Chromosomale Grundlage: XX und XY: Unterschied zwischen den Versionen

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Obgleich zahlreiche anatomische und physiologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen, ist die chromosomale Grundlage der Geschlechtsdetermination recht einfach. Beim Menschen tragen Frauen zwei X-Chromosomen, während Männer ein X- und ein Y-Chromosomen besitzen. Damit differiert die DNA-Sequenz zwischen den Geschlechtern um 1.5 Prozent. Die phänotypischen Unterschiede ergeben sich unter anderen dadurch, dass bei Frauen in allen Geweben eines der beiden X-Chromosomen inaktiviert wird. Die Inaktivierung ist irreversibel und betrifft nach Zufall entweder das X-Chromosom väterlicher oder mütterlicher Herkunft. Da dieser Vorgang bereits während der frühen Embryonalentwicklung stattfindet, werden nur die Gene des aktiven X-Chromosoms abgelesen und damit die Information zum Bau der entsprechenden Proteine geliefert. Da 15 Prozent der X-chromosomalen Gene dem Inaktivierungsvorgang entkommen können, kann bei Frauen gegenüber Männern bisweilen die doppelte Menge eines entsprechenden Proteins hergestellt werden. Folge können gravierende Unterschiede im Stoffwechsel sein.  
 
Obgleich zahlreiche anatomische und physiologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen, ist die chromosomale Grundlage der Geschlechtsdetermination recht einfach. Beim Menschen tragen Frauen zwei X-Chromosomen, während Männer ein X- und ein Y-Chromosomen besitzen. Damit differiert die DNA-Sequenz zwischen den Geschlechtern um 1.5 Prozent. Die phänotypischen Unterschiede ergeben sich unter anderen dadurch, dass bei Frauen in allen Geweben eines der beiden X-Chromosomen inaktiviert wird. Die Inaktivierung ist irreversibel und betrifft nach Zufall entweder das X-Chromosom väterlicher oder mütterlicher Herkunft. Da dieser Vorgang bereits während der frühen Embryonalentwicklung stattfindet, werden nur die Gene des aktiven X-Chromosoms abgelesen und damit die Information zum Bau der entsprechenden Proteine geliefert. Da 15 Prozent der X-chromosomalen Gene dem Inaktivierungsvorgang entkommen können, kann bei Frauen gegenüber Männern bisweilen die doppelte Menge eines entsprechenden Proteins hergestellt werden. Folge können gravierende Unterschiede im Stoffwechsel sein.  
  
Aus der geschlechterspezifischen Chromosomenkonstellation (XX oder XY) ergibt sich, dass die meisten Y-chromosomalen Gene allein bei Männern vorhanden und vorwiegend im Reproduktionssystem exprimiert sind. Dabei bestimmt wahrscheinlich nur ein kleiner Bereich des Y-Chromosoms das männliche Geschlecht: Von dem Gen SRY („Sexbestimmende Region des Y-Chromosoms“) auf dem Y-Chromosom ist abhängig, ob sich in den ersten fünf Entwicklungswochen aus dem morphologisch geschlechtsneutralen menschlichen Fetus ein Junge (Hoden) oder ein Mädchen (Ovarien) entwickelt. Die Keimdrüsen nehmen dann die Produktion von überwiegend Testosteron bei Jungen und überwiegend Östrogen bei Mädchen auf (auch diese Produktion ist genetisch reguliert). Schließlich ergeben sich Geschlechtsunterschiede im Hinblick auf physiologische, anatomische und Verhaltensmerkmale.<ref> Kindler-Röhrborn A, Pfleiderer B. Gendermedizin - Modewort oder Notwendigkeit?: - Die Rolle des Geschlechts in der Medizin. XX 2012; 1(03):146–52.</ref> Wichtig ist, dass die An- bzw. Abwesenheit von SRY nur den Auslöser für weitere Reaktionen darstellt. Die biochemischen, physiologischen und anatomischen Aspekte der geschlechtsspezifischen Entwicklung sind komplex und viele Gene sind an diesem Prozess beteiligt. SRY kodiert dabei ein Protein, das als Regulator für viele andere Gene wirkt.<ref>Campbell NA, Kratochwil A, Lazar T, Reece JB. Biologie. 8., aktualisierte Aufl. [der engl. Orig.-ausg., 3. Aufl. der dt. Übers.]. München [u.a.]: Pearson Studium; 2009. (Pearson Studium - Biologie).</ref>
 
 
[[Datei:Geschlechtschromosomen.png|mini|400 px| <small>'''Auswirkungen der Geschlechtschromosomen auf den Organismus'''<br />
 
[[Datei:Geschlechtschromosomen.png|mini|400 px| <small>'''Auswirkungen der Geschlechtschromosomen auf den Organismus'''<br />
 
[Quelle: GenderMed-Wiki, nach Kindler & Pfleiderer (2012)]</small>]]
 
[Quelle: GenderMed-Wiki, nach Kindler & Pfleiderer (2012)]</small>]]
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Aus der geschlechterspezifischen Chromosomenkonstellation (XX oder XY) ergibt sich, dass die meisten Y-chromosomalen Gene allein bei Männern vorhanden und vorwiegend im Reproduktionssystem exprimiert sind. Dabei bestimmt wahrscheinlich nur ein kleiner Bereich des Y-Chromosoms das männliche Geschlecht: Von dem Gen SRY („Sexbestimmende Region des Y-Chromosoms“) auf dem Y-Chromosom ist abhängig, ob sich in den ersten fünf Entwicklungswochen aus dem morphologisch geschlechtsneutralen menschlichen Fetus ein Junge (Hoden) oder ein Mädchen (Ovarien) entwickelt. Die Keimdrüsen nehmen dann die Produktion von überwiegend Testosteron bei Jungen und überwiegend Östrogen bei Mädchen auf (auch diese Produktion ist genetisch reguliert). Schließlich ergeben sich Geschlechtsunterschiede im Hinblick auf physiologische, anatomische und Verhaltensmerkmale.<ref> Kindler-Röhrborn A, Pfleiderer B. Gendermedizin - Modewort oder Notwendigkeit?: - Die Rolle des Geschlechts in der Medizin. XX 2012; 1(03):146–52.</ref> Wichtig ist, dass die An- bzw. Abwesenheit von SRY nur den Auslöser für weitere Reaktionen darstellt. Die biochemischen, physiologischen und anatomischen Aspekte der geschlechtsspezifischen Entwicklung sind komplex und viele Gene sind an diesem Prozess beteiligt. SRY kodiert dabei ein Protein, das als Regulator für viele andere Gene wirkt.<ref>Campbell NA, Kratochwil A, Lazar T, Reece JB. Biologie. 8., aktualisierte Aufl. [der engl. Orig.-ausg., 3. Aufl. der dt. Übers.]. München [u.a.]: Pearson Studium; 2009. (Pearson Studium - Biologie).</ref>
  
 
== Literatur ==
 
== Literatur ==
 
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Version vom 18. Mai 2016, 14:29 Uhr

Obgleich zahlreiche anatomische und physiologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen, ist die chromosomale Grundlage der Geschlechtsdetermination recht einfach. Beim Menschen tragen Frauen zwei X-Chromosomen, während Männer ein X- und ein Y-Chromosomen besitzen. Damit differiert die DNA-Sequenz zwischen den Geschlechtern um 1.5 Prozent. Die phänotypischen Unterschiede ergeben sich unter anderen dadurch, dass bei Frauen in allen Geweben eines der beiden X-Chromosomen inaktiviert wird. Die Inaktivierung ist irreversibel und betrifft nach Zufall entweder das X-Chromosom väterlicher oder mütterlicher Herkunft. Da dieser Vorgang bereits während der frühen Embryonalentwicklung stattfindet, werden nur die Gene des aktiven X-Chromosoms abgelesen und damit die Information zum Bau der entsprechenden Proteine geliefert. Da 15 Prozent der X-chromosomalen Gene dem Inaktivierungsvorgang entkommen können, kann bei Frauen gegenüber Männern bisweilen die doppelte Menge eines entsprechenden Proteins hergestellt werden. Folge können gravierende Unterschiede im Stoffwechsel sein.

Auswirkungen der Geschlechtschromosomen auf den Organismus
[Quelle: GenderMed-Wiki, nach Kindler & Pfleiderer (2012)]

Aus der geschlechterspezifischen Chromosomenkonstellation (XX oder XY) ergibt sich, dass die meisten Y-chromosomalen Gene allein bei Männern vorhanden und vorwiegend im Reproduktionssystem exprimiert sind. Dabei bestimmt wahrscheinlich nur ein kleiner Bereich des Y-Chromosoms das männliche Geschlecht: Von dem Gen SRY („Sexbestimmende Region des Y-Chromosoms“) auf dem Y-Chromosom ist abhängig, ob sich in den ersten fünf Entwicklungswochen aus dem morphologisch geschlechtsneutralen menschlichen Fetus ein Junge (Hoden) oder ein Mädchen (Ovarien) entwickelt. Die Keimdrüsen nehmen dann die Produktion von überwiegend Testosteron bei Jungen und überwiegend Östrogen bei Mädchen auf (auch diese Produktion ist genetisch reguliert). Schließlich ergeben sich Geschlechtsunterschiede im Hinblick auf physiologische, anatomische und Verhaltensmerkmale.[1] Wichtig ist, dass die An- bzw. Abwesenheit von SRY nur den Auslöser für weitere Reaktionen darstellt. Die biochemischen, physiologischen und anatomischen Aspekte der geschlechtsspezifischen Entwicklung sind komplex und viele Gene sind an diesem Prozess beteiligt. SRY kodiert dabei ein Protein, das als Regulator für viele andere Gene wirkt.[2]

Literatur

  1. Kindler-Röhrborn A, Pfleiderer B. Gendermedizin - Modewort oder Notwendigkeit?: - Die Rolle des Geschlechts in der Medizin. XX 2012; 1(03):146–52.
  2. Campbell NA, Kratochwil A, Lazar T, Reece JB. Biologie. 8., aktualisierte Aufl. [der engl. Orig.-ausg., 3. Aufl. der dt. Übers.]. München [u.a.]: Pearson Studium; 2009. (Pearson Studium - Biologie).