behandeln) depressiver Erkrankungen zu haben (siehe auch: Interaktion zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin). Tatsächlich zeigen die Ergebnisse einer prospektiven Studie mit 500 Patienten und Patientinnen, dass in allgemeinmedizinischen Praxen beim Vorliegen klinisch-relevanter Depressionswerte die Diagnose einer Depression bei Männern signifikant seltener gestellt wird als bei Frauen.<ref>Bertakis KD. The influence of gender on the doctor–patient interaction. Patient Education and Counseling 2009; 76(3):356–60.</ref>
+
<th scope="col">Studie</th>
 +
<th scope="col"><strong>Monoaminoxidase-Hemmer (MAO)</strong></th>
 +
</tr>
  
<!--T:58-->
+
<tr>
Zierau et al. untersuchten in ihrer Studie von 2009 eine Stichprobe von 87 alkoholabhängigen Patienten bezüglich einer depressiven Symptomatik.  Sie erfassten neben den klassischen Depressionssymptomen auch klinisch nicht-relevante, aber bei Männern häufig vorkommende  Verhaltensmuster. Wurden diese Verhaltensmuster als Diagnosekriterien hinzugezogen, konnte ein deutlich höherer Prozentsatz von depressiv erkrankten Männern identifiziert werden.<ref>Zierau F, Bille A, Rutz W. et al . The Gotland Male Depression Scale: A validity study in patients with alcohol use disorders.  Nord J Psychiatry. 2002;  56 265-271</ref> Die hierbei entwickelten Kriterien einer "männlichen Depression" (''Gotland Male Depression Scale'') sind Tabelle 4 zu entnehmen.  Ähnliches erkannten auch Martin et al. (2013): Durch die diagnostische Berücksichtigung von den Symptomen ''Ärgerattacken'', ''Agression'',  ''Risikoverhalten'' und ''Substanzmissbrauch'' verschwanden die Geschlechterunterschiede in der Prävalenz von Depressionen.<ref>Martin LA, Neighbors HW, Griffith DM (2013): The experience of symptoms of depression in men vs women: Analysis of the National Comorbidity Survey Replication. JAMA Psychiatry 70:1100–1106.</ref> <br/> <br/>
+
<td><em>Davidson &amp; Pelton, 1986</em></td>
 +
<td>Frauen mit atypischer Depression und Panikattacken sprechen besser auf MAO-Hemmer an, w&auml;hrend bei M&auml;nnern mit derselben Symptomatik Trizyklika effektiver wirken.<ref>Davidson J, Pelton S. Forms of atypical depression and their response to antidepressant drugs. Psychiatry Research 1986; 17(2):87&ndash;95</ref></td>
 +
</tr>
 +
</table>
  
<!--T:59-->
+
===Psychosoziale Faktoren===
<small>'''Tabelle 4. Vorgeschlagene Diagnosekriterien nach Zierau et al. (2002) und Pollack &  Levant (1998)''' '''aus Möller-Leimkühler (2009)''' </small> <ref>Zierau F, Bille A, Rutz W. et al . The Gotland Male Depression Scale: A validity study in patients with alcohol use disorders.  Nord J Psychiatry. 2002;  56 265-271</ref> <ref>Pollack W (1998) Mourning, Melancholia, and Masculinity: Recognizing and Treating
 
Depression in Men. In: Pollack W, Levant R (eds.) A New Psychotherapy for Men. Wiley, New York, S 147-166. </ref> <ref>Möller-Leimkühler, A. M. (2009). Männer, Depression und „männliche Depression”. Fortschritte der Neurologie· Psychiatrie, 77(07), 412-422.</ref>
 
{| class="wikitable"
 
|-
 
! Mögliche Diagnosekriterien "männlicher Depression": ''Gotland Male Depression Scale''
 
|-
 
 
* Vermehrter sozialer Rückzug, der oft verneint wird
 
* Burn-out: berufliches Überengagement, das mit Klagen über Stress maskiert wird
 
* Abstreiten von Kummer und Traurigkeit
 
* Zunehmend rigide Forderungen nach Autonomie (in Ruhe gelassen werden)
 
* Hilfe von anderen nicht annehmen: das „Ich kann das schon allein”-Syndrom
 
* Ab- oder zunehmendes sexuelles Interesse
 
* zunehmende Intensität oder Häufigkeit von Ärgerattacken
 
* Impulsivität
 
* Vermehrter bis exzessiver Alkohol- und/oder Nikotinkonsum (süchtig nach TV, Sport, etc.)
 
* Ausgeprägte Selbstkritik, bezogen auf vermeintliches Versagen
 
* Versagensangst
 
* Andere für eigene Probleme verantwortlich machen
 
* Verdeckte oder offene Feindseligkeit
 
* Unruhe und Agitiertheit
 
* Konzentrations-, Schlaf- und Gewichtsprobleme
 
|}
 
  
== Management von Patienten und Patientinnen == <!--T:26-->
+
Psychosoziale Faktoren beeinflussen das individuelle Stresserleben und erh&ouml;hen nachweislich das Risiko einer Depression. Das Geschlechterverh&auml;ltnis hinsichtlich der Depressionsrate variiert in Abh&auml;ngigkeit bestimmter sozialer Merkmale wie [[Erwachsenenalter und soziale Partizipation | Berufst&auml;tigkeit]] oder Familienstand. Dabei sind Frauen psychosozialen (&Uuml;ber)belastungen wie Armut, Rollen&uuml;berlastung oder Missbrauch h&auml;ufiger ausgesetzt als M&auml;nner.<ref name=&quot;K&uuml;hner&quot;/>&nbsp;Tabelle 6 erl&auml;utert bestimmte psychosoziale Faktoren aus einer gendermedzinischen Perspektive heraus.
=== Therapie ===
 
  
=== Interaktion zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin === <!--T:27-->
+
<table align="center" border="1" cellpadding="1" cellspacing="1" style="width:900px">
Männer suizidieren sich drei Mal so häufig wie Frauen und bei 70 Prozent der [[Geschlechterunterschiede bei Suizid und Suizidalität | Suizide]] ist eine depressive Erkrankung ursächlich.<ref name="Gößwald"/> Diese Tatsache legt die Folgerung nahe, dass die Zahl unerkannter psychischer Erkrankungen bei Männern deutlich höher ist als bei Frauen. Damit scheinen aktuell klare Defizite in Diagnostik und Versorgung depressiver Episoden (und psychischer Erkrankungen im Allgemeinen) vor allem bei Männern zu bestehen.<ref name= "Weißbach"/>  
+
<caption>Tabelle 6. Psychosoziale Faktoren im Geschlechtervergleich.</caption>
  
<!--T:28-->
+
<tr>
Immer noch häufig zeigen Patienten im Kontakt mit Ärzten oder Ärztinnen einen stereotyp „männlichen“ Kommunikationsstil. Intra- und interpersonelle Probleme werden oft verharmlost und die äußere Fassade aufrechtgehalten.<ref>Möller-Leimkühler, A. M. (2016). Vom Dauerstress zur Depression. Fischer & Gann.</ref> Psychische Beschwerden werden dabei oft als persönliches Versagen gewertet und deshalb nicht kommuniziert. Folge ist dann, dass psychische und psychosomatische Symptome von Männern während der ärztlichen Untersuchung nicht genannt werden und von Ärzten und Ärztinnen übersehen werden. Frauen führen ihre Krankheitssymptome häufiger als Männer auf Stress und psychische Probleme zurück.<ref>Cronauer CK, Schmid Mast M. Geschlechtsspezifische Aspekte des Gesprächs zwischen Arzt und Patient. Die Rehabilitation 2010; 49(5):308–14.</ref> Aber auch Ärzte und Ärztinnen neigen bei Frauen eher als bei Männern dazu, Symptome psychosomatisch zu deuten. Dagegen werden psychische Belastungen beispielsweise aufgrund von beruflichem Stress bei Männern häufig übersehen, obwohl (laut Männergesundheitsbericht 2013) Männer aufgrund ihres Berufes deutlich stärker psychisch belastet sind als dies bei Frauen der Fall ist. Geschlechterspezifische Interaktionseffekte können schließlich zu Beobachtungsfehlern führen und eine korrekte psychiatrische (oder somatische) Diagnose verzögern oder sogar verhindern.<ref>Harth W, Brähler E, Schuppe HC. Praxisbuch Männergesundheit: Interdisziplinärer Beratungsund Behandlungsleitfaden. Berlin: MWV Medizinisch-Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.</ref>
+
<th scope="col">Psychosozialer Faktor</th>
 +
<th scope="col">Geschlechterunterschied</th>
 +
</tr>
  
=== Behandlungserfolg/Outcome === <!--T:29-->
+
<tr>
Bezüglich der Wirksamkeit psychotherapeutischer Methoden können keine eindeutig geschlechtersensiblen Aussagen getroffen werden, empirisch gestützte Ergebnisse sind begrenzt.<ref name= "Kolip">Kolip P, Hurrelmann K. Handbuch Geschlecht und Gesundheit: Männer und Frauen im Vergleich. 2., vollst. überarb. und erw. Aufl. Bern: Hogrefe; 2016. (Programmbereich Gesundheit).</ref> Dennoch scheint ein Trend zu bestehen: Obwohl Psychotherapie stereotyp als eher weibliche Domäne eingeordnet wird, ergeben sich zumindest hinsichtlich der kognitiven und der interpersonellen Verhaltenstherapie keine Geschlechterunterschiede in der Wirksamkeit.<ref>Hautzinger M, de Jong-Meyer R. Depression. Ergebnisse von zwei multizentrischen Vergleichsstudien bei unipolarer Depression. Z Klin Psychol 1996; 26: 80–160.</ref> <ref>Schneider D, Zobel I, Härter M, Kech S, Berger M, Schramm E. Wirkt die Interpersonelle Psychotherapie besser bei Frauen als bei Männern? Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Studie. Psychotherapie – Psychosomatik – Medizinische Psychologie 2008; 58: 23–31.</ref> Erkrankte Männer scheinen von einer Verhaltenstherapie genauso zu profitieren wie Frauen. Die Geschlechtszugehörigkeit des Patienten bzw. der Patientin alleine kann damit kein geeigneter Prädiktor für einen Psychotherapieerfolg sein, sondern muss immer in Interaktion mit weiteren Variablen analysiert werden (zum Beispiel auch mit dem Geschlecht des Therapeuten bzw. der  Therapeutin). Voraussetzung und Herausforderung für das Fachpersonal sind jedoch, Männer für eine solche Behandlung überhaupt erst zu motivieren. So bildet das weibliche Geschlecht die überwiegende Mehrheit der PsychotherapiepatientInnen und vor allem Frauen aus der Mittelschicht nehmen deutlich häufiger als Männer (ambulante) Psychotherapie in Anspruch.<ref name= "Kolip"/> Während der Psychotherapie gilt es dann bei Patienten und Patientinnen, geschlechtersensible Aspekte der Lebenswelt adäquat in die therapeutische Praxis zu integrieren.<ref name="Möller-Leimkühler2012"/>
+
<td><em><strong>Soziale Ungleichheit</strong></em></td>
 +
<td>Strukturell-soziale Ungleichheit (bez&uuml;glich Aspekten wie sozialer Status, Bildung, Entscheidungsgewalt, etc.) haben negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Frauen und M&auml;nnern. Jedoch sind Frauen im Vergleich zu M&auml;nnern in den meisten Kulturkreisen immer noch deutlich benachteiligt.<ref>Coiro MJ. Depressive symptoms among women receiving welfare. Women Health 2001; 32:1&ndash;23.</ref> Zum Beispiel ist Armut einer der konsistentesten Pr&auml;diktoren f&uuml;r die Entwicklung einer Depression bei Frauen.<ref>Belle D, Doucet J. Poverty, inequality, and discrimination as sources of depression among U.S. women. Psychology of Women Quarterly 2003; 27.</ref> Die Daten der WHO-Allgemeinarztstudie (1999) ergeben, dass ca. 50 Prozent des geschlechterspezifischen Pr&auml;valenzunterschiedes bei Depression durch soziale Rollenungleichheit aufkl&auml;rbar sind.<ref>Maier W, Gansicke M, Gater R, Rezaki M, Tiemens B, Urzua RF. Gender differences in the prevalence of depression: a survey in primary care. J Affect Disord 1999; 53.</ref>&nbsp;</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><em><strong>Partnerschaft</strong></em></td>
 +
<td>
  
 +
Traditionelle Partnerschaft bzw. Ehe wirken bei M&auml;nnern protektiver gegen Depressionen als bei Frauen.<ref name=&quot;Guti&eacute;rrez&quot;>Guti&eacute;rrez-Lobos K, W&ouml;lfl G, Scherer M, Anderer P, Schmidl-Mohl B. The gender gap in depression reconsidered: the influence of marital and employment status on the female/male ratio of treated incidence rates 2000; 35(5).</ref>&nbsp;<ref>Kiecolt-Glaser JK, Newton TL. Marriage and health: his and hers. Psychol Bull 2001; 127: 472&ndash;503.</ref> Trennung bzw. Scheidung stellen besonders bei M&auml;nnern ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r eine Depression dar.<ref name=&quot;M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler2012&quot;/>
  
<!--T:60-->
+
Bei Frauen scheinen eher als bei M&auml;nnern qualitative Aspekte der Partnerschaft mit Depressivit&auml;t im Zusammenhang zu stehen.<ref>Weissman MM. Advances in psychiatric epidemiology: rates and risks for major depression. Am J Public Health 1987; 77.</ref>&nbsp;Alleinerziehende M&uuml;tter haben ein erh&ouml;htes Risiko an einer Depression zu erkranken.<ref name=&quot;M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler2012&quot;/>
Bereits zu Beginn der medikamentösen Versorgung von Depressionen bestand die Vermutung, dass Frauen und Männer unterschiedlich auf die Behandlung mit Antidepressiva reagieren. Zum Beispiel bestätigen metaanalytische Auswertungen, dass Männer auf das trizyklische Antidepressivum Imipramin besser ansprechen als Frauen.<ref name= "Hamilton">Hamilton JA, Grant M, Jensvold MF. Sex and treatment of depression. In: Psychopharmacology and women: Sex, gender, and hormones: American Psychiatric Association; 1996.</ref> Gegenwärtig besteht erste Evidenz hinsichtlich einer geschlechterspezifischen Wirkung selektiver Serotonin Wiederhaufnahmehemmer (SSRIs). Da ovariale Hormone serotonerge Funktionen modulieren,<ref>Wolfersdorf M, Schulte-Wefers H, Straub R, Klotz T. Männer-Depression: Ein vernachlässigtes Thema-ein therapeutisches Problem. Blickpunkt der Mann 2006; 4(2):6–9.</ref> scheint durch das weibliche Östrogen die Effektivität von SSRIs gesteigert zu werden.<ref>Gorman JM. Gender differences in depression and response to psychotropic medication. Gender Medicine 2006; 3(2):93–109.</ref> Die allgemeine Studienlage deutet darauf hin, dass Patienten besser auf trizyklische Antidepressiva ansprechen, während bei Patientinnen eine Behandlung mit SSRIs effektiver erscheint. Einheitlich bestätigt werden können diese Ergebnisse nicht. Verschiedene Studien belegen einen Geschlechterunterschied in der Pharmakokinetik der gängigen Antidepressiva. Frauen und Männer scheinen sich in ihrem Nebenwirkungsprofil bei Antidepressiva zu unterscheiden. Weitere Forschung bezüglich einer geschlechterspezifischen Dosierung erweist sich als notwendig, um eine positive Wirksamkeit und möglichst hohe PatientInnen-Compliance zu gewährleisten.<ref name= "Frackiewicz">Frackiewicz EJ, Sramek JJ, Cutler NR. Gender Differences in Depression and Antidepressant Pharmacokinetics and Adverse Events. The Annals of Pharmacotherapy 2000; 34:80–8.</ref> Nachfolgend wird die Studienlage bezüglich medikamentöser Behandlungen tabellarisch aufgeführt (Tabelle 5).
 
  
<!--T:30-->
+
</td>
<small>'''Tabelle 5. Geschlechterunterschiede im medikamentösen Outcome.'''</small>
+
</tr>
{| class="wikitable"
+
<tr>
|-
+
<td><em><strong>Berufst&auml;tigkeit</strong></em></td>
! style="width:30%"|Studien !! style="width:70%"|Geschlechterunterschiede
+
<td>
|-
 
| colspan="2" style="background-color:#E6E6FA;" | '''1. Trizyklische Antidepressiva'''
 
|-
 
| ''Hamilton et al., 1996 (Metaanalyse)'' || Männer sprechen auf das trizyklische Imipramin signifikant besser an als Frauen.<ref name= "Hamilton"/>
 
|-
 
| ''Kornstein et al., 2000'' || Frauen brechen die Behandlung mit dem trizyklischen Imipramin signifikant häufiger ab, als die Behandlung mit dem SSRI Sertralin.<ref name= "Kornstein"/>  
 
|-
 
| ''Frackiewicz et al., 2000 (Review)'' || Trizyklische Antidepressiva zeigen bei Frauen im Vergleich zu Männern einen höheren Plasmaspiegel. (Außerdem: Verschiedene Studien bestätigen Geschlechterunterschiede in der Pharmakokinetik gängiger Antidepressiva. Frauen scheinen sich in ihrem Nebenwirkungsprofil von Männern zu unterscheiden. )<ref name= "Frackiewicz"/>
 
|-
 
| ''Hildebrandt et al., 2003'' || Bei der Gabe des trizyklischen Antidepressivums Clomipramin ergibt sich bei Frauen ein höherer Plasmaspiegel als bei Männern, die Konsequenzen für die klinische Wirkung bleiben unklar.<ref>Hildebrandt MG, Steyerberg EW, Stage KB, Passchier J, Kragh-Soerensen P. Are gender differences important for the clinical effects of antidepressants? The American journal of psychiatry 2003; 160(9):1643–50.</ref>
 
|-
 
| ''Parker et al., 2003'' || Es konnte kein Geschlechterunterschied bezüglich der Wirkung von trizyklischen Antidepressiva belegt werden.<ref name= "PARKER"/>
 
|-
 
| ''Wohlfahrt et al., 2004 (Metaanalyse)'' || Frauen und Männer unterscheiden sich nicht in ihrer Ansprechrate auf trizyklische Antidepressiva.<ref>Wohlfarth T, Storosum JG, Elferink AJ, van Zwieten BJ, Fouwels A, van den Brink W. Response to Tricyclic Antidepressants: Independent of Gender? AJP 2004; 161(2):370–2.</ref>
 
|-
 
| colspan="2" style="background-color:#E6E6FA;" | '''Serotonin Wiederaufnahmehemmer (SSRIs)'''
 
|-
 
| ''Lewis-Hall et al., 1997'' || Bei einer Untersuchung mit 800 Patientinnen zeigt der SSRI Fluoxetin keine Überlegenheit in der Wirksamkeit gegenüber trizyklischen Antidepressiva.<ref>LEWIS-HALL FC, WILSON MG, TEPNER RG, KOKE SC. Fluoxetine vs. Tricyclic Antidepressants in Women with Major Depressive Disorder. Journal of Women's Health 1997; 6(3):337–43.</ref>
 
|-
 
| ''Kornstein et al., 2000'' || Frauen mit chronischer Depression oder eine „Double Depression“ sprechen signifikant besser auf den SSRI Sertralin an als auf das trizyklische Antidepressivum Imipramin.
 
  
<!--T:31-->
+
&nbsp;[[Erwachsenenalter und soziale Partizipation | Berufst&auml;tigkeit]] wird bei beiden Geschlechtern grunds&auml;tzlich mit einem geringeren Depressionsrisiko assoziiert.<ref name=&quot;Guti&eacute;rrez&quot;/>&nbsp;Dennoch erh&ouml;hen chronische Arbeitsplatzstressoren des modernen Erwerbslebens wie berufliche Gratifikationskrisen (das Gef&uuml;hl, sich im Erwerbsleben zu verausgaben, ohne daf&uuml;r eine entsprechende Belohnung und Wertsch&auml;tzung zu erhalten) das Risiko f&uuml;r eine depressive Episode bei M&auml;nnern und Frauen.<ref>Siegrist J (2013) Berufliche Gratifikationskrisen und depressive St&ouml;rungen. Der Nervenarzt 84(1): 33&ndash;37</ref>&nbsp;&nbsp;
Bei der Einnahme von SSRI Sertralin brechen signifikant mehr Männer die Behandlung frühzeitig ab als bei der Einnahme des trizyklischen Imipramin.  
 
  
<!--T:32-->
+
[[Erwachsenenalter und soziale Partizipation | Berufst&auml;tigkeit]] kann bei beiden Geschlechtern famili&auml;ren Stress abmildern. Berufst&auml;tige Frauen m&uuml;ssen jedoch h&auml;ufig mehr Rollen erf&uuml;llen als ihr Partner (z. B. Pflege der Kinder und Eltern/Schwiegereltern). <ref>Haw CE. The family life cycle: a forgotten variable in the study of women&rsquo;s employment and well-being. Psychol. Med. 1995; 25.</ref>&nbsp;<ref>Pinquart M, Sorensen S. Gender differences in caregiver stressors, social resources, and health: an updated metaanalysis. J Gerontol B Psychol Sci Soc Sci 2006; 61.</ref>&nbsp;Die ungleiche Rollenbelastung zwischen Frauen und M&auml;nnern kl&auml;rt einen erheblichen Anteil der geschlechterspezifischen Depressionsrate auf.<ref>Nolen-Hoeksema S. Responses to depression and their effects on the duration of depressive episodes. J Abnorm Psychol 1991; 100.</ref>&nbsp;Bei multipler &Uuml;berlastung sinkt dann das psychische Wohlbefinden und das Risiko einer Depression steigt.<ref>K&uuml;hner C. Gender differences in unipolar depression: an update of epidemiological findings and possible explanations. Acta Psychiatr Scand; 108:163&ndash;74.</ref><br />
Bei postmenopausalen Frauen unterscheidet sich die Ansprechrate zwischen dem SSRI Sertralin und dem trizyklischen Imipramin nicht.<ref name= "Kornstein"/>  
+
Zudem scheinen depressive Erkrankungen Frauen deutlich st&auml;rker in ihrer &nbsp;[[Erwachsenenalter und soziale Partizipation|Berufst&auml;tigkeit]] einzuschr&auml;nken als M&auml;nner: Der DAK-Gesundheitsreport berichtete 2013, dass Frauen (zwei Prozent) im Vergleich zu M&auml;nnern (ein Prozent) doppelt so h&auml;ufig aufgrund einer depressiven Episode oder einer rezidivierenden depressiven St&ouml;rung als arbeitsunf&auml;hig eingestuft wurden.<ref>DAK - Deutsche Angestellten Krankenkasse. Gesundheitsreport 2013. Hamburg: DAK-Forschung; 2013.</ref>&nbsp;Die Daten des DAK-Gesundheitsreports von 2016 ergeben, dass Frauen mit 147 Fehltagen zu 71 Prozent &ouml;fter aufgrund ihrer Depression beruflich ausfallen als M&auml;nner mit circa 86 Fehltagen.<ref>Marschall J, Rebscher H, Hildebrandt-Heene S, Sydow H, Nolting H, Burgart E et al. Schwerpunkt: Gender und Gesundheit. Heidelberg: medhochzwei Verlag GmbH; 2016. (Beitr&auml;ge zur Gesundheits&ouml;konomie und Versorgungsforschung, Band 13).</ref>
|-
 
| ''Parker et al., 2003'' || Es konnnte kein Geschlechterunterschied in der Wirkung von SSRI belegt werden.<ref name= "PARKER">PARKER G, PARKER K, AUSTIN M, MITCHELL P, BROTCHIE H. Gender differences in response to differing antidepressant drug classes: two negative studies. Psychol. Med. 1999; 33(8):1473–7.</ref>
 
|-
 
| ''Baca et al., 2004'' || Bei Frauen zeigt sich eine höhere Verträglichkeit und Wirkung beim SSRI Sertralin im Vergleich zum trizyklischen Imipramin.<ref>Baca E, Garcia-Garcia M, Porras-Chavarino A. Gender differences in treatment response to sertraline versus imipramine in patients with nonmelancholic depressive disorders. Progress in Neuro-Psychopharmacology and Biological Psychiatry 2004; 28(1):57–65.</ref>
 
|-  
 
| colspan="2" style="background-color:#E6E6FA;" | '''Monoaminoxidase-Hemmer (MAO)'''
 
|-  
 
| ''Davidson & Pelton, 1986'' || Frauen mit atypischer Depression und Panikattacken sprechen besser auf MAO-Hemmer an, während bei Männern mit derselben Symptomatik Trizyklika effektiver wirken.<ref>Davidson J, Pelton S. Forms of atypical depression and their response to antidepressant drugs. Psychiatry Research 1986; 17(2):87–95</ref>
 
|}
 
  
=== Psychosoziale Faktoren === <!--T:33-->
+
Die berufliche Rolle ist der am besten untersuchte Stressor beim m&auml;nnlichen Geschlecht. M&auml;nner im Vergleich zu Frauen haben nicht nur riskantere Berufe, sondern sind auch st&auml;rker von der zunehmenden Arbeitsplatzunsicherheit betroffen und haben ein h&ouml;heres Risiko infolge ung&uuml;nstiger psychosozialer Arbeitsbedingungen psychisch zu erkranken.<ref>Karasek R, Theorell T. Healthy work: stress, productivity, and the reconstruction of working life. Basic Books, New York, 1990</ref>&nbsp;<ref name=&quot;M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler2012&quot;/>&nbsp;Besonders Arbeitslosigkeit beg&uuml;nstigt psychischen Stress und ist damit bei Frauen und M&auml;nnern mit dem Risiko f&uuml;r eine depressive St&ouml;rung assoziiert. Verschiedene Studien weisen jedoch darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Depression bei M&auml;nnern st&auml;rker ausgepr&auml;gt ist als bei Frauen.<ref>Kroll LE, Lampert T (2012) Arbeitslosigkeit, prek&auml;re Besch&auml;ftigung und Gesundheit. Hrsg. Robert Koch-Institut, Berlin. GBE kompakt 3(1) http://www.rki.de/gbe (Stand: 17.09.2013)</ref>&nbsp;<ref>Klose M, Jacobi F (2004) Can gender differences in the prevalence of mental disorders be explained by sociodemographic factors? Arch Womens Ment Health 7(2): 133&ndash;148</ref>&nbsp;M&auml;nner scheinen damit besonders bei beruflichem Statusverlust f&uuml;r eine Depression vulnerabel zu sein.<ref name=&quot;M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler2012&quot;/>
Psychosoziale Faktoren beeinflussen das individuelle Stresserleben und erhöhen nachweislich das Risiko einer Depression. Das Geschlechterverhältnis hinsichtlich der Depressionsrate variiert in Abhängigkeit bestimmter sozialer Merkmale wie [[ Erwachsenenalter und soziale Partizipation | Berufstätigkeit ]] oder Familienstand. Dabei sind Frauen psychosozialen (Über)belastungen wie Armut, Rollenüberlastung oder Missbrauch häufiger ausgesetzt als Männer.<ref name="Kühner"/> Tabelle 6 erläutert bestimmte psychosoziale Faktoren aus einer gendermedzinischen Perspektive heraus.
 
  
<!--T:34-->
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</td>
<small>'''Tabelle 6. Psychosoziale Faktoren im Geschlechtervergleich.'''</small>
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{| class="wikitable"
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<tr>
|-
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<td><em><strong>Stressereignisse</strong></em></td>
! Psychosozialer Faktor !! Geschlechterunterschied
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| '''''Soziale Ungleichheit''''' || Strukturell-soziale Ungleichheit (bezüglich Aspekten wie sozialer Status, Bildung, Entscheidungsgewalt, etc.) haben negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Frauen und Männern. Jedoch sind Frauen im Vergleich zu Männern in den meisten Kulturkreisen immer noch deutlich benachteiligt.<ref>Coiro MJ. Depressive symptoms among women receiving welfare. Women Health 2001; 32:1–23.</ref> Zum Beispiel ist Armut einer der konsistentesten Prädiktoren für die Entwicklung einer Depression bei Frauen.<ref>Belle D, Doucet J. Poverty, inequality, and discrimination as sources of depression among U.S. women. Psychology of Women Quarterly 2003; 27.</ref> Die Daten der WHO-Allgemeinarztstudie (1999) ergeben, dass ca. 50 Prozent des geschlechterspezifischen Prävalenzunterschiedes bei Depression durch soziale Rollenungleichheit aufklärbar sind.<ref>Maier W, Gansicke M, Gater R, Rezaki M, Tiemens B, Urzua RF. Gender differences in the prevalence of depression: a survey in primary care. J Affect Disord 1999; 53.</ref> <br />
 
  
<!--T:35-->
+
Frauen und M&auml;nner haben das gleiche Risiko auf belastende Lebenssituationen mit einer depressiven Symptomatik zu reagieren. Jedoch sind Frauen gegen&uuml;ber sozialen Ereignissen vulnerabler und diesen auch in h&ouml;herem Ma&szlig;e ausgesetzt.<ref name= &quot;Kendler1&quot;/>
|-
 
| '''''Partnerschaft'''''  || Traditionelle Partnerschaft bzw. Ehe wirken bei Männern protektiver gegen Depressionen als bei Frauen.<ref name="Gutiérrez">Gutiérrez-Lobos K, Wölfl G, Scherer M, Anderer P, Schmidl-Mohl B. The gender gap in depression reconsidered: the influence of marital and employment status on the female/male ratio of treated incidence rates 2000; 35(5).</ref> <ref>Kiecolt-Glaser JK, Newton TL. Marriage and health: his and hers. Psychol Bull 2001; 127: 472–503.</ref> Trennung bzw. Scheidung stellen besonders bei Männern ein erhöhtes Risiko für eine Depression dar.<ref name="Möller-Leimkühler2012"/>
 
  
<!--T:36-->
+
Bereits in der Adoleszenz sind M&auml;dchen im Vergleich zu Jungen h&auml;ufiger sozialem Stress ausgesetzt und reagieren auf diesen eher mit depressiven Symptomen.<ref name= &quot;Shih&quot;/>
Bei Frauen scheinen eher als bei Männern qualitative Aspekte der Partnerschaft mit Depressivität im Zusammenhang zu stehen.<ref>Weissman MM. Advances in psychiatric epidemiology: rates and risks for major depression. Am J Public Health 1987; 77. </ref> Alleinerziehende Mütter haben ein erhöhtes Risiko an einer Depression zu erkranken.<ref name="Möller-Leimkühler2012"/>
 
  
<!--T:37-->
+
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</tr>
| '''''Berufstätigkeit''''' || [[Erwachsenenalter und soziale Partizipation | Berufstätigkeit]] wird bei beiden Geschlechtern grundsätzlich mit einem geringeren Depressionsrisiko assoziiert.<ref name="Gutiérrez"/> Dennoch erhöhen chronische Arbeitsplatzstressoren des modernen Erwerbslebens wie berufliche Gratifikationskrisen (das Gefühl, sich im Erwerbsleben zu verausgaben, ohne dafür eine entsprechende Belohnung und Wertschätzung zu erhalten) das Risiko für eine depressive Episode bei Männern und Frauen.<ref>Siegrist J (2013) Berufliche Gratifikationskrisen und depressive Störungen. Der Nervenarzt 84(1): 33–37</ref>
+
</table>
  
 +
===Pr&auml;vention===
  
<!--T:39-->
+
Effektive Bew&auml;ltigungsstrategien (Coping) bei psychischen Belastungen k&ouml;nnen sich als pr&auml;ventive Ma&szlig;nahmen bez&uuml;glich der Entwicklung einer depressiven Episode erweisen. Dabei hat Coping nicht per se positive (im Sinne von gesundheitsf&ouml;rdernde) Auswirkungen, vielmehr k&ouml;nnen &bdquo;falschen&ldquo; Strategien die Entwicklung depressiver Symptome f&ouml;rdern oder bestehende Beschwerden verst&auml;rken. Es gilt also zwischen gesundheitsf&ouml;rdernder und gesundheitssch&auml;dlicher Bew&auml;ltigungsleistung bei Pr&auml;vention und Behandlung depressiver Erkrankungen zu differenzieren. Studien best&auml;tigen diesbez&uuml;glich Geschlechterunterschiede in der Art und Weise wie mit belastenden Situationen auf kognitiver und Verhaltensebene umgegangen wird. Insgesamt scheinen Frauen st&auml;rker emotionsfokussiert zu bew&auml;ltigen, eher zum Gr&uuml;beln zu neigen und sich weniger gut distanzieren zu k&ouml;nnen, w&auml;hrend M&auml;nner sich besser ablenken k&ouml;nnen, aber in Problemsituationen eher emotional gehemmt reagieren und sich deutlich seltener professionelle Hilfe suchen.<ref name=&quot;Matud&quot;>Matud PM. Personallity and Indvidual Differences. Personality and Inividual Differences 2004; 37(7).</ref>&nbsp;<ref name=&quot;Angst&quot;>Angst J, Gamma A, Gastpar M, L&eacute;pine J, Mendlewicz J, Tylee A. Gender differences in depression. Epidemiological findings from the European DEPRES I and II studies. European archives of psychiatry and clinical neuroscience 2002; 252(5):201&ndash;9.</ref>&nbsp;Nachfolgende &Uuml;bersicht (Tabelle 7) stellt Untersuchungsergebnisse bez&uuml;glich geschlechterspezifischen Coping-Verhaltens tabellarisch dar.
[[Erwachsenenalter und soziale Partizipation | Berufstätigkeit]] kann bei beiden Geschlechtern familiären Stress abmildern. Berufstätige Frauen müssen jedoch häufig mehr Rollen erfüllen als ihr Partner (z. B. Pflege der Kinder und Eltern/Schwiegereltern). <ref>Haw CE. The family life cycle: a forgotten variable in the study of women’s employment and well-being. Psychol. Med. 1995; 25.</ref> <ref>Pinquart M, Sorensen S. Gender differences in caregiver stressors, social resources, and health: an updated metaanalysis. J Gerontol B Psychol Sci Soc Sci 2006; 61.</ref> Die ungleiche Rollenbelastung zwischen Frauen und Männern klärt einen erheblichen Anteil der geschlechterspezifischen Depressionsrate auf.<ref>Nolen-Hoeksema S. Responses to depression and their effects on the duration of depressive episodes. J Abnorm Psychol 1991; 100.</ref> Bei multipler Überlastung sinkt dann das psychische Wohlbefinden und das Risiko einer Depression steigt.<ref>Kühner C. Gender differences in unipolar depression: an update of epidemiological findings and possible explanations. Acta Psychiatr Scand; 108:163–74.</ref>
 
Zudem scheinen depressive Erkrankungen Frauen deutlich stärker in ihrer  [[Erwachsenenalter und soziale Partizipation|Berufstätigkeit]] einzuschränken als Männer: Der DAK-Gesundheitsreport berichtete 2013, dass Frauen (zwei Prozent) im Vergleich zu Männern (ein Prozent) doppelt so häufig aufgrund einer depressiven Episode oder einer rezidivierenden depressiven Störung als arbeitsunfähig eingestuft wurden.<ref>DAK - Deutsche Angestellten Krankenkasse. Gesundheitsreport 2013. Hamburg: DAK-Forschung; 2013.</ref> Die Daten des DAK-Gesundheitsreports von 2016 ergeben, dass Frauen mit 147 Fehltagen zu 71 Prozent öfter aufgrund ihrer Depression beruflich ausfallen als Männer mit circa 86 Fehltagen.<ref>Marschall J, Rebscher H, Hildebrandt-Heene S, Sydow H, Nolting H, Burgart E et al. Schwerpunkt: Gender und Gesundheit. Heidelberg: medhochzwei Verlag GmbH; 2016. (Beiträge zur Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Band 13).</ref> <br />
 
  
<!--T:61-->
+
<table align="center" border="1" cellpadding="1" cellspacing="1" style="width:900px">
Die berufliche Rolle ist der am besten untersuchte Stressor beim männlichen Geschlecht. Männer im Vergleich zu Frauen haben nicht nur riskantere Berufe, sondern sind auch stärker von der zunehmenden Arbeitsplatzunsicherheit betroffen und haben ein höheres Risiko infolge ungünstiger psychosozialer Arbeitsbedingungen psychisch zu erkranken.<ref>Karasek R, Theorell T. Healthy work: stress, productivity, and the reconstruction of working
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<caption>Tabelle 7. Geschlechterunterschiede im Bew&auml;ltigungsverhalten.</caption>
life. Basic Books, New York, 1990</ref> <ref name="Möller-Leimkühler2012"/> Besonders Arbeitslosigkeit begünstigt psychischen Stress und ist damit bei Frauen und Männern mit dem Risiko für eine depressive Störung assoziiert. Verschiedene Studien weisen jedoch darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Depression bei Männern stärker ausgeprägt ist als bei Frauen.<ref>Kroll LE, Lampert T (2012) Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung und Gesundheit. Hrsg. Robert Koch-Institut, Berlin. GBE kompakt 3(1) http://www.rki.de/gbe (Stand: 17.09.2013)</ref> <ref>Klose M, Jacobi F (2004) Can gender differences in the prevalence of mental disorders be explained by sociodemographic factors? Arch Womens Ment Health 7(2): 133–148</ref> Männer scheinen damit besonders bei beruflichem Statusverlust für eine Depression vulnerabel zu sein.<ref name="Möller-Leimkühler2012"/>
 
  
<!--T:62-->
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<tr>
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<th scope="col">Frauen &gt; M&auml;nner</th>
| '''''Stressereignisse''''' || Frauen und Männer haben das gleiche Risiko auf belastende Lebenssituationen mit einer depressiven Symptomatik zu reagieren. Jedoch sind Frauen gegenüber sozialen Ereignissen vulnerabler und diesen auch in höherem Maße ausgesetzt.<ref name= "Kendler1"/>
+
<th scope="col">M&auml;nner &gt; Frauen</th>
 +
</tr>
  
<!--T:40-->
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<tr>
Bereits in der Adoleszenz sind Mädchen im Vergleich zu Jungen häufiger sozialem Stress ausgesetzt und reagieren auf diesen eher mit depressiven Symptomen.<ref name= "Shih"/>  
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<td>
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<ul>
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<li>Frauen scheinen eher emotionsfokussiert zu bew&auml;ltigen und Emotionen als &bdquo;Ventil&ldquo; zu nutzen (z. B. durch Weinen, Schreien oder auch Lachen) Zudem geben sie h&auml;ufiger an, in ihrem (religi&ouml;sen) Glauben Entlastung zu finden.<ref name=&quot;Nolen-Hoeksema&quot;/></li>
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</ul>
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<td>
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<ul>
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<li>M&auml;nner bew&auml;ltigen &ouml;fter handlungsorientiert, indem sie sich beispielsweise verst&auml;rkt sportlich aktivieren (positiv) oder ihren Alkoholkonsum erh&ouml;hen (negativ, Gefahr einer komorbiden Suchterkrankung).<ref name=&quot;Nolen-Hoeksema&quot;/></li>
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</ul>
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<td>
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<ul>
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<li>Frauen bew&auml;ltigen eher emotionsfokussiert und symptombezogen und haben eine st&auml;rkere Gr&uuml;belneigung mit Gedankenkreisen (Rumination). Ruminationen erh&ouml;hen das Risiko einer Exazerbation depressiver Symptome.<ref name=&quot;Angst&quot;/></li>
 +
</ul>
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<td>
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<ul>
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<li>M&auml;nner bew&auml;ltigen eher mit kognitiver und verhaltensm&auml;&szlig;iger Ablenkung (Distraktion), was Ruminationen verhindert und symptomreduzierend wirken kann.<ref name=&quot;Angst&quot;/></li>
 +
</ul>
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</tr>
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<td>
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<ul>
 +
<li>Frauen haben eher einen emotionsfokussierten und vermeidenden Copingstil, bew&auml;ltigen weniger rational und k&ouml;nnen sich schlechter distanzieren.<ref name=&quot;Matud&quot;/></li>
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</ul>
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</td>
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<ul>
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<li>M&auml;nner reagieren in Problemsituationen emotional gehemmter als Frauen. <ref name=&quot;Matud&quot;/></li>
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</tr>
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<td>&nbsp;</td>
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<ul>
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<li>M&auml;nner suchen sich deutlich seltener als Frauen professionelle Unterst&uuml;tzung bei psychischen Problemen. <ref>Addis ME, Mahalik JR. Men, masculinity, and the contexts of help-seeking. American Psychologist 2003; 58</ref></li>
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</ul>
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</td>
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</tr>
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</table>
  
<!--T:41-->
+
==Translation in die klinische Versorgung==
|}
 
  
=== Prävention === <!--T:42-->
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==Offene Forschungsfragen==
Effektive Bewältigungsstrategien (Coping) bei psychischen Belastungen können sich als präventive Maßnahmen bezüglich der Entwicklung einer depressiven Episode erweisen. Dabei hat Coping nicht per se positive (im Sinne von gesundheitsfördernde) Auswirkungen, vielmehr können „falschen“ Strategien die Entwicklung depressiver Symptome fördern oder bestehende Beschwerden verstärken. Es gilt also zwischen gesundheitsfördernder und gesundheitsschädlicher Bewältigungsleistung bei Prävention und Behandlung depressiver Erkrankungen zu differenzieren. Studien bestätigen diesbezüglich Geschlechterunterschiede in der Art und Weise wie mit belastenden Situationen auf kognitiver und Verhaltensebene umgegangen wird. Insgesamt scheinen Frauen stärker emotionsfokussiert zu bewältigen, eher zum Grübeln zu neigen und sich weniger gut distanzieren zu können, während Männer sich besser ablenken können, aber in Problemsituationen eher emotional gehemmt reagieren und sich deutlich seltener professionelle Hilfe suchen.<ref name="Matud">Matud PM. Personallity and Indvidual Differences. Personality and Inividual Differences 2004; 37(7).</ref> <ref name="Angst">Angst J, Gamma A, Gastpar M, Lépine J, Mendlewicz J, Tylee A. Gender differences in depression. Epidemiological findings from the European DEPRES I and II studies. European archives of psychiatry and clinical neuroscience 2002; 252(5):201–9.</ref> Nachfolgende Übersicht (Tabelle 7) stellt Untersuchungsergebnisse bezüglich geschlechterspezifischen Coping-Verhaltens tabellarisch dar.
 
  
<!--T:43-->
+
Ungekl&auml;rt bleibt ein Paradox der &quot;m&auml;nnlichen Depression&quot;: So zeigen Depressionspatienten h&auml;ufig ein geringeres Testosteronlevel als der Durchschnitt. Auch sind Aggression und &Auml;rger Symptome, die bei &quot;m&auml;nnlicher Depression&quot; oft charakteristisch sind. Symptome von Aggression und &Auml;rger implizieren allerdings ein hohes Testosteronlevel, das bei depressiven M&auml;nnern gerade nicht beobachtet werden kann. Zuk&uuml;nftige Studien sollten demnach gezielt untersuchen, inwiefern aggressive Symptome bei depressiven Patienten mit Testosteronwerten in Verbindung stehen.<ref>Goetz SMM, Tang L, Thomason ME, Diamond MP, Hariri AR, Carr&eacute; JM (2014): Testosterone rapidly increases neural reactivity to threat in healthy men: A novel two-step pharmacological challenge paradigm. Biol Psychiatry 76:324&ndash;331.</ref>&nbsp;<ref>Kasper, S., Kranz, G. S., &amp; Lanzenberger, R. (2014). Testosterone, Neural Circuits, and Male Depression. Biological psychiatry, 76(4), 272-273</ref>
<small>'''Tabelle 7. Geschlechterunterschiede im Bewältigungsverhalten.'''</small>
 
{| class="wikitable"
 
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! Frauen > Männer  !! Männer > Frauen
 
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* Frauen scheinen eher emotionsfokussiert zu bewältigen und Emotionen als „Ventil“ zu nutzen (z. B. durch Weinen, Schreien oder auch Lachen) Zudem geben sie häufiger an, in ihrem (religiösen) Glauben Entlastung zu finden.<ref name="Nolen-Hoeksema"/>
 
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* Männer bewältigen öfter handlungsorientiert, indem sie sich beispielsweise verstärkt sportlich aktivieren (positiv) oder ihren Alkoholkonsum erhöhen (negativ, Gefahr einer komorbiden Suchterkrankung).<ref name="Nolen-Hoeksema"/>
 
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* Frauen bewältigen eher emotionsfokussiert und symptombezogen und haben eine stärkere Grübelneigung mit Gedankenkreisen (Rumination). Ruminationen erhöhen das Risiko einer Exazerbation depressiver Symptome.<ref name="Angst"/>
 
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* Männer bewältigen eher mit kognitiver und verhaltensmäßiger Ablenkung (Distraktion), was Ruminationen verhindert und symptomreduzierend wirken kann.<ref name="Angst"/>  
 
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* Frauen haben eher einen emotionsfokussierten und vermeidenden Copingstil, bewältigen weniger rational und können sich schlechter distanzieren.<ref name="Matud"/>
 
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* Männer reagieren in Problemsituationen emotional gehemmter als Frauen. <ref name="Matud"/>
 
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* Männer suchen sich deutlich seltener als Frauen professionelle Unterstützung bei psychischen Problemen.<ref>Addis ME, Mahalik JR. Men, masculinity, and the contexts of help-seeking. American Psychologist 2003; 58.</ref>  
 
|}
 
  
==Integration in die klinische Versorgung==
+
Hinsichtlich der Ursachenkl&auml;rung von Geschlechterunterschieden in der Pr&auml;valenz depressiver Erkrankungen besteht weiterer Forschungsbedarf. Geschlechterunterschiede bez&uuml;glich der Genetischen Belastung sowie der Gen-Umwelt-Interaktion konnten bislang nicht eindeutig gekl&auml;rt werden. Ebenso konnte ein direkter Zusammenhang mit endokrinen Variablen bisher nicht hinreichend dokumentiert werden (Ursache ist hier vor allem eine zu geringe Reliabilit&auml;t). Bei Jungen und M&auml;dchen in der Pubert&auml;t wird angenommen, dass ein interaktives Zusammenspiel aus wahrnehmbaren k&ouml;rperlichen Ver&auml;nderungen, geschlechterspezifischen psychischen Verarbeitungsmustern sowie sozialen Reaktionsmustern am ehesten als Erkl&auml;rungsmodell f&uuml;r Geschlechterunterschiede greift.<ref name=&quot;K&uuml;hner&quot;/>
==Offene Forschungsfragen == <!--T:44-->
 
Ungeklärt bleibt ein Paradox der "männlichen Depression": So zeigen Depressionspatienten häufig ein geringeres Testosteronlevel als der Durchschnitt. Auch sind Aggression und Ärger Symptome, die bei "männlicher Depression" oft charakteristisch sind. Symptome von Aggression und Ärger implizieren allerdings ein hohes Testosteronlevel, das bei depressiven Männern gerade nicht beobachtet werden kann. Zukünftige Studien sollten demnach gezielt untersuchen, inwiefern aggressive Symptome bei depressiven Patienten mit Testosteronwerten in Verbindung stehen.<ref>Goetz SMM, Tang L, Thomason ME, Diamond MP, Hariri AR, Carré JM (2014): Testosterone rapidly increases neural reactivity to threat in healthy men: A novel two-step pharmacological challenge paradigm. Biol Psychiatry 76:324–331.</ref> <ref>Kasper, S., Kranz, G. S., & Lanzenberger, R. (2014). Testosterone, Neural Circuits, and Male Depression. Biological psychiatry, 76(4), 272-273</ref>
 
  
<!--T:63-->
+
Um eine ad&auml;quate Diagnostik f&uuml;r beide Geschlechter gew&auml;hrleisten zu k&ouml;nnen, ist die weitere Erforschung &nbsp;von Geschlechterunterschieden bei depressiven Symptomen und die Entwicklung geschlechtersensibler Diagnoseinstrumente notwendig. Strukturierte Verfahren (z. B. der SKID, Strukturiertes Klinisches Interview f&uuml;r DMS-IV) beschr&auml;nken sich derzeit auf das Abfragen klinisch relevanter Diagnosekriterien (nach DSM-IV oder ICD-10), die externalisierte Verhaltensmuster wie Aggressivit&auml;t oder Feindseligkeit nicht erfassen.<ref>Wittchen, H.-U., Zaudig, M., &amp; Fydrich, T. (1997). SKID. Strukturiertes Klinisches Interview f&uuml;r DSM-IV. Achse I und II. Handanweisung. G&ouml;ttingen: Hogrefe.</ref>&nbsp;Da sich besonders die Depression bei M&auml;nnern h&auml;ufig hinter solchen externalisierten Verhaltensweisen versteckt, kann dann keine korrekte Diagnose gestellt werden. Eine angemessene Behandlung findet oft nicht statt. Auch kann und muss eine st&auml;rkere Sensibilisierung des Fachpersonals zur Aufl&ouml;sung stereotyper Rollenbilder (wie das des &quot;starken Mannes&quot;) beitragen, um so eine Verbesserung der defizit&auml;ren Diagnosestellung vor allem in allgemeinmedizinischen Praxen zu erm&ouml;glichen <ref>Bertakis KD. The influence of gender on the doctor&ndash;patient interaction. Patient Education and Counseling 2009; 76(3):356&ndash;60.</ref>&nbsp;und eine bedarfsgerechte und effizientere Versorgung zu f&ouml;rdern.<ref name=&quot;M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler2012&quot;>M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler, A. M. (2012). DFP: Depression bei M&auml;nnern: Eine Einf&uuml;hrung. Journal f&uuml;r Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie, 11(3), 11-20.</ref>
Hinsichtlich der Ursachenklärung von Geschlechterunterschieden in der Prävalenz depressiver Erkrankungen besteht weiterer Forschungsbedarf. Geschlechterunterschiede bezüglich der Genetischen Belastung sowie der Gen-Umwelt-Interaktion konnten bislang nicht eindeutig geklärt werden. Ebenso konnte ein direkter Zusammenhang mit endokrinen Variablen bisher nicht hinreichend dokumentiert werden (Ursache ist hier vor allem eine zu geringe Reliabilität). Bei Jungen und Mädchen in der Pubertät wird angenommen, dass ein interaktives Zusammenspiel aus wahrnehmbaren körperlichen Veränderungen, geschlechterspezifischen psychischen Verarbeitungsmustern sowie sozialen Reaktionsmustern am ehesten als Erklärungsmodell für Geschlechterunterschiede greift.<ref name="Kühner"/>
 
  
<!--T:64-->
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Weitere Forschung sollte auch im Bereich der bildgebenden Verfahren stattfinden. Zum Beispiel ver&ouml;ffentlichten Wissenschaftlicher von den Universit&auml;ten in Cambridge und Oxford u. w. 2017 eine fMRT-Studie zu Geschlechterunterschieden bei Heranwachsenden mit Major Depression. Bei einer Go/No-go-Aufgabe mit traurigen versus neutralen Distraktoren zeigte sich unter anderem nur bei M&auml;nnern eine verminderte Aktivit&auml;t des Cerebellums in der Gruppe depressiv Erkrankter im Vergleich zur Kontrollgruppe.<ref>Chuang J-Y, Hagan CC, Murray GK, Graham JME, Ooi C, Tait R, Holt RJ, Elliott R, van Nieuwenhuizen AO, Bullmore ET, Lennox BR, Sahakian BJ, Goodyer IM and Suckling J (2017) Adolescent Major Depressive Disorder: Neuroimaging Evidence of Sex Difference during an Affective Go/No-Go Task. Front. Psychiatry 8:119. doi: 10.3389/fpsyt.2017.00119</ref>
Um eine adäquate Diagnostik für beide Geschlechter gewährleisten zu können, ist die weitere Erforschung  von Geschlechterunterschieden bei depressiven Symptomen und die Entwicklung geschlechtersensibler Diagnoseinstrumente notwendig. Strukturierte Verfahren (z. B. der SKID, Strukturiertes Klinisches Interview für DMS-IV) beschränken sich derzeit auf das Abfragen klinisch relevanter Diagnosekriterien (nach DSM-IV oder ICD-10), die externalisierte Verhaltensmuster wie Aggressivität oder Feindseligkeit nicht erfassen.<ref>Wittchen, H.-U., Zaudig, M., & Fydrich, T. (1997). SKID. Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV. Achse I und II. Handanweisung. Göttingen: Hogrefe.</ref> Da sich besonders die Depression bei Männern häufig hinter solchen externalisierten Verhaltensweisen versteckt, kann dann keine korrekte Diagnose gestellt werden. Eine angemessene Behandlung findet oft nicht statt. Auch kann und muss eine stärkere Sensibilisierung des Fachpersonals zur Auflösung stereotyper Rollenbilder (wie das des "starken Mannes") beitragen, um so eine Verbesserung der defizitären Diagnosestellung vor allem in allgemeinmedizinischen Praxen zu ermöglichen <ref>Bertakis KD. The influence of gender on the doctor–patient interaction. Patient Education and Counseling 2009; 76(3):356–60.</ref> und eine bedarfsgerechte und effizientere Versorgung zu fördern.<ref name="Möller-Leimkühler2012">Möller-Leimkühler, A. M. (2012). DFP: Depression bei Männern: Eine Einführung. Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie, 11(3), 11-20.</ref>
 
  
==Externe Links==
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===Externe Links===
* [https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/ratgeber-archiv/meldungen/article/reizbarkeit-aerger-sucht-sind-typische-depressionssymptome-bei-maennern/ Neurologen und Psychiater im Netz (2013). Reizbarkeit, Ärger, Sucht sind typische Depressionssymptome bei Männern.]
 
* [http://www.kup.at/kup/pdf/9154.pdf Möller-Leimkühler, A. M. (2012). Depression bei Männern: Eine Einführung. Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie, 11(3), 11-20.]
 
  
==Literatur == <!--T:65-->
+
* [https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/ratgeber-archiv/meldungen/article/reizbarkeit-aerger-sucht-sind-typische-depressionssymptome-bei-maennern/ Neurologen und Psychiater im Netz (2013). Reizbarkeit, &Auml;rger, Sucht sind typische Depressionssymptome bei M&auml;nnern.]<br />
<div class="toccolours mw-collapsible mw-collapsed">
+
* [http://www.kup.at/kup/pdf/9154.pdf M&ouml;ller-Leimk&uuml;hler, A. M. (2012). Depression bei M&auml;nnern: Eine Einf&uuml;hrung. Journal f&uuml;r Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie, 11(3), 11-20.]
Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.
 
<div class="mw-collapsible-content"> <references/></div>
 
</div>
 
  
{| class="wikitable" style="float:left; margin-right:1em"
+
==Literatur==
|-
+
<div class="toccolours mw-collapsible mw-collapsed">Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.<div class="mw-collapsible-content"> <references/></div></div>
|style="border: 2px #003399 solid;" | [[Depression/Quiz |<big><big><span><u>Weiter zum Quiz</u></span></big></big>]]
+
==Lizenz==
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Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode
  
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==Autoren==
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Julia Schreitmüller
  
{| class="wikitable" style="float:left"
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Zuletzt geändert: 2021-10-30 18:09:11
|-
 
|style="border: 2px #003399 solid;" | [[Depression/Lehrmaterial |<big><big><span><u>Weiter zum Lehrmaterial</u></span></big></big>]]
 
|}
 

Aktuelle Version vom 30. Oktober 2021, 17:09 Uhr

Der folgende Artikel beschreibt Geschlechterunterschiede vordergründig bei Unipolarer Depression. Geschlechterübergreifende Inhalte entnehmen Sie bitte den AWMF-Leitlinien zur Unipolaren Depression.

Epidemiologie[Bearbeiten]

Inzidenz/Prävalenz[Bearbeiten]

Epidemiologische Studien ergeben, dass Frauen deutlich häufiger als Männer an Depressionen erkranken. Longitudinalstudien, die ein Abschätzen von Inzidenzraten depressiver Störungen in einem bestimmten Zeitfenster erlauben, finden durchgängig höhere Neuerkrankungsraten bei Mädchen und Frauen (in einem Zeitraum von 12 bis 20 Monaten zeigen sich Inzidenzen zwischen 1.6 und 3.4 Prozent) im Vergleich zu Jungen und Männern.[1] [2] Nach den Daten der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland ergab sich 2014 eine 12-Monats-Prävalenz von 13.1 Prozent bei Frauen und 6.4 Prozent bei Männern im Alter von 18 bis 64 Jahren.[3] Es ist davon auszugehen, dass Frauen im Vergleich zu Männern ungefähr doppelt so häufig unter einer depressiven Symptomatik leiden. Dabei ist der sogenannte „Gender Gap“ besonders ausgeprägt hinsichtlich der saisonal abhängigen und der atypischen Depression.[4] [5] [6] Allgemein können Prävalenzunterschiede zwischen den Geschlechtern international stabil belegt werden. Weniger eindeutig sind die Ergebnisse bezüglich der Unterschiede im Krankheitsverlauf depressiver Frauen und Männer. Dennoch findet die Mehrzahl der Studien bei Frauen höhere Rückfall- und Chronifizierungsraten als bei Männern.[7] 

617d6e27b0e59.png

Grafik 1. Verteilung affektiver Störungen und Geschlechterverhältnis (weiblich:männlich)
[Quelle: GenderMed-Wiki]

Anders als bei unipolaren Depressionen zeigt sich bei bipolaren Störungen und Manie keine Geschlechterdifferenz in den Prävalenzzahlen, Frauen und Männer scheinen hier in etwa gleich häufig betroffen zu sein. Von einem allgemein geschlechterspezifischen Prävalenzunterschied affektiver Störungen kann somit nicht ausgegangen werden (vergleiche Grafik 1). Dennoch unterscheiden sich auch bei bipolaren Störungen Verlauf und genaue Krankheitssymptomatik zwischen den Geschlechtern. [7]

 

617d6e29308db.png

Grafik 2: Kohortenspezifische Lebenszeitprävalenz von Major Depression bei Frauen und Männern [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Kessler et al., 1994]

 

617d6e2a652d8.png

 

Grafik 3. Geschlechterabhängige Unterschiede in der Prävalenz von Major Depression in unterschiedlichen Alterskohorten (6-Monats-Prävalenz) [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Angst et al., 2002]

Forschungen zur altersbezogenen Geschlechterdifferenz ergeben, dass sich die Depressionsrate zwischen weiblichem und männlichem Geschlecht erst mit Eintritt in die Pubertät zu unterscheiden beginnt.[8] Während der Pubertät steigen die Prävalenzen insgesamt an, wobei der Anstieg deutlich stärker bei Mädchen zu beobachten ist. Bereits im Alter von 18 Jahren sind Frauen im Vergleich zu Männern doppelt so häufig von Depressionen betroffen.[2] Momentan unklar bleibt, ob sich die Prävalenzzahlen beider Geschlechter im hohen Erwachsenenalter wieder annähern.[9] 

Risikofaktoren und protektive Faktoren[Bearbeiten]

Studien bestätigen überwiegend das weibliche Geschlecht als einen Risikofaktor für die Entwicklung einer depressiven Episode. Nachfolgend werden wichtige biologische und psychosoziale Prädiktoren tabellarisch aufgeführt, die als Ursachen für diesen Geschlechterunterschied wissenschaftlich untersucht werden (Tabelle 1). Psychosoziale Einflussfaktoren beider Geschlechter sind Gliederungspunkt 4.4 (''Psychosoziale Faktoren'') zu entnehmen.  

Tabelle 1. Biologische und psychosoziale Faktoren im Geschlechtervergleich.
Biologische Faktoren Psychosoziale Faktoren
Genetisches Risiko:
Neuere Untersuchungen weisen auf einen stärkeren genetischen Einfluss bei Frauen im Vergleich zu Männern hin (Heritabilität für Frauen 40 bis 42 und für Männer 29 bis 31 Prozent).[10] Zudem ergeben sich Hinweise, dass ein Teil der genetischen Risikofaktoren für Frauen und Männer unterschiedliche Auswirkungen haben bzw. nur für ein Geschlecht relevant sind.[11] [ref name= "Kendler"/
Primäre Angststörung:
Schätzungen zufolge, erklärt das Vorhandensein primärer Angststörungen ca. 50 Prozent der Assoziation zwischen Geschlecht und Depressionsprävalenz: So belegen epidemiologische Untersuchungen, dass die Diagnose einer Angststörung das Risiko an einer Depression zu erkranken bei Männern und Frauen deutlich erhöht. Jedoch sind Frauen von Angsterkrankungen signifikant häufiger betroffen als Männer, womit dieser Risikofaktor eine geschlechtsspezifische Ausrichtung erhält.[12] 

Hormonelle Umstellungsphasen:
1.    Pubertät: Der pubertäre Reifungsgrad ist ein guter Prädiktor adoleszenter Depressionen bei Mädchen.[13] Unter Umständen steht der Anstieg der Geschlechtshormone im direkten Zusammenhang mit negativem Affekt bei Mädchen.[14] Dabei ist der Pubertätsstatus nicht als isolierter biologischer Faktor zu werten, vielmehr besteht eine komplexe Interaktion mit sozialen und kulturellen Variablen (z. B. Identitätssuche).[9] 

2.    Prämenstruelles Dysphorisches Syndrom (PMDS): Angenommen wird eine erhöhte Sensibilität für Veränderungen der Östrogen- und Progesteronkonzentration, die sich negativ auf den Serotoninstoffwechsel auswirkt. Reliable Messung der zentralnervösen Serotoninfunktion ist derzeit jedoch noch nicht möglich.[9] Empfohlen wird, PMDS als eigenständige Störung zu begreifen, da es sich in Leitsymptomen (Reizbarkeit, Affektlabilität), Phasendauer und medikamentöser Wirklatenz (SSRI) von einer depressiven Episode unterscheidet.[15] 


3.    Postpartumphase: Eine Postpartumdepression wird definiert als eine Major Depression, die innerhalb von vier Wochen nach der Geburt beginnt. Während bis zu 70 Prozent der Frauen nach einer Geburt einzelne depressive Symptome entwickeln,  scheinen ungefähr 13 Prozent in dieser Zeit tatsächlich von einer depressiven Episode betroffen. Studien ergeben, dass in den ersten drei bis vier  Tagen nach der Geburt das weibliche Östrogenlevel enorm abfällt. Proportional zu diesem Östrogen-Verlust scheint das Level des Enzyms Monoaminooxidase A (MAO-A) im weiblichen Gehirn dramatisch anzusteigen.  Das Enzym befindet sich in höherer Konzentration in Gliazellen und Monoamin-releasing Neuronen, wo es die Verfügbarkeit der Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin verringert. Diese Neurotransmitter beeinflussen u. a. unsere Stimmung: Sind sie defizient, fühlen wir uns zunächst traurig, später erhöht sich unser Risiko für die Entwicklung einer Depression.[16]

Identifiziert wurden außerdem Prädiktoren wie depressive Erkrankung in der Anamnese und/oder während der Schwangerschaft, fehlende soziale Unterstützung und stressvolle Lebensereignisse.[17] Zudem können auch Männer postpartale Depressionen entwickeln, wenngleich die Prävalenz hier deutlich geringer ausfällt (4 bis 5 Prozent).[18] 


4. (Peri-)Menopause: Einige Studien bestätigen ein erhöhtes Rückfallrisiko bei Frauen mit früheren depressiven Episoden [19] sowie eine Zunahme depressiver Symptomatik bei nicht vorbelasteten Frauen [20] während der Perimenopause. Unklar bleibt, ob hormonelle Veränderungen direkt Einfluss nehmen oder indirekt über vasomotorische Symptome und/oder kritische Lebensereignisse den Zusammenhang modulieren.[9] Die Effektivität von Östrogenersatztherapien bei depressiven Symptomen bleibt inkonsistent.[21] 

Persönlichkeitseigenschaften:
Geschlechterunterschiede in persönlichkeitsbezogenen Vulnerabilitätsfaktoren zeigen sich vor allem in der späten Adoleszenz und dem jungen Erwachsenenalter: Zum Beispiel scheinen ein geringeres Selbstwertgefühl [22] und höhere Neurotizismuswerte [23] das Depressionsrisiko bei Mädchen und Frauen in diesen Lebensphasen zu erhöhen.


Außerdem weisen Mädchen bereits vor Beginn der Pubertät (und damit vor dem Auseinanderdriften der Depressionsraten zwischen den Geschlechtern) deutlich höhere Ängstlichkeitswerte als Jungen auf.[22]


Ein prominenter kognitiver Ansatz zu Geschlechterunterschieden bei Depressionen ist die ''Response-Styles-Theory'', die sich mit Coping-Strategien im Umgang mit depressiven Verstimmungen beschäftigt. Dabei kann emotionsfokussiertes, symptombezogenes Grübeln (Rumination) eine Exazerbation depressiver Symptome zur Folge haben. Ruminationen sind bei Frauen meist deutlich stärker ausgeprägt als bei Männern. Männer bewältigen dagegen eher mit kognitiver und verhaltensmäßiger Distraktion, die oft depressionsreduzierende Auswirkungen hat. Zurückzuführen sind diese unterschiedlichen Coping-Stile vor allem auf geschlechterspezifische Sozialisationsprozesse.[24]

Neuroendokrine Stressreaktion:

Diskutiert wird die Hypothese, dass Sexualhormone bei Frauen eine stärkere Dysregulation der HPA-Achse modulieren.[25] Dementgegen zeigen Studienergebnisse, dass Frauen bei niedriger Östrogenproduktion (Lutealphase) auf psychischen Stress eine ähnliche Kortisolausschüttung wie Männer zeigen und bei hoher Östrogenproduktion (Follikelphase oder Einnahme von Kontrozeptiva) eine geringere Kortisolausschüttung als Männer aufweisen.[26] Frauen scheinen demnach nicht generell stressempfindlicher zu sein, vielmehr identifizieren Studien geschlechterspezifische Stressoren, auf die Frauen und Männer mit einer unterschiedlich starken endokrinen Antwort reagieren: Bei Frauen ist aufgrund interpersoneller Stressprovokation mit einer erhöhten Kortisolantwort zu rechnen, während Männer auf eine breitere Palette an Stressreizen reagieren (z. B. öffentliche Reden oder mentale Aufgaben).[27] 

 
Psychosoziale Stressoren:

Besonders im makrosozialen Bereich sind Frauen psychosozialen Stressoren in besonderem Maße ausgesetzt: Faktoren wie niedriges Bildungsniveau, geringer sozioökonomischer Status (bis hin zur Armut) oder geringe Handlungskontrolle sind strukturelle Aspekte, die sich negativ auf die psychische Gesundheit von Frauen und Männern auswirken. Jedoch sind es in der Regel Frauen, die bezüglich dieser Faktoren deutlich benachteiligt sind.[28]

Auch die Life-Event-Forschung bestätigt, dass Frauen und Männer zwar tendenziell ein ähnliches Risiko haben, auf belastende Lebensereignisse mit Depressionen zu reagieren, Frauen im Vergleich zu Männern jedoch deutlich mehr Negativereignissen ausgesetzt sind, die ihr soziales Umfeld betreffen.[29] Schon in der Adoleszenz erleben Mädchen häufiger interpersonellen Stress, auf den sie mit Depressivität reagieren.[30]
Oxytocin:
Hohe interpersonelle Bedürfnisse und der Wunsch nach Intimität sind beim weiblichen Geschlecht unter anderem durch das Sexualhormon Oxytocin gesteuert. So sind besonders Frauen bezüglich des Stresserlebens im zwischenmenschlichen Bereich vulnerabel für die Entwicklung einer Depression. Risikofaktoren sind dabei eine unsichere elterliche Bindung, ein ängstlich-gehemmtes Temperament sowie geringe instrumentelle Coping-Strategien (z. B. Rumination).[31] Hinreichende empirische Ergebnisse aus der Humanforschung liegen bisher nicht vor. 
Körperliche sexuelle und nicht-sexuelle Gewalt:
Körperliche sexuelle und nicht-sexuelle Gewalt stellen traumatische Stressoren dar, die die Entwicklung verschiedener psychischer Erkrankungen zur Folge haben können.[32] Dabei werden Männer und Frauen Opfer von Gewalt. Während Männer sehr viel öfter körperlicher Gewalt im öffentlichen Raum ausgesetzt sind, sind Frauen deutlich häufiger von schweren Formen häuslicher und sexueller Gewalt betroffen. Nach Zahlen des BMFSFJ von 2004 sind ca. 13 Prozent der Frauen in Partnerschaft häuslicher Gewalt ausgesetzt.[33] Folge dieser Gewalt können nicht nur psychische und physische Verletzungen sein, sondern auch chronisch-pathologische Veränderungen der HPA-Achse.[34]

Pathophysiologie[Bearbeiten]

Physiologische Veränderungen können die Entwicklung einer Depression durchaus begünstigen, führen aber nicht kausal zwingend zu diesem Störungsbild. Geschlechterspezifisch diskutiert wird vor allem die Rolle gonadaler Steroide bei der Pathogenese einer Depression. Dabei finden sich in den meisten Studien keine Unterschiede in der LHRH-induzierten FSH- und LH-Sekretion zwischen depressiven Patienten und Patientinnen und gesunden Vergleichspopulationen. Viele Autoren und Autorinnen schließen daraus, dass die Funktionalität der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse bei depressiven Patienten und Patientinnen nicht beeinträchtigt sei.[35] Dennoch scheint ein akuter Abfall gonadaler Steroide (z. B. postpartal) die Entwicklung einer depressiven Symptomatik zu begünstigen.[36] Dabei können nicht nur Östrogen und Progesteron bei Frauen, sondern auch Testosteron bei Männern durchaus Bedeutung bei der Entwicklung einer Depression besitzen. Der Zusammenhang zwischen affektivem Erleben und Testosteron wird besonders bei bestehendem Testosteron-Defizit deutlich. [37] In Tabelle 2 werden Untersuchungsergebnisse dargestellt, die einen Zusammenhang zwischen Östrogen bei Frauen bzw. Testosteron bei Männern und der Pathogenese depressiver Störungen nahelegen.  

Tabelle 2. Die Rolle gonadaler Steroide bei der Entwicklung einer Depression.
Frauen/Östrogen Männer/Testosteron
  • Das erhöhte Risiko an einer Depression zu erkranken besteht vor allem während der reproduktiven Jahre, in denen zyklische Schwankungen in der Konzentration gonadaler Steroide charakteristisch sind.[38] 
  • Depressive Männer weisen im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden höhere Kortisol-, aber niedrigere Testosteronwerte auf.[39]
  • Die Östrogenkonzentration ist in der follikulären Phase bei depressiven Patientinnen signifikant geringer als bei gesunden Kontrollprobandinnen vergleichbaren Alters.[40] 
  • Bei älteren Männern ist die Inzidenzrate für Depressionen umso höher, desto geringer die Testosteronkonzentration ist.[41]
  • Präklinische Studien ergeben: Östrogene unterstützen die serotonerge Neurotransmission durch Verstärkung der Serotoninsynthese bzw. durch Hemmung des Abbaus oder der Wiederaufnahme von Serotonin.[21] 
  • Bestimmte Untergruppen depressiver Männer leiden unter deutlichem Hypogonadismus. Zum Beispiel ist die Altersdepression bei Männern unter anderen abhängig vom CAG-repeat-Polymorphismus des Androgenrezeptor-Gens.[42]
  • Depressive Frauen sprechen besser auf Sertralin (SSRI) an, während depressive Männer positiver auf Imipramin (trizyklisches Antidepressivum) reagieren. Der Geschlechterunterschied in der Wirksamkeit scheint bedingt durch die günstigen Effekte von Östrogenen auf die serotonerge Neurotransmission.[43] 
  • Doppelblindstudien ergeben erste Hinweise für eine antidepressive Wirkung von Testosteron-Substitutionstherapie. Das erhöhte Risiko eines Prostatakarzinoms spricht dabei gegen die breite klinische Anwendung.[44]
  • Es bestehen Hinweise auf die klinische Wirksamkeit von Östrogenmonotherapie bei depressiven Patientinnen. Mit ausreichender Sicherheit lässt sich diese Wirksamkeit jedoch nicht bestätigen.[45]
 

Klinik[Bearbeiten]

Symptome[Bearbeiten]

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Während Frauen Kernsymptome wie Traurigkeit eher zeigen, können diese bei Männern durch externale Symptome wie Aggressivität überdeckt werden.  [Quelle: GenderMed-Wiki, 2016]

Während depressive Kernsymptome wie Traurigkeit, Niedergeschlagenheit und Anhedonie von beiden Geschlechtern etwa gleich häufig genannt werden, können sich andere depressive Beschwerden zwischen den Geschlechtern durchaus unterscheiden.[46] Nicht zuletzt deswegen bleiben Depressionen bei Männern häufig unerkannt. Autoren und Autorinnen sprechen von einer „Depressionsblindheit“ bei Männern, die verschiedene Ursachen zu haben scheint. Dabei ist sicherlich ein wichtiger Aspekt, dass sich depressive Symptome bei Männern zuweilen in anderer Form äußern als bei Frauen. Zum Beispiel reagieren Männer bei einer Depression eher aggressiv und risikofreudig und greifen öfter zu Alkohol und Drogen. Diese externalen Symptome überdecken besonders zu Beginn häufig die „klassisch“ internalen Symptome wie Selbstwertverlust, Antriebslosigkeit oder Verlust an Freude.[47] Solche Verhaltensweisen werden vom Fachpersonal häufig nicht als mögliche Depressionssymptome erkannt, sondern als "typisch männliche Abwehrstrategien" eingeordnet.[48] 

Frauen reagieren dagegen eher als Männer mit atypischen Symptomen (z. B. Appetitsteigerung statt Appetitverlust) oder somatischen Beschwerden und Schmerz.[46] Sie berichten insgesamt von mehr Symptomen als Männer.[[5]

Obwohl Prävalenzangaben von Depressionen beim weiblichen Geschlecht deutlich höher sind, suizidieren sich Männer dreimal so häufig wie Frauen (wobei Frauen öfter einen Suizidversuch begehen). Während Frauen eher parasuizidales Verhalten zeigen, wählen Männer meist aggressivere Methoden. Dabei erfolgen bis zu 70 Prozent aller Suizide im Rahmen einer depressiven Erkrankung.[49] Die erhöhte Suizidrate bei geringerer Suizidversuchsrate in der männlichen im Vergleich zur weiblichen Bevölkerung wird wissenschaftlich als ''Gender Paradox'' diskutiert und erlaubt die Hypothese, dass die niedrige Depressionsprävalenz bei Männern weniger durch ein geringeres Depressionsrisiko als vielmehr durch Unterdiagnostizierung bedingt ist (detaillierte Information zu Geschlechterunterschieden bei Suizid und Suizidalität erhalten Sie hier).[50] [51]

Bezüglich der Symptomatik erkrankten Männern zeigt sich: Je stärker die Orientierung an stereotypen Männlichkeitsidealen (normative bzw. hegemoniale Männlichkeit) desto ausgeprägter sind die externalisierten Symptome bei Depressionen [52] und desto wahrscheinlicher ist ein Suizidversuch.[53] Um Suizidraten bei Männern senken zu können, muss eine tendenziell männliche Symptomatik in Diagnostik und Therapie berücksichtigt werden.[54]

Nachfolgende Tabelle (Tabelle 3) soll die Verteilung depressiver Symptome zwischen den Geschlechtern verdeutlichen.  Dabei kann von keiner trennscharfen Unterscheidung zwischen den Geschlechtern ausgegangen werden, abgebildet werden lediglich Tendenzen und Ergebnisse einzelner Studien. 

Tabelle 3. Unterschiede in der Syptomausprägung zwischen Männern und Frauen.
Frauen > Männer Frauen < Männer 
Körperliche Symptome: Energieverlust, Müdigkeit, Schlafstörungen, Appetitstörungen, motorische und kognitive Verlangsamung [55] [6] Emotionales Arrousal: Aggressivität, Wut, [56] Ärgerattacken und Gereiztheit [48]
Atypische Symptome: Gewichtszunahme, Appetitsteigerung, vermehrter Schlaf [5] Substanzmissbrauch/-abhängigkeit: Alkohol, Nikotin, Drogen [47]
Weiteres: Komorbide Ängstlichkeit mit Nervosität und/oder Panik [5] , Körperliche Beschwerden und Schmerzen [55] Soziale Interaktion: Feindseligkeit, unkontrollierte Handlungen, Tendenz zur nach außen gerichteten Vorwurfshaltung, antisoziales Verhalten [48] [47]

Diagnostik[Bearbeiten]

Eine adäquate Diagnostik von Depressionen beim männlichen Geschlecht gestaltet sich bereits aufgrund der Tatsache schwierig, dass Männer im Gegensatz zu Frauen deutlich seltener und weniger intensiv hilfesuchendes Verhalten zeigen. Die europäische DEPRES-Studie zeigt, dass 52 Prozent der Probanden und 41 Prozent der Probandinnen, bei denen sich in irgendeiner Weise depressive Symptome manifestiert haben, keine professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen. Wenn Hilfe gesucht wird, ist die erste Anlaufstelle häufig nicht eine psychiatrische oder psychotherapeutische Praxis. In der Regel werden zunächst der Hausarzt bzw. die Hausärztin oder ein/e Internist/Internistin konsultiert, die nicht immer über hinreichendes Fachwissen verfügen.[57] [5]

Häufig verdrängen betroffene Männer ihre psychischen Beschwerden und führen Befindlichkeitsstörungen auf momentanen Stress und/oder berufliche Belastungen zurück. Depressive Frühsymptome wie erhöhte Erschöpfbarkeit oder Schlafstörungen werden dabei ignoriert und geeignete Behandlungsschritte können nicht eingeleitet werden. Männer neigen bei psychischen Problemen eher dazu ihre Beschwerden auf die Umwelt zu projizieren und Krankheitsgefühle nicht korrekt zu interpretieren. So konsultieren sie einen Arzt oder eine Ärztin häufig erst dann, wenn somatische Beschwerden wie starke Erschöpfungszustände oder Gefühle eines „Burnouts“ eindeutige Auswirkungen auf die alltägliche Funktionalität haben. Oft führt auch komorbider Alkohol- und/oder Nikotinkonsum zu gesundheitlichen Folgen und damit zu einem steigenden Behandlungsdruck.[56] 

Selbst wenn ärztliche Konsultation stattfindet, ist eine korrekte Diagnosestellung nicht immer gewährleistet. Vielmehr scheinen soziale Geschlechterstereotype grundlegenden Einfluss auf das Erkennen (und damit Behandeln) depressiver Erkrankungen zu haben (siehe auch: Interaktion zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin). Tatsächlich zeigen die Ergebnisse einer prospektiven Studie mit 500 Patienten und Patientinnen, dass in allgemeinmedizinischen Praxen beim Vorliegen klinisch-relevanter Depressionswerte die Diagnose einer Depression bei Männern signifikant seltener gestellt wird als bei Frauen.[58]

Zierau et al. untersuchten in ihrer Studie von 2009 eine Stichprobe von 87 alkoholabhängigen Patienten bezüglich einer depressiven Symptomatik.  Sie erfassten neben den klassischen Depressionssymptomen auch klinisch nicht-relevante, aber bei Männern häufig vorkommende  Verhaltensmuster. Wurden diese Verhaltensmuster als Diagnosekriterien hinzugezogen, konnte ein deutlich höherer Prozentsatz von depressiv erkrankten Männern identifiziert werden.[59] Die hierbei entwickelten Kriterien einer "männlichen Depression" (''Gotland Male Depression Scale'') sind Tabelle 4 zu entnehmen.  Ähnliches erkannten auch Martin et al. (2013): Durch die diagnostische Berücksichtigung von den Symptomen ''Ärgerattacken'', ''Agression'',  ''Risikoverhalten'' und ''Substanzmissbrauch'' verschwanden die Geschlechterunterschiede in der Prävalenz von Depressionen.[60] 

Tabelle 4. Vorgeschlagene Diagnosekriterien nach Zierau et al. (2002) und Pollack & Levant (1998) aus Möller-Leimkühler (2009) [61] [62] [63]
Mögliche Diagnosekriterien "männlicher Depression": ''Gotland Male Depression Scale''
* Vermehrter sozialer Rückzug, der oft verneint wird
  • Burn-out: berufliches Überengagement, das mit Klagen über Stress maskiert wird
  • Abstreiten von Kummer und Traurigkeit
  • Zunehmend rigide Forderungen nach Autonomie (in Ruhe gelassen werden)
  • Hilfe von anderen nicht annehmen: das „Ich kann das schon allein”-Syndrom
  • Ab- oder zunehmendes sexuelles Interesse
  • zunehmende Intensität oder Häufigkeit von Ärgerattacken
  • Impulsivität
  • Vermehrter bis exzessiver Alkohol- und/oder Nikotinkonsum (süchtig nach TV, Sport, etc.)
  • Ausgeprägte Selbstkritik, bezogen auf vermeintliches Versagen
  • Versagensangst
  • Andere für eigene Probleme verantwortlich machen
  • Verdeckte oder offene Feindseligkeit
  • Unruhe und Agitiertheit
  • Konzentrations-, Schlaf- und Gewichtsprobleme

Management von Patienten und Patientinnen[Bearbeiten]

Therapie[Bearbeiten]

Interaktion zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin[Bearbeiten]

Männer suizidieren sich drei Mal so häufig wie Frauen und bei 70 Prozent der Suizide ist eine depressive Erkrankung ursächlich.[49]  Diese Tatsache legt die Folgerung nahe, dass die Zahl unerkannter psychischer Erkrankungen bei Männern deutlich höher ist als bei Frauen. Damit scheinen aktuell klare Defizite in Diagnostik und Versorgung depressiver Episoden (und psychischer Erkrankungen im Allgemeinen) vor allem bei Männern zu bestehen.[47]

Immer noch häufig zeigen Patienten im Kontakt mit Ärzten oder Ärztinnen einen stereotyp „männlichen“ Kommunikationsstil. Intra- und interpersonelle Probleme werden oft verharmlost und die äußere Fassade aufrechtgehalten.[64] Psychische Beschwerden werden dabei oft als persönliches Versagen gewertet und deshalb nicht kommuniziert. Folge ist dann, dass psychische und psychosomatische Symptome von Männern während der ärztlichen Untersuchung nicht genannt werden und von Ärzten und Ärztinnen übersehen werden. Frauen führen ihre Krankheitssymptome häufiger als Männer auf Stress und psychische Probleme zurück.[65] Aber auch Ärzte und Ärztinnen neigen bei Frauen eher als bei Männern dazu, Symptome psychosomatisch zu deuten. Dagegen werden psychische Belastungen beispielsweise aufgrund von beruflichem Stress bei Männern häufig übersehen, obwohl (laut Männergesundheitsbericht 2013) Männer aufgrund ihres Berufes deutlich stärker psychisch belastet sind als dies bei Frauen der Fall ist. Geschlechterspezifische Interaktionseffekte können schließlich zu Beobachtungsfehlern führen und eine korrekte psychiatrische (oder somatische) Diagnose verzögern oder sogar verhindern.[66]

Behandlungserfolg/Outcome[Bearbeiten]

Bezüglich der Wirksamkeit psychotherapeutischer Methoden können keine eindeutig geschlechtersensiblen Aussagen getroffen werden, empirisch gestützte Ergebnisse sind begrenzt.[67] Dennoch scheint ein Trend zu bestehen: Obwohl Psychotherapie stereotyp als eher weibliche Domäne eingeordnet wird, ergeben sich zumindest hinsichtlich der kognitiven und der interpersonellen Verhaltenstherapie keine Geschlechterunterschiede in der Wirksamkeit.[68] [69] Erkrankte Männer scheinen von einer Verhaltenstherapie genauso zu profitieren wie Frauen. Die Geschlechtszugehörigkeit des Patienten bzw. der Patientin alleine kann damit kein geeigneter Prädiktor für einen Psychotherapieerfolg sein, sondern muss immer in Interaktion mit weiteren Variablen analysiert werden (zum Beispiel auch mit dem Geschlecht des Therapeuten bzw. der  Therapeutin). Voraussetzung und Herausforderung für das Fachpersonal sind jedoch, Männer für eine solche Behandlung überhaupt erst zu motivieren. So bildet das weibliche Geschlecht die überwiegende Mehrheit der PsychotherapiepatientInnen und vor allem Frauen aus der Mittelschicht nehmen deutlich häufiger als Männer (ambulante) Psychotherapie in Anspruch.[67]  Während der Psychotherapie gilt es dann bei Patienten und Patientinnen, geschlechtersensible Aspekte der Lebenswelt adäquat in die therapeutische Praxis zu integrieren.[51]

Bereits zu Beginn der medikamentösen Versorgung von Depressionen bestand die Vermutung, dass Frauen und Männer unterschiedlich auf die Behandlung mit Antidepressiva reagieren. Zum Beispiel bestätigen metaanalytische Auswertungen, dass Männer auf das trizyklische Antidepressivum Imipramin besser ansprechen als Frauen.[70] Gegenwärtig besteht erste Evidenz hinsichtlich einer geschlechterspezifischen Wirkung selektiver Serotonin Wiederhaufnahmehemmer (SSRIs). Da ovariale Hormone serotonerge Funktionen modulieren,[71] scheint durch das weibliche Östrogen die Effektivität von SSRIs gesteigert zu werden.[72] Die allgemeine Studienlage deutet darauf hin, dass Patienten besser auf trizyklische Antidepressiva ansprechen, während bei Patientinnen eine Behandlung mit SSRIs effektiver erscheint. Einheitlich bestätigt werden können diese Ergebnisse nicht. Verschiedene Studien belegen einen Geschlechterunterschied in der Pharmakokinetik der gängigen Antidepressiva. Frauen und Männer scheinen sich in ihrem Nebenwirkungsprofil bei Antidepressiva zu unterscheiden. Weitere Forschung bezüglich einer geschlechterspezifischen Dosierung erweist sich als notwendig, um eine positive Wirksamkeit und möglichst hohe PatientInnen-Compliance zu gewährleisten.[73] Nachfolgend wird die Studienlage bezüglich medikamentöser Behandlungen tabellarisch aufgeführt (Tabelle 5).

Tabelle 5. Geschlechterunterschiede im medikamentösen Outcome.
Studien Trizyklische Antidepressiva
Hamilton et al., 1996 (Metaanalyse) Männer sprechen auf das trizyklische Imipramin signifikant besser an als Frauen.[70]
Kornstein et al., 2000 Frauen brechen die Behandlung mit dem trizyklischen Imipramin signifikant häufiger ab, als die Behandlung mit dem SSRI Sertralin.[43]
Frackiewicz et al., 2000 (Review) Trizyklische Antidepressiva zeigen bei Frauen im Vergleich zu Männern einen höheren Plasmaspiegel. (Außerdem: Verschiedene Studien bestätigen Geschlechterunterschiede in der Pharmakokinetik gängiger Antidepressiva. Frauen scheinen sich in ihrem Nebenwirkungsprofil von Männern zu unterscheiden. )[73]
Hildebrandt et al., 2003 Bei der Gabe des trizyklischen Antidepressivums Clomipramin ergibt sich bei Frauen ein höherer Plasmaspiegel als bei Männern, die Konsequenzen für die klinische Wirkung bleiben unklar.[74]
Parker et al., 2003 Es konnte kein Geschlechterunterschied bezüglich der Wirkung von trizyklischen Antidepressiva belegt werden.[75]
Wohlfahrt et al., 2004 (Metaanalyse)

Frauen und Männer unterscheiden sich nicht in ihrer Ansprechrate auf trizyklische Antidepressiva.[76]

 

Studien Serotonin Wiederaufnahmehemmer (SSRIs)
Lewis-Hall et al., 1997 Bei einer Untersuchung mit 800 Patientinnen zeigt der SSRI Fluoxetin keine Überlegenheit in der Wirksamkeit gegenüber trizyklischen Antidepressiva.[77]
Kornstein et al., 2000

Frauen mit chronischer Depression oder eine „Double Depression“ sprechen signifikant besser auf den SSRI Sertralin an als auf das trizyklische Antidepressivum Imipramin.

Bei der Einnahme von SSRI Sertralin brechen signifikant mehr Männer die Behandlung frühzeitig ab als bei der Einnahme des trizyklischen Imipramin. 

Bei postmenopausalen Frauen unterscheidet sich die Ansprechrate zwischen dem SSRI Sertralin und dem trizyklischen Imipramin nicht.[43] 

Parker et al., 2003 Es konnnte kein Geschlechterunterschied in der Wirkung von SSRI belegt werden.[75]
Baca et al., 2004 Bei Frauen zeigt sich eine höhere Verträglichkeit und Wirkung beim SSRI Sertralin im Vergleich zum trizyklischen Imipramin.[78]

 

Studie Monoaminoxidase-Hemmer (MAO)
Davidson & Pelton, 1986 Frauen mit atypischer Depression und Panikattacken sprechen besser auf MAO-Hemmer an, während bei Männern mit derselben Symptomatik Trizyklika effektiver wirken.[79]

Psychosoziale Faktoren[Bearbeiten]

Psychosoziale Faktoren beeinflussen das individuelle Stresserleben und erhöhen nachweislich das Risiko einer Depression. Das Geschlechterverhältnis hinsichtlich der Depressionsrate variiert in Abhängigkeit bestimmter sozialer Merkmale wie Berufstätigkeit oder Familienstand. Dabei sind Frauen psychosozialen (Über)belastungen wie Armut, Rollenüberlastung oder Missbrauch häufiger ausgesetzt als Männer.[9] Tabelle 6 erläutert bestimmte psychosoziale Faktoren aus einer gendermedzinischen Perspektive heraus.

Tabelle 6. Psychosoziale Faktoren im Geschlechtervergleich.
Psychosozialer Faktor Geschlechterunterschied
Soziale Ungleichheit Strukturell-soziale Ungleichheit (bezüglich Aspekten wie sozialer Status, Bildung, Entscheidungsgewalt, etc.) haben negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Frauen und Männern. Jedoch sind Frauen im Vergleich zu Männern in den meisten Kulturkreisen immer noch deutlich benachteiligt.[80] Zum Beispiel ist Armut einer der konsistentesten Prädiktoren für die Entwicklung einer Depression bei Frauen.[81] Die Daten der WHO-Allgemeinarztstudie (1999) ergeben, dass ca. 50 Prozent des geschlechterspezifischen Prävalenzunterschiedes bei Depression durch soziale Rollenungleichheit aufklärbar sind.[82] 
Partnerschaft

Traditionelle Partnerschaft bzw. Ehe wirken bei Männern protektiver gegen Depressionen als bei Frauen.[83] [84] Trennung bzw. Scheidung stellen besonders bei Männern ein erhöhtes Risiko für eine Depression dar.[51]

Bei Frauen scheinen eher als bei Männern qualitative Aspekte der Partnerschaft mit Depressivität im Zusammenhang zu stehen.[85] Alleinerziehende Mütter haben ein erhöhtes Risiko an einer Depression zu erkranken.[51]

Berufstätigkeit

  Berufstätigkeit wird bei beiden Geschlechtern grundsätzlich mit einem geringeren Depressionsrisiko assoziiert.[83] Dennoch erhöhen chronische Arbeitsplatzstressoren des modernen Erwerbslebens wie berufliche Gratifikationskrisen (das Gefühl, sich im Erwerbsleben zu verausgaben, ohne dafür eine entsprechende Belohnung und Wertschätzung zu erhalten) das Risiko für eine depressive Episode bei Männern und Frauen.[86]  

Berufstätigkeit kann bei beiden Geschlechtern familiären Stress abmildern. Berufstätige Frauen müssen jedoch häufig mehr Rollen erfüllen als ihr Partner (z. B. Pflege der Kinder und Eltern/Schwiegereltern). [87] [88] Die ungleiche Rollenbelastung zwischen Frauen und Männern klärt einen erheblichen Anteil der geschlechterspezifischen Depressionsrate auf.[89] Bei multipler Überlastung sinkt dann das psychische Wohlbefinden und das Risiko einer Depression steigt.[90]
Zudem scheinen depressive Erkrankungen Frauen deutlich stärker in ihrer  Berufstätigkeit einzuschränken als Männer: Der DAK-Gesundheitsreport berichtete 2013, dass Frauen (zwei Prozent) im Vergleich zu Männern (ein Prozent) doppelt so häufig aufgrund einer depressiven Episode oder einer rezidivierenden depressiven Störung als arbeitsunfähig eingestuft wurden.[91] Die Daten des DAK-Gesundheitsreports von 2016 ergeben, dass Frauen mit 147 Fehltagen zu 71 Prozent öfter aufgrund ihrer Depression beruflich ausfallen als Männer mit circa 86 Fehltagen.[92]

Die berufliche Rolle ist der am besten untersuchte Stressor beim männlichen Geschlecht. Männer im Vergleich zu Frauen haben nicht nur riskantere Berufe, sondern sind auch stärker von der zunehmenden Arbeitsplatzunsicherheit betroffen und haben ein höheres Risiko infolge ungünstiger psychosozialer Arbeitsbedingungen psychisch zu erkranken.[93] [51] Besonders Arbeitslosigkeit begünstigt psychischen Stress und ist damit bei Frauen und Männern mit dem Risiko für eine depressive Störung assoziiert. Verschiedene Studien weisen jedoch darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Depression bei Männern stärker ausgeprägt ist als bei Frauen.[94] [95] Männer scheinen damit besonders bei beruflichem Statusverlust für eine Depression vulnerabel zu sein.[51]

Stressereignisse

Frauen und Männer haben das gleiche Risiko auf belastende Lebenssituationen mit einer depressiven Symptomatik zu reagieren. Jedoch sind Frauen gegenüber sozialen Ereignissen vulnerabler und diesen auch in höherem Maße ausgesetzt.[29]

Bereits in der Adoleszenz sind Mädchen im Vergleich zu Jungen häufiger sozialem Stress ausgesetzt und reagieren auf diesen eher mit depressiven Symptomen.[30]

Prävention[Bearbeiten]

Effektive Bewältigungsstrategien (Coping) bei psychischen Belastungen können sich als präventive Maßnahmen bezüglich der Entwicklung einer depressiven Episode erweisen. Dabei hat Coping nicht per se positive (im Sinne von gesundheitsfördernde) Auswirkungen, vielmehr können „falschen“ Strategien die Entwicklung depressiver Symptome fördern oder bestehende Beschwerden verstärken. Es gilt also zwischen gesundheitsfördernder und gesundheitsschädlicher Bewältigungsleistung bei Prävention und Behandlung depressiver Erkrankungen zu differenzieren. Studien bestätigen diesbezüglich Geschlechterunterschiede in der Art und Weise wie mit belastenden Situationen auf kognitiver und Verhaltensebene umgegangen wird. Insgesamt scheinen Frauen stärker emotionsfokussiert zu bewältigen, eher zum Grübeln zu neigen und sich weniger gut distanzieren zu können, während Männer sich besser ablenken können, aber in Problemsituationen eher emotional gehemmt reagieren und sich deutlich seltener professionelle Hilfe suchen.[96] [5] Nachfolgende Übersicht (Tabelle 7) stellt Untersuchungsergebnisse bezüglich geschlechterspezifischen Coping-Verhaltens tabellarisch dar.

Tabelle 7. Geschlechterunterschiede im Bewältigungsverhalten.
Frauen > Männer Männer > Frauen
  • Frauen scheinen eher emotionsfokussiert zu bewältigen und Emotionen als „Ventil“ zu nutzen (z. B. durch Weinen, Schreien oder auch Lachen) Zudem geben sie häufiger an, in ihrem (religiösen) Glauben Entlastung zu finden.[24]
  • Männer bewältigen öfter handlungsorientiert, indem sie sich beispielsweise verstärkt sportlich aktivieren (positiv) oder ihren Alkoholkonsum erhöhen (negativ, Gefahr einer komorbiden Suchterkrankung).[24]
  • Frauen bewältigen eher emotionsfokussiert und symptombezogen und haben eine stärkere Grübelneigung mit Gedankenkreisen (Rumination). Ruminationen erhöhen das Risiko einer Exazerbation depressiver Symptome.[5]
  • Männer bewältigen eher mit kognitiver und verhaltensmäßiger Ablenkung (Distraktion), was Ruminationen verhindert und symptomreduzierend wirken kann.[5]
  • Frauen haben eher einen emotionsfokussierten und vermeidenden Copingstil, bewältigen weniger rational und können sich schlechter distanzieren.[96]
  • Männer reagieren in Problemsituationen emotional gehemmter als Frauen. [96]
 
  • Männer suchen sich deutlich seltener als Frauen professionelle Unterstützung bei psychischen Problemen. [97]

Translation in die klinische Versorgung[Bearbeiten]

Offene Forschungsfragen[Bearbeiten]

Ungeklärt bleibt ein Paradox der "männlichen Depression": So zeigen Depressionspatienten häufig ein geringeres Testosteronlevel als der Durchschnitt. Auch sind Aggression und Ärger Symptome, die bei "männlicher Depression" oft charakteristisch sind. Symptome von Aggression und Ärger implizieren allerdings ein hohes Testosteronlevel, das bei depressiven Männern gerade nicht beobachtet werden kann. Zukünftige Studien sollten demnach gezielt untersuchen, inwiefern aggressive Symptome bei depressiven Patienten mit Testosteronwerten in Verbindung stehen.[98] [99]

Hinsichtlich der Ursachenklärung von Geschlechterunterschieden in der Prävalenz depressiver Erkrankungen besteht weiterer Forschungsbedarf. Geschlechterunterschiede bezüglich der Genetischen Belastung sowie der Gen-Umwelt-Interaktion konnten bislang nicht eindeutig geklärt werden. Ebenso konnte ein direkter Zusammenhang mit endokrinen Variablen bisher nicht hinreichend dokumentiert werden (Ursache ist hier vor allem eine zu geringe Reliabilität). Bei Jungen und Mädchen in der Pubertät wird angenommen, dass ein interaktives Zusammenspiel aus wahrnehmbaren körperlichen Veränderungen, geschlechterspezifischen psychischen Verarbeitungsmustern sowie sozialen Reaktionsmustern am ehesten als Erklärungsmodell für Geschlechterunterschiede greift.[9]

Um eine adäquate Diagnostik für beide Geschlechter gewährleisten zu können, ist die weitere Erforschung  von Geschlechterunterschieden bei depressiven Symptomen und die Entwicklung geschlechtersensibler Diagnoseinstrumente notwendig. Strukturierte Verfahren (z. B. der SKID, Strukturiertes Klinisches Interview für DMS-IV) beschränken sich derzeit auf das Abfragen klinisch relevanter Diagnosekriterien (nach DSM-IV oder ICD-10), die externalisierte Verhaltensmuster wie Aggressivität oder Feindseligkeit nicht erfassen.[100] Da sich besonders die Depression bei Männern häufig hinter solchen externalisierten Verhaltensweisen versteckt, kann dann keine korrekte Diagnose gestellt werden. Eine angemessene Behandlung findet oft nicht statt. Auch kann und muss eine stärkere Sensibilisierung des Fachpersonals zur Auflösung stereotyper Rollenbilder (wie das des "starken Mannes") beitragen, um so eine Verbesserung der defizitären Diagnosestellung vor allem in allgemeinmedizinischen Praxen zu ermöglichen [101] und eine bedarfsgerechte und effizientere Versorgung zu fördern.[51]

Weitere Forschung sollte auch im Bereich der bildgebenden Verfahren stattfinden. Zum Beispiel veröffentlichten Wissenschaftlicher von den Universitäten in Cambridge und Oxford u. w. 2017 eine fMRT-Studie zu Geschlechterunterschieden bei Heranwachsenden mit Major Depression. Bei einer Go/No-go-Aufgabe mit traurigen versus neutralen Distraktoren zeigte sich unter anderem nur bei Männern eine verminderte Aktivität des Cerebellums in der Gruppe depressiv Erkrankter im Vergleich zur Kontrollgruppe.[102]

Externe Links[Bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten]

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Lizenz[Bearbeiten]

Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode

Autoren[Bearbeiten]

Julia Schreitmüller

Zuletzt geändert: 2021-10-30 18:09:11

(lat.: deprimere = herunterdrücken) Psychische Erkrankung, die durch die Hauptsymptome gedrückte Stimmung, Verlust an Interessen bzw. an Freude und deutliche Antriebsminderung gekennzeichnet ist.

Ein Teilgebiet der Medizin, das die Verteilung von Krankheiten in einer Bevölkerung und die damit zusammenhängenden Variablen untersucht.

Die Anzahl neu aufgetretener Krankheitsfälle innerhalb einer definierten Population in einem bestimmten Zeitraum.

Die Häufigkeit einer Krankheit oder eines Symptoms in einer definierten Population zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Affektive Störung (i. d. R. phasenweise), bei der Antrieb und Affekt deutlich gesteigert sind.

(Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) Wirkstoffgruppe der Antidepressiva, blockieren Serotonin-Transportproteine im ZNS, die für die Wiederaufnahme des Serotonins in die Präsynapse verantwortlich sind. Die Serotonin­konzentration im synaptischen Spalt wird so erhöht.

Zeitraum von ein bis zwei Jahren vor und nach der eigentlichen Menopause.

Zeitraum von der späten Kindheit über die Pubertät bis hin zum Erwachsenenalter.

(engl.: to cope with = bewältigen) Bewältigungsverhalten in einer als bedeutsam oder belastend empfundenen Lebenssituationen.

(aus der Psychologie) starkes Grübeln und Gedankenkreisen.

(oder Sekretionsphase) Die zweite Phase des weiblichen Zyklus, die unmittelbar auf den Eisprung folgt und mit dem Beginn der nächsten Menstruation endet (c. a. 15. bis 24. Zyklustag).

Die erste Hälfte des Menstruationszyklus (erster bis c. a. vierzehnter Tag), während der die Follikel im Eierstock heranwachsen und vermehrt Östrogene produzieren, wodurch sich die Gebärmutterschleimhaut wieder aufbaut.

Die Lehre von krankhaft veränderten Körperfunktionen sowie ihrer Entstehung und Entwicklung.

Die Entstehung einer Erkrankung oder der Verlauf eines krankhaften Prozesses bis zu einer Erkrankung.

Abgabe von für den Organismus wichtigen Substanzen (beispielsweise Hormone, Verdauungsenzyme) durch spezialisierte Zellen.

Starke Reduktion der Fähigkeit zum positiven emotionalen Erleben.

(Substanzabusus) Missbräuchliche und medizinisch nicht indizierte (daher in den meisten Fällen falsch dosierte Anwendung) von Substanzen (Drogen, Medikamente).

Die Einwirkung des Organismus auf ein eingenommenes Arzneimittel in Abhängigkeit von der Zeit.

(Doppelte Depression) Dysthymie (Chronische leichte depressive Verstimmung), die von einer voll ausgeprägten depressiven Episoden überlagert wird.

Zwanghaftes Bedürfnis bzw. unwiderstehlicher Drang nach einem bestimmten Stimulus (Reiz), z. B. einer chemischen Substanz (Droge).

Biologisches Geschlecht

Zwanghaftes Bedürfnis bzw. unwiderstehlicher Drang nach einem bestimmen Stimulus (Reiz), z. B. einer chemischen Substanz (Droge).

Soziales Geschlecht