Alkoholabhängigkeit/Einführungsartikel


In Deutschland trinken Männer häufiger und heftiger als Frauen Alkohol: So berichten fast 16 Prozent der Männer und knapp 13 Prozent der Frauen von sogenanntem riskanten Konsum (was bedeutet, dass der Körper dauerhafte Schäden davon tragen kann). Eine besonders gefährliche Variante des Alkoholkonsums ist das Rauschtrinken (auch unter Binge Drinking bekannt). Das Rauschtrinken wird von knapp der Hälfte aller befragten Männer und von weniger als ein Viertel der befragtenFrauen praktiziert. Auch Missbrauch (etwa 5 % der Männer und 1,5 % der Frauen) und Abhängigkeit (etwa 5 % der Männer und 2 % der Frauen) von Alkohol ist bei Männern im Vergleich zu Frauen deutlich häufiger zu beobachten.[1] Die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit kann am häufigsten im jungen Erwachsenenalter gestellt werden und nimmt mit dem Alter stetig ab. Vor einem Alter von 18 sind die Häufigkeiten und Heftigkeit des Alkoholkonsums für beide Geschlechter eher gleich, d. h. die männliche Dominanz bezüglich Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit entwickelt sich erst im Erwachsenenalter.[2]

Frauen zeigen eine höhere Anfälligkeit für die giftigen Auswirkungen von Alkoholkonsum. Diese Anfälligkeit hängt unter anderem damit zusammen, dass Frauen beim Trinken derselben Menge einen höheren Alkoholspiegel erreichen und Alkohol im weiblichen Organismus langsamer abgebaut und umgewandelt wird als im männlichen.[3] Aber auch bei vergleichbarem Alkoholspiegel äußern Frauen deutlich mehr Beschwerden hinsichtlich Wahrnehmungsbeeinträchtigungen, Schläfrigkeit und Schlafstörungen, wohingegen Männer aggressiver werden.[4] Zudem werden für Frauen höhere Risiken für das Entwickeln von speziellen Lebererkrankungen (u. a. chronische Erkrankungen wie Leberzirrhose) angegeben und das Herz wird schneller durch Alkohol angegriffen, was sich durch die geringere Menge an Alkohol zeigt, die Frauen im Leben getrunken haben, bevor sich eine alkoholische Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung) entwickelt.[5] Die Wahrscheinlichkeit, an bestimmten Formen von Krebs zu erkranken, variiert auch je Geschlecht:[6] Durch Alkoholkonsum steigt besonders das Risiko bei Frauen für Brustkrebs, während Männern vermehrt an Krebs im Mund- und Rachenraum sowie der Speiseröhre erkranken.

Studien ergeben, dass die Sterblichkeitsrate bei Frauen schon bei einem Konsum ab zweieinhalb Gläsern pro Tag steigt, während dies bei Männern erst ab einem Konsum von viereinhalb Gläsern pro Tag beobachtet wird.[7]

Spezielle Risiken für Frauen finden sich im Bereich der Schwangerschaft, da Alkoholkonsum u. a. mit spontanen Fehlgeburten oder der Entwickelung eines Fetalen Alkoholsyndroms (vorgeburtlich entstandene Schädigung eines Kindes durch Alkoholkonsum der Mutter) assoziiert ist.[8]

Bei Alkohol geben Frauen öfter Problembewältigung als Grund für den Konsum an, während Männer eher Spaß als Motivation nennen.[9] Heftige Trinkerinnen reagieren zudem bei Stress und sozialen Problemen eher mit dem Verlangen nach Alkohol („Craving“) und Rückfall, während Männer sensibler für Hinweisreize sind, die sie mit dem Alkoholkonsum verbinden.[10]

Therapeutisch scheinen Männer mehr durch klare Strukturen, wie sie z. B. bei den Anonymen Alkoholikern bestehen, zu profitieren.[11] In diesen Gruppen wird die Einflussmöglichkeit auf die Abhängigkeit eher abgelehnt, wohingegen Frauen für einen Behandlungserfolg Gruppen benötigen, in denen Emotionen bearbeitet werden und Fähigkeiten wie Selbstbewusstsein oder Selbstwirksamkeit betont werden. Deshalb empfehlen sich für Frauen auch eher geschlechtshomogene Gruppen, da sie sich unter Frauen sicherer fühlen und für sie relevante Thematiken besser angesprochen werden.[12]
Für Frauen ist soziale Unterstützung ein Faktor, der stärker als bei Männern sowohl die Aufnahme einer Therapie als auch den Behandlungserfolg beeinflusst.[13] Zudem wirkt der Drogenkonsum ihres Partners steigernd auf den eigenen Konsum.[14] All diese Barrieren können bei Frauen durch eine gemeinsame kognitive Verhaltenstherapie angegangen werden. Insgesamt sieht die Befundlage so aus, dass sich eine solche Drogentherapie mit dem Partner zusammen als positiv für das Ziel der Reduzierung des Alkoholkonsums und der Abstinenz herausstellt, wobei einzelne Sitzungen zwischendurch einen noch größeren Effekt haben, der durch den Wunsch der Frau, neben Paarsitzungen auch eine individuelle Therapie vorzunehmen, vermittelt wird.[15]

Literatur[Bearbeiten]

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  1. Pabst, A., Kraus, L., De Matos, E. G., & Piontek, D. (2013). Substanzkonsum und substanzbezogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht, 59(6), 321–331.
  2. Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.
  3. Greenfield, S. F., Back, S. E., Lawson, K., & Brady, K. T. (2010). Substance Abuse in Women. Psychiatric Clinics of North America, 33(2), 339–355.
  4. Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addiction Biology, 21(5), 1030–1042.
  5. Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addiction Biology, 21(5), 1030–1042.
  6. Roswall, N., & Weiderpass, E. (2015). Alcohol as a risk factor for cancer: Existing evidence in a global perspective. Journal of Preventive Medicine and Public Health, 48(1), 1–9.
  7. Di Castelnuovo, A., Costanzo, S., Bagnardi, V., Donati, M. B., Iacoviello, L., & de Gaetano, G. (2006). Alcohol dosing and total mortality in men and women: an updated meta-analysis of 34 prospective studies. Archives of Internal Medicine, 166(22), 2437–2445.
  8. Agabio, R., Campesi, I., Pisanu, C., Gessa, G. L., & Franconi, F. (2016). Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addiction Biology, 21(5), 1030–1042.
  9. Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.
  10. Becker, J. B., McClellan, M., & Reed, B. G. (2016). Sociocultural context for sex differences in addiction. Addiction Biology, 21(5), 1052–1059.
  11. Zenker, C. (2005). Sucht und Gender. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz, 48(4), 469–476.
  12. Zenker, C. (2005). Sucht und Gender. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz, 48(4), 469–476.
  13. Greenfield, S. F., Brooks, A. J., Gordon, S. M., Green, C. A., Kropp, F., McHugh, R. K., … Miele, G. M. (2007). Substance abuse treatment entry, retention, and outcome in women: a review of the literature. Drug and Alcohol Dependence, 86(1), 1–21.
  14. Kuhn, C. (2015). Emergence of sex differences in the development of substance use and abuse during adolescence. Pharmacology & Therapeutics, 153, 55–78.
  15. McCrady, B. S., Epstein, E. E., Hallgren, K. A., Cook, S., & Jensen, N. K. (2016). Women with alcohol dependence: A randomized trial of couple versus individual plus couple therapy. Psychology of Addictive Behaviors, 30(3), 287–299.
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Zwanghaftes Bedürfnis bzw. unwiderstehlicher Drang nach einem bestimmten Stimulus (Reiz), z. B. einer chemischen Substanz (Droge).

(engl.: craving = Verlangen) Starkes Verlangen nach einer bestimmten Substanzwirkung.

Zwanghaftes Bedürfnis bzw. unwiderstehlicher Drang nach einem bestimmen Stimulus (Reiz), z. B. einer chemischen Substanz (Droge).

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