Angststörungen/Fachartikel: Unterschied zwischen den Versionen

(Inzidenz/Prävalenz)
 
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Der folgende Artikel befasst sich mit Geschlechterunterschieden bei Angststörungen. Geschlechterübergreifende Inhalte zu Angststörungen entnehmen Sie bitte den [http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/028-022.html AWMF-Leitlinien zu Angststörungen].
  
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==Epidemiologie==
  
<div class="col-md-12>
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Die Studie &#39;&#39;Gesundheit Erwachsener in Deutschland&#39;&#39; (DEGS1-MH, 2014) ergibt, dass 15.3 Prozent der deutschen Wohnbev&ouml;lkerung (zwischen 18 und 79 Jahren) in einem Zeitraum von einem Jahr unter einer klinisch relevanten Angstst&ouml;rung leidet. Dabei sind &nbsp;21.3 Prozent der Frauen und 9.3 Prozent der M&auml;nner betroffen. Frauen erkranken somit im Vergleich zu M&auml;nnern mindestens doppelt so h&auml;ufig an irgendeiner Angstst&ouml;rung (vergleiche Grafik 1).<ref>Jacobi F, H&ouml;fler M, Strehle J, Mack S, Gerschler A, Scholl L et al. Psychische St&ouml;rungen in der Allgemeinbev&ouml;lkerung: Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul Psychische Gesundheit (DEGS1-MH). Der Nervenarzt 2014; 85(1):77&ndash;87.</ref>&nbsp;<ref name=&quot;Wittchen&quot;>Wittchen H, Jacobi F. Angstst&ouml;rungen. Nachdr. Berlin: Robert Koch-Inst; 2007. (Gesundheitsberichterstattung des Bundes; vol 21).</ref>
== Epidemiologie ==
 
=== Inzidenz/Prävalenz ===
 
Die Studie ''Gesundheit Erwachsener in Deutschland'' (DEGS1-MH, 2014) ergibt, dass 15.3 Prozent der deutschen Wohnbevölkerung (zwischen 18 und 79 Jahren) in einem Zeitraum von einem Jahr unter einer klinisch relevanten Angststörung leidet. Dabei sind 21.3 Prozent der Frauen und 9.3 Prozent der Männer betroffen. Frauen erkranken somit im Vergleich zu Männern mindestens doppelt so häufig an irgendeiner Angststörung (vergleiche Grafik 1).<ref>Jacobi F, Höfler M, Strehle J, Mack S, Gerschler A, Scholl L et al. Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung: Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul Psychische Gesundheit (DEGS1-MH). Der Nervenarzt 2014; 85(1):77–87.</ref> <ref>Wittchen H, Jacobi F. Angststörungen. Nachdr. Berlin: Robert Koch-Inst; 2007. (Gesundheitsberichterstattung des Bundes; vol 21).</ref>  
 
  
<div class="thumbnail img-thumbnail" style="width:600px;">https://gendermedwiki.gecko.hs-heilbronn.de/mediawiki/images/thumb/7/73/Pr%C3%A4valenz_Angstst%C3%B6rungen_%282%29.png/800px-Pr%C3%A4valenz_Angstst%C3%B6rungen_%282%29.png<br /><br /> <br />
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<strong>[[File:5bfeff056d18e.png|600px|class=img-responsive]]</strong>
  
<small>'''Grafik 1. Prävalenz von Angststörungen bei Männern und Frauen, diagnostiziert nach DSM-IV'''<br />
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<strong>Grafik 1. Pr&auml;valenz von Angstst&ouml;rungen bei M&auml;nnern und Frauen, diagnostiziert nach DSM-IV [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Wittchen &amp; Jacobi (2007). Aus: BGS 1998]</strong>
[Quelle: GenderMed-Wiki, nach Wittchen & Jacobi (2007). Aus: BGS 1998]</small>
 
  
</div>
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Ergebnisse eines niederl&auml;ndischen Gesundheitsberichtes (1998) weisen auf eine relativ geringf&uuml;gige Differenz zwischen 12-Monats- und Lebenszeitpr&auml;valenz hin und verdeutlichen damit den h&auml;ufig chronischen Verlauf von Angstst&ouml;rungen.<ref>Bijl RV, Ravelli A, van Zessen G. Prevalence of psychiatric disorder in the general population: Results of the Netherlands Mental Health Survey and Incidence Study (NEMESIS). Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology 1998; 33(12):587&ndash;95.</ref>&nbsp;Nachfolgende Tabelle (Tabelle 1) gibt einen &Uuml;berblick zu Lebenszeitpr&auml;valenz und geschlechterspezifischer Verteilung verschiedener Angstst&ouml;rungen.<ref>Voderholzer U, Hohagen F. Therapie psychischer Erkrankungen: Elsevier Health Sciences Germany; 2013. Available from: URL: https://books.google.de/books?id=_BBACwAAQBAJ.</ref>
[[Datei: Prävalenz Angststörungen (2).png|thumb|left|upright=1.94| <small>'''Grafik 1. Prävalenz von Angststörungen bei Männern und Frauen, diagnostiziert nach DSM-IV'''<br /> [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Wittchen & Jacobi (2007). Aus: BGS 1998]</small>]]
 
  
Ergebnisse eines niederländischen Gesundheitsberichtes (1998) weisen auf eine relativ geringfügige Differenz zwischen 12-Monats- und Lebenszeitprävalenz hin und verdeutlichen damit den häufig chronischen Verlauf von Angststörungen.<ref>Bijl RV, Ravelli A, van Zessen G. Prevalence of psychiatric disorder in the general population: Results of the Netherlands Mental Health Survey and Incidence Study (NEMESIS). Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology 1998; 33(12):587–95.</ref> Nachfolgende Tabelle (Tabelle 1) gibt einen Überblick zu Lebenszeitprävalenz und geschlechterspezifischer Verteilung verschiedener Angststörungen.<ref>Voderholzer U, Hohagen F. Therapie psychischer Erkrankungen: Elsevier Health Sciences Germany; 2013. Available from: URL: https://books.google.de/books?id=_BBACwAAQBAJ.</ref>
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<strong>Tabelle 1. Lebenszeitpr&auml;valenz und Geschlechterverh&auml;ltnis. [Quelle: Voderholzer &amp; Hohagen (2013)]</strong>
  
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<table>
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<tr>
 +
<th>Krankheitsbild</th>
 +
<th>Panikst&ouml;rung/<br />
 +
Agoraphobie</th>
 +
<th>Generalisierte<br />
 +
Angstst&ouml;rung</th>
 +
<th>Soziale Phobie</th>
 +
<th>Spezifische Phobie</th>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><strong>Lebenszeitpr&auml;valenz</strong></td>
 +
<td>6.1&nbsp;%</td>
 +
<td>5.7&nbsp;%</td>
 +
<td>12.1&nbsp;%</td>
 +
<td>12.5&nbsp;%</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td><strong>Geschlechterverh&auml;ltnis<br />
 +
(weiblich&nbsp;: m&auml;nnlich)</strong></td>
 +
<td>2.2&nbsp;: 1</td>
 +
<td>2&nbsp;: 1</td>
 +
<td>1.4&nbsp;: 1</td>
 +
<td>2.3&nbsp;: 1</td>
 +
</tr>
 +
</table>
  
<small>'''Tabelle 1. Lebenszeitprävalenz und Geschlechterverhältnis. [Quelle: Voderholzer & Hohagen (2013)]'''</small>
+
Angsterkrankungen beginnen meist in der zweiten bis vierten Dekade. Dabei manifestieren sich 60 Prozent aller Angstst&ouml;rungen erstmals vor dem 21. Lebensjahr (unter Vorbehalt retrospektiver Verzerrungen). Mit einem durchschnittlichen Erkrankungsbeginn von 16 Jahren (14.9 Jahre bei Frauen, 19.4 Jahre bei M&auml;nnern) ergibt sich f&uuml;r die Spezifischen Phobien die fr&uuml;heste Erstmanifestation. Die Generalisierte Angstst&ouml;rung zeigt mit 35 Jahren (33.6 Jahre bei Frauen, 39.3 Jahre bei M&auml;nnern) das durchschnittlich h&ouml;chste Ersterkrankungsalter. Geschlechterunterschiede in der Erstmanifestation der jeweiligen Angsterkrankungen sind Grafik 2 zu entnehmen. Auffallend sind die gleichen Pr&auml;valenzraten f&uuml;r beide Geschlechter &uuml;ber verschiedene Altersgruppen hinweg und daraus folgend ein konstant bleibendes Geschlechterverh&auml;ltnis (Odds Ratio zwischen 2.5 &nbsp;bis 2.8, vergleiche Tabelle 2). Das Alter scheint demnach keinen Einfluss auf die Entwicklung einer Angstst&ouml;rung zu besitzen, der Geschlechterunterschied zeigt sich &uuml;ber die Altersstufen konstant.<ref>Wittchen, H.-U., M&uuml;ller, N., Pfister, H., Winter, S., &amp; Schmidtkunz, B. (1999). Affektive, somatoforme und Angstst&ouml;rungen in Deutschland. Erste Ergebnisse des bundesweiten Zusatzsurveys &quot;Psychische St&ouml;rungen&quot;. Das Gesundheitswesen, 61, 216-222.</ref>&nbsp;
  
{| class="wikitable"
+
<strong>Tabelle 2. Ein-Monats-Pr&auml;valenz von Angstst&ouml;rungen in Deutschland. [Quelle: Wittchen et al. 1999]</strong>
|-
 
! style="text-align:left" | Krankheitsbild !! Panikstörung/<br /> Agoraphobie !! Generalisierte<br />Angststörung !! Soziale Phobie !! Spezifische Phobie
 
|-
 
| style="background-color:#c2d1f0;"  | '''Lebenszeitprävalenz''' || 6.1 % || 5.7 %  || 12.1 %  || 12.5 %
 
|-
 
| style="background-color:#c2d1f0;" | '''Geschlechterverhältnis<br />(weiblich : männlich)'''  || 2.2 : 1 || 2 : 1 || 1.4 : 1 ||  2.3 : 1
 
|}
 
  
 +
<table>
 +
<tr>
 +
<th>Alter</th>
 +
<th>Frauen</th>
 +
<th>M&auml;nner</th>
 +
<th>Odds Ratio (w&nbsp;: m)</th>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td>18-35</td>
 +
<td>13.3&nbsp;%</td>
 +
<td>5.5&nbsp;%</td>
 +
<td>2.66</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td>36-45</td>
 +
<td>12.6&nbsp;%</td>
 +
<td>4.9&nbsp;%</td>
 +
<td>2.79</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td>46-65</td>
 +
<td>12.3&nbsp;%</td>
 +
<td>5.3&nbsp;%</td>
 +
<td>2.52</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td>Gesamt</td>
 +
<td>12.7&nbsp;%</td>
 +
<td>5.3&nbsp;%</td>
 +
<td>
  
Angsterkrankungen beginnen meist in der zweiten bis vierten Dekade. Dabei manifestieren sich 60 Prozent aller Angststörungen erstmals vor dem 21. Lebensjahr (unter Vorbehalt retrospektiver Verzerrungen). Mit einem durchschnittlichen Erkrankungsbeginn von 16 Jahren (14.9 Jahre bei Frauen, 19.4 Jahre bei Männern) ergibt sich für die Spezifischen Phobien die früheste Erstmanifestation. Die Generalisierte Angststörung zeigt mit 35 Jahren (33.6 Jahre bei Frauen, 39.3 Jahre bei Männern) das durchschnittlich höchste Ersterkrankungsalter. Geschlechterunterschiede in der Erstmanifestation der jeweiligen Angsterkrankungen sind Grafik 2 zu entnehmen. Auffallend sind die gleichen Prävalenzraten für beide Geschlechter über verschiedene Altersgruppen hinweg und daraus folgend ein konstant bleibendes Geschlechterverhältnis (Odds Ratio zwischen 2.5  bis 2.8, vergleiche Tabelle 2). Das Alter scheint demnach keinen Einfluss auf die Entwicklung einer Angststörung zu besitzen, der Geschlechterunterschied zeigt sich über die Altersstufen konstant.<ref>Wittchen, H.-U., Müller, N., Pfister, H., Winter, S., & Schmidtkunz, B. (1999). Affektive, somatoforme und Angststörungen in Deutschland. Erste Ergebnisse des bundesweiten Zusatzsurveys "Psychische Störungen". Das Gesundheitswesen, 61, 216-222.</ref>
+
2.64
  
<small>'''Tabelle 2. Ein-Monats-Prävalenz von Angststörungen in Deutschland.''' <br />
+
</td>
'''[Quelle: Wittchen et al. 1999]'''</small>
+
</tr>
{| class="wikitable"
+
</table>
|-
 
! Alter !! Frauen !! Männer !! Odds Ratio (w : m)
 
|-
 
| 18-35 || 13.3 % || 5.5 % || 2.66
 
|-
 
| 36-45 || 12.6 % || 4.9 % || 2.79
 
|-
 
| 46-65|| 12.3 % || 5.3 % || 2.52
 
|-
 
| Gesamt || 12.7 % || 5.3 % || 2.64
 
|}
 
  
<div class="thumbnail img-thumbnail" style="width:620px;">https://gendermedwiki.gecko.hs-heilbronn.de/mediawiki/images/thumb/4/43/Erkrankungsbeginn_bei_Angstst%C3%B6rungen.png/800px-Erkrankungsbeginn_bei_Angstst%C3%B6rungen.png<br /><br /> <br />
+
<strong>[[File:5bfeff061bfae.png|600px|class=img-responsive]]</strong>
  
<small>'''Grafik 2. Durchschnittsalter der Erstmanifestation einer Angststörung bei Männern und Frauen''' <br />
+
<strong>Grafik 2. Durchschnittsalter der Erstmanifestation einer Angstst&ouml;rung bei M&auml;nnern und Frauen [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Wittchen &amp; Jacobi (2007). Aus: BGS 1998]</strong>
[Quelle: GenderMed-Wiki, nach Wittchen & Jacobi (2007). Aus: BGS 1998]</small>
 
  
</div>
+
===Inzidenz/Pr&auml;valenz===
  
===Risikofaktoren und präventive Faktoren===
+
===Risikofaktoren und protektive Faktoren===
  
 
==Pathophysiologie==
 
==Pathophysiologie==
== Klinik ==
+
 
 +
==Klinik==
 +
 
 
===Symptome===
 
===Symptome===
  
=== Diagnostik ===
+
===Diagnostik===
== Management von Patienten und Patientinnen ==
+
 
=== Therapie ===
+
==Management von Patienten und Patientinnen==
 +
 
 +
===Therapie===
  
<div class="thumbnail img-thumbnail" style="width:500px;float:right;">https://gendermedwiki.gecko.hs-heilbronn.de/mediawiki/images/thumb/7/7f/Inanspruchnahme_von_Versorgungseinrichtungen.png/800px-Inanspruchnahme_von_Versorgungseinrichtungen.png<br /><br /> <br />
+
Nach den Daten des Bundesgesundheitssurvey von 1998 ergibt sich, dass nur ungef&auml;hr 38 Prozent der M&auml;nner und 46 Prozent der Frauen mit einer Angsterkrankung eine medizinische oder nicht-medizinische Versorgungseinrichtung aufsuchen (unabh&auml;ngig von Dauer, Art oder H&auml;ufigkeit der Behandlung). Trotz der Verf&uuml;gbarkeit effektiver Therapiestrategien nehmen damit weniger als die H&auml;lfte der Erkrankten professionelle Hilfe in Anspruch (insgesamt 44 Prozent). Grafik 3 stellt die Inanspruchnahme von Versorgungseinrichtungen bei Frauen und M&auml;nnern mit Angstst&ouml;rungen dar.<ref name=&quot;Wittchen&quot;/>
  
<small>'''Grafik 3. Inanspruchnahme professioneller Hilfe bei Männern und Frauen mit Angsterkrankungen'''<br />
+
Es ergeben sich zudem Geschlechterunterschiede in der Art der (ambulanten) Behandlung, wobei Frauen jede Art von Hilfe h&auml;ufiger annehmen als M&auml;nner (vergleiche Grafik 4). Erkl&auml;rt werden kann die geschlechterspezifische Inanspruchnahme von Therapieangeboten u. a. durch ein unterschiedliches Hilfesuch-Verhalten: Erkrankte Frauen suchen eher medizinische Unterst&uuml;tzung und begeben sich h&auml;ufiger in fachspezifische Behandlung als erkrankte M&auml;nner.<ref>Dickstein LJ. Gender Differences in Mood and Anxiety Disorders. American Psychiatric Press Review of Psychiatry 2000; 18.</ref>&nbsp;Au&szlig;erdem berichten Frauen im medizinischen Setting deutlich h&auml;ufiger von emotionalen Beschwerden, was per se eine h&ouml;here Anzahl an Diagnosen und Behandlungen von Angstst&ouml;rungen zufolge hat. Auch wenn diese emotionalen Beschwerden &nbsp;keinen Krankheitswert besitzen, nehmen Frauen deutlich h&auml;ufiger als M&auml;nner eine medizinische Leistung (Arztbesuch) in Anspruch (19 Prozent der Frauen und 10 Prozent der M&auml;nner). In diesem Zusammenhang diskutiert werden ein allgemein st&auml;rker ausgepr&auml;gtes Gesundheitsbewusstsein des weiblichen Geschlechtes sowie eine tendenziell geringere Bewertung psychischer Einfl&uuml;sse auf die Gesundheit von Seiten des m&auml;nnlichen Geschlechtes. Ob auch unterschiedlich starke Belastungen bzw. Beeintr&auml;chtigungen das geschlechterspezifische Hilfesuch-Verhalten bedingen, kann aktuell nicht abschlie&szlig;end gekl&auml;rt werden. Allgemein erhalten Erkrankte am h&auml;ufigsten eine psychotherapeutische Therapie. Ausschlie&szlig;lich medikament&ouml;s behandelt werden 33 Prozent der M&auml;nner und 41 Prozent der Frauen.<ref name=&quot;Arolt&quot;>Arolt V, Rohde A. Geschlechtsspezifische Psychiatrie und Psychotherapie: ein Handbuch: Kohlhammer; 2007. Available from: URL: https://books.google.de/books?id=Nuz_6Ln-UHMC.</ref>
[Quelle: GenderMed-Wiki, nach Wittchen & Jacobi (2007). Aus: BGS 1998]</small>
 
  
</div>
+
&nbsp;
  
<div class="thumbnail img-thumbnail" style="width:500px;float:right;">https://gendermedwiki.gecko.hs-heilbronn.de/mediawiki/images/thumb/e/e2/Behandlungart_bei_Angsterkrankungen.png/800px-Behandlungart_bei_Angsterkrankungen.png<br /><br /> <br />
+
<strong>[[File:5bfeff06be1a1.png|600px|class=img-responsive]]</strong>
  
<small>'''Grafik 4. Übersicht verschiedener Behandlungsarten bei Angsterkrankungen (Männer und Frauen)'''
+
<strong>Grafik 3. Inanspruchnahme professioneller Hilfe bei M&auml;nnern und Frauen mit Angsterkrankungen [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Wittchen &amp; Jacobi (2007). Aus: BGS 1998]</strong>
<br />  [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Wittchen & Jacobi (2007). Aus: BGS 1998]</small>
 
  
</div>
+
&nbsp;
  
Nach den Daten des Bundesgesundheitssurvey von 1998 ergibt sich, dass nur ungefähr 38 Prozent der Männer und 46 Prozent der Frauen mit einer Angsterkrankung eine medizinische oder nicht-medizinische Versorgungseinrichtung aufsuchen (unabhängig von Dauer, Art oder Häufigkeit der Behandlung). Trotz der Verfügbarkeit effektiver Therapiestrategien nehmen damit weniger als die Hälfte der Erkrankten professionelle Hilfe in Anspruch (insgesamt 44 Prozent). Grafik 3 stellt die Inanspruchnahme von Versorgungseinrichtungen bei Frauen und Männern mit Angststörungen dar.<ref>Wittchen H, Jacobi F. Angststörungen. Nachdr. Berlin: Robert Koch-Inst; 2007. (Gesundheitsberichterstattung des Bundes; vol 21).</ref>
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<strong>[[File:5bfeff076b544.png|600px|class=img-responsive]]</strong>
  
Es ergeben sich zudem Geschlechterunterschiede in der Art der (ambulanten) Behandlung, wobei Frauen jede Art von Hilfe häufiger annehmen als Männer (vergleiche Grafik 4). Erklärt werden kann die geschlechterspezifische Inanspruchnahme von Therapieangeboten u. a. durch ein unterschiedliches Hilfesuch-Verhalten: Erkrankte Frauen suchen eher medizinische Unterstützung und begeben sich häufiger in fachspezifische Behandlung als erkrankte Männer.<ref>Dickstein LJ. Gender Differences in Mood and Anxiety Disorders. American Psychiatric Press Review of Psychiatry 2000; 18.</ref> Außerdem berichten Frauen im medizinischen Setting deutlich häufiger von emotionalen Beschwerden, was per se eine höhere Anzahl an Diagnosen und Behandlungen von Angststörungen zufolge hat. Auch wenn diese emotionalen Beschwerden  keinen Krankheitswert besitzen, nehmen Frauen deutlich häufiger als Männer eine medizinische Leistung (Arztbesuch) in Anspruch (19 Prozent der Frauen und 10 Prozent der Männer). In diesem Zusammenhang diskutiert werden ein allgemein stärker ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein des weiblichen Geschlechtes sowie eine tendenziell geringere Bewertung psychischer Einflüsse auf die Gesundheit von Seiten des männlichen Geschlechtes. Ob auch unterschiedlich starke Belastungen bzw. Beeinträchtigungen das geschlechterspezifische Hilfesuch-Verhalten bedingen, kann aktuell nicht abschließend geklärt werden. Allgemein erhalten Erkrankte am häufigsten eine psychotherapeutische Therapie. Ausschließlich medikamentös behandelt werden 33 Prozent der Männer und 41 Prozent der Frauen.<ref>Arolt V, Rohde A. Geschlechtsspezifische Psychiatrie und Psychotherapie: ein Handbuch: Kohlhammer; 2007. Available from: URL: https://books.google.de/books?id=Nuz_6Ln-UHMC.</ref>
+
<strong>Grafik 4. &Uuml;bersicht verschiedener Behandlungsarten bei Angsterkrankungen (M&auml;nner und Frauen) [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Wittchen &amp; Jacobi (2007). Aus: BGS 1998]</strong>
<br />
+
 
<br />
+
===Interaktion zwischen Arzt/&Auml;rztin und Patient/Patientin===
  
=== Interaktion zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin ===
+
===Behandlungserfolg/Outcome===
  
=== Behandlungserfolg/Outcome ===
+
Nachfolgende &Uuml;bersicht gibt Auskunft &uuml;ber verschiedene Behandlungsoptionen sowie &uuml;ber eventuelle Geschlechterdifferenzen in der Wirksamkeit einer Behandlung.<ref name=&quot;Arolt&quot;/>
Nachfolgende Übersicht gibt Auskunft über verschiedene Behandlungsoptionen sowie über eventuelle Geschlechterdifferenzen in der Wirksamkeit einer Behandlung.<ref>Arolt V, Rohde A. Geschlechtsspezifische Psychiatrie und Psychotherapie: ein Handbuch: Kohlhammer; 2007. Available from: URL: https://books.google.de/books?id=Nuz_6Ln-UHMC.</ref>
 
  
<small>'''Tabelle 2. Geschlechterunterschiede in der Wirksamkeit verschiedener Therapieverfahren. [Quelle: Arolt & Rohde (2007)]'''</small>
+
<strong>Tabelle 2. Geschlechterunterschiede in der Wirksamkeit verschiedener Therapieverfahren. [Quelle: Arolt &amp; Rohde (2007)]</strong>
{| class="wikitable"
 
|-
 
! Krankheitsbild !! Therapieoptionen !! Wirksamkeit - Frauen !! Wirksamkeit - Männer
 
|-
 
| style="text-align:center;background-color:#E6E6FA;" | '''Panikstörung und Agoraphobie ''' ||
 
* Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, serotonerge trizyklische Antidepressiva, selektive Noradrenalin- und Serotoninwiederaufnahmehemmer, bestimmte Benzodiazepine und Antikonvulsiva
 
  
* Kognitive Verhaltenstherapie, Kombination von Psycho- und Pharmakotherapie  
+
<table>
 +
<tr>
 +
<th>Krankheitsbild</th>
 +
<th>Therapieoptionen</th>
 +
<th>Wirksamkeit - Frauen</th>
 +
<th>Wirksamkeit - M&auml;nner</th>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td style="background-color:#e6e6fa; text-align:center"><strong>Panikst&ouml;rung und Agoraphobie </strong></td>
 +
<td>
 +
<ul>
 +
<li>Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, serotonerge trizyklische Antidepressiva, selektive Noradrenalin- und Serotoninwiederaufnahmehemmer, bestimmte Benzodiazepine und Antikonvulsiva</li>
 +
</ul>
 +
<ul>
 +
<li>Kognitive Verhaltenstherapie, Kombination von Psycho- und Pharmakotherapie</li>
 +
</ul>
 +
</td>
 +
<td>&Ouml;strogene modulieren serotonerge Funktionen und k&ouml;nnen damit den Effekt serotonerger Pharmaka beeinflussen.
  
  || Östrogene modulieren  serotonerge Funktionen und können damit den Effekt serotonerger Pharmaka beeinflussen.  
+
<br />
 +
Die Benzodiazepinrezeptoren werden durch [[Sexualhormone]] moduliert.
  
 +
<br />
 +
Geschlechterspezifische Unterschiede bei der Kognitiven Verhaltenstherapie sind bisher nicht bekannt.
  
Die Benzodiazepinrezeptoren werden durch [[Sexualhormone]] moduliert.  
+
</td>
 +
<td>&nbsp;</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td style="background-color:#e6e6fa; text-align:center"><strong>Soziale Phobie</strong></td>
 +
<td>
 +
<ul>
 +
<li>Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, Monoaminooxidasehemmer, bestimmte Benzodiazepine und Antikonvulsiva</li>
 +
</ul>
 +
<ul>
 +
<li>Kognitive Verhaltenstherapie, Kombination von Psycho- und Pharmakotherapie</li>
 +
</ul>
 +
</td>
 +
<td>Frauen zeigen eventuell mehr Wirksamkeit beim Sozialen Kompetenztraining.
  
 +
<br />
 +
&Ouml;strogene modulieren serotonerge Funktionen und k&ouml;nnen damit den Effekt serotonerger Pharmaka beeinflussen.
  
Geschlechterspezifische Unterschiede bei der Kognitiven Verhaltenstherapie sind bisher nicht bekannt.  
+
<br />
|| 
+
Die Benzodiazepinrezeptoren werden durch [[Sexualhormone]] moduliert.
|-
 
| style="text-align:center;background-color:#E6E6FA;" | '''Soziale Phobie''' ||
 
* Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, Monoaminooxidasehemmer, bestimmte Benzodiazepine und Antikonvulsiva
 
  
* Kognitive Verhaltenstherapie, Kombination von Psycho- und Pharmakotherapie
+
</td>
+
<td>M&auml;nner haben eventuell Vorteile bei der kognitiven Verhaltenstherapie.</td>
|| Frauen zeigen eventuell mehr Wirksamkeit beim Sozialen Kompetenztraining.
+
</tr>
 +
<tr>
 +
<td style="background-color:#e6e6fa; text-align:center"><strong>Spezifische Phobien</strong></td>
 +
<td>
 +
<ul>
 +
<li>Medikament&ouml;se Therapie nur in sehr schweren F&auml;llen</li>
 +
</ul>
 +
<ul>
 +
<li>Expositionstherapie, Kognitive Verhaltenstherapie</li>
 +
</ul>
 +
</td>
 +
<td>Frauen zeigen u.U. eine bessere Wirksamkeit bei Expositionstherapien.</td>
 +
<td>M&auml;nner reagieren eventuell positiver auf Kognitive Verhaltenstherapie.</td>
 +
</tr>
 +
<tr>
 +
<td style="background-color:#e6e6fa; text-align:center"><strong>Generalisierte Angstst&ouml;rung</strong></td>
 +
<td>
 +
<ul>
 +
<li>Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, selektive Noradrenalin- und Serotoninwiederaufnahmehemmer, trizyklische Antidepressiva, Benzodiazepine und Azapirone</li>
 +
</ul>
 +
<ul>
 +
<li>Kognitive Verhaltenstherapie, Kombination von Psycho- und Pharmakotherapie</li>
 +
</ul>
 +
</td>
 +
<td>&Ouml;strogene modulieren serotonerge Funktionen und k&ouml;nnen damit den Effekt serotonerger Pharmaka beeinflussen.
  
 +
<br />
 +
Die Benzodiazepinrezeptoren werden durch [[[https://gendermedwiki.uni-muenster.de/mediawiki/index.php?title=Sexualhormone Sexualhormone]]] moduliert.
  
Östrogene modulieren  serotonerge Funktionen und können damit den Effekt serotonerger Pharmaka beeinflussen.
+
</td>
 +
</tr>
 +
</table>
  
 +
===Psychosoziale Faktoren===
  
Die Benzodiazepinrezeptoren werden durch [[Sexualhormone]] moduliert.  
+
Frauen beurteilen ihre Lebensqualit&auml;t und Funktionalit&auml;t eher als M&auml;nner nach dem Vorliegen psychischer Probleme sowie nach Partnerschaft und Berufsstatus.<ref>Gamma A, Angst J. Concurrent psychiatric comorbidity and multimorbidity in a community study: Gender differences and quality of life. Eur Arch Psychiatry Clin Nuerosci 2001; 251(S2):43&ndash;6.</ref> Dennoch ergibt sich gerade bei M&auml;nnern die Tatsache, arbeitslos und alleinstehend zu sein, als st&auml;rkerer Vulnerabilit&auml;tsfaktor f&uuml;r die Entwicklung einer Angstst&ouml;rung.<ref>Klose M, Jacobi F. Can gender differences in the prevalence of mental disorders be explained by sociodemographic factors? Archives of Women&#39;s Mental Health 2004; 7(2):133&ndash;48.</ref> Frauen berichten h&auml;ufiger als M&auml;nner &uuml;ber &Auml;ngste infolge aversiver Lebensereignisse (v. a. Erfahrungen von Verlust oder Gefahr).<ref name=&quot;Arolt&quot;/> Der Geschlechterunterschied in der Pr&auml;valenz von Angsterkrankungen zeigt sich besonders deutlich in st&auml;dtischen im Vergleich zu l&auml;ndlichen Gegenden.<ref>Diala CC. Mood and Anxiety Disorders Among Rural, Urban, and Metropolitan Residents in the United States. Community Mental Health Journal 2003; 39(3):239&ndash;52.</ref>
|| Männer haben eventuell Vorteile bei der kognitiven Verhaltenstherapie.
 
|-
 
| style="text-align:center;background-color:#E6E6FA;" | '''Spezifische Phobien'''  ||
 
* Medikamentöse Therapie nur in sehr schweren Fällen
 
  
* Expositionstherapie, Kognitive Verhaltenstherapie
+
===Pr&auml;vention===
  ||  Frauen zeigen u.U. eine bessere Wirksamkeit bei Expositionstherapien. || Männer reagieren eventuell positiver auf Kognitive Verhaltenstherapie.
 
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* Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, selektive Noradrenalin- und Serotoninwiederaufnahmehemmer, trizyklische Antidepressiva, Benzodiazepine und Azapirone
 
  
* Kognitive Verhaltenstherapie, Kombination von Psycho- und Pharmakotherapie
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==Translation in die klinische Versorgung==
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Die Benzodiazepinrezeptoren werden durch [[Sexualhormone]] moduliert.  
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Notwendig erscheinen vor allem Studien, die effektive geschlechtersensible Therapien erforschen und den weiblichen Hormonstatus st&auml;rker fokussieren (Zyklusphasen, Kontrazeption, Substitutionsbehandlung, Menopause, etc.). Der Einfluss der [[Sexualhormone]] auf die Pharmakokinetik scheint relevant f&uuml;r die Effektivit&auml;t medikament&ouml;ser Therapien zu sein und damit auch die St&ouml;rungsprognose zu bedingen. In diesem Zusammenhang sind weitere Analysen zu Pathogenese und Behandlung von Angsterkrankungen w&auml;hrend der Schwangerschaft oder auch postpartal sowie in der Stillzeit dringend anzuraten.<ref name=&quot;Arolt&quot;/>
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=== Psychosoziale Faktoren ===
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==Ausblick==
Frauen beurteilen ihre Lebensqualität und Funktionalität eher als Männer nach dem Vorliegen psychischer Probleme sowie nach Partnerschaft und Berufsstatus.<ref>Gamma A, Angst J. Concurrent psychiatric comorbidity and multimorbidity in a community study: Gender differences and quality of life. Eur Arch Psychiatry Clin Nuerosci 2001; 251(S2):43–6.</ref> Dennoch ergibt sich gerade bei Männern die Tatsache, arbeitslos und alleinstehend zu sein, als stärkerer Vulnerabilitätsfaktor für die Entwicklung einer Angststörung.<ref>Klose M, Jacobi F. Can gender differences in the prevalence of mental disorders be explained by sociodemographic factors? Archives of Women's Mental Health 2004; 7(2):133–48.</ref> Frauen berichten häufiger als Männer über Ängste infolge aversiver Lebensereignisse (v. a. Erfahrungen von Verlust oder Gefahr).<ref>Arolt V, Rohde A. Geschlechtsspezifische Psychiatrie und Psychotherapie: ein Handbuch: Kohlhammer; 2007. Available from: URL: https://books.google.de/books?id=Nuz_6Ln-UHMC.</ref> Der Geschlechterunterschied in der Prävalenz von Angsterkrankungen zeigt sich besonders deutlich in städtischen im Vergleich zu ländlichen Gegenden.<ref>Diala CC. Mood and Anxiety Disorders Among Rural, Urban, and Metropolitan Residents in the United States. Community Mental Health Journal 2003; 39(3):239–52.</ref>
 
  
=== Prävention ===
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==Externe Links==
  
==Integration in die klinische Versorgung==
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==Lizenz==
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== Offene Forschungsfragen ==
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==Autoren==
Notwendig erscheinen vor allem Studien, die effektive geschlechtersensible Therapien erforschen und den weiblichen Hormonstatus stärker fokussieren (Zyklusphasen, Kontrazeption, Substitutionsbehandlung, Menopause, etc.). Der Einfluss der [[Sexualhormone]] auf die Pharmakokinetik scheint relevant für die Effektivität medikamentöser Therapien zu sein und damit auch die Störungsprognose zu bedingen. In diesem Zusammenhang sind weitere Analysen zu Pathogenese und Behandlung von Angsterkrankungen während der Schwangerschaft oder auch postpartal sowie in der Stillzeit dringend anzuraten.<ref>Arolt V, Rohde A. Geschlechtsspezifische Psychiatrie und Psychotherapie: ein Handbuch: Kohlhammer; 2007. Available from: URL: https://books.google.de/books?id=Nuz_6Ln-UHMC.</ref>
 
  
== Literatur ==
 
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Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.
 
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Zuletzt geändert: 2018-11-28 21:48:05
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Aktuelle Version vom 28. November 2018, 21:48 Uhr

Der folgende Artikel befasst sich mit Geschlechterunterschieden bei Angststörungen. Geschlechterübergreifende Inhalte zu Angststörungen entnehmen Sie bitte den AWMF-Leitlinien zu Angststörungen.

Epidemiologie[Bearbeiten]

Die Studie ''Gesundheit Erwachsener in Deutschland'' (DEGS1-MH, 2014) ergibt, dass 15.3 Prozent der deutschen Wohnbevölkerung (zwischen 18 und 79 Jahren) in einem Zeitraum von einem Jahr unter einer klinisch relevanten Angststörung leidet. Dabei sind  21.3 Prozent der Frauen und 9.3 Prozent der Männer betroffen. Frauen erkranken somit im Vergleich zu Männern mindestens doppelt so häufig an irgendeiner Angststörung (vergleiche Grafik 1).[1] [2]

5bfeff056d18e.png

Grafik 1. Prävalenz von Angststörungen bei Männern und Frauen, diagnostiziert nach DSM-IV [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Wittchen & Jacobi (2007). Aus: BGS 1998]

Ergebnisse eines niederländischen Gesundheitsberichtes (1998) weisen auf eine relativ geringfügige Differenz zwischen 12-Monats- und Lebenszeitprävalenz hin und verdeutlichen damit den häufig chronischen Verlauf von Angststörungen.[3] Nachfolgende Tabelle (Tabelle 1) gibt einen Überblick zu Lebenszeitprävalenz und geschlechterspezifischer Verteilung verschiedener Angststörungen.[4]

Tabelle 1. Lebenszeitprävalenz und Geschlechterverhältnis. [Quelle: Voderholzer & Hohagen (2013)]

Krankheitsbild Panikstörung/
Agoraphobie
Generalisierte
Angststörung
Soziale Phobie Spezifische Phobie
Lebenszeitprävalenz 6.1 % 5.7 % 12.1 % 12.5 %
Geschlechterverhältnis
(weiblich : männlich)
2.2 : 1 2 : 1 1.4 : 1 2.3 : 1

Angsterkrankungen beginnen meist in der zweiten bis vierten Dekade. Dabei manifestieren sich 60 Prozent aller Angststörungen erstmals vor dem 21. Lebensjahr (unter Vorbehalt retrospektiver Verzerrungen). Mit einem durchschnittlichen Erkrankungsbeginn von 16 Jahren (14.9 Jahre bei Frauen, 19.4 Jahre bei Männern) ergibt sich für die Spezifischen Phobien die früheste Erstmanifestation. Die Generalisierte Angststörung zeigt mit 35 Jahren (33.6 Jahre bei Frauen, 39.3 Jahre bei Männern) das durchschnittlich höchste Ersterkrankungsalter. Geschlechterunterschiede in der Erstmanifestation der jeweiligen Angsterkrankungen sind Grafik 2 zu entnehmen. Auffallend sind die gleichen Prävalenzraten für beide Geschlechter über verschiedene Altersgruppen hinweg und daraus folgend ein konstant bleibendes Geschlechterverhältnis (Odds Ratio zwischen 2.5  bis 2.8, vergleiche Tabelle 2). Das Alter scheint demnach keinen Einfluss auf die Entwicklung einer Angststörung zu besitzen, der Geschlechterunterschied zeigt sich über die Altersstufen konstant.[5] 

Tabelle 2. Ein-Monats-Prävalenz von Angststörungen in Deutschland. [Quelle: Wittchen et al. 1999]

Alter Frauen Männer Odds Ratio (w : m)
18-35 13.3 % 5.5 % 2.66
36-45 12.6 % 4.9 % 2.79
46-65 12.3 % 5.3 % 2.52
Gesamt 12.7 % 5.3 %

2.64

5bfeff061bfae.png

Grafik 2. Durchschnittsalter der Erstmanifestation einer Angststörung bei Männern und Frauen [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Wittchen & Jacobi (2007). Aus: BGS 1998]

Inzidenz/Prävalenz[Bearbeiten]

Risikofaktoren und protektive Faktoren[Bearbeiten]

Pathophysiologie[Bearbeiten]

Klinik[Bearbeiten]

Symptome[Bearbeiten]

Diagnostik[Bearbeiten]

Management von Patienten und Patientinnen[Bearbeiten]

Therapie[Bearbeiten]

Nach den Daten des Bundesgesundheitssurvey von 1998 ergibt sich, dass nur ungefähr 38 Prozent der Männer und 46 Prozent der Frauen mit einer Angsterkrankung eine medizinische oder nicht-medizinische Versorgungseinrichtung aufsuchen (unabhängig von Dauer, Art oder Häufigkeit der Behandlung). Trotz der Verfügbarkeit effektiver Therapiestrategien nehmen damit weniger als die Hälfte der Erkrankten professionelle Hilfe in Anspruch (insgesamt 44 Prozent). Grafik 3 stellt die Inanspruchnahme von Versorgungseinrichtungen bei Frauen und Männern mit Angststörungen dar.[2]

Es ergeben sich zudem Geschlechterunterschiede in der Art der (ambulanten) Behandlung, wobei Frauen jede Art von Hilfe häufiger annehmen als Männer (vergleiche Grafik 4). Erklärt werden kann die geschlechterspezifische Inanspruchnahme von Therapieangeboten u. a. durch ein unterschiedliches Hilfesuch-Verhalten: Erkrankte Frauen suchen eher medizinische Unterstützung und begeben sich häufiger in fachspezifische Behandlung als erkrankte Männer.[6] Außerdem berichten Frauen im medizinischen Setting deutlich häufiger von emotionalen Beschwerden, was per se eine höhere Anzahl an Diagnosen und Behandlungen von Angststörungen zufolge hat. Auch wenn diese emotionalen Beschwerden  keinen Krankheitswert besitzen, nehmen Frauen deutlich häufiger als Männer eine medizinische Leistung (Arztbesuch) in Anspruch (19 Prozent der Frauen und 10 Prozent der Männer). In diesem Zusammenhang diskutiert werden ein allgemein stärker ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein des weiblichen Geschlechtes sowie eine tendenziell geringere Bewertung psychischer Einflüsse auf die Gesundheit von Seiten des männlichen Geschlechtes. Ob auch unterschiedlich starke Belastungen bzw. Beeinträchtigungen das geschlechterspezifische Hilfesuch-Verhalten bedingen, kann aktuell nicht abschließend geklärt werden. Allgemein erhalten Erkrankte am häufigsten eine psychotherapeutische Therapie. Ausschließlich medikamentös behandelt werden 33 Prozent der Männer und 41 Prozent der Frauen.[7]

 

5bfeff06be1a1.png

Grafik 3. Inanspruchnahme professioneller Hilfe bei Männern und Frauen mit Angsterkrankungen [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Wittchen & Jacobi (2007). Aus: BGS 1998]

 

5bfeff076b544.png

Grafik 4. Übersicht verschiedener Behandlungsarten bei Angsterkrankungen (Männer und Frauen) [Quelle: GenderMed-Wiki, nach Wittchen & Jacobi (2007). Aus: BGS 1998]

Interaktion zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin[Bearbeiten]

Behandlungserfolg/Outcome[Bearbeiten]

Nachfolgende Übersicht gibt Auskunft über verschiedene Behandlungsoptionen sowie über eventuelle Geschlechterdifferenzen in der Wirksamkeit einer Behandlung.[7]

Tabelle 2. Geschlechterunterschiede in der Wirksamkeit verschiedener Therapieverfahren. [Quelle: Arolt & Rohde (2007)]

Krankheitsbild Therapieoptionen Wirksamkeit - Frauen Wirksamkeit - Männer
Panikstörung und Agoraphobie
  • Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, serotonerge trizyklische Antidepressiva, selektive Noradrenalin- und Serotoninwiederaufnahmehemmer, bestimmte Benzodiazepine und Antikonvulsiva
  • Kognitive Verhaltenstherapie, Kombination von Psycho- und Pharmakotherapie
Östrogene modulieren serotonerge Funktionen und können damit den Effekt serotonerger Pharmaka beeinflussen.


Die Benzodiazepinrezeptoren werden durch Sexualhormone moduliert.


Geschlechterspezifische Unterschiede bei der Kognitiven Verhaltenstherapie sind bisher nicht bekannt.

 
Soziale Phobie
  • Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, Monoaminooxidasehemmer, bestimmte Benzodiazepine und Antikonvulsiva
  • Kognitive Verhaltenstherapie, Kombination von Psycho- und Pharmakotherapie
Frauen zeigen eventuell mehr Wirksamkeit beim Sozialen Kompetenztraining.


Östrogene modulieren serotonerge Funktionen und können damit den Effekt serotonerger Pharmaka beeinflussen.


Die Benzodiazepinrezeptoren werden durch Sexualhormone moduliert.

Männer haben eventuell Vorteile bei der kognitiven Verhaltenstherapie.
Spezifische Phobien
  • Medikamentöse Therapie nur in sehr schweren Fällen
  • Expositionstherapie, Kognitive Verhaltenstherapie
Frauen zeigen u.U. eine bessere Wirksamkeit bei Expositionstherapien. Männer reagieren eventuell positiver auf Kognitive Verhaltenstherapie.
Generalisierte Angststörung
  • Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, selektive Noradrenalin- und Serotoninwiederaufnahmehemmer, trizyklische Antidepressiva, Benzodiazepine und Azapirone
  • Kognitive Verhaltenstherapie, Kombination von Psycho- und Pharmakotherapie
Östrogene modulieren serotonerge Funktionen und können damit den Effekt serotonerger Pharmaka beeinflussen.


Die Benzodiazepinrezeptoren werden durch [[Sexualhormone]] moduliert.

Psychosoziale Faktoren[Bearbeiten]

Frauen beurteilen ihre Lebensqualität und Funktionalität eher als Männer nach dem Vorliegen psychischer Probleme sowie nach Partnerschaft und Berufsstatus.[8] Dennoch ergibt sich gerade bei Männern die Tatsache, arbeitslos und alleinstehend zu sein, als stärkerer Vulnerabilitätsfaktor für die Entwicklung einer Angststörung.[9] Frauen berichten häufiger als Männer über Ängste infolge aversiver Lebensereignisse (v. a. Erfahrungen von Verlust oder Gefahr).[7] Der Geschlechterunterschied in der Prävalenz von Angsterkrankungen zeigt sich besonders deutlich in städtischen im Vergleich zu ländlichen Gegenden.[10]

Prävention[Bearbeiten]

Translation in die klinische Versorgung[Bearbeiten]

Offene Forschungsfragen[Bearbeiten]

Notwendig erscheinen vor allem Studien, die effektive geschlechtersensible Therapien erforschen und den weiblichen Hormonstatus stärker fokussieren (Zyklusphasen, Kontrazeption, Substitutionsbehandlung, Menopause, etc.). Der Einfluss der Sexualhormone auf die Pharmakokinetik scheint relevant für die Effektivität medikamentöser Therapien zu sein und damit auch die Störungsprognose zu bedingen. In diesem Zusammenhang sind weitere Analysen zu Pathogenese und Behandlung von Angsterkrankungen während der Schwangerschaft oder auch postpartal sowie in der Stillzeit dringend anzuraten.[7]

Ausblick[Bearbeiten]

Externe Links[Bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten]

Klicken Sie auf "Ausklappen" um die Literaturverweise anzuzeigen.
  1. Jacobi F, Höfler M, Strehle J, Mack S, Gerschler A, Scholl L et al. Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung: Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul Psychische Gesundheit (DEGS1-MH). Der Nervenarzt 2014; 85(1):77–87.
  2. Wittchen H, Jacobi F. Angststörungen. Nachdr. Berlin: Robert Koch-Inst; 2007. (Gesundheitsberichterstattung des Bundes; vol 21).
  3. Bijl RV, Ravelli A, van Zessen G. Prevalence of psychiatric disorder in the general population: Results of the Netherlands Mental Health Survey and Incidence Study (NEMESIS). Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology 1998; 33(12):587–95.
  4. Voderholzer U, Hohagen F. Therapie psychischer Erkrankungen: Elsevier Health Sciences Germany; 2013. Available from: URL: https://books.google.de/books?id=_BBACwAAQBAJ.
  5. Wittchen, H.-U., Müller, N., Pfister, H., Winter, S., & Schmidtkunz, B. (1999). Affektive, somatoforme und Angststörungen in Deutschland. Erste Ergebnisse des bundesweiten Zusatzsurveys "Psychische Störungen". Das Gesundheitswesen, 61, 216-222.
  6. Dickstein LJ. Gender Differences in Mood and Anxiety Disorders. American Psychiatric Press Review of Psychiatry 2000; 18.
  7. Arolt V, Rohde A. Geschlechtsspezifische Psychiatrie und Psychotherapie: ein Handbuch: Kohlhammer; 2007. Available from: URL: https://books.google.de/books?id=Nuz_6Ln-UHMC.
  8. Gamma A, Angst J. Concurrent psychiatric comorbidity and multimorbidity in a community study: Gender differences and quality of life. Eur Arch Psychiatry Clin Nuerosci 2001; 251(S2):43–6.
  9. Klose M, Jacobi F. Can gender differences in the prevalence of mental disorders be explained by sociodemographic factors? Archives of Women's Mental Health 2004; 7(2):133–48.
  10. Diala CC. Mood and Anxiety Disorders Among Rural, Urban, and Metropolitan Residents in the United States. Community Mental Health Journal 2003; 39(3):239–52.

Lizenz[Bearbeiten]

Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den vollen Lizenzinhalt finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode

Autoren[Bearbeiten]

Zuletzt geändert: 2018-11-28 21:48:05

Ein Teilgebiet der Medizin, das die Verteilung von Krankheiten in einer Bevölkerung und die damit zusammenhängenden Variablen untersucht.

Die Häufigkeit einer Krankheit oder eines Symptoms in einer definierten Population zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Die Anzahl neu aufgetretener Krankheitsfälle innerhalb einer definierten Population in einem bestimmten Zeitraum.

Die Lehre von krankhaft veränderten Körperfunktionen sowie ihrer Entstehung und Entwicklung.

Die Einwirkung des Organismus auf ein eingenommenes Arzneimittel in Abhängigkeit von der Zeit.

Die Entstehung einer Erkrankung oder der Verlauf eines krankhaften Prozesses bis zu einer Erkrankung.